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KURZE GESCHICHTE DER MODERNEN SEEFAHRT:

Von der „Great Western“(1838) bis zur Gegenwart.

 

I: Vorbemerkungen.

Das System der modernen Seefahrt wurde mittlerweile eigentlich an den Rand des allgemeinen Bewusstseins gedrängt: Die Zeiten, als „man“ noch „per Schiff“ etwa nach Amerika fuhr, sind längst vorbei. Hier hat das Flugzeug der Seefahrt längst den Rang abgelaufen. Das große Schiff hat heute im Bereich des Personenverkehrs nur noch die Bedeutung für die „Kreuzfahrt“, also die „Luxus-„ bzw. „Lustreise“.

Im Bereich des Güterverkehrs ist die Bedeutung der Seefahrt aber ungebrochen, ja, durch die „Globalisierung“ wurde diese sogar noch gesteigert. Heute befahren neben den Tankern auch riesige Containerschiffe die Weltmeere. Ohne diesen Verkehr würde unsere heutige „materielle Kultur“ ganz anders aussehen. Nur wenige Zeitgenossen sind sich dessen bewusst.

Im vorliegenden Beitrag soll nun der Versuch unternommen werden, die Geschichte der „modernen“, also „maschinellen Seefahrt“ kurz nachzuzeichnen.

Der grundsätzliche Fortschritt im Vergleich zum Segelschiff bestand hier vor allem in der Möglichkeit, die Meere „in Gerader Linie“ zu durchfahren – Eine Errungenschaft, welche man ohne gewisses Vorwissen gar nicht richtig ermessen kann.

 

II: Der Rad-Dampfer „Great Western“(= Linie England-USA 1838) als historischer Meilenstein. Das „Lange Nebeneinander“ von Segel- und Dampfschiffahrt. Die jeweiligen Vor- und Nachteile beider Systeme.

Einen bedeutenden Meilenstein der Geschichte der modernen Seeschiffahrt stellt zweifellos die Einführung des Raddampfers „Great Western“ auf der Strecke Bristol-New York am 8. April des Jahres 1838 dar.(s.d. GIBBS/VERNON 1957) Die Überfahrt war nun moderner, berechenbarer und bequemer geworden.

Die „Great Western“:

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Konstruiert wurde sie vom englischen Ingenieur Isambard Kingdom Brunel(l806-1859) und zwar speziell für den transatlantischen Passagierdienst.

Isambard Kingdom Brunel(1806-1859):

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Konstrukteur der „Great Western“.

Unter den ersten Fahrgästen war auch der bedeutende österreichische Eisenbahnpionier Franz Anton von Gerstner(1796-1840), welcher offiziell im Auftrag des russischen Zaren zu einer technischen Forschungsreise in die Vereinigten Staaten von Amerika aufbrach.(s.d. OBEREGGER 2010) Er schreibt darüber(1839: 1):

„Die rasche Zunahme des Wohlstandes der vereinigten Staaten von Nordamerica hat seit vielen Jahren die öffentliche Aufmerksamkeit immer mehr in Anspruch genommen, und so hegte auch ich schon lange den Wunsch, dieses merkwürdige Land besuchen. Die lange Dauer der Segelschiffahrt hielt inzwischen mich, wie viele andere zurück; was man aber noch vor kurzer Zeit als ganz unmöglich erklärte, nehmlich eine Dampfschiffahrt von England nach America, wurde im Jahre 1838 durch die jederzeit glücklichen und schnellen Reisen von 4 englischen Dampfschiffen ausser Zweifel gesetzt. Ich verliess am 27. October 1838 die alte Welt von Bristol aus mit dem Dampfschiffe ‚Great Western‘ und kam am 15. November in der neuen Welt, und zwar in New-York an“.

Ansichtskarte von Bristol mit Hafen(1873):

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Die „Great Western“ war das größte Dampfschiff seiner Zeit und gewann sowohl auf dem West- als auch auf dem Ost-Kurs „The Blue Riband of the Atlantic“(= Ehrung für das schnellste Schiff auf der Transatlantikroute Europa-New York).

Betrachtet man das beigegebene Foto der „Great Western“, so fallen deutlich vier Masten und ein Segel auf.

Diese „Hilfssegel-Vorrichtung“ diente durchaus noch dem Antrieb, hatte aber den primären Zweck, das Schiff auf der Fahrt zu stabilisieren. Wichtig war nämlich, dass sich zur Erzeugung einer geraden Fahr-Linie beide Schaufelräder immer im Wasser befanden. Und es war gerade diese „Gerade Fahr-Linie“, welche der Segelschiff-Verkehr stets vermissen ließ.

Bei Oskar Hoffmann(1900: 387) lesen wir dazu:

„Der Segler ist naturgemäß ganz und gar von dem Winde abhängig und dadurch oft genötigt, sehr große Umwege zu machen, um Windstillen und widrigen Winden zu entgehen. Während beispielsweise der Dampfer von Kap Lizard am Ausgange des Kanals in gerader Linie nach den Osthäfen der Union steuern kann, muß das Segelschiff, einmal um den Windstillen in dem nördlichen Teile des Atlantischen Ozeans zu entgehen und dann, um den günstigsten Passat zu gewinnen, bis zu der Breite der Kanarischen Inseln fahren und dort erst den Ocean kreuzen und von den Inselgruppen Westindiens sich wieder nach Norden dem Reiseziele zuwenden. Nächst diesen Vorteilen der Dampfer gewährt ihre Unabhängigkeit von Wind und Wetter den Seglern gegenüber einen großen Vorzug. Allerdings wird auch die Reise eines Dampfers durch ungünstiges Wetter, Sturm und starken Gegenwind verzögert; aber doch lange nicht in dem Maße, wie die eines Segelschiffes. Ein solches kann durch einen Sturm viele Meilen aus seiner Richtung verschlagen werden. Auch andauernder Gegenwind hemmt und hindert naturgemäß die Fahrt in hohem Maße, vermag sie jedoch auf offener See keineswegs unmöglich zu machen. In solchem Falle muß das Fahrzeug gegen den Wind kreuzen, indem es einen Zickzackkurs einschlägt und auch so – wenn auch nur langsam – seinem Ziel zustrebt“.

Die insgesamten Vor- und Nachteile von Dampf- und Segelschiffahrt fasst Hoffmann(1900: 388) wie folgt zusammen:

„Zunächst ist naturgemäß ein Dampfer durch seine gewaltigen Maschinen bedeutend teuerer, als ein gleich großes Segelschiff. Zwar haben die großen Segelschiffe auch einige Arbeitsmaschinen an Bord, allein dieselben sind im Verhältnis zu den treibenden Maschinen der Dampfer so geringfügig, daß wir sie ganz aus dem Spiele lassen können. Je teuerer aber ein Schiff ist, desto schwieriger gestaltet sich seine Rentabilität. Dazu kommt noch der Umstand, daß die Lebensdauer eines Dampfers für gewöhnlich die eines Seglers nicht erreicht, als auch ein höherer Prozentsatz für Amortisation angesetzt werden muß. Der zweite Nachteil der Dampfer besteht darin, daß die gewaltigen Maschinen einen großen Raum einnehmen, der natürlich für die Fracht in Wegfall kommen muß. Ebenso nehmen auch die Kohlenbunker viel Platz in Anspruch, was beides bei Segelschiffen nicht in Betracht kommt. Soll nun noch die Sicherheit der Schiffe berücksichtigt werden, so gibt man ja allgemein den Dampfern den Vorzug. Doch das ist nur bedingungsweise richtig. Eine Havarie eines Segelschiffes an der Takelage, und sei sie auch sehr bedeutend, beeinträchtigt zwar selbstredend seine Manövrier- und Bewegungsfreiheit, nimmt sie ihm aber immer noch nicht ganz. Trifft dagegen einen Dampfer ein größerer Unfall an seinem Bewegungsapparate, z.B. Bruch der Schraube oder Schraubenwelle, Verlöschen der Feuer durch eindringendes Wasser oder ähnliches, so ist er hilflos dem Spiel der Elemente preisgegeben“.

Das Kohlenproblem machte sich ganz besonders im Falle der „Schnelldampfer“ geltend. Hoffmann(1900a: 40): „Bei diesen … wird, infolge des riesigen Kohlenbedarfs der Laderaum sehr gering. Sie dienen eben der Beförderung, die die meisten Kosten verträgt, dem Personenverkehr“. Die gerade Reise-Linie auf See hatte also ihren Preis.

Das Hilfssegel(s.o.) wurde übrigens erst im Jahre 1889 völlig aufgegeben(„Teutonic“).

Die „Teutonic“(1889):

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Konstrukteur: Alexander Carlisle.

Schon 1840 wurde von Großbritannien aus übrigens das erste Schiff(„Archimedes“) mit Schiffsschrauben-Antrieb in Betrieb gesetzt, fünf Jahre später überquerte die „Great Britain“ mit derselben Antriebstechnik bereits den Atlantik.

Erfunden wurde diese neue Technik übrigens vom Österreicher Josef Ressel(1793-1857).(s.d. MARSCHNER 1979) Heute ist sie längst Standard.

Josef Ressel(1793-1857):

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Die „Archimedes“(1840 ff.):

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Die „Great Britain“:

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Schiffsschrauben-Antrieb der „Kaiser Wilhelm II.“(1903):

Aus: O.HOFFMANN, Erfindungen und Entdeckungen auf allen Gebieten der Wissenschaft und Technik 4, Leipzig um 1900, 392.

Die ersten Experimente bezüglich der Verwendung der Dampfkraft für den Schiffsverkehr gehen bis ins frühe 18. Jahrhundert zurück(siehe Denys Papin 1707).

Das erste funktionierende Dampfschiff stellte der Franzose Claude Francois Jouffroy d‘Abbans her(1783). Das erste Dampfschiff-Patent geht auf das Jahr 1788(Briggs/Longstreet) zurück.

Am folgenreichsten war jedoch das Fultonsche Patent aus 1809, wurden doch vor dessen Hintergrund v.a. die Verkehrsverhältnisse der USA revolutioniert.

Robert Fulton(1765-1815):

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Dazu nun ein kleiner Exkurs.

 

III: Exkurs - Die US-Flußschiffahrt. Wo die Effizienz der „Dampfkraft“ historisch zum ersten Mal eindrucksvoll unter Beweis gestellt wurde.

Es war der Ingenieur Robert Fulton(1765-1815) aus Pennsylvania, welcher die legendär gewordene Epoche der „US-Dampf-Schiffahrt“ einleitete.

Schon im Jahre 1807 wurden unter seiner Ägide die „Ersten Dampfschiffs-Kurse“ von New York bis Albany(Hudson-Linie) durchgeführt.

Das Fultonsche Dampf-Schiff“ am Hudson:

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Fulton ging sodann nach Europa , doch dort glaubte niemand so richtig an seine „Neue Technologie“.

In den USA aber gelangte sein „Dampfschiff-Konzept“ letztlich zum historischen Durchbruch und löste am US-Verkehrssektor eine wahre „Revolution“ aus. Ab 1811 wurde der Ohio per Dampf befahren, ab 1817 der Mississippi, ein Jahr später schon das Seengebiet. 1819 begann der Gütertransport. Dabei nahm man nicht selten Boote einfach ins Schlepptau.

Das „Wasserstraßen-Netz“ der USA um 1930(ohne Alaska):

Copyright: Elmar Oberegger

Bisher hatte man auf den Flüssen mit Segel, Ruder oder Stangen ausgerüstete Barken verwendet, deren Beförderung stromaufwärts schwierig war. Im Mai 1817(n. Gerstner 1839: 36) fuhr das „Dampfschiff Enterprise“ von New Orleans stromaufwärts auf Mississippi und Ohio bis nach Louisville .

Früher hatte man für diese Strecke ganze 3 Monate(!) gebraucht, die „Enterprise“ war jedoch schon in 25 Tagen am Ziel. Die Bewohner von Louisville waren aufgrund dessen höchst entzückt und brachten dem Kapitän größte Ehrungen entgegen. Und in der Tat: Eine derartige Fahrzeitverkürzung war schlicht „revolutionär“.

Die „Enterprise“: New Orleans-Louisville in 25 Tagen!(1817).

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Die US-Dampfschiffe waren je nach den geographischen Erfordernissen konstruiert. Gerstner schreibt darüber 1839:

„Die Dampfschiffe in America, und die auf denselben gebrauchten Maschinen sind von dreierlei ganz verschiedener Construction. Jene auf den östlichen Gewässern(= Hervorhebungen d.Verf.), wohin man die Seeküste von Boston bis Charleston und alle daselbst einmündenden Flüsse rechnet, brauchen Condensations-Maschinen mit grossen aufrecht stehenden Cylindern und langem Kolbenzuge; die grössern Boote gehen meistens nur 5 bis 7 Fuss tief im Wasser, und haben eine Geschwindigkeit von 10 bis 15 engl. Meilen per Stunde. Auf dem Hudson-Flusse wird die Strecke von New York bis Albany, von 145 Meilen Länge, stromaufwärts in 11 bis 12 Stunden, und stromabwärts in 9 Stunden zurückgelegt, worunter die Aufenthalte an 15 bis 20 Orten wegen Zu- und Abgang der Passagiere begriffen sind; während der wirklichen Fahrt werden häufig stromabwärts vier und stromaufwärts drei deutsche Meilen gemacht... Die Dampfschiffe im Westen oder auf den ,Western Waters‘ sind durchaus sehr flach gebaut, und gehen mit Ladung gewöhnlich 5 Fuss, manche aber auch nur 30 bis 36 Zoll tief. Wo nur 30 Zoll oder weniger Wassertiefe vorhanden ist, wird blos die Maschine und das Brennholz, nebst den Cajüten für die Mannschaft auf dem Dampfboote angebracht, und dann zwei oder drei Boote mit Gütern beladen an Tauen angehängt ... Alle Dampfschiffe auf den western waters haben Hochdruckmaschinen, mit einer Spannung des Dampfes von 60 bis 100 Pfund per Quadrat-Zoll. Gewöhnlich sind zwei Maschinen vorhanden, deren jede ein Wasserrad für sich betreibt. Die Cylinder der Maschinen liegen horizontal, ihr Kolbenzug misst 8 bis 10 Fuss, und der Dampf wird gewöhnlich bei 5/8 des Kolbenzuges abgeschnitten, worauf er in der übrigen Länge durch Expansion wirkt. Der entweichende Dampf wird zum Erhitzen des aus dem Flusse gepumpten Wassers verwendet. Die dritte Gattung der Dampfschiffe kommt auf den grossen Seen im Norden und Nordwesten der Union vor; diese Schiffe gehen gewöhnlich viel tiefer, als die vorgenannten, und es werden auf denselben theils Condensations-, theils Hochdruckmaschinen gebraucht“(: 37 f.).

Gerstner fielen übrigens die durchaus zahlreichen Kessel-Explosionen auf den Schiffen auf und erarbeitete diesbezüglich mehrere Erklärungen. Die folgende ist besonders in mentalitätsgeschichtlicher Hinsicht nicht uninteressant:

„Die Americaner sind bekanntlich das unternehmendste Volk der Welt, die mit Recht von sich sagen:,We always go ahead‘ (Wir gehen stets mit dem Kopfe voran), Die hiesigen Democraten wollen sich von keinem ihrer Mitbürger zurückgesetzt sehen; im Gegenteile will jeder dem andern voraneilen. Kommen zwei Dampfboote einander in die Nähe, so fordern augenblicklich alle Passagiere den Capitän auf, in die Wette zu fahren, und nun beginnen die races (Wettfahrten) ohne Maass und Ziel. Der Kessel, welcher für einen Druck von höchstens 100 Pfund per Quadratzoll berechnet ist, wird durch den immer und immer stärkern Dampf bis auf 150, ja 200 Pfund, und oft so weit probirt, bis die Probe mit einer Explosion endigt; an den wenigsten Kesseln sind nämlich Platten wie in Europa angeschraubt, die bei einer gewissen Temperatur schmelzen. Die races sind anerkannter Weise die Veranlassung der meisten Explosionen, und doch finden sie noch fortwährend Statt. Das Leben eines Americaners ist ja eigentlich ein beständiges Racing, warum sollte er jenes auf den Dampfschiffen so sehr fürchten“(: 45)?

Transportgeschichtlich ist aber nun folgende Bemerkung Gerstners von Bedeutung. Er schreibt 1839, also ca. drei Jahrzehnte nach Einführung des ersten Dampfschiffes:

„Die Reisen auf Dampfschiffen entlängst der Seeküste haben ... durch Anlage der Eisenbahnen im Innern des Landes in einer zu diesen Küsten mehr oder minder parallelen Richtung grossentheils aufgehört, und werden nach Vollendung des Eisenbahnnetzes wohl beinahe ganz aufhören ...“(: 36).

Die Konkurrenzierung des Systems „Dampfschiff“ durch die „Eisenbahn“ hatte längst begonnen.

Gerstner wurde 1839 berichtet, dass im Land allein per Dampfschiff ca. 161.000 Kilometer befahren würden.(vgl.: 36) Für 1922 ist überliefert, dass das System nur noch ca. 52.400 km betrug.

US-Flussdampfer einfacherer Bauart:

Aus: O.HOFFMANN, Erfindungen und Entdeckungen auf allen Gebieten der Wissenschaft und Technik 4, Leipzig um 1900, 390.

In heutiger Zeit besitzt das System eine Ausdehnung von ca 41.000 km. Es ist zwar noch von volkswirtschaftlich nicht zu unterschätzender Bedeutung, jedoch aber im Vergleich zum Eisenbahnsystem auch in qualitativer Hinsicht stagnativ geprägt. Für nötige Ausbaumaßnahmen fehlen schlichtweg die Mittel.

Zum Reisealltag auf einem großen US-Flussdampfer schreibt Gerstner 1939:

„Ich fuhr am 23.November 1838 mit dem Dampfboote ,North-America ' von New-York nach Albany; da am nächsten Tage der Fluss schon zur Hälfte mit Eis bedeckt war, so ging bereits viel Treibeis herab; das Boot ging Abends um 5 Uhr von New-York ab, und kam am folgenden Morgen um 7 Uhr in Albany an; wir hatten also mit Einschluss alter Aufenthalte über 10 engl. Meilen in der Stunde stromaufwärts zurückgelegt. Die Länge des Schiffes beträgt 200 Fuss, seine grösste Weite 26 Fuss; es hat zwei Verdecke, wovon das untere, auf welchem die Maschine ruht, gegen drei Fuss über dem Wasserspiegel liegt; im obern Verdecke ist der grosse Speisesaal mit rings herum angebrachten Betten für die Herren, und nebstbei ein zweiter Saal mit Betten für die Damen. Der Speisesaal ist mit einer Platform bedeckt, worauf man sich während des Tages aufhält; im Sommer wird auf dieser Plattform ein Zelt aufgeschlagen. Wir waren 320 Personen (Cabin Passengers) am Bord, welche in zwei Abteilungen zu Nacht speisten, und deren jeder sodann in einem Bette schlief; es mussten aber viele Betten auf eigenen Gestellen im Speisesaal aufgemacht werden. Da durchaus noch ein hinreichender Raum übrig blieb, so kann man hieraus auf den Coloss eines solchen schwimmenden Gebäudes schliessen“(: 37) .

Die Fahrt erscheint also durchaus als bequem, um nicht zu sagen luxuriös. Auf den Flüssen der USA war damit längst in dieser Beziehung ein wichtiger historischer Maßstab gesetzt worden.

Die „Delta Queen“:

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Ein stolzer „Schwimmender Koloss“.

 

IV: Technische Verbesserungen der Folgezeit. Überrundung des Schiffes durch das Flugzeug auf der Transatlantik-Route(1960). Das Phänomen „Kreuzfahrt“. Heutige Bedeutung des Schiffes im Weltverkehr.

Nach und nach machte sich der oben von Hoffmann angedeutete Nachteil des Dampfbetriebes immer mehr bemerkbar:

Der materielle und personelle Aufwand wuchs mit den Anforderungen besonders hinsichtlich der Geschwindigkeitsverhältnisse stetig.

Um 1900 war hier ein gewisser Zenit erreicht worden. Die Kessel etwa des Schnelldampfers „Kronprinzessin Cecilie“(1907) verschlangen 760 Tonnen Steinkohle pro Tag. 76 Mann waren rund um die Uhr zur Speisung dieser nötig.

Das große Linienschiff „Titanic“:

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Weltberühmt seit seinem tragischen Untergang im Jahre 1912.(s.d. BALLARD/MARSCHALL 1997)

Angesichts des steigenden Aufwandes begann in der Folge die Einführung sowohl von Ölfeuerung als auch von ökonomischer arbeitenden Kesseln. Damit konnten massiv Gewicht, Personal und auch Zeit eingespart werden. Hoffmann(1900) schreibt um die Jahrhundertwende zur Ölfeuerung etwa:

„Die Dampfer, welche das Erdöl in großen Tankladungen von Ostasien nach Nordamerika und England bringen, bedienen sich desselben schon längst als Heizstoff und ersparen dadurch einen beträchtlichen Ladungsraum, da sie bei Kohlenfeuerung fast das doppelte Gewicht an Heizmaterial mitführen müßten“(: 402).

Und weiters: „Auch das Einnehmen des Öls erfordert weniger Zeit als die Kohlenübernahme; so vermag ein Dampfer ein Ölquantum von 360 t in 2 Stunden einzupumpen“(: 403).

Das erste mittels Dieselmotor betriebene Hochseeschiff war 1912 die „Selandia“.

Die „Selandia“: Erstes dieselbetriebenes Hochseeschiff(1912).

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In heutiger Zeit werden bereits fast alle Hochseeschiffe mittels Dieselmotor betrieben.

Die großen Passagierschiffe wurden grundsätzlich bis um in die Mitte des 20. Jahrhunderts als reguläres Verkehrsmittel genutzt.

Ohne diese Schiffe wäre etwa der Auswanderer-Strom von Europa in die USA nicht in solcher Schnelligkeit zu bewältigen gewesen. Das Flugzeug wurde jedoch in weiterer Folge als Konkurrenz deutlich spürbar.

Im Jahre 1960 war schließlich in der west-deutschen Zeitung „Die Zeit“(22. Januar, S. 1) zu lesen:

„Die Luftfahrt hat auf dem Nordatlantik die Schiffahrt überrundet: Im Jahre 1959 transportierten 14 Fluggesellschaften 1,6 Millionen Passagiere, und 17 Reedereien nur 0,8 Millionen. Vor 13 Jahren fuhren noch 400 000 Passagiere jährlich mit dem Schiff über den Atlantik, und nur 100 000 flogen. Im vorigen Jahr also hat die Luftfahrt ihren Ehrgeiz befriedigen können...“.

Vor diesem Hintergrund wurde nun die „Kreuzfahrt-Kultur“(s.d. DICKINSON 2008) forciert, deren Ursprünge übrigens bereits im Jahr 1891 liegen. Damals hatte der deutsche Reeder Albert Ballin(1857-1918) erstmals die Idee, überflüssige Schiffe touristisch zu nutzen, indem man sie in wärmere Gefielde der Erde führte.

Mit der „Kreuzfahrt-Kultur“ ist die „Große Seereise“ endgültig zum Luxusgut bzw. zum gemütlichen Freizeitprogramm geworden.

Kreuzfahrtschiff der heutigen Zeit:

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Eine „Geschäftsreise“ per Schiff allerdings passt längst nicht mehr in den heutigen Kontext, geht diese doch im Vergleich zur Flugreise allzu langsam vor sich. Dazu schreibt der Rocksänger Ozzy Osbourne 2009:

„Im Sommer nach Rock in Rio erklärte ich mich bereit, mit Black Sabbath bei Live Aid aufzutreten. Sharon war schon wieder schwanger, also beschlossen wir, nicht nach Philadelphia zu fliegen, sondern stattdessen die ‚Queen Elizabeth 2‘ nach New York zu nehmen und den Rest der Strecke zu fahren. Nach der ersten Stunde auf See bereuten wir unsere Entscheidung. Damals waren wir daran gewöhnt, an Bord der Concorde in drei Stunden von London nach New York zu reisen. Die ‚QE2‘ brauchte fünf verfluchte Tage, die sich anfühlten wie fünf Milliarden Jahre. Ich meine, was zum Teufel soll man auf so einem Schiff machen, außer sich die Seele aus dem Leib kotzen, weil man seekrank ist? Am ersten Abend wünschte ich mir, wir würden auf einen Eisberg auflaufen, nur um die Sache ein wenig lebendiger zu gestalten. Und die Langeweile wurde nur noch schlimmer. Schließlich wankte ich zum Schiffsarzt und flehte ihn an, mir für den Rest der Reise ein Beruhigungsmittel zu spritzen. Ich wachte achtundvierzig Stunden später auf, als wir gerade in den Hafen einliefen. Sharon war fürchterlich sauer auf mich – sie war völlig auf sich allein gestellt gewesen, während ich den Schlaf der Betäubten schlief –, und es grenzte an ein Wunder, dass sie mich nicht über Bord warf. ‚Erinnerst du dich noch an mich? Du Arschloch!‘, waren die Worte, mit denen sie mich nach dem Aufwachen begrüßte“(: 346).

Ozzy Osbourne:

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Heute werden aber sogar schon Flugreisen als allzu lang empfunden…

Die Bedeutung der Schiffahrt für den globalen Güterverkehr(Stichwort Container) ist bis heute ungebrochen.

Containerschiff der heutigen Zeit:

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V: Quellen und Verweise.

BALLARD Robert D./Ken Marschall: Lost Liners. Von der Titanic zur Andrea Doria. Glanz und Untergang der grossen Luxusliner. -München 1997.

BERCKENHAGEN Ekhart(Hrsg.): Schiffe Häfen Kontinente. Eine Kulturgeschichte der Seefahrt. -Berlin 1983.

BOHN Robert: Geschichte der Seefahrt. -München 2011.

BRENNECKE Jochen: Geschichte der Schiffahrt. -Künzelsau/Stuttgart 1981.

DICKINSON Bob: Selling the sea. -New Jersey 2008.

GERSTENBERGER Heide/Ulrich Welke(Hrsg.): Zur See? Maritime Gewerbe an den Küsten von Nord- und Ostsee. -Münster 1999.

GERSTNER Franz A.: Berichte aus den Vereinigten Staaten von Nordamerica. – Leipzig 1839.

GIBBS Charles/Robert Vernon: Passenger Liners of the Western Ocean. A Record of Atlantic Steam and Motor Passenger Vessels from 1838 to the Present Day. -New York 1957.

HENNIG Richard: Abhandlungen zur Geschichte der Seefahrt. -Jena 1928.

HOFFMANN Oskar: Erfindungen und Entdeckungen auf allen Gebieten der Wissenschaft und Technik 4. -Leipzig um 1900.

HOFFMANN 1900a = Band 3 obigen Werkes.

LANDSTRÖM Björn: Das Schiff. Vom Einbaum zum Atomboot. Rekonstruktionen in Wort und Bild. -Gütersloh 1973.

MARSCHNER Erhard: Josef Ressel. Erfinder der Schiffsschraube. –Neustadt a.d. A. 1979.

MOLLAT DU JOURDIN Michel: Europa und das Meer. -München 1993.

OBEREGGER Elmar: Professor Franz Anton Ritter von Gerstner in den USA(1838-1840). In: Zur Eisenbahngeschichte des Alpen-Donau-Adria-Raumes. -Internet 2010.

OBEREGGER Elmar: Zur Eisenbahngeschichte der USA. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. -Sattledt 2012.

OSBOURNE John M.: Ozzy. Die Autobiographie. -München 2009.

Div. Wiki-Artikel zum Thema „Seefahrt“.

 

Weitere Bilder zum Thema:

 

Szene einer Passagierschiffahrt 1850:

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Proviant eines Ozeandampfers für eine Fahrt Europa-USA um 1900:

Aus: O.HOFFMANN, Erfindungen und Entdeckungen auf allen Gebieten der Wissenschaft und Technik 4, Leipzig um 1900, 404.

Gerechnet für ca. eine 6-Tages-Reise von ca. 2000 Personen.

 

Küche 1. Klasse eines Ozeandampfers um 1900:

Aus: O.HOFFMANN, Erfindungen und Entdeckungen auf allen Gebieten der Wissenschaft und Technik 4, Leipzig um 1900, 400.

 

Eine Schiffsküche des Jahres 1905:

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Rauchsalon eines Ozeandampfers um 1900:

Aus: O.HOFFMANN, Erfindungen und Entdeckungen auf allen Gebieten der Wissenschaft und Technik 4, Leipzig um 1900, 397.

 

Speisesaal 1. Klasse eines Ozeandampfers um 1900:

Aus: O.HOFFMANN, Erfindungen und Entdeckungen auf allen Gebieten der Wissenschaft und Technik 4, Leipzig um 1900, 398.

 

Auf Kreuzfahrt heute: Am Swimmung-Pool.

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Auf Kreuzfahrt heute: Im Nightclub.

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Auf Kreuzfahrt heute: Kletterwand am Schiff.

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Auf Kreuzfahrt heute: Im Speisesaal.

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Kajüte des Jahres 1937:

PA J.Marinsek, Dt.Landsberg

 

Drei Kajüten der heutigen Zeit:

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Koje der heutigen Zeit:

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Die „Koje“ löste in der „Grossen Schiffahrt“ einst die Hängematte ab, was grundsätzlich als Erfolg betrachtet wurde. Negativ war aber der Umstand, dass sich bald Feuchtigkeit einschlich. Gepaart mit dem Umstand, dass eine Koje gleich von mehreren Männern benutzt wurde(Schichtbetrieb!) wurde sie zum Herd für Krankheitserreger, letzten Endes also zum höchst unhygienischen und gefährlichen Ort. Mittlerweile hat man dieses Problem aber im Griff.

 

Eine Schiffshängematte:

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Der Vorteil dieses Gegenstandes bestand vor allem in der leichten Verstaubarkeit.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2014.