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II: Eine „Lange Geschichte“ - Zur bundesstaatlichen Genese der USA(1783-1959). Die „US-amerikanische Revolution“ des 18. Jahrhunderts, welche schließlich mit der völligen staatsrechtlichen Loslösung von Großbritannien endete(Vertrag von Versailles, 1783) und die Ausformung der heutigen „US-Staatsnation“ ermöglichte(s. zum Begriff KOHN 1962; LEMBERG 1964), begann zunächst als „Rebellion“. Der Begriff „Rebellion“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet übersetzt grundsätzlich „Erneuerung des Krieges(Re-Bellion)“ bzw. Erneuerung eines Krieges, der irgendwann zu irgendeinem von beiden Seiten akzeptierten Ergebnis gekommen ist. Der unterlegene Part muss hierbei naturgemäß die Bedingungen des siegreichen Gegners akzeptieren, somit auf gewisse „bisherige Rechte“ verzichten. Soweit zur (archaischen) Struktur des Begriffes. Allgemein könnte man eine „Rebellion“ als geplanten Bruch rechtlicher Normen betrachten, welcher sich vor dem Hintergrund der Berufung auf ein „Altes Recht“ bezieht - So bezieht sich etwa der österreichische Wilderer noch heute auf die „Freiheit der Jagd“ als Altes Germanisches Recht.(Vgl. dazu GIRTLER 1998) „Rebellionen“ bzw. „Rebellische Handlungen“ bewegen sich aber noch immer im vorgegebenen politisch-gesellschaftlichen Rahmen. Erst eine „Revolution“ –welche durchaus aus einer Rebellion hervorgehen kann – machen es sich die Akteure zum Ziel, einen neuen politisch-gesellschaftlichen Rahmen zu erschaffen. Am Beginn der Entwicklungsgeschichte der USA als „Staat“ und „Nation“ stand ganz zweifellos eine „Rebellion“. Der große Historiker Lawrence Henry Gipson findet dafür – terminologisch unsauber vorgehend – folgende Worte: „Die bekannten Tatsachen lassen kaum einen anderen Schluß zu, als daß die amerikanischen Kolonisten revoltierten, nicht um einer neuen Gesellschaftsordnung willen, sondern um sich den Eingriffen der Regierung Großbritanniens zu entziehen. Dennoch ergaben sich aus der Revolution und dem Krieg um die amerikanische Unabhängigkeit notwendigerweise Reformen und Veränderungen verschiedener Art, sozialer, wirtschaftlicher und politischer; darunter sicher auch solche, die jede revolutionäre Bewegung mit sich bringt. Denn es kann keine Revolution geben ohne intellektuelle Auseinandersetzungen, die die Einsichten und Argumente hervorbringen, ohne die man einen solchen Umbruch im Leben eines Volkes nicht rechtfertigen kann“(: 77). Was war nun aber der erste große Konfliktgegenstand zwischen den späteren USA und dem Mutterland? Dazu schreibt Adams: „Das Steuermarkengesetz(Stamp Act) von 1765 erhob eine reine Verbrauchssteuer ohne jede Mitwirkung der Assemblies der Kolonisten(= Hervorhebungen d.Verf.). Gegen diese Mißachtung ihrer Zuständigkeit protestierten die Assemblies heftig. Sie erklärten das Gesetz für verfassungswidrig und bestanden auf dem Recht aller englischen Bürger, nur aufgrund eines Gesetzes besteuert zu werden, an dessen Zustandekommen sie zumindest indirekt durch gewählte Vertreter beteiligt gewesen seien: ‚No taxation without representation!‘ hieß von nun ab ihre immer wiederholte Forderung. Die einzigen Repräsentativversammlungen, an deren Wahl sich die Kolonisten beteiligen konnten, waren ihre Assemblies. Im Parlament in Westminster waren sie nicht einmal ‚virtuell‘ oder ‚eigentlich‘ - wie es regierungstreue Flugschriften behaupteten - repräsentiert. Lediglich Beauftragte (agents) der einzelnen Kolonien versuchten als Lobbyisten, Gesetze und andere politische Entscheidungen in London zu beeinflussen“(1977: 31). Hinsichtlich des konkreten Konfliktgegenstandes war man erfolgreich: „Nach einer Welle wohlgesetzter Proteste und gewalttätiger Demonstrationen in den Kolonien annullierte das Parlament 1766 das Steuermarkengesetz“. Doch mit der Losung “No Taxation without Representation“ war bereits ein neuer, abstrakterer Konfliktgegenstand festgemacht worden(s.o.), welcher die innere Ordnung Großbritanniens der Zeit massiv antastete, insofern also hoch-politisch war. Wie wir wissen, ging für Großbritannien die Sache schließlich schlecht aus: In politischer und militärischer Hinsicht war den „US-Revolutionären“ übrigens der Gegensatz Großbritannien-Frankreich von größtem Nutzen. Die Frage, warum die Lostrennung vom Mutterland hier funktioniert hat und woanders nicht, wollen wir in diesem Abschnitt nicht erörtern. Nur soviel: Das Gebiet der späteren USA war in sozio-ökonomischer Hinsicht vergleichsweise hochentwickelt. Und es ist sicherlich nicht abzustreiten, dass die Aktionen der Revolutionäre stets von „Fortune“ begleitet waren – Den Gegensatz Großbritannien-Frankreich haben die Kolonisten nicht etwa aus eigener Kraft hervorgebracht, vielmehr existierte er einfach und erwies sich immer wieder als höchst nützlich für die Sache. Einer solchen Strukturlage begegnen wir übrigens auch im Falle der Genese des „Österreichischen Staatsvertrages“(1955). Das Projekt „Südafrika“ jedoch scheiterte aufgrund des vorhandenen politischen Rahmens. Im Jahre 1783(Vertrag von Versailles, s.o.) war jedenfalls die „Phase I“ der territorialen Genese der USA abgeschlossen, es existierte ein unabhängiges politisches Gebilde, welchen wir mit „Alt-USA“ begreifen wollen. Diese „Alt-USA“ dehnten sich nun im späten 18., im 19. und im 20. Jahrhundert immer weiter – und zwar besonders gegen Westen hin – aus(= Phase II). Ebenso wurden Randgebiete wie z.B. Alaska eingegliedert. Bezüglich dieses Expansions-Prozesses – unterbrochen durch den Bürgerkrieg(1861-1865) – muss man nun historisch zwischen vier rechtlichen Begriffen unterscheiden: a) „Staat“. b) „Territorium“. c) „Unorganisiertes Gebiet“. d) „Kolonialbesitz“(Dieses eher vielschichtige Phänomen soll hier und in dieser Arbeit generell nicht näher betrachtet werden). Ein „Staat“ ist weitgehend autonom und zu 100% in das innere politische Gefüge der Union integriert, ein „Territorium“ jedoch untersteht direkt der Zentralregierung, sein Vertreter hat kein politisches Mitspracherecht. Im Kontext der USA hatten diese Territorien also im Prinzip denselben Status wie einst das Gebiet der „Alt-USA“ innerhalb des Britischen Reiches. Nach entsprechender sozio-ökonomischer Entwicklung konnte ein solches Territorium jedoch völlig problemlos zum „Staat“ werden. Auch die „Unorganisierten Gebiete“ – der wirklich „Wilde Westen“ also – unterstanden der Zentralgewalt. Hier nun eine allgemeine Chronologie zur Frage, wann welche „Staaten“ nach Erlass der „Bundesverfassung“(1787/88) in die Union aufgenommen wurden(Phase II): 18. Jahrhundert. Die Staaten der “Alt-USA” im Jahr 1788: Delaware, Pennsylvania, New Jersey, Georgia, Connecticut, Massachusetts, Maryland, S.Carolina, New Hampshire, Virginia, New York. N.Carolina: 1789 Rhode Island: 1790 Vermont: 1791 Kentucky: 1792 Tennessee: 1796 Die „Vereinigten Staaten von Amerika“(ohne Alaska, Hawaii und Kolonialbesitz):
Nachlass Theodor Eckerstorfer 19. Jahrhundert. Ohio: 1803 Louisiana: 1812 Indiana: 1816 Mississippi: 1817 Illinois: 1818 Alabama: 1819 Maine: 1820 Missouri: 1821 (1826: Eröffnung der “Ersten Eisenbahn” in Massachusetts) Arkansas: 1836 Michigan: 1827 Florida: 1845 Texas: 1845 Iowa: 1846 Wisconsin: 1848 Kalifornien: 1850 Minnesota: 1858 Oregon: 1859 Kansas: 1861 W.Virginia(im Bürgerkrieg entstanden): 1863 Nevada: 1864 Nebraska: 1867 Colorado: 1876 N.Dakota: 1889 S.Dakota: 1889 Montana: 1889 Washington: 1889 Idaho: 1890 Wyoming: 1890 Utah: 1896
20. Jahrhundert. Oklahoma: 1907 New Mexiko: 1912 Arizona: 1912 Alaska: 1959 Hawaii: 1959 Als sich im 19. Jahrhundert das „Eisenbahnsystem“ ausbreitete, war die „Territoriale bzw. bundesstaatliche Genese der USA“ also noch lange nicht abgeschlossen. Es war aber dieses Transportsystem, welches es sukzessive ermöglichte, die Größten Feinde der staatlichen und nationalen Einigung, nämlich „Raum“ und „Zeit“, effektiv zu bekämpfen.
Quellen und Verweise: ADAMS Willi P.: Revolution und Nationalstaatsgründung, 1763-1815. In: Die Vereinigten Staaten von Amerika. Hrsg.v. Willi Paul Adams. –Frankfurt/M. 1977, S. 22 ff. DIPPEL Horst: Geschichte der USA. –München 2010. GIPSON Lawrence H.: The British Empire before the American Revolution. Vol. 13. –New York 1967. GIRTLER Roland: Wilderer. Rebellen in den Bergen. –Wien 1998(2). KOHN Hans: Die Idee des Nationalismus. –Frankfurt 1962. LEMBERG Eugen: Nationalismus. 2 Bde. –Reinbek/H. 1964.
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