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G: EIN WIRTSCHAFTS-PROGRAMM FÜR TRIEST, VORGELEGT IM JAHRE 1917(Alfred Escher 1917).

I: Vorbemerkungen.

Der Weltkrieg hat durch die Unterbindung des Seeverkehrs noch nachdrücklicher die Erkenntnis dessen geschärft, was der Küstenbesitz, die eigenen Seehafen und die eigene Flotte für die Entwicklung des Wirtschaftslebens im Frieden bedeuten.

Das Fehlen Triests in den Kriegsjahren hat der österreichischen Öffentlichkeit zu Gemüte geführt, wie teuer die auswärtige Vermittlung zu stehen kommt und wie abhängig und beengt eine Handelspolitik dann ist, wenn sie nicht auch über ausschließlich eigene Verkehrsmittel verfügt.

Der Krieg muß aber die Öffentlichkeit auch darüber belehrt haben, daß Triest für das Reich noch viel mehr sein muß, als es bisher sein konnte, daß seine Leistungsfähigkeit noch erhöht werden muß, um den erhöhten Anforderungen der Reichswirtschaft zu entsprechen.

Zu diesem Zwecke und um den österreichischen Interessen im Welthandel voll zu dienen, muß Triest nicht nur aus eigener Kraft, sondern auch unter Mitwirkung des ganzen Reiches größer gemacht werden.

Der Staat wird im wohlverstandenen eigenen Interesse dem Reichshafen die Mittel hiefür zur Verfügung stellen, als eine notwendige Investition, die doppelten Gewinn tragen wird.

Was für Triest getan wird, geschieht für das Reich! Diese Überzeugung muß und wird sich während und nach dem Kriege immer mehr festigen.

Die künftigen Ziele der österreichischen Handelspolitik werden – zwecks Hebung der Produktion und Regelung der Valuta – die Industrialisierung des Landes und die möglichste Erweiterung der direkten internationalen Handelsbeziehungen zu umfassen haben.

Letzteres Ziel setzt vor allem die Ausgestattung Triests als großen Weltverkehrshafen voraus. Die Maßnahmen, die unseres Erachtens zur Sicherung des angestrebten Zweckes getroffen werden sollen, haben wir in mehrere Programmpunkte zusammengefaßt.

Wir haben hier die Sanierung der Kriegsschaden und die Retablierung des durch den Krieg unterbundenen Triester Wirtschaftslebens außer Betracht gelassen, da diese Frage mit den von uns behandelten gesamtstaatlichen Wirtschafts- und Verkehrsinteressen nicht unmittelbar im Zusammenhange steht.

 

II: Die prompte Instandsetzung und Ausgestaltung der Verkehrsanlagen und Verkehrsmittel.

1) Unmittelbar zu treffende Maßnahmen.

1.1. Flottmachung der Handelsflotte.

Es muß vorgesorgt werden für die rechtzeitige Beschaffung, Reparatur und Bemannung der Schiffe und für die Bereitstellung der Betriebsmittel.

Hiezu gehört die Bereitstellung der Trockendocks und die Instandsetzung der Maschinen und Schiffskörper.

Die von der Militärverwaltung requirierten Schiffe wären in der kürzesten Zeit dem Verkehr Zur Verfügung zu stellen.

Im Friedensinstrumente wäre die sofortige Herausgabe der von den Feinden zurückgehaltenen österreichischen Handelsschiffe zu bedingen.

Das gesamte Personal der Reedereien, der Werften und Docks wäre in der kürzesten Zeit zur Verfügung zu stellen, daher bei der Demobilisierung und Räumung der Flüchtlingslager heimzubefördern.

Die zur Instandsetzung der Schiffe und zur entsprechenden Einrichtung der Werften nötigen Materialien wären vorzugsweise zu liefern und deren Transport wäre besonders zu beschleunigen. Die Verwendung der Schiffe hätte in der ersten Zeit je nach ihrem Zustande und ihrer Lage planmäßig zu erfolgen.

1.2. Bereitstellung der Hafenanlagen.

Zur Bewältigung des Importverkehrs ist die Bereitstellung der Hafenanlagen mit allen Mitteln zu beschleunigen.

Insbesondere sind die Moli V und VI im Triester Franz Josephshafen verkehrsbereit zu machen und die dazu gehörigen Hangars zu errichten. Insoweit definitive Hangarbauten nicht sofort in Angriff genommen werden könnten, sind provisorische Schuppen und Flugdächer aufzuführen.

Gerade mit Rücksicht auf die Anforderungen der nächsten Zeit ist für die nötigen Spezialanlagen für den Getreide-, Kohlen-, und Kühlfleischverkehr im Sinne der schon seit längerer Zeit behandelten Pläne vorzusorgen.

Für den Getreideverkehr im Triester Hafen wäre die Schaffung von schwimmenden Exhaustoren, die Anbringung von Scherengreifern an einigen Kränen und die Vermehrung der automatischen Wagen mit Sackierungseinrichtungen, im Zusammenhang mit der Vorratswirtschaft die Errichtung eines Getreidesylos in Betracht zu ziehen.

Für den Kohlenverkehr ist im Triester Hafen die Errichtung eines provisorischen Kohlenlagers mit modernen maschinellen Einrichtungen derart vorzunehmen, daß die Anlagen sowohl für den Kohlenimport mit der Bahn wie für den Kohlenexport seewärts eingerichtet sein müssen. Die Anlage eines definitiven Kohlenhafens in der Nähe von Triest wäre zu einem späteren Zeitpunkte in die Wege zu leiten.

Die im Hafen zu errichtenden Kühlanlagen hätten endlich sowohl dem Kühlfleischimport wie der Einlagerung sonstiger verderblicher Waren(Orangen, Bananen, Obst überhaupt, Eier, Fische, Felle, Häute usw.) dienstbar gemacht zu werden.

1.3. Bereithaltung der Bahnanlagen und Bahnbetriebsmittel.

Die Bahn- und Rangieranlagen in Opcina sollen der Teilung der Verkehre für die beiden Triester Freigebiete gleich nutzbar gemacht werden. Der Pendelverkehr zwischen den beiden Häfen ist zu verdichten.

Das Waggonmaterial für den Triester Verkehr(Waggons, Lokomotiven, Lademittel) ist rechtzeitig bereit zu halten und die entsprechende Anforderung und rasche Beistellung durch organisatorische Maßnahmen unter Mitwirkung der Triester Verkehrsinteressen zu sichern.

Hat doch das ganze Reich, die Industrie und der Konsum an der raschen Löschung der Schiffe und an dem beschleunigten Abtransport der überseeischen Importgüter das größte Interesse!

1.4. Beschleunigte Aktivierung der Hafen- und Verwaltungsbehörden.

Die Unterbindung des wirtschaftlichen Lebens in Triest hat teils mehrere Behörden und Anstalten zur Übersiedlung in das Hinterland veranlaßt, teils deren Beamtenpersonal verringert und zersplittert.

Noch vor Aufnahme des Hafenbetriebes müssen daher alle am Hafenverkehr mittelbar und unmittelbar beteiligten Verwaltungs- und Verkehrsbehörden und -Anstalten wieder in vollem Maße aktiviert und deren Personal bereitgestellt werden. Insbesondere gilt dies vom Personal der See-, Finanz- und Lagerhausverwaltung.

1.5. Beschaffung von Arbeitskräften. Vorsorge für entsprechende Unterkunft und Verköstigung der Arbeiterschaft

Das Wiederaufleben des Hafens, die Arbeitsfähigkeit der Marine, der Lagerhausanstalt, der Bahnen erfordert dringendst die rasche Beistellung des nötigen Beamten- und Arbeiterpersonals.

Die leitenden Kräfte für die Organisation des Arbeits- und Geschäftslebens und die im Hafenverkehr verwendbaren Arbeitskräfte sind ohne Verzug freizumachen und zu ergänzen.

Nicht minder wichtig als die Beistellung der Arbeiter ist die unerläßliche Vorsorge für deren entsprechende Unterkunft und Verköstigung, um den Arbeitern auch erträgliche Existenzbedingungen zu sichern. Diesem wichtigen Ziele hätte die Regierung im Einvernehmen mit den Triester Faktoren ein besonderes Augenmerk zuzuwenden.

Die Vorbereitung für eine verläßliche und rasch funktionierende Arbeitsvermittlung wäre rechtzeitig zu treffen.

1.6. Beschaffung der Transportmittet und Zugtiere.

Die Rollfuhrwerke stellen eine unersetzliche Ergänzung der Hafenverkehrsmittel dar. Die Komplettierung des Wagen- und Pferdematerials wäre im Einvernehmen mit der Heeresverwaltung ehestens organisatorisch sicherzustellen und hiebei insbesondere auch auf die Beistellung von Kraftfahrzeugen und einer entsprechenden Menge geschulter Fahrer und von Betriebsmaterial aus den Vorräten der Heeresverwaltung Bedacht zu nehmen.

Der Mangel an Rollfuhrwerken und Arbeitern in Triest könnte selbst bei verringertem Verkehr eine Stockung verursachen, die gerade in der ersten Zeit für die Industrie und für die Allgemeinheit verhängnisvoll sein müßte.

1.7. Milderung des Kriegsrisikos durch Entfernung der Minen.

Die Säuberung der Adria von den Minen ist eine selbstverständliche Maßnahme, welche die Kriegsmarine gleich nach dem Kriege zweifellos durchführen wird.

 

2) Weitere Maßnahmen.

2.1. Weiterer Ausbau der Flotte und Ausgestaltung der Schiffbauindustrie.

Das Nähere hierüber ist unter IV ausgeführt. Hier wollen wir nur hervorheben, daß zu den dringenderen maritimen Vorkehrungen in Triest auch die Schaffung von entsprechenden Schiffsdockungsanlagen gehört.

2.2. Planmäßige Komplettierung der Hafenverkehrsanlagen.

a) Import.

Für den Importverkehr ist der organische Ausbau der projektierten Lagerhäuser im Franz Josephshafen in Angriff zu nehmen. Bei der Fertigstellung der weiteren Lagerhäuser ist auf die Bedürfnisse der Vorratswirtschaft Rücksicht zu nehmen.

b) Export.

Abgesehen von den für den Importverkehr empfohlenen Anlagen ist eine stärkere Vorsorge für die Abwicklung des Exportverkehrs unerläßlich.

Bei entsprechender Erweiterung des Hafengebietes und der Lagerräume, wie sie bereits geplant ist, wird sich die Möglichkeit bieten, ohne Nachteile für den Import den Export besser zu bedienen.

Zu den einschlägigen Maßnahmen gehören:

die Teilung der Anlageplätze für Import und Export, wie sie in vielen großen Häfen durchgeführt ist;

die Schaffung von Verteilungsmagazinen für den Stückgutverkehr und von provisorischen Uferschuppen für den Massengütertransport;

die Schaffung größerer Bahnlagerräume der k.k. Staatsbahnen im Freihafen und die Bereitstellung von Vorrichtungen für den Schwergutverkehr.

Der Triester Hafen benötigt bei der erhofften Entfaltung seines Verkehrs vor allem mehr Raum an der See und mehr Bewegungsfreiheit nach der Landseite!

 

III: Die Stärkung des Seeverkehres und die Förderung des eigenen und des internationalen Verkehres über Triest.

1)Vorbemerkungen.

Im vorausgehenden Abschnitte haben wir die technischen Voraussetzungen für die Leistungsfähigkeit Triests gestreift, der vorliegende und die folgenden Abschnitte sollen die wirtschaftspolitischen Richtlinien für deren Ausnützung entwerfen.

Wir haben die Notwendigkeit der Stärkung der Flotte schon verfochten und zur Genüge dargelegt, daß die eigene Handelsflotte als ein Pionier des Verkehrs die Brücke zum Weltmarkt schlägt, daß sie eine gewichtige materielle Stütze der Kriegsmarine ist und die politische Macht des Staates hebt.

Andrerseits führt die Erkenntnis, daß Triest nur mit Anspannung aller Kräfte sein Ziel, die Hauptstraße des österreichischen Verkehrs zu sein, erreichen kann, zur Heranziehung des Triester Verkehrs als Grundbedingung der österreichischen Verkehrspolitik.

Voraussetzung hiezu ist eine vorurteilslose Schiffahrts- und Eisenbahnpolitik. Solange die österreichische Schiffahrt mit übermächtigen fremden Reedereien zu kämpfen hat, solange Triest nicht dem Endziele seiner internationalen Stellung nähergerückt ist, muß die österreichische Handelsmarine, muß Triest durch die Verkehrspolitik des Reiches gestützt werden.

 

2) Maßnahmen zur Hebung der Schiffahrt.

2.1. Kriegsschädenvergütung.

Die Berechtigung des Anspruches der österreichischen Reederei auf eine Entschädigung für die im Kriege erlittenen schweren Verluste steht nach unserer Meinung ganz außer Frage.

Die nähere Begründung dieses Anspruches übersteigt den Rahmen dieser Schrift, und wir wollen diesfalls nur darauf hinweisen, daß Deutschland schon im Jahre 1871 das Recht der deutschen Reedereien auf einen Ersatz der erlittenen Kriegsschäden in einem besonderen Gesetze anerkannte und sich auch gegenwärtig mit der Frage der Entschädigung der Handelsmarine und mit der staatlichen Mitwirkung am Wiederaufbau der Handelsflotte eingehend beschäftigt.

2.2. Die Subventionierung der Schiffsbauindustrie.

Auch bei uns wird die Frage der Schiffsbauten eine hervorragende Rolle in der Retablierungspolitik spielen und die Stärkung und Ausgestaltung der Schiffsbauindustrie erfordern.

Die auf den Schiffsbau bezüglichen Teile des Marineunterstützungsgesetzes bieten eine Unterlage für die weitere Entwicklung. Die bisherigen Erfolge des Gesetzes bestätigen die Zweckmäßigkeit seiner Bestimmungen, wobei allerdings die Anforderungen unserer Zeit auch der Unterstützung des Schiffsbaues viel weitere Grenzen ziehen werden. Wie das Interesse an der Erstellung der Schutzzollsätze mahnt, so wird im vorliegenden Falle, wo es sich um eine durch keinen Zoll geschützte Industrie handelt, zu erwägen sein, daß die bisherigen Kontingente bei weitem nicht genügen. Wenn man das Ziel, eine starke Flotte zu besitzen, anstrebt, muß man auch die Mittel hiefür durch Erweiterung des Rahmens der Zuschüsse bewilligen.

2.3. Die Unterstützung der Handelsmarine.

Das Marineunterstützungsgesetz hat neben der Förderung des Schiffsbaues die Unterstützung der Handelsmarine zum Gegenstande. Es wird ergänzt durch die hinsichtlich der Liniendienste abgeschlossenen Schiffahrtsverträge.

Die organische Ausgestaltung der Schiffahrtssubventionspolitik ist eine der wichtigsten Aufgaben des Reiches, sollen die Früchte der bisherigen schönen Entwicklung nicht verloren gehen und Triest und der österreichische Seeverkehr nicht abermals, wie einst bei der Eröffnung des Suezkanals, einen in der Wirtschaftsgeschichte entscheidenden Zeitpunkt verpassen.

Das detaillierte Programm des künftigen Aufbaues der Marinesubsidien und der Schiffahrtsverträge steht heute nicht zur Gänze fest und kann auch bis zur Klarlegung der wirtschaftlichen Beziehungen nach dem Kriege nicht genau formuliert werden.

Als Richtung muß aber heute schon gelten, daß die bisherige schiffahrtspolitik grundsätzlich fortgeführt und wesentlich ausgestaltet werden soll. Es muß als Grundgedanke festgehalten werden, daß im allgemeinen Interesse die österreichische Marine einer Stütze bedarf, um auf die Höhe der mächtigeren konkurrierenden Reedereien gehoben zu werden und um ihren Dampferpark zu komplettieren und weiter auszubauen, daß ferner die Schaffung einer möglichst großen Anzahl direkter Dampferverbindungen mit den wichtigsten überseeischen Märkten im allgemeinen Interesse Förderung verdient.

2.4. Die stärkere Benützung der eigenen Schiffahrt für den Aus- und Rückwandererverkehr.

Falls ein Auswandererverkehr nach dem Kriege noch in Frage kommen sollte, ist er, soweit als möglich, dem eigenen Verkehr vorzubehalten.

Hinsichtlich des Auswanderertransitverkehrs ist die entsprechende Berücksichtigung der österreichischen Reedereien, beziehungsweise des Triester Hafens als Einschiffungshafen anzustreben.

Die Regelung des eigenen Auswandererverkehrs ist durch Erlassung eines Auswanderungsgesetzes zu sichern.

Als notwendiges Korollar hiezu kommen noch in Betracht:

Die Kodifizierung unseres Seerechtes.

Die Ausarbeitung einer Seemannsordnung.

Der organische Ausbau der sozialpolitischen Vorsorge für die Seeleute.

 

3) Eisenbahntarifpolitik. Der Aufbau der Triester Bahntarife auf dem Grundsatze der Konkurrenz mit den ausländischen, nach und von Österreich führenden Verkehrswegen.

Das einer selbständigen Verkehrspolitik vorschwebende Ziel, die eigenen Verkehrswege immer leistungsfähiger zu machen, erheischt: die Verkehrsleitung über diese Wege dort tarifarisch besonders zu stützen, wo die mächtigeren Hilfsmittel oder die günstigeren Vorbedingungen der ausländischen Routen die Konkurrenz der eigenen Wege erschweren.

Kein Mittel darf gescheut werden, um die ökonomische Parität der Transporte mit den anderen Häfen bis in die österreichischen Industriezentren zu erreichen. Dieses Prinzip muß als eine Frage der Selbständigkeit der österreichischen Wirtschaftspolitik in den internationalen Abmachungen klar ausgedrückt werden.

Die vom Triester Hafen gebotenen Vorteile der beschleunigten Beförderung (speziell im östlichen Verkehr) sind durch ein entsprechendes Einvernehmen der beteiligten Bahnverwaltungen und der Schiffahrt bei der Regelung der Instradierung zur Geltung zu bringen.

Zwecks Ansammlung von Vorratsgütern sind besondere Begünstigungen zu gewähren.

Bei der Tariferstellung und Tarifanwendung ist speziell auch das Interesse des Triester Eigenhandels zu wahren.

Sowohl was die Höhe der Frachten im gebrochenen Verkehr – im Vergleiche mit dem durchgehenden Verkehr – betrifft, wie hinsichtlich der Modalitäten der Reexpedition in Triest, soll die möglichste Beteiligung des Triester Handels an dem über Triest geleiteten Verkehr ermöglicht werden.

Die einschlägigen Bedingungen sind den kommerziellen Bedürfnissen und den tatsächlichen Verhältnissen im Hafen anzupassen.

 

IV: Die Hebung der Industrie und des Handels Triests und seines Hinterlandes.

4.1. Vorbemerkung.

Triest darf nicht nur als Zuschauer dem vorbeifließenden Verkehr die Schleusen öffnen, es muß selbst als werbender Faktor im Welthandel auftreten. Dazu bedarf es der gesteigerten Ausbildung als Markt- und Handelsplatz und einer Stütze in der industriellen Tätigkeit seines Hinterlandes.

4.2. Industrie.

Folgende Forderungen sind hier gerechtfertigt:

a)       Bei der Hebung der industriellen Produktion in Österreich ist der Begünstigung der Industriebildung in den südlichen Gebieten und in den Alpenländern ein besonderes Augenmerk zu widmen.

b)      Die Ausnützung der Wasserkräfte in den Alpenländern ist als eine dringende, für die wirtschaftliche Zukunft dieser Länder entscheidende Frage rechtzeitig in Verhandlung zu bringen. Zu diesem Behufe sollen durch den Staat an geeigneten Punkten Vorarbeiten zur Messung der Wassermengen und zur Ermittlung der geeignetsten Stellen eingeleitet werden.

c)       Die eine wertvolle Hilfsquelle der Küsten- und Alpenländer darstellende Fremdenindustrie ist planmäßig zu unterstützen.

4.3. Handel.

a)     Förderung des Triester Handels in der Übergangswirtschaft. Sollte der Staat während der Übergangswirtschaft auf die Wareneinfuhr Einfluß nehmen, so hätte er nicht nur die Einfuhr über den Triester Weg zu leiten, sondern im eigenen Interesse auch die weitestgehende Mitwirkung des Triester Handels in Anspruch zu nehmen.

b)    Förderung der Lager- und Marktbildung in Triest. Um Triest auch eine wirtschaftliche Expansionskraft zu sichern, muß die Lagerbildung und der Markt erweitert werden. Aus dem vorteilhaften Import von Überseeartikeln ergibt sich die Konvenienz der Stapelung der Waren im Hafen, aus dieser entsteht der Markt. Die Schaffung entsprechender Einrichtungen, wie Prüfungsanstalten, Arbitragebureaus u. dgl. leiten zur Gründung der Warenbörsen über. Nur damit allein kann Triest als österreichischer Importmarkt gehoben werden.

c)     Behufs Förderung der Handelsoperationen ist die Einrichtung von Warenterminmärkten und Warenauktionen in Triest weiter auszubauen.

d)    Die Lager- und Marktbildung ist dann hauptsächlich durch die Ausgestaltung der geltenden Differentialzölle bei der Einfuhr zur See zu fördern. Die Liste der zolldifferenzierten Artikel ist im Interesse der Schaffung neuer Verkehre und der Ausdehnung des Marktes auf neue Artikel auszudehnen. Die Beibehaltung und Ausgestaltung der Differentialzölle gehört zu den wichtigsten handelspolitischen Forderungen Triests. Es ist dies ein durchaus berechtigtes, notwendiges und wirksames Mittel, um den eigenen Handel und Verkehr zu stärken, um die Vorratsbildung zu fördern und um den Wettbewerb der eigenen Verkehrswege zu stützen.

e)     Die Wiederherstellung des Wahlverkehrs. Die schon genugsam bekannten Gründe, welche für die Wiedereinführung des Wahlverkehrs sprechen, haben durch die Interessen der Vorratswirtschaft und durch das gesteigerte Interesse am Exporte eine wesentliche Bereicherung erfahren. Triest erwartet sich hievon gleichfalls eine Belebung seiner Handelstätigkeit.

f)      Die Organisation der Arbitrage und der Warenprüfungen für überseeische Artikel in Triest. Hiefür hat das Triester Handelsmuseum schon vorgearbeitet. Die vom Ministerium für öffentliche Arbeiten anerkannte Warenprüfungsanstalt des Handelsmuseums erscheint hiezu vorzüglich geeignet und wäre nur noch weiter auszubilden. Wir können hier nicht alle Hilfsmittel erschöpfen, welche die Entwicklung des Handels im allgemeinen und jene des Überseehandels im besonderen begünstigen, wie zum Beispiel die Schaffung entsprechender Bankeinrichtungen auf den wichtigsten ausländischen Marktplätzen, die Kommerzialisierung der Konsulate, die Förderung der persönlichen Beziehungen mit den Ländern der Übersee, die Begünstigung eigener Niederlassungen im Auslande u. dgl. Immerhin wollen wir hier insbesondere noch hervorheben:

g)     die entsprechende Modernisierung des kommerziellen Unterrichtes durch Anpassung der Handelslehranstalten an die erhöhten Anforderungen des internationalen Handelsverkehrs und

h)    die Heranziehung arbeitsfreudiger, tüchtiger kommerzieller Elemente nach Triest.

Die wichtigste Voraussetzung für das Gedeihen des Handels ist jedoch die entsprechende Wertung des Eigenhandels und die Rücksichtnahme auf seine Bedeutung als eines so wichtigen Gliedes in der Volkswirtschaft aller kulturreichen Länder.

Im Welthandel gilt die Losung: „Freie Bahn für die freie Initiative unter Teilung der Arbeitsfunktionen“. Diese Smithsche Grundlehre möge auch in Österreich zur Geltung kommen!

 

V: Die Sicherung der eigenen Geltung an der Adria und der dem Reiche gebührenden selbständigen Stellung auf dem Meere und dem Weltmarkte durch Konzentrierung der eigenen überseeischen Handelsbeziehungen in Triest.

Die Überschrift, die wir für diesen letzten Abschnitt gewählt haben, erscheint als die zusammenfassende Folgerung der in den vorhergehenden Abschnitten entworfenen Maßnahmen.

Die Konzentrierung der Interessen am Überseehandel im eigenen Hafen durch eigene Verkehrsmittel begründet die internationale Geltung unseres Handels. Der internationale Import und Markt sichern die billigste und reichlichste Vorratsbildung, fördern den eigenen Exportverkehr und heben durch die Schaffung der Ausfracht die Schiffahrt.

Ist unsere Verkehrsorganisation soweit gediehen, daß sie den einen Verkehr voll aufnehmen kann, so steckt sie sich höhere Ziele und weitere Grenzen. Sie wird dann auch im ausländischen Verkehr durch Linienbildung zwischen fremden Häfen und auch über die Grenzen des eigenen Landes hinaus die Vermittlerrolle übernehmen und die Handels- und Zahlungsbilanz des eigenen Landes verbessern.

Solcher Art verbreiten die eigene Schiffahrt und der eigene Handel die Macht der heimischen Volkswirtschaft und die Hochschätzung der eigenen Flagge über die Länder und Meere.

Mit dieser, den Leitfaden unserer Darstellung wiedergebenden Feststellung sind wir am Ende unserer Schrift angelangt.

Weit entfernt davon, hiemit einseitig Sonderinteressen verfechten zu wollen, erheben wir Anspruch darauf, hiedurch für die wirtschaftliche Erstarkung und für die wirtschaftliche unabhängige Weltstellung des Reiches eingetreten zu sein.