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DER WEG ZUR INTERNATIONALITÄT: I: Vorbemerkungen. Im Wesen eines jeden Nachrichtenmittels liegt es, über die Grenzen des eigenen Landes hinaus Verbindung mit den Nachbarstaaten und in weiterer Folge mit möglichst vielen, auch entfernteren Staaten aufzunehmen. So war der Weg der österreichischen Telegraphie zur Internationalität eigentlich vorgezeichnet und seine Verwirklichung mehr eine Frage der Zeit. Das Telegraphenwesen Österreichs war über die provisorischen Regelungen hinausgekommen und die wichtigsten Orte des Kaiserreiches standen mit der Residenz in Verbindung. Nun konnte man sich den Kontakt mit dem Ausland widmen.
II: Das erste internationale Telegraphen-Übereinkommen Österreichs – Mit Preußen(1849). Die ersten Auslandskontakte wurden mit Preußen aufgenommen. Von wem sie ausgegangen sind, wissen wir leider nicht. In einem Schreiben vom 9. August 1849 ist erstmals von einem Vertragsentwurf mit Preußen die Rede, der den Anschluß der österreichischen an die preußischen Telegraphenlinien zum Inhalt hat.(1) Ende August weilte Gintl in Oderberg, um ein Telegraphenlokal für die Preußen ausfindig zu machen. Da am Bahnhof keine entsprechenden Räumlichkeiten frei waren, schlug Gintl die vorläufige gemeinsame Unterbringung mit dem österreichischen Staatstelegraphen vor. Später könne Österreich ein Amtshaus bauen, in dem auch die preußischen Telegraphisten untergebracht werden sollten.(2) Die österreichisch-preußischen Verhandlungen führten am 3. Oktober 1849 zu einer Übereinkunft über „Verbindung der preußischen und österreichischen Telegraphen Linien“. Von österreichischer Seite unterzeichnete der bevollmächtigte Minister Feldmarschall-Lieutenant Freiherr von Prokesch-Osten, für Preußen der geheime Ober-Finanzrat Mellin.(3) Man plante eine durchgehende telegraphische Verbindung zwischen Triest, Wien, Oderberg, Berlin und Hamburg. „Dabei wird jedoch beiderseits sogleich ausgesprochen, daß die Verbindungen auf das ganze System der beiderseitigen Staats-Telegraphenlinien ausgedehnt und für solche alsdann endliche Vereinbarungen getroffen werden sollen“(4). Die telegraphischen Einrichtungen blieben jedem Staate überlassen, es sollten aber womöglich „die neuesten und besten Erfindungen“ zur Anwendung gelangen, damit immer sicherer und schneller telegraphiert werden könne. Zunächst galten die Vereinbarungen für Staatsdepeschen, spätestens 12 Monate nach der Ratifizierung sollten sie aber auch für das Publikum Geltung erlangen.(5) Staats- und Eisenbahndepeschen wurde unbedingter Vorrang eingeräumt. Bei dringenden („citissime“) Depeschen wurde eine sehr kluge Lösung gefunden. Österreich sollte an geraden, Preußen an ungeraden Tagen Vorrang haben. Die Kosten wurden nach dem jeweiligen Landestarif berechnet. Wenn wir auch nicht wissen, von wem die erste Initiative ausgegangen ist, so scheint sie jedenfalls nun Preußen übernommen zu haben. Eine Anregung Preußens richtete sich auf die Ausdehnung des Personenkreises, dem das Telegraphieren gestattet war. Am 4. Jänner 1850 teilte das Außen- dem Handelsministerium mit, daß alle preußischen Telegraphenstationen von der Regierung die Anweisung bekommen hätten, „Staatsdepeschen, welche von k.k. österreich. Gesandten, Geschäftsträgern, General-Consuln, Consuln, Offizieren und Militär-Beamten höheren Ranges aufgegeben wurden, oder an derley Personen andressiert sind, telegraphisch zu befördern“(6). Mitte Februar 1850 war in Österreich die Privatkorrespondenz eingeführt worden.(7) Am 29. März 1850 sprach sich der preußische Handelsminister in einem Schreiben an seinen österreichischen Kollegen für die Einführung der telegraphischen Privatkorrespondenz zwischen beiden Staaten aus.(8) Spätestens nach Vollendung der Linie Berlin-Breslau könne sie beginnen. Mit der Fertigstellung dieser Strecke, die inzwischen der Staat übernommen hatte, stand Anfang Juli 1850 dem nichts mehr im Wege.(9)
III: Die Abkommen mit Bayern und Sachsen(1850). Nach Preußen war Bayern der nächste Staat, mit dem sich Österreich über Zusammenarbeit auf telegraphischem Gebiete einigte. Schon Anfang des Jahres 1849 wurde im Ministerrat der Anschluß der Wien-Salzburger Linie an die bayrisch-würtembergisch-badische Linie und durch diese nach Frankfurt am Main beschlossen.(10) Ende April 1849 kamen Kreuter und Steinheil, der damals noch in bayrischen Diensten stand, nach Wien, um technische Fragen bezüglich der Errichtung einer Telegraphenlinie über Bayern, Würtemberg und Baden an den Rhein zu erörtern.(11) Steinheil hatte eine Inspektionsreise durch ganz Deutschland unternommen, um „das Beste zu dem beabsichtigten Zwecke zu wählen“. Im Zuge dieser Informationstour war er auch nach Wien gekommen. Gintl hat sich am 26. April 1849 mit den beiden Bayern „ins Einvernehmen gesetzt, bezüglich der von hier über Linz bis Salzburg anzulegenden und von dort durch Baiern weiterzuführenden Telegraphenlinie“(12). Man besprach in erster Linie technische Fragen (betreffend Apparate, Leitungen, Isolierung u.ä). Das gemeinsame Projekt nahm im Herbst 1849 konkrete Formen an. Am 12. Oktober fand in München eine Verhandlung wegen der geplanten Linie statt.(13) Die bayrische Regierung war mit der Errichtung einer solchen Linie einverstanden. Ein bayrischer Sachverständiger solle zum Studium des Telegraphen nach Österreich kommen, damit in der Durchführung Einheitlichkeit erzielt werden könne. Bayern werde eine Linie von Salzburg über Rosenheim nach München bauen, die bis 1. Dezember 1849 fertiggestellt sein werde. Der Morseapparat werde als der geeignetste auf der ganzen Linie von Wien nach München eingeführt, wie es Österreich vorgeschlagen hatte. Anfang November 1849 weilte Gintl zu dem angedeuteten Gespräch mit einem bayrischen Experten in Salzburg. Um die gemeinsame Sache voranzutreiben schlug Gintl vor, bei Stöhrer in Leipzig 4 Morseapparate zu bestellen. Da bis zur Lieferung der bestellten Apparate einige Zeit ungenützt vergangen wäre, überließ Bayern der österreichischen Regierung 3 Morseapparate von Stöhrer, die Österreich später zurückstellen sollte.(14) Am 21. Jänner 1850 wurde zwischen Bayern und Österreich ein Übereinkommen abgeschlossen.(15) Unterzeichnet wurde es von bayrischer Seite durch Minister Graf von Lerchenfeld, von österreichischer Seite durch Handelsminister Freiherrn von Bruck. Das Abkommen zeigt in manchen Punkten eine starke Ähnlichkeit mit jenem, das Österreich alt Preußen abgeschlossen hatte. Im „Protocoll zwischen der königl. baierischen und der kaiserl.königl. österreichischen Regierung über die Herstellung einer Telegraphenlinie zwischen Wien und München“, wird zunächst erwähnt, daß das Übereinkommen später auch auf andere Linien ausgedehnt werden soll. In der Stadt Salzburg wird eine gemeinsame Telegraphenstation errichtet. Auf der gemeinsamen Linie soll der Morseapparat verwendet werden. Bayern verpflichtet sich, so wie Österreich das Morse-Alphabet zu verwenden. Vorläufig gilt das Abkommen nur für Staatsdepesche, später soll es aber auch für die Privatkorrespondenz in Wirksamkeit treten. Die Privatkorrespondenz soll womöglich mit 1. Feber 1850 ins Leben treten. Bei „citissime“-Depeschen wurde – wie mit Preußen – dem einen oder dem anderen Staat der Vorrang eingeräumt, je nach geraden oder ungeraden Kalendertagen. Die Kosten sollten gemeinsam festgesetzt und nach einem gleichaltrigen Tsxlf verrechnet werden.(16) Auch Chiffern wurden für die Staatskorrespondenz zugelassen.(17) In der Ministerratssitzung vom 24. Jänner 1850 wurde das Ende der Verhandlungen „wegen Aktivirung des Telegraphen zwischen München, Salzburg und Wien“ mitgeteilt.(18) Am 31. Jänner 1850 wurde das Übereinkommen namens der Regierung von Ministerpräsident Fürst Schwarzenberg ratifiziert.(19) Obwohl die Benützung der gemeinsamen Leitung schon für 1. Feber 1850 in Aussicht gestellt worden war, trat die Privatkorrespondenz auf den österreichisch-bayrischen Linien erst mit 1. Mai 1850 ins Leben. Zu diesem Zwecke sandte Bayern im April 1850 „Provisorische Bestimmungen über die wechselseitige Benützung der k.k. österreichischen und k. baierischen Staatstelegraphen durch das Publikum“(20). Darin waren auch die bayrischen Tarife und Gebühren enthalten. Ab 10. Juni war die Linie München-Bamberg in Betrieb.(21) Am 5. Juli 1850 wurde die Linie Bamberg-Hof für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.(22) Damit waren die bayrischen Linien von Salzburg über München bis zur nördlichen Grenzstadt Hof fertiggestellt und standen auch dem österreichischen Publikum zur Verfügung. Nach Preußen und Bayern bemühte sich Österreich auch mit Sachsen um eine Verbindung der Telegraphenlinien. Der sächsische Finanzminister schlug dem österreichischen Handelsminister am 7. Jänner 1850 vor, gleichzeitig mit der geplanten Zugsverbindung von Dresden nach Prag, einen elektromagnetischen Telegraphen ins Leben treten zu lassen.(23) In Sachsen standen Morseapparate von Stöhrer in Verwendung und waren die Leitungen unterirdisch verlegt. Steinheil stellte am 3. Feber 1850 fest, daß Österreich eine solche Verbindung schon vorbereite. Am 18. Mai teilte Sachsen seine Bereitwilligkeit mit, mit Österreich ein Übereinkommen wegen wechselseitigen Anschlusses der Telegraphenlinien abzuschließen.(24) Die Fertigstellung der sächsischen Linien ließ aber auf sich warten. Der Telegraphenbetrieb zwischen Dresden und Bodenbach (der österreichischen Anschlußstelle) konnte erst am 7. Oktober 1850 aufgenommen werden.(25)
Exkurs: Vernetzungen im Ausland(Preußen-Sachsen, Bayern-Württemberg, Belgien-Preußen). Nicht nur Österreich schloß mit seinen Nachbarstaaten Übereinkommen wegen Verbindung der Telegraphenverbindung, sondern jene taten dies auch untereinander und mit dritten Staaten. Am 17. Oktober 1849 schlossen Preußen und Sachsen ein Abkommen, das die Telegraphenlinie Berlin-Leipzig-Dresden betraf:(26) Preußen sollte die Linie Berlin-Halle-Leipzig, die zum Teil auf sächsischem Gebiet verlief, anlegen. Sachsen sollte die Strecke Leipzig-Dresden bauen. Diese Linie sollte auch dem Publikum offenstehen, „indessen soll dabei von dem Grundsatze ausgegangen werden, daß es nicht in der Absicht liegt, durch die Benützung der Telegraphen einen secundären Gewinn zu erzielen“(27). Im Jänner 1850 bestand sin Plan zur Verbindung der Linien Bayerns und Württembergs.(28) Im März war noch immer von „in Aussicht gestellten“ Unterhandlungen die Rede.(29) Erst im Dezember 1850 wurde in Durchführung dieser Pläne die Linie Stuttgart-München fertiggestellt.(30) In einem Bericht vom 25. Mai 1850 ist davon die Rede, daß Belgien und Preußen „zum Behufe der Vollendung der Telegraphenlinie von Aachen nach Brüssel und an die französische Gränze“ einen Vertrag abgeschlossen hätten, der am 1. Oktober 1850 ins Leben treten sollte.(31) Der österreichische Gesandte in Brüssel sandte Anfang Juli einen „Moniteur beige“, in dem die Konvention mit Preußen vom 16. Mal 1850 veröffentlicht worden war.(32) Auch diese Pläne konnten erst viel später verwirklicht werden, als es vorgesehen war. Am 24. November 1850 übersandte der preußische dem österreichischen Handelsminister den Vertragstext mit Belgien und bemerkte gleichzeitig, daß die für 1. Oktober geplante Durchführung nicht stattfinden könne, weil Belgien den Termin nicht einhalten konnte.(33)
IV: Drang nach Vereinheitlichung. Gründung des „Deutsch-österreichischen Telegraphenvereines“. Die Telegraphen-Übereinkommen mit Preußen, Bayern und Sachsen waren der erste Anfang der internationalen Entwicklung des Telegraphenwesens. Es bestanden aber noch zu viele Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern, als daß eine Einheitlichkeit erzielt hätte werden können. Handelsminister Bruck geht in seinem Vortrag vom 31. Juli 1850 auf den Werdegang des deutsch-österreichischen Telegraphenvereins ein:(34) „Durch die Ausdehnung der Telegraphenlinien bis an die Grenzen des Kaiserstaates, ward beabsichtigt, ihre Verbindung mit jenen des Auslandes hauptsächlich dort zu erlangen, wo bereits Eisenbahnen zusammentreffen, oder wo ein, größere Landstrecken umfassender telegrafischer Verkehr zu gewärtigen und die Aussicht vorhanden ist, die gleichartigen, gegenwärtig aber noch von Oestreich isolirten Anlagen entfernterer Staaten zu erreichen, wie sie namentlich im nördlichen und westlichen Deutschland bereits in bedeutendem Umfang vorhanden sind, u. mittelst welcher in letzter Linie die telegrafische Verbindung mit Frankreich und Großbritannien erzielt werden kann“. Solche Berührungspunkte mit dem Ausland bestanden schon in Oderberg, Salzburg und Bodenbach. Der Angleichung Österreichs mit Preußen, Bayern und Sachsen standen einige Schwierigkeiten im Wege: 1.Verschiedenheit der technischen Einrichtung. 2.Verschiedenheit der benutzten Apparate. 3.Verschiedenheit der Geldwährungen. 4.Verschiedenheit der Kostenberechnung (Tarife). Diese Hindernisse sollten aber kein Grund zum Resignieren sein, sondern es war „umsomehr Grund vorhanden, diese Einigung anzustreben“. Außerdem wären andere Staaten dann im eigenen Interesse gezwungen, sich den Grundsätzen der Vertragspartner anzuschließen, „was zur Hoffnung berechtigt, daß auf diese Weise nach Verlauf weniger Jahre, ein dem Verkehr unabsehbaren Nutzen gewährender, europäischer Telegraphen Verein zustande kommen werde“(35). Seit Anfang des Jahres 1850 führten der österreichische und preußische Handelsminister schriftliche Kontakte, die ursprünglich der Vereinfachung der beiderseitigen Depeschenbeförderung dienten, bei denen sich aber allmählich die Idee eines engeres Zusammenschlusses herauskristallisierte.(36) Gewiß spielte dabei auch der am 6. April 1850 gegründete deutsch-österreichische Postverein eine fördernde Rolle. Von Österreich wurde die Durchtelegraphierung der Depeschen vorgeschlagen. Obwohl sich Preußen damit einverstanden erklärte, mußte die Durchführung wegen der verschiedenen Apparate auf später verschoben werden. Der preußische Handelsminister schlug seinerseits am 16. Mal 1850 vor, „auf die Feststellung allgemeiner Grundsätze und Erhebungs-Normen“ einzugehen.(37) In diesem Falle würde gewiß auch „die königlich bayerische Regierung sich bereit finden lassen, die erwähnte Conferenz durch Commissarien zu beschicken, und es würde auf solche Weise schon jetzt die Vereinbarung über ein gemeinschaftliches System für den größten Theil Deutschlands vorbereitet werden können, dem sich bei weiterer Ausdehnung der Telegraphenlinien alsdann ohne Zweifel auch die betreffenden übrigen deutschen Staaten anschließen würden“(38). Die Vorteile einer baldigen derartigen Vereinbarung seien offensichtlich. Es wäre später um so schwieriger, weil die verschiedenen Staaten eine verschiedene Entwicklung nehmen würden, wie „die Unterhandlungen über die Herstellung eines deutschen Post-Vereins einen schlagenden Beweis“ geliefert hätten. Wenn Österreich mit der „Vereinbarung eines allgemeinen Tarifs“ einverstanden sei, solle es die bayrische Regierung „zur Beschickung der mehrgedachten Konferenz“ einladen.(39) Preußen hatte die Initiative zur engen Zusammenarbeit der deutschen Staaten ergriffen und hatte von Anfang an eine internationale Zusammenarbeit aller europäischen Staaten im Auge. Steinheil stimmte in Beantwortung obigen Schreibens am 24. Mai 1850 begeistert zu.(40) Am gleichen Tag erging auch Steinheils Einladung an Bayern, an der geplanten Konferenz teilzunehmen. Auf telegraphischem Wege kam am 3. Juni 1850 die Antwort des bayrischen Handelsministers von der Pfordten: „Die bairische Regierung ist bereit, die Conferenz zur gemeinsamen Regulierung des Telegraphendienstes zu beschiken, und sehe ich weiterer Mitteilung über Zeit und Ort des Zusammentreffens entgegen“(41). Sachsen wurde ebenfalls von Österreich zur bevorstehenden Konferenz eingeladen. Am 13. Juni 1850 dankt der sächsische Finanzminister für die Einladung zu der am 15. Juli in Dresden beginnenden Konferenz „in Bezug auf das Staatstelegraphenwesen“.(42) Die Vertreter Österreichs, Preußens, Bayerns und Sachsens begannen am 15. Juli 1850 in Dresden mit den Beratungen. Nach zehntägiger Arbeit wurde am 25. Juli 1850 ein „Vertrag über die Bildung eines deutsch-österreichischen Telegraphen Vereines“ abgeschlossen. Von österreichischer Seite hatten an den Beratungen Sektionsrat Dr. Carl Steinheil und Postkommissär Richter teilgenommen, von preußischer Seite Regierungs- und Baurat Friedrich Nottebohm, von bayrischer Seite Ministerialrat Freiherr von Brück und von sächsischer Seite Geheimer Rat Carl von Ehrenstein.(43) In 6 Abschnitten wurden die wichtigsten Punkte festgelegt. Da der Vertragstext sehr umfangreich ist und außerdem in gedruckter Form vorliegt, kann auf eine genaue Wiedergabe der verschiedenen Punkte hier verzichtet werden.(44) Nur die wichtigsten Vereinbarungen werden hier hervorgehoben: Die Benutzung des Telegraphen wurde als allgemeines Recht anerkannt, für die Vereinsstationen legte man gemeinsame Dienststunden fest. Die Depeschen mußten in deutscher Sprache abgefaßt sein.(45) Für die Linien des Vereins wurden einheitliche und wesentlich ermäßigte Taxen beschlossen. Eine Depesche kostete nach dem neuen Tarif für 20 Worte auf eine Entfernung bis zu 10 Meilen 1 fl.GM oder 1fl.12 kr. Rhein, oder 20 Sgr. Die Gebühr stieg jeweils um den gleichem Betrag für weitere 15, 20, 25, 30, 35, 40 u.s.w. Meilen. Enthielt eine Depesche 20-50 Worte so wurde die doppelte, enthielt sie 50-100 Worte die dreifache Gebühr eingehoben. Es gab aber keine Manipulations- und Zustellgebühr mehr.(46) Für Nachtdepeschen war die doppelte Gebühr zu entrichten. Folgendes Schema ergibt sich:(47)
Im Ministerrat vom 2. August 1850 nahm Handelsminister Bruck zum deutsch-österreichischen Vertrag Stellung:(48) „Den Staatsdepeschen ist die schnellste Beförderung, die unverbrüchliche Wahrung des Geheimnisses, selbst der Gebrauch von Chiffern(49) und die gleichartige Behandlung in Bezug auf die Vormerkung und Entrichtung der für sie entfallenden Gebühren gesichert“. Leider könne noch nicht direkt über die Grenzen telegraphiert werden, weil die Staaten verschiedene Apparatsysteme in Verwendung hätten. Da deren Anschaffung vor Kurzem erst mit großen Kosten verbunden gewesen sei, könne man niemand zumuten, dieselben jetzt schon wieder auszutauschen. Der Vertrag garantiere auch eine verläßliche Behandlung der Privatkorrespondenz. Nur sei sie vorläufig „rücksichtlich des Gebrauches fremder Sprachen, so wie der Chiffern“ beschränkt und natürlich der Staatskorrespondenz untergeordnet.(50) Sehr günstig beurteilt Bruck auch die einfache Tarifberechnung, die zweckmäßig abgestuft und mit fortschreitender Entfernung billiger wurde.(51) Der neue Tarif bedeutete tatsächlich gegenüber dem vorher in Österreich gebräuchlichen eine wesentliche Verbilligung und Vereinfachung. Am 7. August 1850 genehmigte der Kaiser den Vertrag vom 25. Juli „samt dem Protocolle von selbem Datum, welches die Additional Artikel über den Telegraphendienst, die Verrechnung und Ausgleichung der Gebühren“ enthielt. Dem Inkrafttreten des Vertrages – zunächst auf 5 Jahre – mit 1. Oktober 1850 stand damit nichts mehr im Wege.(52) Preußen und Bayern konnten ihre Vorbereitungen zur Durchführung des Telegraphenvertrages am 1. Oktober termingerecht beenden. Ende September gab Bayern „Bestimmungen und Tarif für die Benutzung der Staatstelegraphen im Königreiche Bayern u. dem Gebiete des Deutsch-österreichischen Telegraphenvereins von Seite des Publikums“ heraus.(53) Am 27. September 1850 meldete Preußen, „daß die Vorbereitungen zur Ausführung des unterm 25. Juli abgeschlossenen deutsch-österreichischen Telegraphen Vertrages beendigt sind“(54). Bestimmungen und Tarif galten auch in Preußen selbst. Auch in Österreich könnte der Vertrag zeitgerecht am 1. Oktober 1850 in Kraft treten. Wie in Preußen, kam er ebenso für die inländische Korrespondenz in Wirksamkeit. In den „Bestimmungen über die Benützung der k.k. österreichischen Staatstelegraphen und der Telegraphen in dem Gebiete des deutsch-österreichischen Telegraphen-Vereins von Seite des Publikums“ vom 18. September 1850 waren die entsprechenden Vorschriften zum Vollzug der Vereinbarungen enthalten.(55) Ebenfalls am 13. September kam eine „Instruction für die k.k. Telegraphenämter und Postämter über die Behandlung der telegraphischen Depeschen“ heraus.(56) Nur Sachsen kam etwas in Terminverzug, weil der Mechaniker Stöhrer die Telegraphenapparate erst bis 7. Oktober 1850 liefern konnte. Dann wurde auch die Linie zwischen Bodenbach und Dresden eröffnet.(57) Im November 1850 kam eine schon vorher groß angekündigte Karte über „Die Stationen des Deutsch-Österreichischen-Telegraphen-Vereins und deren Entfernungen in geographischen Meilen“, sowie der „Meilenzeiger und Tarif zur Erhebung der Gebühren für Beförderung telegraphischer Depeschen auf den kaiserlich-königlich-österreichischen, königlich preußischen, königlich bayerischen und königlich sächsischen elektromagnetischen Telegraphen-Linien“ heraus.(58) Das Gesamtgebiet des deutsch-österreichischen Telegraphenvereins umfasste Ende 1850 Linien in der Länge von 966,6 Meilen. Im Einzelnen entfielen auf:(59) Österreich - - - - 487,2 Meilen. Preußen - - - - - -330,7 Meilen. Bayern - - - - - - -100,6 Meilen. Sachsen - - - - - - - 48,1 Meilen. Österreich hatte um 8 Meilen mehr, als das ganze übrige Vereinsgebiet zusammengenommen. Die Bedeutung des deutsch-österreichischen Telegraphenvereins kann kaum überschätzt werden. Mit ihm war der Anfang für die internationale Entwicklung des Telegraphen gemacht. Endgültig war diese Regelung noch nicht, sie war die Basis für die weitere Entwicklung. Der deutsch-österreichische Telegraphenverein setzte sich nach und nach in ganz Europa durch. Seine Bestimmungen wurden in den nächsten Jahren von mehr und mehr europäischen Staaten angenommen.(60) Mit dem Abschluß des Internationalen Telegraphenvertrages von Paris am 17. Mai 1854 war der Telegraph im wahrsten Sinn des Wortes international geworden und hatte darin erst seine volle Entfaltungsmöglichkeit gefunden.
Anmerkungen: 1) V.A.T. .(= Verwaltungsarchiv-Telegraphenprotokolle), 2102/T vom 9. August 1849. 2) V.A.T., 2078/T vom 29. August 1849. 3) Vertragstext in VOBl. Nr.52 vom 5. Feber 1850. 4) Es scheint damals schon der Gedanke einer umfassenderen Vereinbarung bestanden zu haben, der dann im deutsch-österreichischen Telegraphenverein verwirklicht wurde. 5) Dieser weitgesteckte Zeitraum wurde im Zuge der weiteren Entwicklung wesentlich verkürzt. 6) V.A.T., 490/T 1850. Am 31. Jänner 1850 erhielt die Telegraphenverwaltung diese Nachricht. 7) In Preußen war der Telegraph schon am 1. Oktober 1849 dem Publikum zugänglich gemacht worden. Nach Erwin Horstmann: 100 Jahre deutsches Fernmeldewesen. In: Zeitschrift für das Post- und Fernmeldewesen 12 (1953), S. 450 ff. Hier: S.450. 8) V.A.T., 1958/C vom 29. März 1850. 9) V.A.T. 3565/C vom 7. Juli 1850. 10)VOBl., Nr.6 vom 9. November 1849. 11)V.A.T., 1129/T vom 27. April 1849. 12)V.A.T., 1135/T vom 28. April 1849 13)V.A.T., 2633/T vom 12. Oktober 1849. 14)Die Leitung München-Salzburg war bereits am 24. Dezember 1849 hergestellt und wurde am 14. Jänner 1850 der Öffentlichkeit übergeben. Jubiläum der bayerischen Telegraphie. In: Post und Telegraph 19 (1889), S. 287 ff. Hier: S. 287. 15)VOBl., Nr. 21-22. vom 23. April 1850. 16)Mit Preußen wurden diese Vereinbarungen erst später getroffen. 17)Mit Preußen wurden diese Vereinbarungen erst später getroffen. 18)St.A.(= Staatsarchiv), M.R. 356/1850. 19)VOBl., Nr. 21-22 vom 23. April 1850. 20)V.A.T., 2195/C vom 22. April 1850, (hrsg. am 20.April 1850). 21)VOBl. Nr. 89 vom 22. Juni 1850. 22)V.A.T. 3569/C vom 6. Juli 1850. 23)V.A.T., 326/C vom 7. Jänner 1850. 24)V.A.T., 2784/C vom 18. Mai 1850. 25)V.A.T., 5131/C vom 1.Oktober 1850. 26)Ve.A.(= Verkehrsarchiv), 5380/C vom 12. Dezember 1849. 27)VOBl., Nr. 84-88 vom 2. März 1850. 28)V.A.T., 605/C vom 24. Jänner 1850. 29)V.A.T., 1478/C vom 7. März 1850. 30)V.A.T., 6048/C vom 17. November 185o. 31)V.A.T., 2974/C vom 25. Mai 1850. 32) V.A.T., 3571/C vom 7. Juli 1850. 33)V.A.T, 6077/C vom 24. November 1850. Es wird bemerkt: „Gegenwärtig werde nur der auf preußische Rechnung hergestellte Telegraph von Aachen nach Vervier benutzt“. 34)St.A., M.R., 3148 vom 31. Juli 1850. 35)Gleicher Akt: St.A., M.R., 3148 vom 31. Juli 1850. 36)Vgl. J. Pawel: Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des elektrischen Staatstelegraphen in Österreich von 1846/47 bis 1908 unter besonderer Berücksichtigung des Prager Direktionsbezirkes. In: Zeitschrift für Post und Telegraphie 1908, S. 18 ff. Hier: S. 91. 37)V.A.T., 2704/C 1850. 38)Wieder zeigt sich, daß man in weitsichtigem Denken, die Bedeutung der Internationalität durchaus erkannt hatte und anstrebte. 39)Weiterhin V.A.T., 2704/C 1850. 40)Gleicher Akt wie 38): Mit der Absicht nähere Vereinbarungen zu treffen und die bayrische Regierung beizuziehen „sind E.Exzellenz meinem lebhaftesten Wunsche entgegengekommen“. 41)V.A.T., 2905/C 1850. 42)V.A.T., 3253/C 1850. 43)VOBl,, Nr. 25 vom 16. September 1850. 44)VOBl,, Nr. 25 vom 16. September 1850. 45)Damit nahm man es sehr genau. Am 28. September 1850 war an den Banus eine telegr. Depesche in kroatischer Sprache eingegangen, obwohl doch „instructionsgemäß nur in deutscher Sprache“ telegraphiert werden dürfe. Das Handelsministerium erließ eine entsprechende Verfügung, die das verbot. St.A., M.R., 4012 vom 28.9.1350. 46)Noch VOBl., Nr. 25 vom 18. September 1850. 47)F.A.(= Finanzarchiv), 16064/F.M. vom 9. November 1850. 48)St.A., 3165 M.R. vom 2. August 1850. 49)Preußen beförderte ab 25. September 1850 chiffrierte Depeschen der Österr. Regierung. V.A.T., 4142/T 1850. 50)St.A., M.R. 3148/1850 und V.A.T., 4959/C 1850. 51)Vgl. die Tarifbestimmungen Gintl’s vom 28. Juni 1849, in denen sich manche Anregungen finden, die erst in diesem Vertrage verwirklicht wurden. 52)Gleicher Akt: St.A., M.R., 3148/1850. 53)V.A.T., 5024/T vom 2.Oktober 1850,(hrsg. am 16.9.1850). 54)V.A.T., 5025/C vom 27. September 1850. 55)F.A., 14157/F.M.vom 4.13.1850 und V.A.T., 4984/T v. 31.10. 56)VOBl, Nr. 32 vom 30. September 1850. 57)V.A.T., 5131/C vom 1. Oktober 1850. 58)St.A., Ohm.A., r 48/5 und F.A., 16064/F.M. vom 9.11.1850. 59)VOBl., Nr. 55 vom 2. November 1850. 60)Am 14. Oktober 1851 wurde ein Nachtragsvertrag zum deutsch-österreichischen Telegraphenverein geschlossen, an dem sich auch die inzwischen beigetretenen Niederlande und Württemberg beteiligten. Siehe: VOBl., Nr.13 vom 14. Feber 1852.
(C) Dr. Gerhard Lobentanz. |
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