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VI: Mexiko und der „Transit“ - Der Inter-kontinentale und der Inter-ozeanische Verkehr. Zwei höchst unglückliche Aspekte dieser Geschichte…

Das Projekt „Intercontinental Railway“(s. dazu v.a. KEMMANN 1900) sah grundsätzlich eine lückenlose Schienenverbindung von Alaska bis hinunter nach Patagonien vor.

Alaska:

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Zu deren Zweck schreibt Alfred v.d. Leyen 1914:

„Der Zweck der Bahn ist einerseits die Erschließung der von Eisenbahnen noch nicht berührten Länder für den Verkehr, anderseits und hauptsächlich ein politischer. Die Annäherung der Staaten des amerikanischen Festlandes sollte gefördert und der Einfluß der Vereinigten Staaten auf die mittel- und südamerikanischen Staaten gestärkt werden“.

Für Mexiko bestand also die Chance, ein wichtiges „Transitland“ zu werden.

Patagonien:

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Alles hatte so idealistisch begonnen, damals im Frühling des Jahres 1890 in Washington DC.  Im Zuge der „Ersten Internationalen Amerika-Konferenz“ war der Bau einer solchen Bahn erstmals vorgeschlagen worden. Alle betroffenen Staaten sollten sich finanziell einbringen, eine „Washingtoner Koordinierungsstelle“ wurde ins Leben gerufen.

Jeder kartenkundige Teilnehmer erkannte vor dem Hintergrund der „Großen Amerika-Karte“ sofort, dass zur Umsetzung des Projektes nur „Gewisse Lücken“ zu schließen wären – Doch um welchen konkreten Preis!

In Mexiko bestand ab 1892(Vollendung der „Südbahn“ von Puebla nach Oaxaca, s.o.) nur noch die Lücke zwischen Oaxaca und der Grenze Guatemalas.(s. Karte)

Die geplante Route der „Amerikanischen Interkontinentalbahn“ durch Mexiko(n. KEMMANN 1900) und die später errichtete „Alternativlinie“:

Copyright: Elmar Oberegger

Die rasche Ausfüllung dieser unterblieb aber, wohl nicht zuletzt deshalb, weil das Gesamtprojekt langsam aber sicher im Sumpf des „Diplomatistischen Wortschwalls“ versank. Die entsprechenden Meilensteine:

a)     Der „Allgemeine Bericht“ von 1895: „Hiernach waren bereits 7680 km Eisenbahnen, hauptsächlich in Nordamerika(den Vereinigten Staaten und Mexiko) vorhanden, dagegen 8780 km neu zu bauen, die Gesamtlinie würde also eine Länge von 16.460 km haben. Die neu zu bauenden Linien durchziehen zum erheblichen Teil schwieriges gebirgiges Gelände, hauptsächlich in Ecuador und in Peru. Ihre reinen Baukosten veranschlagt der Bericht auf 175 Mill. Doll. Hierzu kämen noch die Kosten für Oberbau, Ausrüstung, Stationsgebäude, Betriebsmaterial. Die Gesamtkosten sollten etwa 230-240 Mill. Doll., d.s. eine Milliarde Mark betragen, eine Schätzung, die von anderen Sachverständigen vielfach als erheblich zu niedrig erklärt wird“(LEYEN 1914).

b)    „Zweite Internationale Amerika-Konferenz“(1902) in Mexiko City: „Diese beschloß die Anstellung neuer Ermittlungen, deren Kosten der bedeutende Großindustrielle Andrew Carnegie und ein amerikanischer Unternehmer, Davis, getragen haben. Ein Mitglied des amerikanischen Repräsentantenhauses, Mr. Pepper, wurde mit Vornahme neuer Untersuchungen beauftragt, er bereiste wiederum die in Frage kommenden Gebiete und legte am 12. März 1904 dem Staatssekretär der Vereinigten Staaten seinen Bericht vor, der von dem Präsidenten Roosevelt dem Senat und dem Repräsentantenhaus und von diesem dem Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten überwiesen worden ist“(LEYEN 1914). Wirklich informationsreich war dieser Bericht aber keineswegs. 

Auf der „Dritten Internationalen Amerika-Konferenz“(1906) in Rio de Janeiro war die „Inter-Continental“ schon gar kein offizielles Thema mehr. Allerdings bezog man im Süden in der Folge hinsichtlich der strategischen Auslegung der „Neu-Bauten“ immerzu das „Große Konzept“ mit ein.

Seit 1902 liegt das Projekt also grundsätzlich auf Eis. Alaska bleibt vom Mutterland USA isoliert, Mexiko wurde nicht zum Eisenbahn-Nord-Süd-Transitland.

Man stellte aber dennoch eine Linie bis zur Grenze Guatemalas bei Tapachula her.(s. Karte) Von dort führte einst der (schmalspurige) Schienenweg weiter bis El Salvador. In der Folge verfiel dieser aber. Seit 2007 ist Guatemala eisenbahnlos, Mexiko somit eisenbahnmäßig vom Süden vollends abgeschnitten.

Das Straßensystem „Panamericana“ konnte sich jedoch über die Jahrzehnte gut entwickeln. Heute klafft von Nord nach Süd nur noch eine Lücke von ca. 90 Kilometern…

Das Konzept eines „Interozeanischen Eisenbahnverkehrs“ tauchte in Mexiko schon relativ früh auf. Interessanterweise fasste man hierfür aber ursprünglich nicht die engste Stelle zwischen Atlantik und Pazifik, nämlich den Isthmus von Tehuantepec, ins Auge.(s. Karte)

1857 erhielt Antonio Escandón vielmehr die Konzession für eine Linie Vera Cruz(Atlantik)-Mexiko City-Pazifikküste.(s. Kap. IV) Insofern wurde die Linie Mexiko C.-Pazifik also nur als Fortsetzung des „Ersten großen Eisenbahnplans“(= Vera Cruz-Mexiko C., 1837) betrachtet. Dieses Konzept war in der Tat kühn, hätte Mexiko sicherlich keineswegs geschadet, blieb aber insgesamt unausgeführt. Die damaligen Zeiten waren in vielerlei Hinsicht chaotisch.(s. Appendix)

Unter Präsident Diaz wurde die „Inter-Ozeanische Bahn“ gegründet. 1891 kam es zur Eröffnung der Linie Vera Cruz-Mexiko C., welche die seit 1873 bestehende „Mexikaner-Bahn“(Vera Cruz-Mexiko C.) entlastete. Die geplante Linie Puebla-Acapulco(Pazifik) blieb allerdings unausgeführt, die Gesellschaft wurde somit ihrem Namen nicht gerecht.(s.o.)

Sodann unternahm es die mächtige „Zentralbahn-Gesellschaft“(s.o.), einen Schienenstrang von Mexico C. bis Acapulco herzustellen. Aus Kostengründen wurde der Bahnbau jedoch nur bis Balsas del Norte durchgeführt.(s. Karte) Seit 1899 ruhen die entsprechenden Arbeiten.

Acapulco:

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Als idealer Punkt für die Etablierung eines „Coast-to-Coast-Verkehrs“ erschien dem mexikanischen Staat offenbar ohnehin schon immer die Landenge von Tehuantepec(s. Kap. III). Bereits Cortez soll hier einen „Kanal“ geplant haben.

Der Kanal-Plan wurde sodann nach „modernen technischen Maßstäben“ analysiert und schließlich verworfen.

Dafür wurde dem mexikanischen Staat vom US-Kapitän James B. Eads im Jahre 1881 ein anderes „Großartiges Projekt“ vorgeschlagen, nämlich die Errichtung einer „Schiffs-Eisenbahn“.(Vgl. Archiv f. Eisenbahnwesen 1881, S. 399 ff.)

Kapitän James B. Eads(1820-1887):

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Sie hätte wie folgt funktioniert:

a)     Das Atlantik-Schiff fährt in einen Kanal und wird an einem unter Wasser stehenden Wagen befestigt.

b)    Per Seilzug(Stationäre Dampfmaschine) wird der Wagen mit dem Schiff drauf aus dem Wasser herausgezogen.

c)     Mittels Lokomotiven erfolgt sodann der Transport zur Pazifikküste.

d)    Sodann Hinablassung in den Pazifik, undsofort…

(Derselbe Vorgang vice versa.)

Die Umsetzung dieses Konzeptes hätte immerhin nur ein Viertel(!) des ursprünglichen Kostenvoranschlages für den „Panama-Kanal“ erfordert. Heute wäre es natürlich technisch völlig untauglich.

Für Mexiko erschien die Zukunft damals aber – trotz des Umstandes, dass sich die USA schon 1853(„Landkauf“, s. Kap. III) gewisse „Wege-Rechte“ gesichert hatten – als rosig:

Man war offenbar knapp davor, ein wichtiges „Globales Transit-Land“ nach dem Muster Ägyptens(Suez-Kanal, 1869) zu werden. Noch dazu sah es in der damaligen Zeit in der Tat so aus, als ob der Panama-Kanal ohnehin nie fertig werden würde.(Baubeginn 1879, Bankrott der Baufirma 1889 usf. 1901 nahmen sodann die USA das Heft in die Hand…)

Die Realisierung der „Schiffs-Eisenbahn“ scheiterte schließlich aufgrund des Todes von Kapitän Eads im Jahre 1887.

Schon 1888 schlug man einen neuen Weg ein: Eine „Staats-Bahn“(!) sollte zukünftig beide Küsten verbinden. Das Interesse an der Etablierung eines „Coast-to-Coast-Verkehrs“ war also derart groß, dass man sogar kühn gegen die damaligen Regeln des Eisenbahnbaus(= Eisenbahnbau mit ausländ. Kapital, s. Kap. V) verstieß.

Nach dem Scheitern der „Eadsschen Schiffs-Eisenbahn“ bestand nun zwar die Notwendigkeit, die Waren vom Schiff auf die Eisenbahn(und umgekehrt) umzuladen(Die Einführung des Containers soll einst für dieses System segensreich sein!), die transitäre Bedeutung Mexikos wäre aber dennoch unbestreitbar.

Mit der Errichtung der Bahn wurde Ing. Carl Freiherr von Wagner betraut, welcher aufgrund der allgemeinen Rahmenbedingungen(Klima, Krankheiten etc.) schon mit der Trassierung Probleme hatte.

Ing. Carl v.Wagner(1843-1907):

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Im Jahre 1894 fand sodann die feierliche Eröffnung der neuen Strecke statt.

Die Eisenbahn durch die Landenge von Tehuantepec:

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Coatzacoalcos hieß von 1900 bis 1836 „Puerto Mexico“.

Das Unternehmen „Tehuantepec-Staatsbahn“ entpuppte sich aber schnell als schwerer Rückschlag: Die Linie war bald un-passierbar.

Erich Günther schreibt dazu 1912 rückblickend: „Sie war … so schlecht gebaut, daß man nur mit Lebensgefahr sich ihr anvertrauen konnte und die Schwellen nach kurzer Zeit hier und da im Sumpf versanken“(: 243).

Man sah sich also genötigt, umgehend eine „Überarbeitung“ anzuordnen. Diese führte sodann eine britische Firma durch. Sie dauerte bis 1907.(Vgl. Archiv f. Eisenbahnwesen 1907, S. 1240 f.) Längst aber haftete so ein übler Geruch an diesem einstmals für so „groß“ gehaltenen Projekt…

Schon 1909 gab es darüber hinaus „Direkte Konkurrenz“: Mit der Eröffnung der Bahn Irapuato-Manzanillo existierten nun plötzlich zwei ganz neue „Coast-to-Coast-Verbindungen“, nämlich Tampico/Vera Cruz-Irapuato-Manzanillo.(s. Karte)

Die Tehuantepec-Bahn und ihre Konkurrenzlinien:

Copyright: Elmar Oberegger

Nach der Eröffnung des Panama-Kanals im Jahre 1914 versank der mexikanische „Coast-to-Coast-Verkehr“ quasi in der Bedeutungslosigkeit.

 

Quellen und Verweise:

CALDERON Francisco: Los ferrocarriles. In: Historia Moderna de Mexico 7. –Mexico 1965, S. 483 ff.

D’ESTRABAU Gilberto: El Ferrocarril. –Mexico 1988.

ELIAS Antonio P.: Ferrocarriles. In: Encyclopedia de México 4 (1977), S. 245 ff.

FUENTES DIAZ Vicente: El problema ferrocarrilero de Mexico. –Mexico 1951.

GÜNTHER Erich: Ill. Handbuch von Mexiko mit besonderer Berücksichtigung der deutschen Interessen. –Leipzig 1912.

HENSEL Silke: Eisenbahnen in Mexiko. Das Problem der wirtschaftlichen Modernisierung und ihrer sozialen und raumstrukturierenden Folgen im Porfiriat(1876-1910). –Hamburg 1993.

KEMMANN Gustav: Die Interkontinentale Eisenbahn Amerikas. In: Archiv für Eisenbahnwesen 1900, S. 227 ff.

KUPKA Peter F.:  Die Eisenbahnen Mexikos. In: Archiv f. Eisenbahnwesen 1908, S. 305 ff.

LEYEN Alfred: Intercontinental Railway. In: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Hrsg. v. Victor Röll. –Berlin/Wien 1914.

OBEREGGER Elmar: Zur Eisenbahngeschichte der USA. In: www.oberegger2.org(2012). (Printfassung i. Vorbereitung)

POWELL Fred W.: The Railroads of Mexico. –Boston 1921.

RIEDEL Johannes: Knaurs Weltatlas. –Berlin 1928.

Wiki-Artikel: „Panamericana”, „Panamakanal“, “Schienenverkehr in Mexiko”.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2012.