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V: STAGNATION. DAS LOKALBAHNWESEN ENTSTEHT. 1877 BIS 1886. Auf die Fruchtbarkeit, durch welche sich die letztbesprochenen Jahre ausgezeichnet hatten, folgte jetzt eine Zeit fast gänzlichen Stillstands der Eisenbahnbauthätigkeit. Anfänglich noch nicht fühlbar, weil dadurch, daß der Ausbau vieler früher sichergestellten Bahnen wenngleich unter manchen Mühen und Sorgen im Gang erhalten und vollendet werden konnte, wurde das Aufhören der Arbeit auf diesem Gebiet dann um so härter empfunden, als es sich fast plötzlich einstellte. Die Konzessionierungen in den Jahren 1877-1879 umfaßten nur die kurze Verbindung von der Station Elbogen-Neusattel zur Stadt Elbogen, dann die (schon früher einmal konzessioniert gewesene) Linie Wien-Aspang und die kleine Fortsetzung der Donauuferbahn bis Kaiser Ebersdorf. Hingegen geschah jetzt viel für die Heilung der inneren Schäden, welche dem österreichischen Eisenbahnwesen noch aus der Periode der sogenannten Gründungsära anhafteten. Obzwar die damals geplanten Fusionen nicht zu stande gekommen und der (bei der Braunau-Straßwalchener Bahn, sowie bei der Dniester-Bahn angewendete) Ankauf der notleidenden Bahnen zum kommerziellen Wert, bezw. die Herabminderung ihres Anlagekapitals bis auf einen kleinen Bruchteil, welcher als allgemeines Heilmittel dienen sollte, bald wieder aus dem Programm gestrichen wurde, sind die Sanierungen doch, einerseits durch finanzielles Hinzuthun des Staats (wie bei den niederösterreichischen Südwestbahnen), anderseits durch Selbsthilfe der betreffenden Unternehmungen (so namentlich bei den meisten der jüngeren ungarantierten Bahnen in Böhmen) allmählich soweit gediehen, daß nur noch einzelne kleine Unternehmungen wirklich notleidend verblieben. Dieser Erfolg ist zum bedeutenden Teil der einschlägigen Vervollkommnung der Eisenbahngesetzgebung zu danken; denn vermöge des Gesetzes vom 24. April 1874 – kurzweg „Kuratorengesetz“ genannt – wurde einerseits jedes zwangsweise Vorgehen einzelner Obligationenbesitzer ausgeschlossen, dagegen zur gemeinsamen Vertretung der Rechte der Prioritäre ein Organ geschaffen (der Kurator), mit welchem die in Fährlichkeiten geratenen Gesellschaften ihre Schuldangelegenheiten ordnen, Stundungen vereinbaren, Vergleiche schließen und so die Bedrohnisse auf gütlichem Weg abwenden konnten(7), anderseits aber für die Sicherung der den Besitzern von Teilschuldverschreibungen eingeräumten Hypothekarrechte Vorsorge getroffen, welche in dem Gesetz vom 19. Mai 1874 über die Anlegung von Eisenbahnbüchern ihre Ergänzung gefunden, da in diesen Büchern neben dem Besitzstand jeder Eisenbahn auch deren Lasten eingetragen werden, bezw. die bis dahin gänzlich gemangelten bücherlichen Einverleibungen der Pfandrechte der Prioritätenbesitzer stattfinden. Mittels des Gesetzes vom 14. Dezember 1877 wurde die vorschußweise Bedeckung der Betriebskostenabgänge garantierter Bahnen durch den Staat zugelassen, allerdings nicht ohne der Staatsverwaltung zugleich die Befugnis einzuräumen, diejenigen Bahnen, denen solche Vorschüsse gewährt werden oder welche für die letzten fünf Jahre mehr als die Hälfte des garantierten Reinerträgnisses jährlich in Anspruch nehmen, selbst zu betreiben (weshalb das Gesetz alsbald die Bezeichnung „Sequestrationsgesetz“ erhielt). Es muß jedoch anerkannt werden, daß auch die Bemühungen, welche von der Regierung wie nicht minder von den Bahnverwaltungen daran gewendet wurden, die damals vielseitig bestandenen Zwistigkeiten in betreff der Auslegung von Garantiebestimmungen zu schlichten und die angehäuften Rückstände an Garantieabrechnungen der Erledigung zuzuführen, wesentlich zur Rangierung der Bahnen beigetragen haben. Außer den eben erwähnten, der Regelung der inneren Verhältnisse der österreichischen Bahnen dienlichen Gesetze, wären hier noch zu nennen: das Gesetz vom 15. Juli 1877, welches die Maximaltarife für die Personenbeförderung und einige allgemeine Transportbestimmungen gleichartig gestaltet, ferner das für Zwecke der Herstellung und des Betriebs von Eisenbahnen geschaffene Enteignungsgesetz vom 18. Februar 1878, die Verordnung vom 1. Juli 1872, mittels welcher statt des bisherigen privaten (von den Bahnverwaltungen selbst geschaffenen) ein staatliches Betriebsreglement zur Einführung kam, an dessen Stelle hernach (wegen Herstellung der Übereinstimmung mit Deutschland) das mittels Verordnung vom 10. Juni 1874 erlassene und bis Ende 1892 in Geltung verbliebene Betriebsreglement trat; die Verordnung vom 26. August 1875, betreffend die Reorganisation der k.k. Generalinspektion, und die am 18. Oktober 1876 vom Handelsministerium hinausgegebenen „Grundzüge der Vorschriften für den Verkehrsdienst“. Mittlerweile hatten sich wieder Bestrebungen um die Fortentwicklung des Eisenbahnnetzes zu zeigen begonnen; aber die Grundsätze, nach denen sie bewirkt werden sollte, konnten nicht gleich gefunden werden. Ein Zweifel darüber, daß das System der Staatsgarantie aufgegeben sei, war um so weniger möglich, als der Reichsrat bei den verschiedensten Anlässen sich entschieden gegen dieses System ausgesprochen hatte. Der Bau größerer Linien als Privatbahnen und ohne finanzielle Unterstützung des Staats erwies sich bei dem damaligen Zustand des Geldmarkts als ausgeschlossen – und den Bau völlig auf Staatskosten sparte sich die Regierung für jene Linien auf, deren Notwendigkeit auf verkehrspolitischen oder anderen gesamtstaatlichen Interessen beruhte. Aus diesen Thatsachen, wie nicht minder auch aus der Annahme, daß das österreichische Eisenbahnnetz bis auf einige Linien der letzterwähnten Gattung in seinen Hauptrouten schon als vollendet anzusehen sei, entsprang von neuem oder richtiger reifte die auch schon früher einmal in Anregung gewesene Idee: das Bahnnetz mittels kleinerer örtlicher Schienenwege zu verdichten und zu vervollständigen. Wie sehr damit das Richtige getroffen war, das zeigte die unversehens und geradezu mit elementarer Gewalt hervorgetretene Bewegung zu Gunsten der Schaffung von Lokalbahnen. Die Regierung förderte diese Bewegung durch das Lokalbahngesetz vom 25. Mai 1880, welches dieser neuen Gattung von Schienenwegen wesentliche technische Erleichterungen und staatliche Begünstigungen in Form zeitlicher Steuer- und Gebührenbefreiung u.s.w. gewährt, sowie ferner durch die gleichzeitig (29. Mai) verordneten Erleichterungen hinsichtlich der Verfassung und kommissionellen Behandlung der Lokalbahnprojekte. Nun erwuchs der Gedanke rasch zur vollen That. Es entstanden binnen etlichen Jahren mehr als 80 Lokalbahnen in der Gesamtlänge von 2448 km(8), darunter manche mit staatlicher Beihilfe bei der Geldbeschaffung und nicht wenige, die in ihrer ursprünglichen Projektierung vorlängst als Hauptbahnen vergeblich angestrebt worden waren. Neben dieser die Eisenbahnbauthätigkeit wiederbelebenden Errungenschaft brachte jene Periode noch eine andere bedeutsame Wendung in den Verhältnissen des österreichischen Eisenbahnwesens. Die Regierung machte zum erstenmal Gebrauch von dem ihr durch das Gesetz vom 14. Dezember 1877 eingeräumten Recht, indem sie am 30. Dezember 1879 die Übernahme der Rudolf-Bahn in den Staatsbetrieb (ab 1. Januar 1880) verfügte, wodurch zugleich auch die von dieser Bahn betriebene staatliche Linie Tarvis-Pontafel in den Eigenbetrieb des Staats gelangte; sie nahm ferner auf Grund des Gesetzes vom 7. Mai 1880 den Bau der Arlbergbahn auf Staatskosten in Ausführung, begann also den Eisenbahnbetrieb wie auch den Eisenbahnbau im großen Stil wieder in die eigene Hand zu nehmen und eröffnete somit – genau 25 Jahre nach dem Aufhören der alten – die neue Verstaatlichungsperiode in Österreich. Sie wollte mit dieser Reinauguration dem Staat die auf dem Eisenbahnwesen fußenden wirtschaftlichen und sonstigen Machtbefugnisse zurückgewinnen und befand sich dabei in Übereinstimmung mit dem von den Nachbarstaaten gegebenen Beispiel, sowie mit der allgemeinen Zeitströmung. Ihre erste Fortentwicklung fand die Verstaatlichung in der am 21. Juli 1880 (mit Wirksamkeit vom 1. August) angeordneten Übernahme des Betriebs der Albrecht-Bahn durch den Staat und in den Verhandlungen über die Einlösung der Elisabeth-Bahn, deren Linien seit jeher den Hauptverkehr nach dem Westen Europas vermittelten, überdies aber sich vorzüglich dazu eigneten, die Arlbergbahn, die Rudolf-Bahn und mehrere andere isolierte staatliche Linien sowohl untereinander als auch mit der Hauptstadt des Reichs zu verbinden und so den Grundstock eines größeren, geschlossenen westlichen Staatsbetriebnetzes zu bilden. Der Umstand, daß die Gesetzesvorlage über die Erwerbung der Elisabeth-Bahn im Reichsrat Schwierigkeiten begegnete und daß zur selben Zeit beabsichtigt gewesen, die galizische Transversalbahn als Privatunternehmen zu konzessionieren, konnte die Aktion nur für den Augenblick behindern; das Verstaatlichungsprincip selbst blieb von diesen Zwischenfällen unberührt. Das Gesetz vom 23. Dezember 1881 verfügte die Einlösung der Elisabeth-Bahn und das Gesetz vom 28. Dezember 1881 die Ausführung der galizischen Transversalbahn auf Staatskosten. – Dies bedingte nun eine bessere Ausgestaltung der k.k. Direktion für Staatseisenbahnbauten und die Organisation des Staatsbetriebs. Letztere erfolgte zunächst im Rahmen der mittels Verordnung vom 26. Februar 1882 amtlich kundgemachten „Grundzüge für die Organisation des Staatsbetriebs auf den westlichen Staatsbahnen und vom Staat betriebenen Privatbahnen“, deren wesentlichste Bestimmung dahin lautete, daß zur Führung des Betriebs der Elisabeth-Bahn, Rudolf-Bahn, niederösterreichischen Staatsbahnen, Donauuferbahn, Staatsbahn Tarvis-Pontafel und Staatsbahn Braunau-Straßwalchen eine außerhalb des Handelsministeriums stehende, jedoch demselben unmittelbar untergeordnete Centralverwaltungsstelle mit dem Sitz in Wien errichtet werde, welche die „k.k. Direktion für Staatseisenbahnbetrieb in Wien“, sowie den „Staatseisenbahnrat“ in sich schließt und mit 1. Juli 1882 ihre Wirksamkeit beginnen sollte. Bis dahin führte die gleichnamige, am 1. Januar 1881 provisorisch errichtete Direktion die Geschäfte der Elisabeth-Bahn, während jene der Rudolf-Bahn noch von dem k.k. Betriebsverwalter derselben und jene der niederösterreichischen Staatsbahnen von einer Ministerialkommission besorgt wurden. Zugleich mit all den vorbenannten Bahnen wurde, laut Verfügung des Handelsministeriums vom 24. Juni 1882, auch die Vorarlberger Bahn in das staatliche Betriebsnetz einverleibt, zu welchem mit 1. Januar 1883 die ehedem von der Südbahn betriebene Istrianer Bahn ebenfalls hinzukam. Alle übrigen, in jenem Zeitpunkt schon vorhanden gewesenen, durch den Staat erbauten oder erworbenen Linien verblieben jedoch einstweilen noch im Privatbetrieb. Welcher Weg damals dem Entwicklungsgang der Verstaatlichung vorgezeichnet gewesen, das zeigten die Stipulationen, mittels deren die Regierung sich bei Gelegenheit der Vereinigung der Turnau-Kralup-Prager Bahn mit der böhmischen Nordbahn, sowie anläßlich der Sanierung der Prag-Duxer Bahn ausbedungen hat, diese Bahnen teils von Stund an, teils nach wenigen Jahren (ohne Rücksicht auf den hierfür konzessionsmäßig bestimmten Zeitpunkt) jederzeit einlösen und so nach Hinzukommen der Franz Joseph-Bahn, auf welches schon in dem die dualistische Gestaltung der österreichisch-ungarischen Staatseisenbahngesellschaft behandelnden Übereinkommen vom 12. November 1882 Bedacht genommen ward, das staatliche Betriebsnetz mitten durch Böhmen bis an die Reichsgrenze ausdehnen zu können. Dieses wichtige Übereinkommen berechtigt die Regierung außerdem, die österreichischen Linien der letztgenannten Gesellschaft vom 1. Januar 1895 an, sobald dies von Seite der ungarischen Regierung rücksichtlich der ungarischen Linien geschieht, und – was schon für eine viel näherliegende Zukunft große Bedeutung gewinnen kann – die von ihr (der Staatseisenbahngesellschaft) allenfalls erbauten Strecken der vom Vlarapaß durch Mähren und Böhmen bis an die bayrische Grenze zu führenden Schienenstraße jederzeit einzulösen, wie auch die von der Brünn-Rossitzer Bahn nach Okrisko (Iglau) gehende dieser Strecken und die an sie anschließenden, schon bestehenden gesellschaftlichen Strecken „bis zu jenem Punkt, wo in dieselben etwa künftig dem Staat gehörige oder im Staatsbetrieb befindliche Bahnen einmünden werden, welche im Zusammenhang mit den bezeichneten Strecken eine Bahnverbindung des Nordostens der Monarchie mit Okrisko (Iglau) darstellen“, unter freier Feststellung der Tarife mitzubenutzen. In Wirklichkeit vollzog sich aber die Erweiterung des staatlichen Betriebsnetzes in einer etwas geänderten Richtung. Als nämlich in der Konvertierung der Prioritätsanlehen, für welche die Gesetze vom 11. Juni 1880, bezw. 25. Mai 1883 und 8. November 1885 eigens Gebührenerleichterungen gewährten, ein wirksames Mittel zur Beseitigung des seit Einführung der Goldwährung in Deutschland ausgebrochenen „Währungsstreits“, sowie der daraus hervorgegangenen, zumeist spekulativen, aber den darein verwickelten Unternehmungen doch immer Unbill und Verluste genug zufügenden „Couponsprozesse“ gefunden war(9) und die Geschicklichkeit der Elisabeth-Bahn bewiesen hatte, daß solche Operationen, auch wenn sie sogenannte „freiwillige“ (d. h. nicht durch eine allgemeine Auslosung der Obligationen zu erzwingen) sind, mit Erfolg vorgenommen werden können, da wurde zwar unverweilt zur Erwerbung nicht nur der Franz Joseph-Bahn, sondern nun auch der Pilsen-Priesener Bahn geschritten, aber die Einbeziehung der böhmischen Nordbahn entfiel (mindestens vorläufig), nachdem infolge der Liierung und Betriebsvereinigung der Prag-Duxer mit der Dux-Bodenbacher Bahn, welche beide sodann gemeinschaftlich in den Staatsbetrieb übergingen, die Gewinnung des wichtigen Grenzpunkts Bodenbach eben durch diese Route möglich geworden. Dem ging im selben Jahr voraus: die Kündigung der fremden Betriebführung auf der Tarnow-Leluchower, der Dniester- und der Rakonitz-Protiviner Staatsbahn, ferner die Verstaatlichung des Betriebs der mährischen Grenzbahn, die Vereinbarung der Mitbenutzung der das westliche Staatsbetriebsnetz mit der Arlbergbahn verbindenden Südbahnstrecke Wörgl-Innsbruck und die Übernahme der Dalmatiner Bahn, sowie der Lokalbahn Wittmannsdorf-Ebenfurth in die Verwaltung der westlichen Staatsbahnen. Eine weitere Bereicherung erfuhr damals das staatliche Bahnnetz durch den kraft der Gesetze vom 1., bezw. 5. und 7. Juni und 25. November 1883 sichergestellten Ausbau der Linien Herpelje-Triest, Siveric-Knin, Stryj-Beskid und der böhmisch-mährischen Transversalbahn. Zur einstweiligen Verwaltung der in Galizien liegenden Staatsbahnen, dann der Albrecht-Bahn nebst der Lokalbahn Dolina-Wygoda und der mährischen Grenzbahn wurde vorübergehend eine k. k. Ministerialkommission eingesetzt, deren Wirksamkeit am 1. Januar 1884 begann. Die legislative Genehmigung des Ankaufs der Franz Joseph-Bahn und der Pilsen-Priesener Bahn wie auch der Führung des Betriebs der Rudolf-Bahn und der Vorarlberger Bahn für Rechnung des Staats, eventuell deren gänzliche Einlösung, erfolgte mit den Gesetzen vom 8. April, bezw. 8. Juni 1884, jene bezüglich der beiden Duxer Bahnen aber erst im Jahr 1886, was jedoch ihre Einverleibung in das staatliche Betriebsnetz nicht verzögerte, da dieserwegen am 17. Mai 1884 eine Specialvereinbaruag mit der k. k. Direktion für Staatseisenbahnbetrieb abgeschlossen wurde. Nach allen diesen Vorbereitungen und nachdem auch die von Seite der politischen Parteiungen erschwerten Arbeiten für die neue einheitliche Organisation der Verwaltung des ganzen staatlichen Betriebsnetzes vollendet waren, fand auf Grund des allerh. genehmigten Statuts vom 8. Juni 1884 die Errichtung der zur Führung des staatlichen Eisenbahnbetriebs wie auch des Staatseisenbahnbaues bestimmten, der Oberaufsicht des Handelsministers unterstehenden k. k. Generaldirektion der österreichischen Staatsbahnen(10) und zugleich die Zusammenfügung aller staatlichen Betriebslinien zu einem einheitlichen Komplex statt, so daß der neue Organismus mit 1. August 1884 ins Leben treten konnte, an welchem Tag auch die k. k. Direktion für Staatseisenbahnbetrieb, die ihr unterstandenen k. k. Oberbahnbetriebsämter und die k. k. Ministerialkommission für die Verwaltung der Dniester- und Tarnow-Leluchower Staatsbahn, der Albrecht-Bahn und der mährischen Grenzbahn aufgelöst wurden. Wenige Wochen später stand das vielbewunderte Meisterwerk österreichischer Ingenieure, die Arlbergbahn, mit allen ihren kühnen Bauten, dem 10,2498 km langen Tunnel durch den Arlberg und noch neun anderen Tunneln, vollendet da. Die feierliche, durch die Anwesenheit Sr. Majestät des Kaisers verherrlichte Eröffnung dieser neuen österreichischen Handelsstraße nach dem Westen Europas ging unter dem Freuden- und Dankesjubel der Bevölkerung am 20. September 1884 vor sich, nachdem die Bahn schon seit 6. September für den Güterverkehr in Benutzung genommen und die ihr gleichsam als Fortsetzung über den Bodensee hinüber dienende k. k. Bodenseeschiffahrt am 15. September dem Betrieb übergeben worden war. Im weiteren Verlauf des Jahrs 1884 folgte noch die Inbetriebsetzung der galizischen Transversalbahn und die Vereinbarung wegen Mitbenutzung der zwischen den einzelnen Linien derselben liegenden fremden Strecken Zagorz-Chyrow und Stanislau-Chryplin. Die große Ausdehnung, welche das staatliche Betriebsnetz somit erlangt hatte, seine Gestaltung zu geschlossenen Netzen, seine auf die Erzielung gleichförmiger und wohlfeilerer Transporttaxen gerichtete Tarifpolitik und die ihm dieserwegen aus allen Kreisen der Industriellen und des Handelsstands entgegengebrachte Sympathie verschafften dem Staatsbetrieb sofort in allen Fragen des Verkehrs ein Übergewicht, welches die Meinung und vielseitig auch den Wunsch zu Tage förderte, daß das österreichische Eisenbahnwesen nunmehr, wie dies schon bei seinen ersten Anfängen beabsichtigt war, durchweg in eine staatliche Institution umgewandelt werden soll. Mancherlei Umstände ließen auch mit Recht auf das Vorhandensein eines solchen Vorhabens folgern. In die Gesetze über den Ausbau der Linie Hrpelje-Triest und der böhmisch-mährischen Transversalbahn wurde die bedeutungsvolle Bestimmung aufgenommen, daß der Staat berechtigt sei, sich die Mitbenutzung der Strecke Laibach-Divaca, bezw. bei der böhmisch-mährischen Transversalbahn der in die Gesamtrichtung der letzteren füllenden, schon bestehenden Strecken im Enteignungsweg zu verschaffen, wenn es nicht gelingen sollte, mit den beteiligten Bahnverwaltungen Übereinkommen zu treffen, auf Grund deren die Staatsverwaltung ganze Züge oder einzelne Wagen .unter freier Feststellung der Tarife gegen Entrichtung einer fixen Entschädigung aber die betreffenden Strecken zu befördern vermag; das Gesetz vom 26. Dezember 1884 ermächtigte die Regierung zur gänzlichen Einlösung der Albrecht-Bahn; den Verwaltungen der Carl Ludwig-Bahn und der südnorddeutschen Verbindungsbahn erteilte das Handelsministerium – jedenfalls im Hinblick auf die herannahende Inkrafttretung des staatlichen Einlösungsrechts – besondere Direktiven in betreff der Rechnungslegung und Vermögensnachweisung und dgl.m. Allein die Lösung, welche die vielumstrittene Nordbahnfrage durch das die Neukonzessionierung dieser alten Bahn behandelnde Übereinkommen mit der Regierung vom 10. Januar und 17. Juli 1885, bezw. durch das Gesetz vom 6. September 1885 gefunden, behinderte gerade rücksichtlich einer der größten und wichtigsten, überdies mitten zwischen den beiden staatlichen Betriebsnetzen liegenden Eisenbahn nicht bloß für die Gegenwart, sondern auch für die nächste Zukunft die Verstaatlichung und gab daher Veranlassung zu ernsten Zweifeln über die weitere Fortsetzung der Verstaatlichungsthätigkeit. Die auf dem erwähnten Gesetz beruhende, unterm 1. Januar 1836 ausgefertigte und an die Stelle des ausschließlichen Privilegiums vom Jahr 1836 getretene neue Konzession für die Nordbahn, welche nebst allen dem öffentlichen Verkehr dienenden gesellschaftlichen Linien auch die erst zu erbauenden Strecken Bielitz-Bistritz und Kremsier-Kojetein, sowie den Cirkumvallationsflügel bei Krakau umfaßt, legt zwar der Gesellschaft ebenso bedeutende Opfer auf als sie dem Staat Vorteile bringt, aber sie giebt der Gesellschaft auch das Recht, die zum Unternehmen der Nordbahn (als solchen) gehörigen Linien bis zum 31. Dezember 1940 zu betreiben, woraus folgt, daß dieselben bis zu diesem Zeitpunkt ein Privatunternehmen bleiben, falls nicht der Staat das ihm vorbehaltene, am 1. Januar 1904 beginnende Einlösungsrecht auszuüben gewillt wäre. Bis dahin muß denn auch, wie immer die Verstaatlichung fortschreiten mag, das „gemischte System“, d. h. Privatbetrieb neben Staatsbetrieb, fortbestehen. Daß aber die Neukonzessionierung der Nordbahn ein weiteres Abgehen von der neuzeitigen Eisenbahnpolitik nicht bedeuten, soll, das bekundete gleich im Jahr 1886 noch die unter harten Kämpfen im Reichsrat bewirkte Schaffung des Gesetzes vom 11. April (1886). welches die Betriebsübernahme, eventuell Einlösung der Prag-Duxer und der Dux-Bodenbacher Bahn durch den Staat zum Gegenstand hatte und seither auch schon zur Durchführung gekommen ist, ferner der Abschluß von Verträgen mit Konzessionären, vermöge deren einige konzessionsgemäß hierzu nicht verpflichtete Lokalbahnen(11) ab 1. Januar 1887 auf die ganze Dauer der Konzession in den Staatsbetrieb übergegangen sind. Zur Zeit der Hinüberführung der Nordbahn in ihre neuen Verhältnisse endigten die ersten fünfzig Jahre des Bestands von Lokomotiveisenbahnen in Österreich, deren Gesamtlänge nun (31. Dezember 1886) auf 13.656 km angewachsen war (gegen 10.780 zu Ende 1870, bezw. 3.110 km zu Ende 1866, 1.790 km zu Ende 1856 und 900 km zu Ende 1846). Staatsverträge wegen Erzielung neuer, bezw. Regelung schon bestehender Anschlüsse an die ausländischen Bahnen wurden in den Jahren 1877-1886 abgeschlossen: mit Preußen am 2. März 1877 betreffs des Anschlusses in Halbstadt; mit Bayern am 16. Mai 1877 rücksichtlich der Führung der Fichtelgebirgsbahn bis Eger; mit Italien am 2. Oktober 1879 zur Regelung der Anschlüsse in Pontafel, Ala und Cormons; mit Sachsen am 5. Mai 1884 wegen der Anschlüsse bei Graslitz, Moldau(Mulde), Reitzenhain und Johann Georgenstadt; mit Preußen, bezw. dem Deutschen Reich am 14. März 1885 wegen der Anschlüsse bei Ottendorf(Braunau), Lindewiese, Ziegenhals, Barzdorf(Heinersdorf) und Troppau. Einen zwar nicht unmittelbaren Schienenanschluß an das österreichische Bahnnetz, doch aber eine für den Handel und Verkehr der Gesamtmonarchie sehr wichtige Verbindung sichert die auf dem Berliner Vertrag beruhende und nach langwierigen Verhandlungen der „Conférence á quatre“ zu stande gekommene, vom 9. Mai 1883 datierende Konvention über den Ausbau der orientalischen Bahnen. Von den in das fünfte Decennium fallenden, auf das Eisenbahnwesen Bezug habenden Gesetzen und Verordnungen sind außer den in den vorstehenden Mitteilungen bereits erwähnten noch besonders anzuführen: Die Verordnung vom 10. Februar 1877, enthaltend die neue einheitliche Signalordnung; die Verordnung vom 25. Januar 1879, betreffend die Verfassung von Eisenbahnprojekten und die damit zusammenhängenden Amtshandlungen (hinsichtlich der Lokalbahnen, welchen diesfalls Erleichterungen zugestanden wurden, abgeändert am 29. Mai 1880); die Verordnung vom 12. März 1879 über die Veröffentlichung der Refaktien (abgeändert am 31. Dezember 1879); das Gesetz vom 19. Juli 1879 über die Desinfektion bei Viehtransporten auf Eisenbahnen; die Verordnung vom 1. August 1883, betreffend die Einführung einheitlicher „Grundzüge“ zu der Vorschrift für den Betrieb auf Lokalbahnen; die Verordnung vom 1. April 1884, womit die Einführung von Eisenbahnfrachtbriefen mit eingedrucktem Stempelzeichen verfügt wird; die Verordnung vom 16. November 1885 über die Publikationsfrist für Eisenbahngütertarife; die Verordnung vom 8. Februar 1886, enthaltend einheitliche Grundsätze für die Bestimmung der Bau- und Betriebslängen der Eisenbahnen; die kaiserl. Verordnung vom 19. September 1886, betreffend die Unpfändbarkeit der Fahrbetriebsmittel, wodurch die Bedingung der Reciprocität. an welche die Geltung des einschlägigen, am 1. Juni 1886 in Kraft getretenen deutschen Gesetzes gegenüber den ausländischen Bahnen geknüpft war, erfüllt und sohin das häßlichste und störendste der bei den Couponsprozessen in Anwendung gekommenen Zwangsmittel bleibend abgeschafft ist. Mit Italien ist in dem Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 27. Dezember 1887 eine gleiche Vereinbarung getroffen. |
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