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Der leidenschaftliche Eisenbahnfahrer Roland Girtler:

   

Copyright: Elmar Oberegger

Verkostung eines „Original Olmützer Quargels“ auf der Rückfahrt von einem wissenschaftlichen Kongreß an der T.Masaryk-Universität in Brünn(Brno), 2003.

 

"Die Pyhrnbahn hat mir meinen
ersten Kuss ermöglicht ..."

 

Das folgende Interview führte Elmar Oberegger am 17. September 2001 in Spital am Pyhrn.

Oberegger:

"Geboren sind Sie im Jahr 1941 in Wien. Wann sind Sie nach Spital am Pyhrn gekommen?"

Girtler:

"Das war, als ich sechs Jahre alt war. Da sind meine Eltern nach Spital am Pyhrn gegangen. Beide waren Ärzte".

Oberegger:

"Da haben Sie ja die Pyhrnbahn bereits bewußt erlebt".

Girtler:

"Ja. Für mich war die Pyhrnbahn immer was Besonderes. Erstens einmal haben wir im Ort die Pyhrnbahn schon immer gehört. Damals ist sie ja noch mit Dampf betrieben worden. Und der Ort ist noch heute bestimmt von ihr, weil man sie immer hört. Man hört vom Bosrucktunnel her schon immer den kommenden Zug. Für uns Buben war das damals immer abenteuerlich".

Oberegger:

"Was ist Ihnen aus Ihrer Kindheit besonders in Erinnerung geblieben"?

Girtler:

"Wir Buben haben natürlich immer die Züge beobachtet und an der Bahn gespielt. Mir haben die Dampfloks immer imponiert. Besonders, wenn sie am Bahnhof Wasser gefaßt haben. Manchmal sind die Eltern mit mir nach Linz gefahren. Das war in meiner Kindheit eh’ das Höchste der Gefühle! Über die Bahn wurde mir die Welt der Großstadt Linz eröffnet".

Oberegger:

"Nach der Volksschule haben Sie dann das Stiftsgymnasium in Kremsmünster besucht. Über diese Zeit haben Sie ja kürzlich ein Buch veröffentlicht".

Girtler:

"Ja, genau! 1950 bin ich nach Kremsmünster gekommen, in die Klosterschule. Und da sind wir mit der Bahn hingefahren. Die Pyhrnbahn war für mich acht Jahre hindurch das wesentliche Bindeglied zwischen Kremsmünster und Spital am Pyhrn".

Oberegger:

"Warum ‘wir’"?

Girtler:

"Ja, ich und meine Schulfreunde! Die Bahn hatte eine wichtige soziale Funktion. Gemeinsam sind wir von Kremsmünster in die Ferien gefahren. Einer wohnte sogar in Tamsweg! Der ist dann in Selzthal in Richtung St. Michael umgestiegen. Und wenn die Ferien aus waren, dann haben wir langsam wieder zueinander gefunden. Wir haben immer schon gewußt, bei welcher Station wer einsteigt! Mir haben die Eltern immer lange nachgewunken. Die Bahn macht ja vorne so eine Rechtskurve, wo man dann noch einmal zum Spitaler Bahnhof zurückschauen kann. Das war immer das letzte Winken und ich habe mich dann auf die Holzbank im Zug gesetzt -was anderes gab’s damals nicht! Und in Kremsmünster sind wir dann gemeinsam ins Stift marschiert. Das war für uns immer furchtbar. Besonders nach den Weihnachtsferien, wenn es kalt war. Und dann noch die Kälte dieses Stiftes...".

Oberegger:

"Umgekehrt war’s also lustiger".

Girtler:

"Ja freilich! In der zweiten Klasse hab’ ich einmal einen rebellischen Akt im Zug gesetzt. Im Stift war ja wirklich alles verboten! Da hab’ ich mir in Kremsmünster im Markt drei ‘Austria C’ gekauft. Im Stift haben wir ja immer Lianen oder so geraucht. Und ich hab’ mir gedacht, jetzt fahr’ ich mit der Bahn heim und rauch’ was G’scheites! Damit die Zigaretten keiner sieht, hab’ ich sie in mein Taschentuch eingewickelt und wie ich dann im Zug gesessen bin, hab’ ich sie geraucht. Vor den anderen war ich da der Ober-Rebell. Da sind Damen gesessen, die haben blöd g’schaut, daß ich als Bub da rauche. Ich bin mir sehr gut vorgekommen. Und dann ist mir auf einmal schlecht geworden."

Oberegger:

"Wie ging das dann aus?"

Girtler:

"Ich bin rausgegangen. Damals war ja noch eine Plattform zwischen den Waggons. Da hat es mir dann den Magen endgültig umgedreht und ich habe mich er-brochen, wie man vornehm sagt. Heute bin ich Nichtraucher".

Oberegger:

"Und zuhause in Spital konnten Sie dann wieder die Dampfloks und die Züge betrachten".

Girtler:

"Naja, schon... Mit steigendem Alter habe ich mich dann natürlich mehr für die Madeln interessiert, die mit den Eltern Urlaub gemacht haben. Das waren fesche Madeln, aus Linz oder Wels. Sie sind alle mit der Bahn gekommen. Nicht mit dem Auto oder mit dem Autobus! Das war damals noch nicht so wie heute! Mit diesen Leuten bin ich einmal aufs Linzerhaus hinaufgegangen. Und dort hab’ ich zum ersten Mal so ein Madl geküßt. War eh’ alles harmlos. Das war nett, irgendwie schön. Ja, wirklich. Ein großes Erlebnis. Das hat mir die Pyhrnbahn ermöglicht".

Oberegger:

"Es wird erzählt, daß Sie am Spitaler Trattenbach-Viadukt Kletterübungen gemacht haben. Warum"?

Girtler:

"Das war so: Ich habe in Wien einen Kletterkurs gemacht. Da mußte ich meine Fingerkraft ausbauen. Und da habe ich geübt. Weit konnte ich ja nicht klettern, die Wand war ja zu steil".

Oberegger:

"Wie stehen Sie heute zur Pyhrnbahn"?

Girtler:

"Ich fahre immer mit der Bahn nach Spital am Pyhrn, von Wien. Das Zugfahren ist für mich sehr entspannend. Und ich mag die Gegend. Besonders reizvoll ist es immer, wenn ich von Linz komme und nach dem Hungerbichl-Tunnel bei Klaus in die herrliche Bergwelt hineinfahre".

Oberegger:

"Was sagen Sie zum Plan, die Pyhrnbahn an eine US-Firma zu vermieten"? (siehe dazu den Bericht in: "Salzburger Nachrichten" vom 21.08.01, S. 13., Anm. E.O.)

Girtler:

"Was, Wie? Wer tut sowas. Wie soll das gehen"?

Oberegger:

"Der Staat würde die Bahn vermieten und sie sofort wieder zurückmieten. Das käme billiger".

Girtler:

"Pervers".

 

Aus: "Salzburger Nachrichten" vom 21.08.01, S. 13.