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II: AUS DER BAUGESCHICHTE (1901-1906).

2.2. Die Errichtung des Bosruck-Tunnels.

 

„Der erste Spatenstich,
der festlich froh uns hat vereint,
er sei das Bundeszeichen,
daß sich Nord und Süd geeint...“.

Auszug aus jenem Gedicht, welches anläßlich der Spatenstich-Feier in Spital am Pyhrn(1. Juli 1901) von einem in weiß gekleideten Mädchen aufgesagt wurde. Betont wird hier also das Zusammenrücken der Gebiete der Donaumonarchie.

Die Spatenstich-Feier:

Aus: GDÖU V/1, 130.

Um 1900 schritt man in Österreich zum nachhaltigen Aufbau des Adriahafens Triest. Dieser sollte einerseits über die Errichtung eines neuen Hafens(„Franz Joseph-Hafen“), andererseits über den Bau „Neuer Alpenbahnen“(Pyhrn-, Tauern-, Karawanken-, Wocheiner- und Karst-Bahn) erfolgen.

Blickt man auf nachstehende Karte, so ist klar zu erkennen, daß der Tunnel durch den Bosruck ein zentrales Glied der direkten Verbindung Prag-Triest darstellt.

Relation Prag-Triest:

Copyright: Elmar Oberegger

Prag und Triest waren schon seit 1874 per Schienenstrang verbunden. Die alte Route wurde vor allem durch die private „Kronprinz Rudolf-Bahn“ gebildet, welche in Laibach(Ljubljana) in die ebenfalls private „Südbahn“ Wien-Semmering-Triest einmündete. Der geplante Triester Anschluß der Rudolfsbahn über das Isonzo-Tal wurde aufgrund finanzieller Probleme nie realisiert.

Drei Faktoren hatten bis 1887 zur Attraktivierung der Verbindung Prag-Triest geführt: Erstens wurde eine neue Staatsbahn von Triest nach Hrpelje errichtet, welche in die ebenfalls staatliche Linie Divaca-Pula einmündete. Zweitens wurde der Abschnitt Divaca-Laibach(k.k. priv. Südbahn) staatlich angemietet. Drittens: Die Verbindung Laibach-Tarvis-Villach-Selzthal-Kleinreifling-St.Valentin-Budweis-Prag war bereits bis 1884 vollständig verstaatlicht worden. Obige Karte verdeutlicht diese Verkehrsstruktur.

Da man den Abschnitt St.Valentin-Kleinreifling-Selzthal zukünftig weiter nutzen wollte, kam die Entscheidung zustande, den für 4.766 Meter projektierten Bosruck-Tunnel im Unterschied zu den übrigen Alpen-Tunnels(Tauern, Karawanken, Kobla) nur eingleisig anzulegen.

Die offiziellen geologischen Gutachten versprachen eine leichte Errichtung. Den einheimischen Beobachtern des Bosruck-Gebietes war das Projekt allerdings nicht geheuer: Am Fuße des Berges befand sich nämlich ein gewaltiger Wasserfall, welcher „Schreiender Bach“ genannt wurde und eine Touristen-Attraktion darstellte. Dieses Wasser könne ja nur aus dem Berg kommen, wo sich vielleicht sogar ein großer See befände... Zur Frage des „Wassers“ im Bosruck gab es auch noch andere Hypothesen unter den „Eingeborenen“. Von den „großen Ingenieuren“ wurden diese allerdings nicht ernst genommen. Der Tunnelbau entwickelte sich schließlich zu einem großen Fiasko und brachte dem „Schreienden Bach“ das Ende.

Im Juli 1901 wurde das große Unternehmen unter der Regie der k.k. Staatsbahn begonnen: Von zwei Seiten drang man per Handbohrung in den Berg ein. Mitte August 1902 kam es jedoch zum ersten verheerenden Wassereinbruch.

Wassereinbruch im Bosruck(Zeichnung):

Aus: GDÖU V/1, 134.

Der Tunnelbau an sich konnte nun nicht mehr fortgeführt werden, vielmehr brach für die Arbeiter die äußerst schwierige Phase der Behebung des Schadens an. Sie waren ständig dem eiskalten Wasser ausgesetzt und erkrankten in der Folge zumeist schwer.

Angesichts dieses Chaos fühlte sich die Staatsbahn schließlich überfordert und schrieb den Tunnelbau öffentlich aus.

Ende 1902 erhielt die italienische Firma „Falletti, Zateranda & Co.“ den Zuschlag. Ab März 1903 konnte man sich wieder dem Tunnelbau selbst widmen.

Die neue Firma führte in der Folge eine technische Neuerung ein: Der „Schreiende Bach“ wurde als Energiequelle erkannt und die Handbohrung somit durch die elektrische Bohrung ersetzt. Die dafür nötige Infrastruktur entstand allerdings erst bis Ende 1903.

Der Tunnel zur Bauzeit:

Publikation der Fotokopie mit freundlicher Genehmigung von Herrn R.Lackner, Pyhrnbahnmuseum Windischgarsten.

Schon im Frühjahr 1904 bestimmte das Element Wasser erneut die Verhältnisse: Je mehr im Tunnel entwässert wurde, desto schwächer wurde die Gewalt des „Schreienden Baches“, welcher den Bohrmaschinen ja die Energie zu liefern hatte. Man sah sich gezwungen, zunächst auf die alte Methode der Handbohrung zurückzugreifen. Alsbald wurden aber Dampf-Kraftwerke zur Herstellung des nötigen Stroms errichtet.

Der Bosruck trug jedoch neben dem Wasser noch einen weiteren gefährlichen Stoff in sich, nämlich Gas(Haselgebirge). Im Mai 1905 kam es im noch unfertigen Tunnel zu einer Gas-Explosion, welche über ein Dutzend Arbeiter in den Tod riß.

Gedenkstein am Südportal:

Copyright: Elmar Oberegger

Diese Arbeiter waren einige Tage nach einem weiteren schweren Wassereinbruch in den Berg eingefahren, um die Lage zu erkunden. Dem Wasser war allerdings Gas gefolgt, welches sich in der Folge staute. Die Grubenlampen der Arbeiter brachten es schließlich zur Explosion. Später fuhren Spezialisten mit Gasmasken in den Berg ein und es bot sich ihnen ein gräuliches Bild.

Ende Oktober 1905 konnten die Arbeiten wieder planmäßig verlaufen. Am 22. November 1905 erfolgte schließlich der heißersehnte Durchschlag.

Der Durchschlag am 22. November 1905:

Publikation der Fotokopie mit freundlicher Genehmigung von Herrn R.Lackner, Pyhrnbahnmuseum Windischgarsten.

Emmerich Grillmayr schreibt: „Eines Tages war es dann soweit. Nach einem gelinden Sprengschuß reichten sich schreiend und weinend die Mineurs durch ein faßgroßes Loch die verkrusteten Hände“.

Man hatte damit den Bosruck fürs erste bezwungen. In der Folge wurde der Tunnel für den Verkehr ausgestaltet.

Durchfahrt eines Zuges:

Publikation der Fotokopie mit freundlicher Genehmigung von Herrn R.Lackner, Pyhrnbahnmuseum Windischgarsten.

Der ursprüngliche Kostenvoranschlag(1901) für den Bau des Tunnels hatte auf 5,550.000 Kronen gelautet. Tatsächlich aber wurden insgesamt 9,426.400 Kronen verbraucht. Der Laufmeter Tunnelstrecke belief sich damit auf 1.980 Kronen.

Der Bosrucktunnel blieb weiterhin gefährlich(Steinschläge) und konnte erst um die Mitte des 20. Jahrhunderts dauerhaft stabilisiert werden.

zu 2.3. Emmerich Grillmayr über das "Emiliendorf" in Spital am Pyhrn.

 

Quellen:

Art. „Bosrucktunnel“ und „Pyhrnbahn“ In: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Hrsg. v. Victor RÖLL. -Berlin/Wien 1912 ff.

FEISCHL Manfred: 70 Jahre Bosrucktunnel. In: Schienenverkehr aktuell 8 (1976), S. 8 f.

GRILLMAYR Emmerich: Spital am Pyhrn. Heimatbilder. -Bruck a.d. Mur 1990.

HANNACK Josef: Tunnelbau. In: GDÖU VI., S. 199 ff.

Int. Eisenbahnmuseum L.K. Pernegger.

WEGENSTEIN Peter: Die Pyhrnbahnstrecke. -Wien 1989.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2006.