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IV: ÖSTERREICH UND DAS PROBLEM „ÖFFENTLICHER VERKEHR“. DIE FATALISTISCHE „ESRENTIERTSINET-MENTALITÄT“. STRASSENAUSBAU FÜR DIE LUFT VOR AUSBAU DES ÖFFENTLICHEN VERKEHRSSYSTEMS. ESSAI. Immer, wenn man in Österreich einem Politiker oder auch dem sogenannten „Normalbürger“ ein sinnvolles „Konzept für den öffentlichen Verkehr“ vorstellt, so erntet man zunächst durchaus Interesse, sodann aber die Aussage: „ESRENTIERTSINET“(= „Es rentiert sich nicht“ im österr. Dialekt).(1) Auch das Konzept „Austrotakt 21“ wird letzten Endes nur Kopfschütteln auslösen. Diese grundsätzliche Skepsis gegenüber dem System „Öffentlicher (Schienen-)Verkehr“ ist in der Tat bemerkenswert! Man kann zwar nicht behaupten, dass in Österreich gar nichts auf diesem Gebiet getan werde. Doch es handelt sich hierbei einerseits um höchst beschränkte (Alibi-)Maßnahmen oder um Maßnahmen, welche eher dem „Transit“ und weniger dem „Bürger“ direkt nützlich sind. Um sodann zu zeigen, was man nicht alles tut, werden der Öffentlichkeit „Investitions-Summen“, also „Zahlen“ präsentiert. In Verkehrsfragen geht es aber in erster Linie um „QUALITÄT“, d.h. um gute und möglichst rasche Verbindungen(!), nicht um „QUANTITÄT“. Beispiel ad 1: Der tramwaymäßige Umbau der sogenannten „Mühlkreisbahn“ hat so lange keinen wirklichen Sinn, als man nicht die zukünftige Funktion des „Systems Tramway“ in Linz selbst klar und deutlich umrissen hat.(2) Bis dahin kann es sich hier nur um ein punktuelles Konzept handeln. Im Linzer Großraum vermissen wir in der Tat noch immer ein klar umrissenes Zukunfts-Konzept in dieser Richtung. Man hat ferner den Eindruck, dass man so etwas gar nicht haben will. (Unerhörter)Vorschlag für ein Linzer Schienenkonzept(2010):
Aus: E.Oberegger, Urfahr – Aigen-Schlägler – Bahn(2010). In: Enzyklopädie zur Eisenbahngeschichte des Alpen-Donau-Adriaraumes, Internet 2006 ff. Beispiele ad 2: Hier wäre auf die Großtunnel-Projekte zu verweisen, welche ja so viele „Arbeitsplätze“ schaffen. Doch kein Zentimeter Land(!) wird dadurch für den Bürger erschlossen! Diese Großtunnels sind eher den Nachbarn Österreichs nützlich als dem österreichischen Bürger. Insofern ist deren Errichtung eine höchst teure Art, „Arbeitsplätze“ zu schaffen! All‘ das und auch die österreichische „ESRENTIERTSINET-MENTALITÄT“ sind letzten Endes auf ein mangelhaftes „VOLKSWIRTSCHAFTLICHES BEWUSSTSEIN“ zurückzuführen.(Und die Profiteure dieses Umstandes werden natürlich alles dafür tun, diesen aufrecht zu erhalten!) Was bedeutet nun grundsätzlich „Volkswirtschaft“? Hier geht es darum, das wirtschaftliche Gesamtsystem zu betrachten; im Bewußtsein, dass sich etwas auch indirekt rentieren kann. So wurde 1990 in der Werbebroschüre zum „Neuen Austrotakt“ – auf die „Schweizer Verhältnisse“ verweisend - festgehalten: „In der Schweiz etwa hat ein ähnlicher Taktfahrplan seine Testphase bereits erfolgreich hinter sich gebracht. Die Erfahrung zeigt: Mehr Angebote der Bahn sind ein Vorteil für die Umwelt. Denn sie motivieren zum umweltbewußten Reisen … Aus den Erfahrungen der Schweiz läßt sich errechnen, daß nach der Volleinführung des NAT im Jahr 2000 in Österreich ca. 2,5 Mio Autofernfahrten pro Jahr unterbleiben werden. Daraus ergeben sich unter anderem 50 Mio. Liter eingesparter Treibstoff. Und eine entsprechend geringere Schadstoffbelastung für Mensch und Umwelt. Gar nicht zu reden von vermindertem Stau, dem verringerten Unfallrisiko und den geringeren Unfallfolgekosten“(3). Im selben Sinn hielt Prof.Dr. Gerhart Bruckmann(4) schon 1976 zum Problem „Defizit der ÖBB“ fest: „Es gibt da eine negative und eine positive Seite. Vielleicht ließe sich manches einsparen und weniger kostenaufwendig machen – vielleicht, sage ich. Andererseits ist der größte Teil des Defizits darauf zurückzuführen, daß die Tarife der österreichischen Bundesbahnen aus volkswirtschaftlichen Gründen absichtlich niedrig gehalten sind, daß es aber richtig ist, in diesem Fall einen scheinbaren Zuschuß der öffentlichen Hand zu leisten. Scheinbar deshalb, weil hier eine volkswirtschaftliche Rentabilität dazukommt, die sich nicht direkt in den Kosten niederschlagen kann, wenn diese künstlich niedrig gehalten sind“(5). Und er setzte sofort hinzu: „Ich halte es für falsch, Nebenbahnen einzustellen, so sehr dies auch das Betriebsergebnis der österreichischen Bundesbahnen unmittelbar verbessern mag. Diese Einstellung erscheint mir deshalb falsch, weil hier die volkswirtschaftlichen Kosten, die man schwer auf Heller und Pfennig berechnen kann, sehr stark ins Gewicht fallen“(6). Wenn man nun weiß, dass Prof. Bruckmann renommiertes ÖVP-Mitglied ist(zu seiner Biographie siehe Anm. 4), so werden diese Ausführungen nur noch bemerkenswerter: Der Großteil seiner Gesinnungsfreunde ergeht sich nämlich schon seit Jahrzehnten darin, die ÖBB als „ROTE HOCHBURG“ ständig zu attackieren und zu schwächen. Die Kollateralschäden dieses letztlich völlig verantwortungslosen Konfliktes muss schließlich der österreichische Bürger tragen. Vor allem aber geht er zu Lasten der österreichischen Volkswirtschaft. Die österreichische „ESRENTIERTSINET-MENTALITÄT“ fußt einerseits auf dem im Lande üblichen Kleinkrämertum, andererseits auf der „Betriebswirtschaftlichen Perspektive“, welche seit Margaret Thatcher wahre Höhenflüge erlebt; dies obwohl sich der „Neo-Liberalismus“ schön langsam selbst auffrisst. Unter „Betriebswirtschaftslehre“ könnte man gemäß eines ganz herkömmlichen Lexikons verstehen:(7) „Teil der Wirtschaftswissenschaft, der sich mit dem wirtschaftl. Geschehen in den einzelnen Betrieben u. deren Beziehungen untereinander befaßt. Das wissenschaftl. Interesse ist bes. auf die nach Gewinn strebenden privaten u. öffentl. Unternehmungen der gewerbl. Wirtschaft gerichtet … Die Probleme der nicht nach Gewinn strebenden Betriebe der öffentl. Hand, z.B. innerhalb des Kultur- u. Gesundheitswesens sowie der allg. Verwaltung, werden nur am Rande behandelt …“. Wird diese Ausrichtung politisiert, so landet man mit Sicherheit bei völlig absurden Ansichten. Wir erinnern nur an die austrofaschistische These: „Der Staat ist letzten Endes nichts Anderes als ein Bauernhof“. Man muss dies gar nicht mehr kommentieren. Besonders absurd ist in Österreich die Forcierung des Strassenverkehrs. Und gestützt wird diese Bewegung durch den weiteren Abbau des „Öffentlichen Verkehrssystems“. Man möchte es kaum glauben: In Österreich ist der „Mythos von der unbeschränkten Mobilität mittels Auto“ noch immer aktiv! Und wenn der „Böse Stau“ diese völlig naive Illusion zu zerstören droht, wird eben weiterer Strassenausbau betrieben, d.h. es werden Strassenverbreiterungen durchgeführt, Umfahrungen(Bypässe!) angelegt. Doch damit wird der Strassenverkehr nur noch mehr forciert, das „Stau-Problem“ nicht grundlegend gelöst, sondern nur in die Zukunft verschoben. Man möchte dem Leser die Problematik „Stau“ nun v.a. visuell verdeutlichen: Hierbei gehen wir abstrakt von einem PKW mit insgesamt 5 Sitzplätzen aus wobei einer davon vom Fahrer besetzt ist. Blickt man während eines Staus zu den anderen Autos hinüber, so zeigt sich, dass in der Regel 4 Plätze unbesetzt sind.(s. Darstellung) Dies hängt direkt mit der mangelnden Kooperationsbereitschaft unter den Bürgern zusammen, indirekt mit dem „Freiheits-Bewusstsein“ des einzelnen Autobesitzers. „Fahrgemeinschaften“ gehen deshalb zumeist schief. Österreichischer PKW mit 5 Sitzplätzen, 4 davon frei:
Copyright: Elmar Oberegger Aus solchen PKWs – welche also v.a. „LUFT“ beherbergen - wird in der Regel der „Stau“ gebildet. Die nächste Darstellung zeigt uns einen solchen auf einer vierspurigen Autobahn: Typischer Stau auf einer vierspurigen Autobahn in Österreich(= 4 stillstehende „Geisterzüge“):
Copyright: Elmar Oberegger Würden die „Fahrgäste“(= Fahrer) mittels Bussen(= Schienenersatzverkehr) transportiert, dann gäbe es gar keinen Stau! Festzustellen ist hierzu konkret: a) Es herrscht quasi Stillstand, keine flüssige Fortbewegung ist möglich. Trotzdem aber wird permanent kostbarer Treibstoff verbraucht. b) Das Bild zeigt uns vier schlangenähnliche Gebilde, welche vor allem aus „LUFT“ bestehen. Befördert wird also in erster Linie diese „LUFT“. c) Um diesen Stau unmöglich zu machen, entschließt man sich zu teurem Straßenausbau, d.h. man betreibt „STRASSENAUSBAU FÜR DIE LUFT“. Das muss sich ein System erst einmal leisten können! d) Ein Eisenbahnzug kann auch noch so unangenehm voll sein – Er bewegt sich zumindest fort, d.h. der – wie immer geartete – Treibstoff wird sinnvoll verwendet. e) Die Eisenbahn braucht zur Abwicklung großer Kapazitäten nicht so viel Platz wie das Autosystem. Wir sehen oben ganze 4 Spuren! Die Eisenbahn kann schon auf 2 Spuren(bzw. zwei Gleisen) größte Mengen an Menschen(und glz. Gütern!) bewegen! f) Wenn ein österreichischer Politiker um etwa 22:30h einen Zug mit 4 Waggons und 6-7 Fahrgästen erblickt, dann ist er sich wieder einmal völlig sicher, dass das Eisenbahnsystem „völlig unrentabel“ sei. Das Schlagwort „GEISTERZUG“ wird sodann noch gern bemüht! Hat er aber schon einmal obige Darstellung gesehen? Dort sehen wir gleich 4 „GEISTERZÜGE“, welche noch dazu stillstehen und ferner Treibstoff verbrauchen. Und das soll in irgendeiner Weise nützlich bzw. in irgendeiner Weise „rentabel“ sein?! Trotzdem betreibt man in Österreich den „STRASSENAUSBAU FÜR DIE LUFT“ bis heute munter weiter! Eine Forcierung und Attraktivierung(= bes. Vermeidung von unangenehm überfüllten Zügen!) des „ÖFFENTLICHEN VERKEHRS“ wird hingegen als „un-rentabel“ und „zu teuer“ gesehen. Mit Prof. Knoflacher müssen wir hierzu aber darauf verweisen: Nicht die BOSHEIT führt hier etwa Regie, sondern MANGELNDE INFORMIERTHEIT. Auch ein „ÖFFENTLICHES VERKEHRSSYSTEM“ befördert (notwendigerweise) u.a. „LUFT“, und es soll hier auch nicht behauptet werden, es gäbe ein zu 100% ideales(!) Transportsystem, jedoch ist abschließend grundsätzlich festzustellen: Das eine System ist eben volkswirtschaftlich nützlich, das andere eben nicht. Es liegt letzten Endes an der Politik, zum Wohle der Volkswirtschaft, damit zum Wohle des Staates, damit zum Wohle des Bürgers zu agieren! Das, was zunächst als „teuer“ und „un-rentabel“ erscheint, kann ein Land auf lange Sicht (nicht nur materiell) bereichern! Doch das vorliegende Memo wird in Österreich wahrscheinlich nur ein gelindes Kopfschütteln und ein „ESRENTIERTSINET“ ernten! (Und dies trotz des großen Schweizer Vorbildes!)
Anmerkungen: 1) Dieser Essai fußt v.a. auf dem Werk von Prof.Dr. Hermann KNOFLACHER(TU Wien); besonders auf seinem höchst bemerkenswerten Buch „Landschaft ohne Autobahnen. Für eine zukunftsorientierte Verkehrsplanung“(Wien 1997). 2) Siehe dazu den Art. „Urfahr - Aigen-Schlägler-Bahn“ (mit Karte!) in Enzyklopädie zur Eisenbahngeschichte des Alpen-Donau-Adria-Raumes. –Internet 2006 ff. 3) NAT-Neuer Austrotakt. Ein Fahrplan verändert Österreich. –Wien 1990, S. 22. 4) Herr Prof.Dr.Bruckmann – öffentlich v.a. bekanntgeworden durch seine legendären Wahlhochrechnungen für den ORF - wurde 1932 in Wien geboren. Er studierte in Österreich und auch in den USA. Ab 1957 war er „Referent für Statistik“ in der Bundeskammer der Gewerblichen Wirtschaft. Nach seiner Habilitation wurde er sofort „Ordinarius“ an der neu gegründeten „Johannes Kepler Universität“ in Linz(1967). Doch schon früh ging er an die Universität Wien, wo er bis 1992 weiterhin im Rang eines „Ordinarius“ fungierte. Er hatte in seinem Leben auch bedeutende politische Funktionen inne, hervorzuheben sind hier seine Tätigkeiten als ÖVP-Nationalrat(1986-1994; 1999-2002). 5) Gerhart BRUCKMANN in „Bruckmanns Prognose: Der Bahn gehört die Zukunft. Ein Gespräch mit Univ.-Prof.Dr.Gerhart Bruckmann, Ordinarius für Statistik an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien“. In: ÖBB-Journal 6 (1976), S. 49 ff. Hier: S. 51. 6) Herr Prof. BRUCKMANN steht dazu übrigens bis heute. Der Verfasser durfte mit ihm am 6. April 2011 ein Gespräch führen. Siehe Elmar OBEREGGER: Zur traurigen Geschichte des „NAT‘91“. Von den Anfängen bis zum Zusammenbruch. 1990-2010. –Sattledt 2011, S. 10 ff. 7) Siehe etwa Das moderne Lexikon, Berlin 1971
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