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VII: Von der „Großen Revolution“(1910 ff.) bis heute.

Während des Revolutionskrieges wurde das Eisenbahnnetz für die militärischen Auseinandersetzungen allgemein gern benutzt.

Truppentransport während des Revolutionskrieges:

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Oft dienten Züge sogar als „Rollende Hauptquartiere“. Um die Operationsmöglichkeit der jeweiligen anderen Seite zu schmälern, kam es zu zahlreichen, oft schwerwiegenden Beschädigungen. Die Hälfte aller vorhandenen Eisenbahnbrücken wurde zerstört. Bemerkenswert ist angesichts dessen, dass das Netz in dieser Zeit quantitativ wuchs.(s. Kap. II)

Zwischen 1929 und 1937 wurde das Netz der „Nationalbahnen“ verstaatlicht, jedoch aber nicht zu einer einzigen Organisation zusammengefasst. Dies soll erst bis 1987 vollzogen werden, doch auch nun war offiziell nicht von einer „Staatsbahn“ die Rede, sondern von den „Ferrocarriles Nacionales de México“.

Mexiko war ein früher Gegner „Hitler-Deutschlands“ und – angesichts der direkten Nachbarschaft zu den USA glänzend mit jener politischen Technik vertraut, welche man landläufig „Infiltration“ nennt – der einzige Staat, welcher gegen den „Anschluss Österreichs“(1938) protestierte. 1942 erklärte es Deutschland den Krieg.

Besonders angesichts der U-Boot-Bedrohung mussten die kriegswichtigen Güter von Mexiko in die USA über den Landweg, d.h. per Eisenbahn befördert werden. Dafür war das Mexikanische Eisenbahnwesen der Zeit jedoch überhaupt nicht gerüstet und somit konnte diese Aufgabe nur mittels permanenter Improvisation gelöst werden.

In der Zeit nach 1945 kam es dann zur zweiten massiven Aufbauphase des Mexikanischen Eisenbahnwesens; dies nicht vorwiegend in quantitativer Form wie einst unter Diaz(s. dazu Kap. II), dafür aber v.a. in qualitativer. Dies bedeutete:

a)     Grundlegende Reparatur bzw. Erneuerung der Eisenbahnanlagen.

b)    Umstellung der Schmalspurbahnen auf Normalspur. Damit in Zusammenhang standen Begradigungen und Neutrassierungen.

c)     Im Jahre 1950 wurde die neue Bahn von Coatzacoalcos nach Campeche eröffnet(s. Karte), welche endlich den „Inselbetrieb von Yucatán“(s.o.) mit dem Hauptnetz und damit der Hauptstadt verband.

Es waren schließlich besonders zwei Prozesse, welche das Mexikanische Eisenbahnwesen in jene tiefe Krise hineinführte, welche bis heute anhält:

a)     Die „Neoliberale Wende“, welche von Großbritannien ausging und unter Präsident Ronald Reagan auch die USA erreichte.

b)    Der Zusammenbruch der UdSSR, durch welchen die USA zeitweilig zur einzigen Supermacht der Welt wurden.

Aufgrund finanzieller Probleme wurde im Jahre 1995 die „Privatisierung des Eisenbahnnetzes“ verkündet und umgehend durchgeführt. Das Netz wurde in der Folge auf verschiedene Privatfirmen(s.d. Kap. II) aufgeteilt.

1997 wurde der Personenverkehr eingestellt, die Gründung einer neuen Gesellschaft nach dem Vorbild der US-amerikanischen AMTRAK(s. OBEREGGER 2012) unterblieb in der Folge. Somit hat der Personenverkehr heute nur noch touristische Bedeutung. Besonders bekannt ist die „Chepe-Linie“, welcher wir uns sogleich näher zuwenden wollen.

Etliche Linien, deren Ausbauzustand oft gut war, wurden im Zuge der Privatisierung aufgelassen – Das Netz, seit ca. 1980 zugegebenermaßen innerhalb einer Stagnationsphase(s. Kap. II) schrumpfte weiter, nun aber massiv.

Diese „Privatisierung“ war für das Mexikanische Eisenbahnwesen also noch viel, viel schlimmer als der „Revolutionskrieg“, da nun in der Tat der „Dienst der Eisenbahn an Nation und Staat“(= politisches Postulat von Präsident Diaz, s.o.) massiv in Frage steht. Zumindest aber wird das Mitfahren von Personen auf Güterzügen(= „Hobo-System“) stillschweigend geduldet.

Güterzug mit „Hobos“:

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Interessant ist so mancher Vorgang im Zuge dieser „Privatisierung“: Ein Joint Venture zwischen „Grupo Mexico“ und „Union Pacific Railroad“(USA) kaufte 1998 Linien größter Bedeutung auf. Daraus wurde die Firma „Ferrocarril Mexicano“, abgekürzt „FERROMEX“(s.o.). Der damalige Präsident Ernesto Zedillo erhielt dann später aufgrund seiner Kompetenz den Posten eines „Direktors“ bei der Union Pacific.

Dr.Ernesto Zedillo, früher Präsident von Mexiko, später dann u.a. „Direktor“ bei der „Union Pacific Railroad“(USA):

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Neben der Einstellung des Personenverkehrs ist vor allem die mangelnde Bereitschaft der Privaten negativ, umgehend nötige Reparaturarbeiten nach schweren Elementarereignissen durchzuführen bzw. massiv zu unterstützen. Wir kennen das auch aus anderen Bereichen, wo auf der Welt „privatisiert“ wurde.

Von einem solchen Szenario war in Mexiko bislang allerdings nur die Gesellschaft MAYAB(= Tochter der „Genesee &. Wyoming“, USA; Linien Juchitán-Tapachula-Grenze Guatemala/Coatzacoalcos-Merida inkl. Zweiglinien, s. Karte) konkret betroffen und die Reaktion war geradezu typisch:

Nach der schweren Beschädigung der Tapachula-Linie durch einen Wirbelsturm wurde am 25. Juni 2007 sofort die Konzession zurückgegeben und schon kurz darauf offiziell der Betrieb eingestellt. Umgehend begann der Verkauf des Fahrparks, welcher jedoch durch den Staat unterbunden werden konnte. Die Zukunft ist noch ungewiss.

Das „System Eisenbahn“ befindet sich heute in globaler Hinsicht in verschiedener Form in der Krise: In den USA stagniert schon seit Jahrzehnten der Große Personenverkehr, dafür floriert der Güterverkehr. In Frankreich triumphiert(e) der TGV über die regionalen Verbindungen. In Österreich gibt es zwischen den bedeutenden Städten Linz und Graz keine IC-Verbindung mehr. Die dortige „Eisenbahn-Debatte“ läuft nicht sachlich ab, sondern ist seit jeher „über-politisiert“. Geradezu stümperhafte Meinungen und Kommentare sind die Folge. Allein die Schweiz scheint ein Modell gefunden zu haben, welches sowohl die Bedürfnisse von Güter- als auch Personenverkehr zu befriedigen imstande ist. Dafür entpuppte sich das großartige Projekt „NEAT“ längst als Millionengrab.

Es ist hier aber nicht der Ort, um das oben angerissene Problem näher zu diskutieren. Die zukünftige Funktion des Systems Eisenbahn innerhalb des „Weltverkehrs“ wird letzten Endes v.a. von der „Energie-Frage“ abhängen.

Somit steht auch für Mexiko grundsätzlich fest:

Die Dinge werden nicht so bleiben, wie sie heute noch sind!

 

Quellen und Verweise:

ALZATI Servando: La mexicanizacion de los Ferrocarriles Nacionales de Mexico. –Mexico 1946.

BABB Sarah: Managing Mexico. Economists from Nationalism to Neoliberalism. –Princeton 2001.

BERNECKER Walther L. u.a.: Eine kleine Geschichte Mexikos. – Frankfurt/M. 2007.

CALDERON Francisco: Los ferrocarriles. In: Historia Moderna de Mexico 7. –Mexico 1965, S. 483 ff.

D’ESTRABAU Gilberto: El Ferrocarril. –Mexico 1988.

DRURY George H.: Mexican Railroads, Nationalization(1880-1990). In: Encyclopedia of North American Railroads. Hrsg. V. William D. Middleton u.a. –Bloomington 2007, S. 703 f.

ELIAS Antonio P.: Ferrocarriles. In: Encyclopedia de México 4 (1977), S. 245 ff.

FUENTES DIAZ Vicente: El problema ferrocarrilero de Mexico. –Mexico 1951.

KIRCHNER John A.: Mexican Railroad, General History. In: Encyclopedia of North American Railroads. Hrsg. V. William D. Middleton u.a. –Bloomington 2007, S. 695 ff.

OBEREGGER Elmar: Zur Eisenbahngeschichte der USA. In: www.oberegger2.org(2012). (Printfassung i. Vorbereitung)

ROSS John: Mexico. Geschichte, Gesellschaft, Kultur. –Münster 2004.

VANTUONO William C.: Mexican Railroads, Privatisation(1990-). In: Encyclopedia of North American Railroads. Hrsg. V. William D. Middleton u.a. –Bloomington 2007, S. 916 ff.

Wiki-Artikel: „Rail transport in Mexico”, „Schienenverkehr in Mexiko“.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2012.