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EDITORIAL: I: Vorbemerkung. Anlässlich des Jubiläums „160 Jahre Eisenbahn in Triest(1857-2017)“, da konnte man sie dort und da wieder hören, diese herkömmlichen Schlagworte zu dieser Stadt und diesem Hafenplatz, zumeist vorgetragen von Neo-Nationalisten oder diesen von der adriatischen Sonne beschienenen „Fröhlichen Gnocchi“ aus Österreich, zusammengehalten eigentlich nur vom Trachten-Rock und oben drauf dann noch so ein Strohhut… Hier sollen zunächst einmal die gängigsten Schlagworte präsentiert und einer Kritik unterzogen werden.
II: Schlagwort No. 1 – Triest war die treueste Stadt des reaktionären Wiener Regimes(„Urbs Fidellissima“). Also das stimmt natürlich zu 100%. Die Gnocchi(s.o.) allerdings würden sofort behaupten, dass das „Wiener Regime“ von Kaiser Franz Joseph, dem Menschenschlächter Radetzky &. Co. gar nicht „reaktionär“, sondern sogar „fortschrittlich“ gewesen wäre. Nun gut: Irgendeinen Grund muss es aber gegeben haben, dass dieses „Österreich“ sein „Reich“, welches einst von der Schneekoppe bis Kotor, vom Bodensee bis zur Bukowina erstreckte, verloren hat. Mehr wäre dazu eigentlich gar nicht zu sagen. Wie kam Triest eigentlich zu Österreich? In der Zeit nach der „Völkerwanderung“ begann die ehemals solide Provinz „Italia“ des Imperium Romanum politisch völlig zu zerfallen. Klein-Herrschaften, Klein-Kriege oft größter Heftigkeit folgten über die Jahrhunderte. Und jeder suchte so seinen „Trumpf“ gegenüber dem Feind! Bemerkenswerte „Kriegs-Maschinen“ wurden in dieser historischen Phase erdacht und zum Teil hergestellt. Der „Panzer“ des Leonardo da Vinci(1452-1519):
WIKI GEMEINFREI Eine Skizze. Das relativ unbedeutende, aber politisch freche und höchst selbstbewusste Triest sah seinen politisch-militärischen Ausweg damals aber nur darin, mit selbstdarstellerischem Gestus in die Arme des mächtigen Nachbarn „Österreich“ zu sinken. Das war im Fall des Falles die „Beste Kriegsmaschine“ v.a. gegenüber dem Erzfeind Venedig. Der politische Anschluss fand feierlich im Jahre 1382 statt. Die „Italienischen Seemächte“ Genua und Venedig – Und am Rande Triest:
Copyright: Elmar Oberegger Venedig und Genua hatten einst um Triest gestritten. Der politische Anschluss Triests an Österreich fand im Jahre 1382 statt. Für gut 100 Jahre blieb Triest samt seinem Bezirk eine „Österreichische Exklave“(für die damalige Zeit übrigens im internationalen Vergleich kein „Sonder-Zustand“!), erst als Görz und Gradiska „österreichisch“ wurden, war es mit dem Kernland territorial wirklich verbunden. „Triest“(Stadt &. Bezirk) und „Österreich“ von 1382 bis ca. 1500/11:
Copyright: Elmar Oberegger Das freche Triest spielte diesen 1382 erhaltenen Trumpf schon bald politisch höchst selbstbewusst aus. Doch die Konflikte mit Venedig kochten immerhin nie über, gipfelten nie in einem „Krieg Venedig vs. Österreich“. Ende des 18. Jahrhunderts kam dann auch Venedig zu Österreich, allerdings nicht freiwillig. Im Revolutionsjahr 1848 jedenfalls stand Triest zu 100% loyal(!) zu Österreich und machte damit seinem Ehrentitel „Urbs Fidellissima“(1819) alle Ehre. Venedig hingegen wagte damals den Aufstand. Sein revolutionäres Regime konnte erst 1849 durch Radetzky niedergekämpft werden. Triest wurde damals ferner zum Asylort für pro-österreichische Reaktionäre, welche in den italienischen Aufstandsgebieten um ihr Leben fürchten mussten. Venedig war eben „italienisch-revolutionär“, Triest eben „deutsch-reaktionär“. Triest: Ganz zweifellos kein italienischer, sondern ein Deutscher Hafen! Diesbezüglich soll übrigens Otto v. Bismarck – nach Neumann-Spallart(s. Text) – im Jahre 1866 folgende, höchst klare Worte(!) gefunden haben: „Triest bleibt unter allen Umständen ein Deutscher Hafen. Jede fremde Hand, die nach Triest greift, wird dort der Spitze des Deutschen Schwertes begegnen“. Gerichtet war diese Drohung natürlich gegen Italien, interessanterweise ab 1866 mit Deutschland und Österreich verbündet(„Dreibund“). „Italien“ – seit 1915 plötzlich Kriegsgegner Österreich-Ungarns und Deutschlands – hat Triest übrigens – trotz größter Bemühungen(!) – nie im bewaffneten Kampf eingenommen. Trotzdem fiel es ihm bei Kriegsende zu und wurde 1919 Teil des italienischen Staates. Und man ließ diese Stadt, welche der „nationalen Sache“ nie verpflichtet war, diese „Verräter-Stadt“ also, in der Folge für ihre pro-österreichische Orientierung auf die eine oder andere Weise büßen. Mit dem „Alten k.k.-Glanz“ jedenfalls sollte es endgültig vorbei sein! Zahlreiche „Pro-Österreicher“ verließen schon 1918/19 die Stadt, ein bedeutender Asylort wurde Graz, der dortige Hilmteich zum „Adria-Ersatz“. Hätte man die politische Führungsschicht bzw. das Volk von Triest im Jahre 1918 ganz unbefangen zur politischen Zukunft befragt, dann wären Stadt und Bezirk mit Sicherheit „österreichisch“ geblieben, nötigenfalls als das, was es über gut 100 Jahre gewesen war – Eine „Exklave“, getrennt vom „Mutterland“.(s.o.) Doch alles kam eben ganz anders. Die großartigen Wohltaten(Schutzfunktion, Infrastruktur etc.), welche „Österreich“ Triest einst angedeihen ließ, sind bis heute aber unvergessen: Die „Pro-Österreich-Bewegung“, nie gänzlich verschwunden, befindet sich gerade heute wieder im Aufwind und kann wohl im Fall des Falles nur gemäß des „Katalonischen Paradigmas“ gestoppt bzw. vernichtet werden. Wie man dazu nun auch stehen mag, fest steht vor allem historisch: „Triest = Urbs Fidelissima“ – Triest blieb dem reaktionären Regime des österreichischen Kaisers stets treu, vor allem während der politischen Krise von 1848/49.
III: Schlagwort No. 2 – Triest war „Österreichs Tor zur Welt“. Hier kommt es darauf an, wie man „Welt“ nun definiert. Das „relevante Weltgeschehen“ jedenfalls verlagerte sich in der Geschichte zunehmend vom Mittelmeer zum Atlantik hin, die „neuen Weltmächte“ wurden Großbritannien und die USA. Für Österreich stand diesbezüglich der bestens entwickelte Nordseehafen Hamburg zur Verfügung und wurde auch höchst eifrig benutzt. Um von Triest aus in den Atlantik zu gelangen, musste aber zunächst einmal die Italienische Halbinsel umfahren und ca. die Hälfte des Mittelmeeres durchquert werden. Und am „Tor von Gibraltar“ stand Großbritannien. Kurz gesagt: Im Vergleich zu Hamburg lag Triest hinsichtlich des eigentlichen „Weltgeschehens“ im Abseits. Triest war für Österreich allerdings ein attraktiver „Orient-Hafen“: Doch die dortige Welt war völlig unterentwickelt und somit kein großer Impuls für das ebenfalls unterentwickelte Österreich. Und am „Tor von Suez“ stand Großbritannien. Sowohl der globale West- als auch der Ostverkehr hingen also im Endeffekt von der Gnade Londons ab. Summa summarum: Triest war für Österreich ein „höchst problembehaftetes Tor zur Welt“. Der Verkehr via Hamburg war weitaus vorteilhafter, Hamburg also eigentlich „Österreichs Tor zur Welt“. Darüberhinaus muss darauf hingewiesen werden, dass sich die „Triester Mentalität“ als höchst „un-westlich“ bzw. „un-fortschrittlich“ präsentiert. Das „Triester Lebensmotto“ lautet nicht: „Ohne Fleiß kein Preis“. Lautet nicht: „Dem Mutigen gehört die Welt“. Lautet nicht etwa: „We always go ahead“. Sondern lautet: „Immer fröhlich, nie leiden, hier leben, und den Rest vergessen…“. Mit einem solchen Volk ist im Hinblick auf „Fortschritt“ und „Modernisierung“ wenig anzufangen…
IV: No. 3 – Triest war der Hafen eines „Riesen-Reiches“. Hier wäre zunächst die Frage zu stellen, was der Begriff „Riesenreich“ eigentlich bedeuten soll. Ab 1867 jedenfalls kam es zwischen Österreich und Ungarn zum „Ausgleich“ und Budapest baute in der Folge seinen eigenen Seehafen Rijeka(Fiume) nachhaltig aus. Im Jahr 1873 erhielt dieser gleich zwei Eisenbahnanschlüsse(sowohl gegen Budapest als auch gegen Wien). Und ob man nun den österreichischen Reichsteil noch als „Riesenreich“ betrachten kann, das ist eben die Frage. Wohl kaum. Übrigens besaß Rijeka schon vor 1867 als Hafen große Bedeutung, war es doch bereits im Jahre 1725 von Kaiser Karl VI. zum „Freihafen“ erklärt worden.(1) Neben Rijeka gab und gibt es an der Adria aber noch etliche andere bedeutende Hafenplätze. Triest konnte also für sich nie Absolute Exklusivität in Anspruch nehmen. Das „Riesenreich“(vor 1867) besaß mehrere Häfen. Dass Triest eben der größte war, ist hier ohne Belang. *** V: Stagnation und Wachstum in Triest(1815-heute). Wenn man nun die oberwähnten „(Jubiläums-)Salzkammergut &. Walzer-Gnocchis“ über die soeben dargestellten Fakten belehrt, dann zerstört man deren heile, vom Romantizismus völlig verseuchte Welt und erntet nur offene Ablehnung bzw. subtil geäußerten Hass. Dasselbe gilt für die „Pro-Österreicher“ von Triest. Man neigt nicht nur zur Geschichts-Verfälschung, nein, man führt diese auch konsequent durch, man zelebriert sie geradezu. Man will nun einmal nicht einsehen, dass der Hafenplatz Triest bereits nach dem „Wiener Kongress“(1815) allmählich, aber unerbittlich in die Stagnation hineinschlitterte, welche trotz aller infrastruktureller Investition bis 1918 anhielt. Die französische Besetzung von 1809 kann m.E. als deren Vorgeschichte betrachtet werden. Die territorialpolitischen Folgen der beiden Weltkriege(Stichwort „Abschneidung vom Hinterland“) verschlimmerten sodann lediglich die Stagnation, waren aber nicht deren eigentliche Ursache. Die insgesamte Stagnation Triests soll sich erst mit der Inbetriebnahme der „Transalpinen (österreichisch-bayerischen) Öl-Pipeline“(1967/70) endgültig legen – Im Jahr 1960 umfasste der Gesamtgüterumschlag Triests ca. 5 Mio Tonnen. Etwas später wurde es schon von Rijeka überflügelt.(2) Noch 1961 Jahr hielt Drago Matkovic in der Zeitschrift „Der Donauraum“(3) zur „Triester Dauerkrise“ u.a. fest: „Zwar unternahm die italienische Regierung nach der Rückgewinnung Triests(Triest war von 1947 bis 1954 samt seinem Bezirk politisch eigenständig, Anm. d. Verf.) einige Anstrengungen, um vor allem die wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen, die der Stadt durch ihre Abschneidung von ihrem natürlichen Hinterland erwuchsen, doch erwiesen sich diese Maßnahmen als nicht ausreichend, um dem Handelswettstreit mit den Konkurrenzhäfen erfolgreich begegnen zu können … Triest bemüht sich mit allen Mitteln darum, italienische und ausländische, darunter auch österreichische und deutsche Interessen für Investitionen in seinem Industriehafen zu gewinnen … Obwohl die zähen Bemühungen der Stadt Triest um die Neugestaltung der wirtschaftlichen Struktur dieses Gebietes gewisse Erfolge zu verzeichnen haben, zeigten die bisherigen Erfahrungen, dass eine stärkere Industrialisierung zwar eine beträchtliche Linderung der latenten Wirtschaftskrise bringen konnte, aber keinesfalls die wirtschaftliche Prosperität sichern kann“. Im Jahr 1994, also ca. 20 Jahre nach Errichtung der „Transalpinen Öl-Pipeline“, umfasste der Gesamtgüterumschlag sodann ca. 36 Mio Tonnen.(!) Steigerung gegenüber 1960 somit: ca. 30 Mio Tonnen. Wie dem Verfasser freundlich mitgeteilt wurde, umfasste im Jahr 2016 der Gesamtgüterumschlag ca. 60 Mio Tonnen, ca. 40 Mio davon gehen auf die Öl-Pipeline(s.o.) zurück. Der sonstige Güterverkehr aber blieb unterentwickelt. Vor dem Hintergrund dieser „Pipeline-Abhängigkeit“ Triests und der territorialpolitischen Veränderungen nach 1918 wurden natürlich Hafenanlagen und Eisenbahnen endgültig obsolet, welche Österreich einst für einen erhofften, reichen Frachtenverkehr errichten ließ. Wir haben es hier also mit einem „Kapazitäts-Überhang“ zu tun. Hinsichtlich obsolet gewordener Hafenstruktur ragt der 1883 in Betrieb genommene „Porto Nuovo“(heute „Porto Vecchio“ genannt) wie ein König heraus. Über die Zeit verkam er zum „Städtischen Sperrgebiet“(!) und verfiel teilweise. Das Gebiet des „Porto Nuovo“ wurde zum traditionellen Terrain „Illegaler Triester Jogger“. Die Triester Hafen- und Eisenbahnanlagen vor 1914 im allgemeinen Überblick:
Copyright: Elmar Oberegger Eine Gegenbewegung zu diesem Zustand des „Porto Nuovo“ existiert schon länger, doch ist sie für den Hafen Triest wirtschaftlich letzten Endes nicht von größerem Belang, lebt er doch vorwiegend von seiner Pipeline. Dem infrastrukturellen Kapazitäts-Überhang(s.o.) wurde mit der Eröffnung des „Ringtunnels“ im Jahre 1981 weiter Vorschub geleistet. Früher standen dem Franz Joseph-Hafen in der Muggia-Bucht – dem heutigen Haupthafen Triests – insgesamt drei Eisenbahnen für den (unmittelbaren) Zu- und Abtransport zur Verfügung: a) Die wenig leistungsfähige „Riva-Bahn“.(s. Karte) b) Die Karstbahn nach Villa Opicina mit einer Höchststeigung von ca. 25 Promill.(s. Karte) c) Die Hrpelje-Bahn mit einer Höchststeigung von ca. 33 Promill(aufgelassen 1960).(s. Karte) Mit der Eröffnung des (zweigleisig ausgestalteten) Ringtunnels wurde nun vor allem die Rivabahn obsolet, die Bedeutung der eingleisigen Karstbahn nahezu auf Null gestellt. Denn nun fahren die Züge direkt beim Hafen in den Tunnel ein und können via Aurisina entweder gegen Udine oder V.Opicina geführt werden. Die Höchststeigung zwischen Trieste Cle.(in die Tunnelanlage übrigens mittels Verbindungskurve eingebunden) bzw. Aurisina und V.Opicina beträgt nur ca. 13 Promill, also nur ca. halbsoviel wie auf der Karstbahn. Darüberhinaus ist die Strecke zweigleisig. Der Triester Ringtunnel(1981) im Kontext(schematische Darstellung):
Copyright: Elmar Oberegger Triest ist aber – wie bereits gesagt – ohnehin längst zum absoluten „Öl-Säugling“ geworden. Man ist somit gesättigt und flexibel. Der Rest ergibt sich. Vor diesem Hintergrund konnte und kann Triest es sich heute sogar leisten, den „Großen Arbeitgeber“, für Hafen-Spezialisten eines mittlerweile völlig abgewirtschafteten Adriahafens zu spielen. Das Alte Österreich hat immer nur daran geglaubt, dass Neue Hafenanlagen und Neue Eisenbahnen(s.o.) allein ausreichen würden, um Triest zu „heben“.(s. Karte) Vor allem aber gehe es zunächst einmal darum, sich von der „Privaten Südbahn-Gesellschaft“ zu emanzipieren, welche seit 1857(= Eisenbahn Wien-Triest) den Triester Eisenbahn-Verkehr de facto in Händen hatte. Dies geschah durch die Errichtung von Riva- und Hrpelje-Bahn(1887). Österreich betrachtete seine Methode – die traurigen Wirtschaftsverhältnisse des Gesamtstaates größtenteils ignorierend – gewissermaßen als „Wunderkur für Triest“. Das letzte österreichische Projekt am Hafen-Sektor war der (1914 erst halb fertiggestellte) „Franz Joseph-Hafen“ in der Muggia-Bucht.(s. Karte) Das letzte große österreichische Eisenbahnprojekt für Triest nannte sich „Neue Alpenbahnen“ und wurde bis 1906/09 vollendet. Es bestand aus: a) Pyhrnbahn(Linz bzw. Klaus-Selzthal, 1906 = Relation Böhmen-Triest). b) Tauernbahn(Schwarzach-St.Veit – Spittal a.d. Drau, 1909 = Relation Bayern/Böhmen-Triest). c) Wocheinerbahn(Jesenice-Görz, 1906 = Fortsetzung der Bayern/Böhmen-Relationen). d) Karstbahn(Görz-Triest, 1906 = Fortsetzung der Bayern/Böhmen-Relationen). Das Projekt „Neue Alpenbahnen“(1906/09):
Copyright: Elmar Oberegger Erstaunlich aber war: Im Jahre 1896 setzte in Österreich eine allgemeine Wirtschaftskonjunktur ein, welche bis 1914 dauerte(= „Dritte Gründerzeit“) und Triest wurde somit auf ganz natürliche Weise, d.h. ganz ohne unmittelbaren, zusätzlichen Kunstgriff(s.o.) deutlich gehoben. Es ritt gewissermaßen bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges auf einer Flutwelle des Aufschwungs. Doch dieses Phänomen ist im internationalen und historischen Zusammenhang immer relativ zu sehen. Triest stagnierte eigentlich nie absolut, sondern immer nur relativ. Dazu nun ein paar Informationen:(4) Zwischen 1867 und 1877 wuchs der Gesamtgüterumschlag Triests von ca. 731.898 auf ca. 909.959 Tonnen, das Wachstum umfasste also ca. 178.061 Tonnen. Venedig – seit 1866 bei Italien und durch die Eröffnung der „Brenner-Bahn“(1867) bestens mit dem Deutschen Raum verbunden – besaß 1877 bereits einen Gesamtgüterumschlag von ca. 804.413 Tonnen. Zwischen 1877 und 1887 wuchs der Gesamtgüterumschlag Triests von ca. 909.959 auf ca. 1,146.781 Tonnen, das Wachstum umfasste also ca. 236.822 Tonnen. Der Gesamtgüterumschlag Venedigs wuchs im selben Zeitraum aber von ca. 804.413 auf ca. 1,583.984 Tonnen, das Wachstum umfasste also ca. 779.571 Tonnen. Das ist ungefähr dreimal soviel wie das Triester Wachstum.(s.o.) Venedigs (ziemlich rascher) Sieg über Triest fand im Jahre 1879 statt. Wachstumsdifferenz in diesem Jahr: ca. 200.000 Tonnen. Zwischen 1887 und 1897 wuchs der Gesamtgüterumschlag Triests von ca. 1,146.781 auf ca. 1,415.922 Tonnen, das Wachstum umfasste also ca. 269.141 Tonnen. Der Gesamtgüterumschlag Venedigs wuchs im selben Zeitraum aber von ca. 1,583.984 auf ca. 2,122.458 Tonnen, das Wachstum umfasste also ca. 538.474 Tonnen. Das ist ungefähr zweimal soviel wie das Triester Wachstum.(s.o.) Die erhofften Wirkungen des bis 1883 neu errichteten „Porto Nuovo“ und der Hrpelje-Bahn(1887) blieben also aus. Hamburg steigerte übrigens zwischen 1893 und 1898 seinen Gesamtgüterumschlag von ca. 8,864.788 auf ca. 13,306.046 Tonnen. Wachstum also: ca. 4,441.258 t. 1905 wurden sodann bereits ca. 17,649.000 t umgeschlagen.(Wachstum: ca. 4,342.954 t) Nach dem Inkrafttreten der „Dritten Gründerzeit“(1896-1914) wuchs Triest zwischen 1900(ca. 1,577.201 t) und 1905(ca. 2,309.000 t) um ca. 731.799 t. Zu diesem Zeitpunkt war aber noch keine einzige(!) der projektierten „Neuen Alpenbahnen“(s.o.) vollendet. Auf deren Wirkung kann der Aufschwung also nicht zurückgeführt werden. Allein die allgemeine Konjunktur(s.o.) ist für diesen somit verantwortlich. Zwischen 1905(ca. 2,309.000 t) und 1910(ca. 2,855.000 t) wuchs Triest sodann um ca. 546.000 Tonnen. Damals war bereits die Pyhrn-Wocheiner-Achse(s.o.) aktiviert, die Tauernbahn(s.o.) befand sich in ihrem ersten Betriebsjahr. So betrachtet stellt sich dieses Wachstum wiederum als eher bescheiden dar. Für die gesamte Dekade 1900-1910 stellt sich das Wachstum auf ca. 1,277.799 Tonnen. Dies ist ungefähr eine Verfünffachung des Wertes von 1887-1897.(s.o.) Die Tauernbahn war damals wie gesagt noch kaum aktiv. Zwischen 1910(ca. 2,855.000 t) und 1913(ca. 3,449.000 t) kam es dann zu einem Wachstum von ca. 594.000 Tonnen, in nur drei Jahren wurde also bereits ungefähr die Hälfte des Wertes der Dekade 1900-1910 erreicht. Damals waren alle „Neuen Alpenbahnen“(s.o.) bereits voll aktiv, der neue Hafen(s.o.) zumindest halbfertig. All‘ das war zwar hilfreich und vor allem zukunftsträchtig, aber keineswegs die Ursache des Aufschwungs. Die Rechnung der „Großen Triest-Zukunftsplaner“(„Wunder-Ärzte“)(s.o.) war also auch hier nicht aufgegangen. Erfreulich waren die Fakten aber ganz zweifellos. Rijeka übrigens wuchs zwischen 1905(ca. 1,396.000 t) und 1912(ca. 1,975.000 t) um ca. 579.000 Tonnen. Hätte Triest seine Stagnation endgültig überwinden können, wenn der Erste Weltkrieg nicht ausgebrochen wäre? Dazu nur soviel: Alles wäre von den Wirtschaftsverhältnissen sowohl seines Mutterlandes als auch seines Einzugsgebietes abhängig gewesen. In infrastruktureller Hinsicht jedenfalls war Triest 1914 in relativ befriedigender Weise für eine Zukunft ohne Krieg gerüstet. Das Problem „Stagnation von Triest“ wurde in der k.k.Publizistik übrigens verschieden behandelt. Um es an dieser Stelle nochmals zu betonen: Höchst tückisch war immerzu der Umstand, dass Triest eigentlich nur in relativer Hinsicht stagnierte(!), d.h. es wuchs in seinem grundsätzlichen Verfall(!) ständig weiter.(5) Man konnte dies nun positiv oder auch negativ bewerten. Der österreichische Schriftsteller und Alpinist Josef Rabl hatte in seinem berühmt gewordenen „Tauernbahn-Reiseführer“(1906) einst die Aufgabe, dem hohen Tourismus-Publikum die „Triester Frage“ zu erklären. Er ging hierbei höchst geschickt vor(s. Text Rabl): „Es ist ja eine vielbeklagte Erscheinung der letzten Jahrzehnte, daß der Triester Handels- und Hafenverkehr beträchtlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, die durch den Suezkanal, durch neue Schiffahrtslinien u.a. berechtigt waren, und die Frage, wie dem abgeholfen werden könnte, steht noch immer auf der Tagesordnung. Gleichwohl ist Triest nicht stehen geblieben; Land- und Seeverkehr haben sich zwar langsam, doch stetig gesteigert…“. Josef Rabl(1844-1923):
Aus: J.Rabl, Meine Lebenserinnerungen, Wien 1923. Daneben aber lagen höchst traurige und fragwürdige (historische) Fakten vor, welche nun einmal nicht wegzuwischen waren: a) Die bereits erwähnte Überrundung Triests durch Venedig im Jahr 1879. b) Um 1880 konnte in Hamburg ein Hochseeschiff in ca. 36 Stunden(!) be- und entladen werden. In Triest dauerte diese Prozedur mehr als zwei Wochen.(s. Text Neumann-Spallart) Das hatte natürlich Konsequenzen. Triest fiel als „Drehscheibe“ für den „Großen Orientverkehr“ (vorerst) aus. Zum Beispiel die großen englischen Baumwoll-Transporter fuhren an Triest getrost vorbei und via Gibraltar nach Liverpool. Von dort bezogen sodann die Wiener Spinnereien – via die Nordbahn(!) – ihren Rohstoff. In „zwei bis drei Wochen“(s.o.), da konnte man weit fahren… c) Fragwürdig und traurig auch der Umstand, dass der moderne Porto Nuovo(1883) zunächst nicht akzeptiert(!) wurde. In seinen Kränen und Aufzügen erkannte man „Job-Killer“ und wollte weiterhin auf die Muskelkraft der ehrwürdigen Hafenarbeiter(!) vertrauen. Die Geschäftsleute und Wirte am Porto Vecchio wiederum fürchteten, dass dieser so belebte, attraktive Platz völlig verwaisen würde, ihre Existenzgrundlage(!) somit auf dem Spiel stehe. Aber es gab noch weitere Gegner des neuen Hafens. Im Text von Neumann-Spallart lesen wir in diesem Zusammenhang: „Mit betrübter Miene blicken wir auf die drei mächtigen Bassins; statt sie mit einem Walde von Masten bedeckt zu sehen, sind an den Moli regelmässig nicht mehr als drei bis vier grosse Seeschiffe, die langsam und gemächlich geladen oder gelöscht werden, und daneben eine Anzahl kleiner Fahrzeuge für Cabotage und Fischerei, Trabakeln, Barken und wie sie sonst noch benannt werden, von denen man sich unwillkürlich sagen muss, dass für solche Schiffe doch offenbar nicht die Bassins mit 8 bis 13 Metern Tiefe und die aus Quadern kostspielig erbauten Moli und Quais bestimmt waren. Und in den Lagerhäusern selbst sieht es nicht erfreulicher aus…“. Der Staat musste somit die Benutzung des Porto Nuovo erzwingen. Hier sollen nun zum Thema „Geschichte der Triester Stagnation in österreichischer Zeit(ca. 1815-1918)“ mehrere schriftliche Beiträge neu ediert werden, welche aus der Feder von damaligen Zeitgenossen stammen. Damit soll dem Leser ein möglichst authentisches Bild der damaligen Analyse der „Triester Frage“ vermittelt werden. Noch im Jahre 1917(!) galt diese übrigens als nicht zu 100% strukturell gelöst(s. Text Escher) Es fehlten in Triest u.a. Lagerräume und Kühlhäuser(Südfrüchte, Fleisch, Fisch). In den entwickelten Staaten waren „Kühl-Waggon“(1877) und „Kühl-Haus“ allerdings schon längst üblich, der „Erste Kühlschrank“ war bereits im Jahre 1834 auf den Markt gebracht worden.(6) Und wir begegnen 1917 noch immer jener Forderung, welche bereits Jahrzehnte vorher(!) erhoben worden war: Es gehe in Triest zukünftig um die „Heranziehung arbeitsfreudiger, tüchtiger kommerzieller Elemente…“. Das aktuelle Hauptproblem war 1917 freilich der Weltkrieg. Kons. Dr. Elmar Oberegger, Hrsg. Divaca, 13.10.17. *** Anmerkungen: 1) Siehe Elmar Oberegger: Zur Eisenbahngeschichte des Alpen-Donau-Adria-Raumes. –Sattledt 2007. 2) Siehe zu diesen Daten v.a. Oberegger a.a.O. 3) Nummer 6/61, S. 269 ff. Hier: S. 273 u. 277 4) Siehe dazu Technisch-commerzieller Bericht über die zweite Eisenbahnverbindung mit Triest. –Wien 1901, Alfred Escher: Triest und seine Aufgaben im Rahmen der österreichischen Volkswirtschaft. –Wien 1917, S. 68 f. 5) Zu einer schweren absoluten Stagnation kam es erst nach dem Weltkrieg: Triest fiel hinsichtlich des Gesamtgüterumschlages von ca. 3,449.000(1913) auf ca. 1,479.000 Tonnen(1919) zurück. Minus also: ca. 1,959.000 Tonnen. Die Erholung erfolgte sodann schleppend. Siehe dazu Oberegger a.a.O. 6) Die erste Kältemaschine ging 1845 in Betrieb, das erste Kühlschiff(„Frigorifique“) wurde ab 1874 eingesetzt. Ab 1881 gab es in Hamburg Kühlschiffe. Siehe zum Gesamtthema Gavin Weightman: The Frozen Trade. –New York 2001.
Copyright: Elmar Oberegger 2017. |
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