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VIII: Der „Chepe“, die letzte große Personenverkehrs-Linie Mexikos. Kurze Geschichte und Reisebeschreibung.

Wie schon in Kapitel V bemerkt, war die Linie Chihuahua-Los Mochis-Pazifikhafen Topolobampo bereits 1880 konzessioniert worden, konnte aber erst sehr spät – nämlich 1961 – dem Verkehr übergeben werden. Sie wurde schlichtweg ein Opfer der „Großen Revolution“ und der Folgen dieser. Heute ist sie die letzte große (touristische) Personenverkehrs-Linie Mexikos. Befahren wird sie schon seit längerer Zeit leider nur noch von und bis Los Mochis.

Die Linie Chihuahua-Topolobampo(„Chepe“):

Copyright: Elmar Oberegger

Ihre Vorgeschichte ist in der Tat bemerkenswert: Im Jahre 1874 lernte der US-Ingenieur Albert K. Owen im Zuge von Vermessungsarbeiten an der mexikanischen Pazifikküste die Bucht von Topolobampo konkret kennen. Als Mitglied der utopistisch ausgerichteten „New Harmony-Bewegung“ erkannte er diesen Ort sofort als Mittelpunkt neuer Aktivität. Das konkrete Projekt: Errichtung des „WELTHAFEN TOPOLOBAMPO“ – „Mittler zwischen Orient und Okzident“.(Vgl. dazu FUCHIK 2012)

Albert K. Owen(1847-1916), Ingenieur und Utopist(li.):

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Dafür brauchte man aber eine geeignete Verkehrslinie vom Hafen ins Hinterland(bzw. zur Atlantikküste) und vor allem Leute, die bereit waren, sich für die Entwicklung dieses Projektes zur Verfügung zu stellen. Die Gründung einer „Kolonie“ bei Topolobampo war somit von Anfang an geplant.

Präsident Diaz hat mit diesen Plänen ganz offensichtlich sympathisiert und diese somit unterstützt. Der von Owen ins Auge gefasste „Lebenswandel“ in Topolobampo schien nicht nur in Ordnung, sondern sogar paradigmatisch fürs ganze restliche Land zu sein:

a)     8 Stunden Arbeit.

b)    8 Stunden Kultur oder Unterhaltung.

c)     8 Stunden Schlaf.

… macht insgesamt 24 Stunden „tadellosen Lebens“.

Owen kaufte zunächst 111000 Morgen Land von der lokalen Hazienda. 1886 kamen die ersten Siedler. In kurzer Zeit zählte die Kolonie schon 2000 Menschen. Und bald noch mehr...

1893 wurde Los Mochis gegründet. Im Jahre 1897 fand der Spatenstich für die Eisenbahn Topolobampo-Chihuahua statt, welche man selbst bauen wollte.

Owen wurde schließlich durch den jungen Benjamin Johnston intern gestürzt: Dieser verabschiedete sich nun kühn vom „Owen-Projekt“ und orientierte sich fortan am Zuckeranbau in der Region Los Mochis. Bis heute wird er dort hoch geehrt.

Trotzdem hielt Owen am Eisenbahnplan fest und fand einen Verbündeten in Arthur E. Stilwell, welcher 1900 die „Kansas City, Mexico and Orient Railway“(umgangssprachlich einfach „Orientbahn“) gründete. Auf ihn ging die Eisenbahnkonzession nun über. Im selben Jahr 1900 brach übrigens die „Owensche Kolonie“ als Institution endgültig zusammen.

Arthur E. Stilwell(1859-1928):

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Stilwell war nicht so sehr dem Mythos „WELTHAFEN TOPOLOBAMPO“ verhaftet, vielmehr erwartete er sich von der neuen Bahn v.a. folgende, konkrete Funktionen:

a)     Niedrigere Transportkosten als in den USA(sowohl Hafen als auch Bahn betreffend).

b)    Rohstofftransport(Holz u.a.) in die USA.

c)     Weitertransport des Importgutes aus Asien.

d)    Öl-Export von Texas aus.

Im Jahre 1909 waren die Abschnitte Topolobampo-El Fuerte(111 Kilometer) und Chihuahua-Kilometer No. 320 vollendet. Damit war gewissermaßen der Hochpunkt erreicht.(Vgl. Archiv f. Eisenbahnwesen 1909, S. 367) Dann kam der Revolutionskrieg und die Arbeiten ruhten bis ungefähr 1940. Eine „Orientbahn“ gab es damals längst nicht mehr. Alle Regeln, Tricks und Kniffe der „Eisenbahn-Baukunst“ bis an die Grenzen ausschöpfend, führte man nun den Abstieg vom Hochpunkt bis El Fuerte durch.(s. Längenprofil) 1961 erfolgte wie schon gesagt die Eröffnung. Der einst geplante, „Großartige Ausbau von Topolobampo“ unterblieb jedoch.

Längenprofil der Linie Chihuahua-Topolabampo:

Copyright: Elmar Oberegger

Im Jahre 1971 absolvierte Hans L. Wolfram, damals „Delegierter des mexikanischen Staatsrates für Touristik in Deutschland und Österreich“, in einem „Vista Tren Panoramica“ eine Eisenbahnreise von Chihuahua bis Los Mochis. Aus seiner Reisebeschreibung werden wir in der Folge zitieren.

Alles begann damals in Chihuahua:

Chihuahua:

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„Chihuahua, 1709 gegründet, hat über 200.000 Einwohner. Stadt und Landschaft sind nicht sonderlich reizvoll. Endlos die Steppen und Prärien, auf denen große Viehherden weiden, alle Straßen führen in die Unendlichkeit. Im vori­gen Jahrhundert tummelten sich hier noch riesige Büffelherden. Peter und Thomas, meine Söhne, wußten, warum Chihuahua berühmt ist: Hier hat der Revolutionsgeneral Pancho Villa gelebt, der ‚Tiger des Nordens‘, einst einer der gefürchtetsten Banditenhäuptlinge nördlich und südlich des Rio Grande, heute Nationalheld, dessen Name in goldenen Buchstaben im Parlamentsgebäude der mexikanischen Hauptstadt verewigt ist“.

US-Steckbrief von Pancho Villa(1877-1923):

Aus: Merianführer „Mexiko“(1971).

Im Jahre 1916 überfiel er die Stadt Columbus in New Mexico. Sein Verdacht: Die dortige Kaserne und die Bewohner unterstützen die Gegenseite. Die Aktion ist eigentlich bis heute umstritten.

„Nach einer Fahrt von 150 Kilometern gelangten wir gegen elf Uhr nach Cuauhtémoc. Hier auf dem Land leben seit Über 50 Jahren 30000 deutschstämmige Mennoniten; sie haben die Wüste fruchtbar gemacht. Schon von weitem sieht man die sauberen weißgetünchten Bauernhäuser, die gepflegten Äcker, ein merklicher Gegensatz zu ihrer Umwelt. Genauso kontrastieren die hochgewachsenen, blonden, blauäugigen Menschen zu ihrer indianischen Umgebung. Die Mennoniten gelten als fleißig, genügsam und bescheiden, sie zahlen ihre Steuern pünktlich. Obwohl viele hier geboren sind, schicken sie sich an, erneut auf Wanderschaft zu gehen, nachdem sie erst vor 50 Jahren Kanada verlassen hatten. Grund: Das ihnen 1921 von Präsident Alvaro Obregón zugeteilte Land reicht für ihre heutige Kopfzahl nicht mehr aus, und neues Land will man ihnen nicht geben; denn ihre Religion verbietet es ihnen, Mexikaner zu werden, sie heiraten nur untereinander und leisten keinen Wehrdienst. Manche Mexikaner sprechen von einem Staat im Staate. Einige Mennoniten sind bereits nach Honduras gegangen. Bolivien und Paraguay sind weitere Ziele ihrer ruhelosen Wanderung durch die Welt“.

Die Sache ging am Ende übrigens gut aus: Die Mennoniten erhielten vom Staat einen Sonderstatus und konnten sich weiter frei entfalten. Ihre Gemeinde zählt heute schon 50000 Seelen. Eine eigene Zeitung geben sie auch heraus.

„Längst hatte der Zug die Prärien Chihuahuas hinter sich gelassen. Immer gebirgiger und abwechslungsreicher wurde die Landschaft. Statt an Kakteen und Yuccapalmen vorbei fuhren wir durch Wälder aus Kiefern, weißen und roten Krüppeleichen, Zedern und Lärchen. Gegen 14 Uhr hielt der Zug zu einem längeren Aufenthalt an der Station Divisadero Barrancas. Wir waren am ‚Großen Canyon der Tarahumara‘ angekommen. Wenige Meter vom Bahnsteig bot sich uns ein Bild von unbeschreiblicher Schönheit: eine Vielzahl tiefer, zerklüfteter Schluchten von überwältigender Farbenpracht. Gewaltige Ströme müssen einst diese Berge zernagt und die tiefen Schluchten gebildet haben. Diese Canyons der Sierra Madre sind 150 Meter tiefer und in ihrer Ausdehnung größer als der Grand Canyon des Colorado in Arizona. Anfang des 17. Jahrhunderts hatten Jesuiten die Schluchten entdeckt; sie fanden dort unten nach beschwerlichem Abstieg Kupfer und nannten sie ‚Barranca del Cobre‘. Später fanden andere Missionare Silber und Gold, Opale, Diamanten, Blei und Eisenerze. Sie sprachen von der ‚Schatzkammer Mexikos‘ … Missionare berichteten auch, daß dort unten auf dem Boden dieser Schluchten tropische Vegetation herrsche. Orchideen, seltene Blumen, die noch nie ein Botaniker gesehen hatte, Früchte aller Art. Auch Schlangen und Spinnen, Papageien, seltene Vögel und bunte Riesenschmetterlinge. Viel zu kurz war unser Aufenthalt…“.

Der Chepe bei Creel:

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Am Bahnhof Creel:

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Station Divisadero:

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Der „Copper-Canyon“:

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„Manchmal sieht man vom Zug aus auf den Bergpfaden Indianerfamilien im Gänsemarsch mit ihren Schafen und Ziegen. In den Bergen mit ihren unwegsamen Schluchten, in einem Gebiet von 60000 Quadratkilometern, leben 40 000 Kleinvieh haltende Tarahumara, kleine, drahtige Indianer, ungesellig von Natur. Nur wenige sprechen Spanisch. Ihre eigene Sprache ist weich, die Laute gut artikulierend. Einige Tarahumara leben winters in Höhlen, die sie aber verlassen, sobald ein Familienmitglied stirbt oder ein Unglück passiert. Ihre Kleidung ist primitiv. Sie kennen keine Schuhe. Als Kopfbedeckung dient ein turbanähnliches Tuch. Es gibt eine große Anzahl Tarahumara-Stämme, die von Häuptlingen regiert werden. Dieses geheimnisvolle Volk ist sehr abergläubisch. Ihren Göttern opfern sie noch manchmal Tiere; die Zeremonie begleiten uralte Tanze. Sie brennen die Wälder ab, um Regen anzulocken. Ihre Nahrung besteht aus Mais, Bohnen, Kartoffeln und Kürbis. Aus gegorenem Mais brauen sie ein leichtes Bier: Tesguino. Fleisch essen sie nur zu Festen. Sie weben schöne Wolldecken und flechten Körbe. Ihre Medizinmänner heilen mit Kräutern und Wurzeln. Sie musizieren auf Flöten aus Bambus, schaflederbespannten Trommeln und einer Art Geige, deren Gebrauch sie von den Jesuiten lernten … Bei herrlichem Wetter ging die Fahrt weiter, über tiefe Schluchten, durch gewaltige Felsmassive. Die bunten Felswände, zerrissen, zersplittert, zerspalten, bilden hier und da sonderbare Figuren. Es ist, als ob die Türme, Spitzen und Dome in der rotgoldenen Hochgebirgssonne brennen, ja verglühen. Wir durchquerten 89 Tunnel und fuhren über 31 Brücken. Der größte Tunnel, Descanso, ist 1800 Meter lang. Ein hufeisenförmig gebauter 1260 Meter langer Tunnel heißt Continental. 300 Meter lang und 90 Meter hoch ist die Brücke, die in schwindelnder Höhe über den reißenden Rio Chinipas führt. Diese Brücken, gerade breit genug, ein Schienenpaar zu tragen, haben kein Geländer. Kein Wunder, daß die reizende mexikanische Mutter in unserem Abteil fleißig den Rosenkranz betete und sich bei jeder Tunneleinfahrt bekreuzigte. Aber auch mir wurde die Fahrt durch die langen Tunnel etwas unheimlich, nachdem ich festgestellt hatte, daß lediglich Einfahrt und Ausgang der Tunnel jeweils etwa 2-3 Meter tief gemauert und mit Zement verputzt waren“.

Nun geht es langsam hinab in Richtung Küste:

„Die Hochpässe der Sierra Madre haben wir überquert. Hier in diesen Wäldern liegt eines der großartigsten, fast noch unberührten Jagdgebiete der Erde: Gefährliche Pumas, Jaguare, Wölfe, Coyoten, Füchse, Hirsche, Bären, Wildschweine, wilde Truthähne, Gabelantilopen, Affen und Ozelots gibt es hier. Je näher wir dem Stillen Ozean kommen, um so milder wird die Luft. Auch die Natur hat sich verwandelt. Üppig grün sind die Berghänge, lila blühende Bäume, Orchideen, hohe Farne, Lianen, Palmen und Bambus deuten darauf hin, daß wir uns bereits in dem tropischen Pazifikstaat Sinaloa befinden. Der Zug rollt durch fruchtbare Plantagen; Zuckerrohr, Tabak, Orangen, Pampelmusen, Zitronen, Granatäpfel, Feigen, Mamey, Avocados werden hier angebaut. Es ist Abend geworden. Malerische, verschlafene Dörfer. Ranchos. Die Campesinos haben Feierabend gemacht und schaukeln in den Hängematten vor ihren Adobehäusern (aus lehmbeworfenem Flechtwerk). Pünktlich läuft unser Pazifik-Expreß im höchst modernen Los Mochis ein, nur wenige Kilometer von der Bucht Topolobampo am Stillen Ozean entfernt … Wir stehen an dem warmen, milden Tropenabend auf dem Bahnhof, noch berauscht von dem schönen, seltsamen und grandiosen Erlebnis. Vor dem Hotel Santa Anita spielt eine Mariachikapelle ‚Las Mananitas‘ – irgendjemand hat Geburtstag. Eine Traumreise ist zu Ende“.

Los Mochis:

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Der Meeresstrand ist nun nicht mehr weit!

 

Quellen und Verweise:

FUCHIK Don: Topolobampo or Bust. In: The California Native. International Adventures(2012).

MAYER-HAGMANN Susanne: Mit dem Zug durch Mexiko. El Chepe. –SWR 2012(Eisenbahn-Romantik).

WOLFRAM Hans L.: Die schönste Eisenbahnfahrt der Welt. In: Merianführer „Mexiko“ (1971), S. 88 ff.

Wiki-Artikel: „Ferrocarril Chihuahua al Pacifico“, „Kansas City, Mexico and Orient Railway“.

 

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