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VI: WEITERE VERFESTIGUNG DES STAATSBAHNSYSTEMS BIS 1892, LOKALBAHNFRAGE, WIENER STADTBAHN, INFRASTRUKTURELLER AUSBAU ETC.

Der nunmehr noch zu besprechende Abschnitt des sechsten Jahrzehnts lieferte fortgesetzt vollgültige Beweise dafür, daß das Verstaatlichungsprincip aufrechterhalten sei und unentwegt weitergeführt werde:

So vor allem die (vermöge des Übereinkommens mit der Nordbahn vom 10. Januar und 17. Juli 1885) begonnene und hernach auf Grund des Gesetzes vom 30. Mai 1883 fortgesetzte Wiedererwerbung der noch im Besitz von Privatbahnen gestandenen Anteile an der Wiener Verbindungsbahn; die (zufolge des Gesetzes vom 25. Mai 1889, bezw. der Übereinkommen vom 22. und 23. Dezember 1888) am 1. Januar 1889 vollzogene Verstaatlichung der österreichischen Linien der ersten ungarisch-galizischen Eisenbahn und der ungarischen Westbahn; die Kündigung der betreffenden Betriebsverträge mit der Südbahn, bezw. mährisch-schlesischen Centralbahn und sohin ebenfalls am 1. Januar 1889 vor sich gegangene Übernahme der staatlichen Linien: Mürzzuschlag-Neuberg, Unter Drauburg-Wolfsberg, Erbersdorf-Würbenthal und Kriegsdorf-Römerstadt in die eigene Regie des Staatsbetriebs; die am 1. Juli 1889 (in Gemäßheit des sogenannten Sequestrationsgesetzes) vollzogene Übernahme der österreichischen Linien der Lemberg-Czernowitz-Jassy-Eisenbahn in den Staatsbetrieb, wobei zugleich auch die bis dahin von dieser Gesellschaft betriebenen Bukowinaer Lokalbahnen, sowie die Kolomeaer Lokalbahnen und die Eisenbahn Lemberg-Belzec in den Staatsbetrieb übergingen; endlich der kraft des Übereinkommens vom 30. Juni 1891, bezw. des Gesetzes vom 25. November 1891 mit Wirksamkeit vom 1. Januar 1892 bewerkstelligte Ankauf der galizischen Carl Ludwig-Bahn durch den Staat.

Des Ferneren muß als ein solcher Beweis auch die Thatsache angesehen werden, daß in fast allen neueren Konzessionsurkunden für sogenannte selbständige, d.h. nicht von den anschließenden privaten Hauptbahnen und auf deren Kosten erbaute Lokalbahnen die Bestimmung enthalten ist, wonach der Betrieb auf die ganze Dauer ihrer Konzession durch den Staat geführt und dem letzteren auch die jederzeitige Einlösung vorbehalten ist.

Weniger ergiebig ließ sich dagegen dieser Zeitabschnitt bisher hinsichtlich des Ausbaues des Bahnnetzes an. Dies mag auf folgende Ursachen zurückzuführen sein:

Die zur Ergänzung der österreichischen Schienenstraßen noch erforderlichen Vollbahnen (Tauernbahn, Laak- oder Predilbahn, Stanislau-Woronienka u.s.w.) werden, entsprechend seiner Eisenbahnpolitik, vom Staat selbst auszuführen sein und dieser ist nicht bloß genötigt, mit seinen Mitteln hauszuhalten, sondern er muß auch abwarten, bis die betreffenden Projekte nach ihrer technischen Seite wie nicht minder auf ihre Nützlichkeit sorgfältig geprüft werden können, was wieder bei manchen dieser Linien (namentlich den erstgenannten) davon abhängig ist, daß die an ihrem Zustandekommen in erster Reihe interessierten Gebiete und Stapelplätze sich über die Wahl der Tracen geeinigt haben.

Das Lokalbahnwesen, dem fortan der Haupt-Anteil an der Vollendung des Bahnnetzes zufällt, konnte die gewünschte allseitige Entwicklung noch nicht nehmen, weil viele der sich unablässig herandrängenden Projekte wegen ihrer über den Zweck und Rahmen örtlicher Schienenwege weit hinausgehenden Ausdehnung und Kostspieligkeit oder gar aus verkehrspolitischen Gründen unberücksichtigt, bezw. bis zur Abklärung und besseren Ausreifung zurückgestellt bleiben müssen, andere wieder an der Teilnahmslosigkeit der Interessenten scheitern, und noch andere, bei denen es wohl an einer Opferwilligkeit der zunächst Beteiligten nicht mangelt, aber auch staatliche Beihilfe erforderlich ist, diese trotz der wohlwollenden Fürsorge der Regierung dennoch nicht überall in vollem Maß erlangen können.

Bei solchen Linien, deren Notwendigkeit auch vom Standpunkt des Landesinteresse außer Zweifel gewesen, haben allerdings die betreffenden Landesvertretungen Unterstützungen aus Landesmitteln geboten; doch geschah dies eben nur in einzelnen Fällen und weil mehrerenteils à fonds perdu, auch nur in eng begrenzter Weise, so daß die Kapitalsbeschaffung immer noch genug zu sorgen gab.

In Ansehung der Vollbahnen bleibt daher für die Gegenwart und wahrscheinlich auch für die nächste Zukunft ein nurmehr mäßiger und sich langsam vollziehender Zuwachs an neuen Linien zu gewärtigen. Hinsichtlich der Lokalbahnen dürften aber die geschilderten Hemmnisse recht bald in bedeutendem Maß behoben sein:

Die Landesvertretung des Herzogtums Steiermark, welche seit jeher in der Unterstützung von Lokalbahnen dankenswerte Freigebigkeit bethätigte, hat nämlich in der richtigen und rechtzeitigen Erkenntnis, daß die bisherige Art der Subventionierung von Lokalbahnen dem Land bedeutende Lasten auferlege, ohne damit dem angestrebten Ziel wesentlich näher zu kommen, eine Aktion im großen Stil zu Nutz und Frommen des Lokalbahnbaues unternommen, indem sie in ihrer Session vom Jahr 1889 ein Landesgesetz schuf, vermöge dessen die seitens des Lands zu gewährenden Unterstützungen für Lokalbahnen in ein festes System und dadurch wieder die steirischen Lokalbahnen in den völligen Besitz oder doch unter die eigenste Obhut des Lands gebracht, auf die Mittel, bezw. den Kredit des letzteren gestützt, mithin dem Spekulationsgetriebe entrückt und vor den Schwierigkeiten und der Verteuerung der Geldbeschaffung bewahrt werden; ferner zur Erreichung dieses Zwecks einerseits ein eigener Fonds – der „steirische Lokaleisenbahnfonds“, welchem der Erlös eines „steirischen Landeseisenbahnanlehens“ im Höchstbetrag von 10 Mill. Gulden, dann die Betriebsüberschüsse der vom Land erbauten Linien, sowie die von den Interessenten oder vom Staat geleisteten Beiträge und der Erlös aus dem Verkauf von Landesbahnen oder aus dem Verkauf und der Tilgung der seitens des Lands gezeichneten Titel von durch Private erbauten Lokalbahnen zugewiesen sind, geschaffen und anderseits für die Betreuung der technischen und administrativen Geschäfte der auf Grund dieses Gesetzes herzustellenden Lokalbahnen, deren Betrieb übrigens nach Möglichkeit an die benachbarten Hauptbahnen übertragen werden soll, ein eigenes Amt, das „Landeseisenbahnamt“, errichtet wird.

Selbstverständlich erfreute sich dieses groß angelegte Werk sofort der öffentlichen Anerkennung. Gleich allen wichtigen Neuerungen fand es aber auch seine Gegnerschaft. Neben dem Bedenken, ob die mächtige Förderung der Lokalbahnen dieselben in ihrer allmählichen Aneinanderschließung nicht etwa zu Konkurrenzlinien der bestehenden Hauptbahnen herausbilden würde, wurde auch die Besorgnis vor den politischen Folgewirkungen einer „Verländerung der Eisenbahnen“ laut.

Glücklicherweise konnte diese Gegnerschaft durch den fundamentalen Umstand, daß das Eisenbahnwesen überhaupt schon kraft § 11, lit. d des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867 eine Reichsangelegenheit ist und daß die Regierung jederzeit die Konzessionierung einer ihr aus verkehrspolitischen oder anderen wichtigen Gründen nicht genehmen Linie verweigern kann, alsbald zum Schweigen gebracht werden.

Der am 11. Februar 1890 erfolgten allerh. Sanktion jenes Landesgesetzes reihte sich nach wenigen Monaten das Gesetz vom 15. Juni 1890 über die 30jährige Steuerfreiheit, sowie die Zuerkennung der Eignung zu pupillarsicheren Anlagen für das 4%ige Landeseisenbahnanlehen von 10 Mill. Gulden an, und derzeit rüsten sich bereits die Landtage von Galizien und Böhmen, es dem steiermärkischen Landtag gleich zu thun. Folgen dann auch noch, andere Landesvertretungen jenem rühmlichen Beispiel, was nach den diesbezüglichen Voreinleitungen in Mähren und Oberösterreich fast mit Sicherheit erwartet werden darf, dann steht der Entwicklung des Lokalbahnwesens in Österreich, wie gesagt, eine neue Epoche bevor.

Für die seit dem Jahr 1886 bisher verstrichene Periode sind jedoch vorerst nur geringere Fortschritte zu verzeichnen. Allerdings fallen in diese Periode das Aufhören der wiederholt (zuletzt bis Ende 1886) verlängerten Wirksamkeit des Lokalbahngesetzes vom 25. Mai 1880 und die vergeblichen Bemühungen der Regierung um die Zustandebringung eines dauernden Lokalbahngesetzes. Der diesbezügliche, am 18. Juni 1886 dem Reichsrat vorgelegte Entwurf gelangte erst zu Beginn des Jahrs 1887 zur Beratung, aber, weil die Abgrenzung des Begriffs „Lokalbahnen“ noch immer nicht glücken wollte, ferner die in dem Entwurf vorgesehen gewesene Benutzung auch nichtärarischer Straßen zur Anlage von Lokalbahnen, bezw. die diesfällige Anwendung des Enteignungsverfahrens dem Ausschuß noch nicht spruchreif erschien und er vor der Schaffung eines definitiven Lokalbahngesetzes die Frage der Finanzierung von Nebenbahnen wenigstens im Grundsätzlichen geregelt sehen mochte – auch da nur insoweit zur Erledigung, daß diejenigen allgemeinen Vollmachten, welche es der Regierung möglich machen, in der Sicherstellung von örtlichen Schienenwegen, die keine staatliche Beihilfe nötig haben, fortzufahren, ohne jedes einzelne Projekt vor die Legislative bringen zu müssen, in ein abermals provisorisches, nämlich nur bis Ende 1890 gültiges Gesetz zusammengefaßt wurden.

Dieses am 17. Juni 1887 allerh. sanktionierte Gesetz, dessen Wirksamkeit späterhin (nämlich vermittelst des Gesetzes vom 28. Dezember 1890) bis 31. Dezember 1898 erstreckt wurde, bildet gegenwärtig die Grundlage für die Konzessionierung der ohne unmittelbare finanzielle Beihilfe des Staats zu stände kommenden Lokalbahnen. Im Jahr 1887 fand gar keine Konzessionierung statt; hernach aber wurden auf Grund des vorbezeichneten Gesetzes konzessioniert: im Jahr 1888 die Steyrthalbahn (Steyr-Untergrünburg), welche die erste dem allgemeinen Verkehr dienende Schmalspurbahn Österreichs ist und als Sinnbild des im Einklang mit dem Regierungsprogramm vom Jahr 1875 stehenden Bruchs mit dem starren Festhalten an der Normalspur eine specielle Bedeutung gewann; ferner fünf derjenigen Linien, zu deren Ausführung die Nordbahn sich in ihrem Übereinkommen mit der Regierung vom 10. Januar, bezw. 17. Juli 1885 verpflichtet hat, nämlich:

Drösing-Zistersdorf, Göding-ärarische Tabakfabrik, Rohatetz-Sudomeritz, Hotzendorf-Neutitschein, Holleschau-Ustron, dann Gleisdorf-Weiz, Michldorf-Klaus, Brünn-Zwittawaufer, Jenbach-Achensee(schmalspurig und die.erste Zahnradbahn in Tirol, bezw. die erste in Österreich zur Ausführung gekommene Bahn mit gemischtem, nämlich Adhäsions- und Zahnstangensystem), Brünn-Schimitz, Kosteletz-Cellechowitz, zusammen 88 km lang; im Jahr 1889: Standing -Wagstadt (Nordbahnstrecke w. o.), Groß Priesen-Wernstadt-Auscha, Innsbruck-Hall (schmalspurig), Cilli-Wöllan, Mori-Arco-Riva(schmalspurig), zusammen 104,7 km lang; im Jahr 1890: Ischl-Salzburg samt Abzweigungen nach Steindorf(schmalspurig), Schwarzenau-Waidhofen a.d. Thaya, Radkersburg-Luttenberg, dann (die Nordbahnstrecken w. o.) Zauchtl-Bautsch, Zauchtl-Fulnek, Troppau-Bennisch, Göding-Landesgrenze gegen Holics, ferner Fürstenfeld-Hartberg samt Abzweigungen nach Neudau, Pergern-Bad Hall, zusammen 252,4 km lang, (das Jahr 1891 ging wieder leer aus), und im Jahr 1892: Wodnian-Prachatitz, Strakonitz-Winterberg, Wels-Unter Rohr, Pöltschach-Gonobitz(schmalspurig), Wieselsdorf-Stainz(schmalspurig), Castolowitz-Sollnitz, Kapfenberg-Seebach, Salzburg-Parsch, Palahicze-Tlumacz-Tlumacz und Baumgarten-Hütteldorf, zus. 157,4 km lang.

Außerdem wurden auf Grund von Specialgesetzen konzessioniert im Jahr 1888 die 19,5 km lange Linie Eisenerz-Vordernberg (gemischtes System), bei welcher ausnahmsweise wegen ihrer großen Wichtigkeit für die um den Erzberg gruppierte Eisenindustrie zum erstenmal nach langen Jahren wieder die Gewährung einer Staatsgarantie in Anwendung kam, deren Inanspruchnahme seitens der Konzessionäre aber wieder entfällt, weil im Jahr 1892 bereits die gänzliche Verstaatlichung der Bahn ins Werk gesetzt wurde; im Jahr 1889 die 23 km lange Linie Laibach-Stein; im Jahr 1890 die Verbindungsstrecken der österr.-ungar. Staatseisenbahngesellschaft Horan-Mochow und Brandeis-Neratovic, 25 km lang; im Jahr 1891 die Unterkrainer Bahnen, 124 km lang - und auf Staatskosten in Ausführung genommen: im Jahr 1889 die Linie Jaslo-Rzeszow, 69,9 km lang; im Jahr 1892 Stanislau-Woronienka, 96,2 km lang. Ende 1892 war daher den Schienenstraßen Österreichs eine Ausdehnung von 16 203, 8 km gegeben; ungerechnet die nicht dem öffentlichen Verkehr, sondern nur Privatzwecken dienenden Montan-, Industrie-, land- und forstwirtschaftlichen und anderen derlei Bahnen, welche ihrerseits wieder bis nun eine Gesamtlänge von rund 976 km erreicht haben.

Unter den in nächster Bälde noch zur Konzessionierung gelangenden Eisenbahnlinien kommt eine besondere Bedeutung der Wiener Stadtbahn zu, welche einen Teil jener öffentlichen Verkehrsanlagen in Wien bildet, deren Ausführung bereits durch das Gesetz vom 18. Juli 1892 grundsätzlich sichergestellt ist. Sie wird in mehreren Bauperioden (1893-1900) hergestellt werden und schon mit den in der ersten Zeit in Bau zu nehmenden Linien (47,4 km) eine fast zweifache Ausdehnung jener Stadtbahn haben, die Gegenstand des im Jahr 1883 konzessionierten, aber alsbald wieder gescheiterten Fogerty‘schen Projekts gewesen. Ihre für jetzt in Betracht kommenden Linien gliedern sich in Hauptbahnen(Gürtellinie 15,3 km, Donaustadtlinie 5,6 km, Vorortelinie 9,3 km) und Lokalbahnen(Wienthallinie 7,2 km, Donaukanallinie 6 km, innere Ringlinie 4 km), deren Kosten insgesamt mit effektiv 61 375 000 fl. veranschlagt sind. Zu den diesbezüglichen Lasten tragen, soweit die Lokalbahnstrecken nicht durch eine Privatunternehmung ausgeführt werden, bei: der Staat 87,5%, die Stadt 7,5%und das Land Niederösterreich 5%. Die Durchführung des ganzen Unternehmens ist der aus Vertretern dieser drei Kurien zusammengesetzten „Kommission für Verkehrsanlagen in Wien“ übertragen, also nach jeder Richtung hin bestens gewährleistet.

Verhältnismäßig mehr als für die räumliche Fortentwicklung geschah im letzten Lustrum für die innere Vervollständigung der baulichen Anlagen und der Ausrüstung des österreichischen Eisenbahnnetzes:

Zahlreiche Provisorien auf den alten Linien wurden durch bleibende Kunstbauten ersetzt und die Brückenkonstruktionen älterer Art durchweg verstärkt; viele Stationen, insbesondere solche, welche Knotenpunkte bilden, erfuhren namhafte Erweiterungen der Gleisanlagen wie nicht minder Vergrößerung der Gebäude für den Personen- und Güterdienst und für die Zugförderung; zugleich machte die Ausstattung der Stationen mit Weichenversicherungseinrichtungen und die Vervollkommnung der Deckungssignale allenthalben erfreuliche Fortschritte; weite Strecken wurden mit Doppelgleisen versehen, so daß am Schluß des Jahrs 1891 bereits 2470 km(= 17,8% der Gesamtlänge der Vollbahnen) doppelgleisig waren; die Vermehrung des Fahrparks zählt fortwährend zu den hauptsächlichen Obsorgen der einzelnen Verwaltungen, allen voran der staatliehen Eisenbahnverwaltung, daher bei Berücksichtigung der jüngsten Nachschaffungen der Stand der Fahrbetriebsmittel bereits mit rund 4300 Lokomotiven, 8500 Personenwagen und 95500 Lastwagen beziffert werden kann. Gleiche Ameliorationen wurden auch auf einzelnen der anfänglich nur für den ersten Bedarf eingerichteten jüngeren Linien vorgenommen; denn es geht das Streben dahin, alle wichtigeren Schienenwege Österreichs nach und nach so auszustatten, daß sie den wirtschaftlichen und sonstigen staatlichen Anforderungen unter allen Umständen vollauf gerecht zu werden vermögen.

Hand in Hand mit diesen Maßnahmen für die Bewältigung großer Verkehrsbewegungen gingen diejenigen für die Belebung der Reiselust und des Güteraustausches. Mit der Fürsorge um die Erhöhung der Bequemlichkeit und Geschwindigkeit der Personenfahrten, dann der Vereinfachung und Beschleunigung des Güterdienstes paarte sich die Verwohlfeilung der Fahr- und Frachtpreise.

Hierbei ging der Impuls ebenfalls vom Staatsbetrieb aus, der, nach vorausgegangenen anderen Fahrpreisermäßigungen, am 16. Juni 1890 bei gleichzeitiger Aufhebung des Freigepäcks den sogenannten „Kreuzerzonentarif“ (1, bezw. 2 und 3 kr. in der III., bezw. II. und I. Wagenklasse der Personenzüge oder 1 ½ fach genommen für Schnellzüge) einführte, woraufhin die am Wettbewerb beteiligten oder zur Annahme der auf den staatlichen Linien geltenden Tarife verpflichteten Privatbahnen den gleichen oder einen ähnlichen Vorgang einhielten.

Der neue Gütertarif unterscheidet sich von dem früheren einerseits durch eine günstigere Klassifikation im allgemeinen, anderseits durch billigere Grundtaxen und insbesondere durch die Einführung eigener Wagenladungsklassen für den Sammelgutverkehr und für Massenartikel. Dies fand natürlich den Beifall der Öffentlichkeit; aber angesichts seiner Rückwirkung auf die finanziellen Ergebnisse der einzelnen Unternehmungen und sohin auch auf den Staatsschatz wurden zum Zweck des Interessenausgleichs soeben wieder mäßige Zurückführungen ins Werk gesetzt.

Die in den letzten Jahren getroffenen wichtigen internationalen Vereinbarungen für das Eisenbahnwesen kamen in Österreich sogleich zur praktischen Nutzanwendung. Die durch Beschluß der Berner Konferenz vom 15. Mai 1886 geschaffenen und von der k. und k. österreichisch-ungarischen gemeinsamen Regierung am 22. Dezember 1886 genehmigten Bestimmungen über die technische Einheit sind in Österreich am 1. April 1887 in Wirksamkeit getreten, nachdem die Normen über die Spurweite der Gleise und die Konstruktion der Fahrbetriebsmittel am 1. Februar, dann jene über die zollsichere Einrichtung der Eisenbahnwagen am 10. Februar 1887 amtlich verlautbart worden waren. Desgleichen ist das nach vieljährigen schwierigen Verhandlungen am 14. Oktober 1890 in Bern abgeschlossene internationale Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr ab 1. Januar 1893 in Geltung gesetzt und hierbei die Regierung mittels des (schon im Juli 1891 vom Reichsrat angenommenen, aber erst mit dem Übereinkommen selbst unter Einem kundgemachten) Gesetzes vom 27. Oktober 1892 ermächtigt worden, alle zu seiner (des Übereinkommens) Durchführung erforderlichen Bestimmungen, auch sofern sie von dem vorläufig unveränderten Handelsgesetz abweichen und die einschlägige Abänderung, bezw. Ineinklangbringung des Betriebsreglements mit dem Übereinkommen im Verordnungsweg zu erlassen, woraufhin mittels Verordnung vom 10. Dezember 1892 das vom 10. Juni 1874 datierende bisherige Betriebsreglement samt allen Nachträgen zu demselben außer Kraft gesetzt und ein neues Betriebsreglement mit Wirksamkeit vom 1. Januar 1898 hinausgegeben wurde, welches dem internationalen Übereinkommen angepaßt und mit dem Betriebsreglement Ungarns, sowie mit dem nunmehr „Verkehrsordnung für die Eisenbahnen Deutschlands“ genannten Betriebsreglement Deutschlands in Übereinstimmung gehalten ist, folglich auch nur wenigen Unterschieden zwischen dem heimischen und dem internationalen Frachtrecht Raum läßt.

Das Eisenbahnwesen als solches unmittelbar betreffende anderweitige Gesetze, bezw. Verordnungen sind in jüngster Zeit nur wenige erschienen, darunter das Gesetz vom 19. März 1887, welches die Steuerpflicht der österreichischen Staatsbahnen ausspricht, bezw. vorschreibt, daß die im Eigentum des Staats befindlichen Linien, sofern sie nicht eine zeitliche Steuerbefreiung genießen, der Erwerb- und Einkommensteuer zu unterziehen sind, was nun bedingt, daß ihnen auch die Entrichtung der Gemeinde- und Landessteuern obliegt; das Gesetz vom 26. Mai 1890, welches in Abänderung des die Maximaltarife für die Personenbeförderung auf Eisenbahnen behandelnden Gesetzes vom 16. Juli 1877 eine Ausdehnung des neuen Personentarifs der k.k. Staatsbahnen auf die Privatbahnen bezweckt; ferner die Verfügungen vom 6. Januar und 21. September 1891 über die Einführung der „mitteleuropäischen Zeit“ im Eisenbahnverkehr ab 1. Oktober 1891.

Außerdem sind hier wegen der aus ihnen hervorgegangenen Verpflichtungen für die Bahnverwaltungen noch zwei allgemeine, Gesetze, zu erwähnen, nämlich ; das Gesetz vom 28. Dezember 1887, betreuend die Unfallversicherung der Arbeiter, auf Grund dessen die österreichischen Eisenbahnen eine „berufsgenossenschaftliche Unfallversicherungsanstalt“ mit dem Sitz in Wien errichtet, bezw. am 1. November 1889(als dem auch für die territorialen Unfallversicherungsanstalten staatlich festgesetzten Termin) aktiviert haben, bei welcher nun die bei den österreichischen Eisenbahnen (laut Jahresbericht pro 1891) bestehenden 1766 versicherungspflichtigen Betriebe mit 1889 Betriebsbeamten, 26 827 Arbeitern und einer Lohnsumme von 11 267 190 fl. versichert sind; ferner das Gesetz vom 30. März 1888, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter, vermöge dessen die Eisenbahnen gehalten waren, ihre bis dahin verschiedenartigen und mehr oder weniger privaten Krankenunterstützungskassen in unter Staatsaufsicht stehende Betriebskrankenkassen umzuwandeln, deren Wirksamkeit-am 1. August 1889 begann und deren Satzungen nunmehr, was die gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen betrifft, einheitliche und auch im übrigen gleichartigere sind.

Neue Anschlüsse an ausländische Bahnen wurden in der letzten Periode nicht vereinbart, (der Staatsvertrag mit Rußland wegen des Anschlusses in Nowosielitza fällt erst in das Jahr 1893) wohl aber erfuhren durch die am 26. Februar 1891 abgeschlossene Konvention mit Rumänien die Anschlüsse bei Suczawa-Itzkany und Burdujeni eine Neuregelung. Von den schon früher gesicherten Anschlüssen wurden die bei Ziegenhals(Hannsdorf), Mittelsteine und Granica(Iwangorod-Dombrovaer und Warschau-Wiener Eisenbahn) thatsächlich hergestellt.

Im Hinblick auf die Bedeutung, welche die orientalischen Bahnen für den Handel und Verkehr der Monarchie haben, sowie auf den Umstand, daß österreichische Eisenbahnen ein Mittelglied der großen Landroute vom Norden und Westen Europas nach dem Orient bilden, ist es geboten, an diesem Platz auch des weltgeschichtlichen Ereignisses zu gedenken, daß, nachdem am 18. Mai 1888 die Eröffnung der Linie (Semlin-)Belgrad-Nisch-Üsküb-Salonichi vor sich gegangen, am 12., bezw. am 13. August 1888 der erste direkte Zug von Zaribrod und Sophia aus nach Konstantinopel verkehrte.