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VII: TECHNISCHES. Ursprünglich hielt man sich auch in Österreich an den englischen Grundsatz: sanfte Steigungen und möglichst flache Krümmungen. Dieses Princip mußte aber verlassen werden, als man daran ging, das Hochgebirge zum Zweck der Verbindung von bisher getrennten Hauptlinien zu überschienen. Wegen der im Gebirge vielfach wechselnden Bodengestaltung wären bei Anwendung großer Krümmungshalbmesser und geringer Neigungen außergewöhnlich kostspielige Bauten notwendig geworden; man war deshalb gezwungen, mit Rücksicht auf den damals noch wenig entwickelten Verkehr und auf das aufzuwendende Baukapital sich möglichst an das Terrain anzuschmiegen. Dies bedingte die häufige Anwendung von bis dahin ungewöhnlichen starken und anhaltenden Steigungen, von Gegengefällen und kleinen Krümmungshalbmessern sowie eine künstliche Entwicklung der Bahnlinie zur Erreichung höher liegender Thalstufen. Die erste Gebirgsbahn, welche das vollständigste Bild der innigsten Anschmiegung an die Bodenoberfläche darbietet, zugleich die erste Alpenbahn, ist die Semmeringbahn. Semmeringbahn: „Kalte Rinne-Viadukt“.
WIKI GEMEINFREI Das Werk über den Semmering begründete eine vollständig neue Schule des Eisenbahnbaues, welche bei den drei späteren Alpenbahnen über den Brenner, über das Toblacher Feld und über den Arlberg eine weitere, und zwar bei jeder dieser Bahnen eine eigenartige, Entwicklung und Ausbildung fand. Ostportal Arlbergtunnel:
WIKI GEMEINFREI Diese vier österreichischen großen Alpenbahnen bieten die verschiedenartigsten geologischen, orographischen, hydrographischen und klimatischen Verhältnisse. Infolgedessen finden sich bei diesen Linien die mannigfaltigsten Anordnungen, welche bei einer Alpentrace vorkommen können, als: offene Überschreitung des Passes, Tunnelierung des Passes mittels Scheiteltunnels, Durchbohrung des Alpenstocks mittels eines langen alpinen Tunnels, direkter Aufstieg in Thälern von ausreichendem Gefälle und schließlich Anwendung künstlicher Entwicklung bei unzureichendem Thalgefalle.(Vgl. Rziha: Der wissenschaftliche Anteil Österreichs am Eisenbahnbau, Zeitschrift für Eisenbahnen und Dampfschiffahrt, Wien 1888, Nr. 1 u. 2.). Außer den genannten großen Alpenbahnen besitzt Österreich auch noch zahlreiche andere bedeutende Gebirgsbahnen(Karstbahnen, Eisenerz-Vordernberg, Rudolfs-Bahn, Salzkammergutbahn, Giselabahn, Tarvis-Pontafel, Klostergrab-Moldau, Pilsen-Priesen-Eisenstein, Komotau-Weipert, Krima-Reitzenhain, galiz. Transversalbahn, Stryj-Beskid, Przemysl-Lupków u. a.). Einzelne Gebirgsbahnen von örtlichem Charakter, bei welchen streckenweise besonders starke Steigungen vorkommen, werden neuestens für gemischten Betrieb(Adhäsion und Zahnstange) eingerichtet, so unter anderen die Linie Eisenerz-Vordernberg, die Achenseebabn u. dgl. Außerdem bestehen mehrere Bergbahnen, welche ausschließlich mit Zahnradlokomotiven betrieben werden, so die Kahlenberg- und Gaisbergbahn(auch die im Bau befindliche Schafbergbahn wird für Zahnradbetrieb eingerichtet). Die bedeutenderen Wasserscheiden, welche von den österreichischen Eisenbahnen überschritten werden, sind: Brenner (Innsbruck-Bozen) 1367 m, Arlbergtunnel 1310 m, Toblach(Marburg-Franzensfeste) 1210 m, Prebichl 1204,8 m, Hochfilzen(Salzburg-Bludenz) 968 m, Semmering(Mürzzuschlag-Gloggnitz) 898 m, St. Lamprecht 897m, Schmiedeberg 870 m, St. Sebastiansberg 825 m. Die Neigungs- und Richtungsverhältnisse sind mit Rücksicht auf den Gebirgscharakter der österreichischen Eisenbahnen wenig günstig. Von den im Betrieb befindlichen Linien (14 571 km im Jahr 1888) waren 3034 km oder 20,8 % wagerecht, 11 537 km geneigt; von letzteren besaßen eine Neigung (Steigung und Gefälle) bis zu 5 Promill 5903 km oder 40,5 %^ von 5 bis zu 10 Promill 3085 km oder 21, 2 % von 10 bis zu 15 Promill 1446 km oder 21, 2 % von 15 bis zu 25 Promill 988 km oder 6, 8 % und mehr als 25 Promill 115 km oder 0,8 % In der Geraden liegen 9276 km oder 63,66 %. In Krümmungen liegen 5295 km oder 36,34 % Von den letzteren hatten Krümmungshalbmesser unter 300 m Länge 1186km oder 8,14% von 300 m bis 500 m Länge 1836 km oder 12,60 % von 500 m bis 1000 m Länge 1438 km oder 9,87 % und mehr als 1000 m Länge 835 km oder 5,73 % Spurweite: Die österreichischen Eisenbahnen haben zum größten Teil die Normalspur(1,435 m), Schmalspurbahnen waren Ende 1890 nur 72,897 km im Betrieb. Kunstbauten von bemerkenswerter Ausführung sind auf den österreichischen Eisenbahnen sehr zahlreich. Die längsten Tunnel sind: Der Semmeringtunnel, 1,430 km, vollendet 1852. Der Tunnel bei Prag K.F.J.-B. 1,141 km, vollendet 1872 Der Sonnsteintunnel(Salzkammergutbahn) 1,428 km, vollendet 1877 Der Spitzbergtunnel(Pilsen-Eisenstein) 1,747 km, vollendet 1877 Der Arlbergtunnel 10,250, vollendet 1884 Was die Brücken und Viadukte betrifft, so wurde der Überbau bis in die Mitte der fünfziger Jahre fast ausschließlich aus Gewölben hergestellt, dann fand das Eisen immer größere Anwendung und erst in der jüngsten Zeit(beim Bau der Arlbergbahn) gelangt das Gewölbe wieder häufiger zur Verwendung. Größere gewölbte Objekte sind: Die Moldaubrücke mit anschließendem Viadukt bei Prag, der Viadukt über die Kalte Rinne(Semmeringbahn), die Avisiobrücke bei Lavis, der Viadukt bei Nemoian, der Viadukt über den Schmiedtobel(Arlbergbahn), die Brücke über den Wäldlitobel(Arlbergbahn). Nordbahn: Viadukt bei Prag.
WIKI GEMEINFREI Größere Brücken oder Viadukte, deren Überbau teilweise gewölbt, teilweise aus Eisen hergestellt ist, sind: Die Radbusabrücke bei Pilsen, der Viadukt bei Hostiwitz, die Innübersetzung bei Landeck, der Trisanaviadukt bei Wiesberg. Größere Brücken oder Viadukte mit ganz eisernem Überbau sind: Die Donaubrücken bei Mauthausen, Krems, Tulln und Wien, die Dniesterbrücke bei Jezupol, die Pruthbrücke bei Przerwa, der Iglawaviadukt bei Eibenschütz, die Thayabrücke bei Znaim, der Eisackviadukt bei Franzensfeste, der Oporvjadukt bei Lawoczne, die Dunajecbrücke bei Tarnów. die Wislokabrücke bei Dembica, die Moldaubrücke bei Cervena. In den letzten Jahren wurden mit Rücksicht auf die Einführung schwererer Lokomotiven und die Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit die meisten Eisenbrücken entsprechend verstärkt und einzelne neu hergestellt. Der Oberbau bestand bei den erstgebauten Eisenbahnen aus auf Langschwellen verlegten Flachschienen, welche aber bald durch Stuhlschienen ersetzt wurden. Im Jahr 1847 fanden die ersten Vignolesschienen Anwendung und werden seither in Österreich ausschließlich solche Schienen zum Gleisbau verwendet. Bis 1855 wurden die Schienen aus Schmiedeisen erzeugt; in diesem Jahr wurden die ersten Versuche mit Puddelstahl- und Puddelstahlkopfschienen angestellt, welche so gute Ergebnisse lieferten, daß bis zum Jahr 1868 ausschließlich Schienen aus solchem Material Verwendung fanden. Im gleichen Jahr wurden die ersten Schienen aus Bessemerflußstahl verlegt; diesen folgten später auch Flußstahlschienen, welche nach dem Verfahren von Martin und jenem von Thomas erzeugt wurden. Die weitaus größte Mehrzahl der Gleise ruht auf hölzernen Querschwellen; eiserne Lang- und Querschwellen sind nur vereinzelt auf Probestrecken anzutreffen und haben bisher wegen der verhältnismäßig niedrigen Holzpreise keine ausgebreitete Verwendung gefunden. Weichen erhalten zumeist eiserne Unterlagen. Der Verstärkung des Oberbaues wird auch in Österreich die volle Aufmerksamkeit zugewendet, ohne daß es bisher gelungen wäre, endgültige Ergebnisse über die vielfach angestellten Proben und Studien zu erhalten. Die Stationsanlagen der älteren Bahnen entsprechen vielfach nicht mehr dem gesteigerten Verkehr. Indessen trachtet man in dieser Richtung durch Erweiterungsbauten den Bedürfnissen nach Thunlichkeit Rechnung zu tragen. Der Erhöhung der Betriebssicherheit wird die größte Obsorge zugewendet und finden insbesondere Blockeinrichtungen und Stellwerke immer weitergehende Verbreitung. |
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