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VIII: Zum Phänomen „Auto-Bahn“. Einführung des Begriffes „PLM-Straße“. Der notwendige Ausbau des Straßennetzes niederer Ordnung aufgrund des „Automobilismus“. Autobahn-Statistiken(BRD und Österreich).

Wie in dieser Arbeit gezeigt werden konnte, entstanden die Grundlagen des „Automobilismus“ in den USA. Zwei Komponenten waren hierbei ausschlaggebend:

a)     Die um 1900 beginnende Dominanz der „Automobil-Fraktion“ innerhalb des „Good Roads-Movements“ und das Streben nach „Highways“ vor allem für den PKW-Gebrauch. 1913 wurde sodann der erste große US-Highway von Küste zu Küste(= „Lincoln Highway“) eröffnet und viele sollen folgen. Andere Fahrzeuge mussten auf diesen Straßen allerdings weiterhin geduldet werden.

b)    Die ab 1913 von Henry Ford begonnene Fließband-Fertigung von PKWs.

Um 1900 dürfte auch bereits der Traum von sogenannten „Nur-Autostraßen“ aufgekommen sein, auf denen sozusagen nur PKWs erlaubt wären, mit denen man sodann vor allem kreuzungsfrei und von anderen Verkehrsteilnehmern ungestört durch die Landschaft fahren und diese dadurch (auch) als Chauffeur so richtig genießen könne. Daneben stand wohl auch schon bald der zusätzliche Traum, auf diesen Straßen so schnell als möglich fahren zu können.

Im Jahre 1905 gab es Stimmen, welche beides noch trennten. In einer Ausgabe der „Allgemeinen Automobil-Zeitung“ lesen wir:

„Das Automobil ist keine Eisenbahn. Es kann nicht seine Aufgabe sein, Reisende in möglichst kurzer Zeit von einem Ort zum anderen zu bringen. Das Automobil ist ein Vehikel für Touristenfahrten(= Hervorhebung d. Verf.) und Chauffeure, die es eilig haben, mögen eben den Zug benutzen“(8).

William K. Vanderbilt II. in den USA hatte nun die Idee, beides zu verknüpfen: Im Jahre 1908 wurde die Errichtung des mit zwei getrennten Richtungsfahrbahnen ausgestatteten „Long Island Motor-Parkway“ begonnen, welcher sodann 1911 von New York-Queens bis zum Ronkonkoma-See reichte.(s.d. KROPLICK/VELOCCHI 2008)

Bereits im Jahr 1910 wurden aber aufgrund zahlreicher Todesfälle „Rennfahrten“ im Staat New York verboten und so blieb die schöne Fahrt durch einen „Riesigen Landschafts-Park“ übrig. Diese Straße war übrigens mautpflichtig. In den USA entstanden in der Folge noch mehrere solcher Straßen. Der „Long Island Motor-Parkway“ wurde übrigens bereits 1938 aufgrund seiner mangelhaften Strukturen(zu schmale Fahrbahnen etc.) geschlossen und stillgelegt.

Der LKW-Verkehr war(bzw. ist) auf diesen „Parkways“ übrigens untersagt, weshalb wir diese nicht als „Autobahnen im heutigen Sinne“ betrachten können. Dasselbe hat auch für die „Autostrada die Laghi“(= „Seen-Autostraße“) in Italien zu gelten, deren erstes Teilstück(Milano-Varese) im Jahre 1924 vollendet wurde.

An dieser Stelle müssen wir nun die Frage stellen, was eine „Autobahn im heutigen Sinne“ eigentlich ausmacht. Wir stellen hier idealtypisch folgende Grundmerkmale fest:

a)     Zwei baulich getrennte, kreuzungsfreie Richtungsfahrbahnen, jeweils mit LKW-tauglichem Pannenstreifen ausgestattet.

b)    Eine Autobahn wird von PKWs, LKWs und Motorrädern befahren, alle anderen Verkehrsteilnehmer sind aufgrund mangelnder Geschwindigkeit ausgeschlossen.

c)     Geringe Steigungen, weite Kurven.

d)    Eine Autobahn besitzt grundsätzlich transitäre Funktion.

Somit wäre also für das, was wir heute „Autobahn“ nennen, der neue Begriff „PKW/LKW/Motorrad-Straße“(= PLM-Straße) vorzuschlagen.

Die Entstehung des Namens „Autobahn“ ist historisch sehr rasch zu klären:

Er wurde im Jahr 1929 von Robert Otzen(1872-1934), dem Begründer des sogenannten „HAFRABA-Vereines“(seit 1926) geprägt, und zwar nicht als technischer, sondern als propagandistischer Begriff – Otzen wollte ganz einfach die „Eisenbahn“ mittels „Auto(-mobil)“ offen konkurrenzieren.

Robert Otzen(1872-1934) – Schöpfer des Namens „Autobahn“:

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Dass er hier bezüglich „Eisenbahn“ nicht an die Lokalbahnen, sondern an die „Großen Linien“ dachte, zeigt sich ganz deutlich, wenn man das HAFRABA-Projekt betrachtet:

Ursprünglich fasste man die Errichtung einer Straße von HAmburg nach BAsel via FRankfurt/M. ins Auge, daher die etwas eigenartige Kurzbezeichnung „HA-FRA-BA“.(s.d. VAHRENKAMP 2010; KAFTAN 1955)

Im Jahre 1928 kam es zur Erweiterung dieses Konzeptes. Neben Hamburg sollten auch Bremen und Lübeck integriert werden. Die alte Kurzbezeichnung konnte hier beibehalten werden. „HA“ bedeutete von nun an aber nicht mehr „HAMBURG“, sondern „HANSESTÄDTE“. Der geplante südliche Erweiterungsbau Basel-Genua fand übrigens nie einen Niederschlag in obiger Kurzbezeichnung.

Summa summarum: Man plante also eine großartige Transit-Straße, welche man auch „Ostsee/Nordsee-Mittelmeer-Auto-Magistrale“ nennen könnte. Diese sollte bemautet werden.

Hervorzuheben ist, dass auf dieser Straße sowohl PKWs als auch LKWs fahren sollten. Das Motorrad jedoch blieb erstaunlicherweise ausgenommen. An der Geschwindigkeitsfrage scheint dies jedenfalls nicht gelegen zu haben, denn die Maschine „Hildebrand &. Wolfmüller“(1894) lief (theoretisch!) bereits 72km/h Spitze(!). Die „BMW R32“(1923) hatte bereits eine offizielle Spitzengeschwindigkeit von 95km/h.(s.d. BARTSCH 1987)

Der Deutsche Staat sah dieses (höchst ehrgeizige) „HaFraBa-Projekt“ angesichts des Vorhandenseins der „Eisenbahn“ zunächst als relativ sinnlos an, trotzdem aber hatte man sich des Baus von Straßen, die man heute landläufig mit „Autobahn“ bezeichnet, nicht enthalten:

Denn schon seit 1925 gab es ernsthafte Planungen für eine „Straße dieser Art“ zwischen Köln und Düsseldorf. 1931 begann sodann der Bau bei Opladen. Zwischen 1929 und 1932 wurde eine „Mini-Autobahn“ von nur 20 Kilometern zwischen Köln und Bonn hergestellt. Offizielle Bezeichnung: „Kreuzungsfreie Kraftfahr-Straße“.(s.d. SOENIUS 2012)

Durch die „Kölnische Zeitung“ vom 5. August des Jahres 1932 sind wir auch genau darüber unterrichtet, wer diese „Neue Straße“ benutzen durfte. Dort heißt es:

„Durch eine besondere Polizeiverordnung ist jeder andere Verkehr wie Fußgänger-, Fuhrwerks-, Radfahr-, Kraftradfahr- und Reitverkehr verboten“.

Ansonsten aber durfte jeder dort „fahren“, und dies kostenlos. Der Schnitt gegenüber dem „Vergnügungsstraßen-System“ der älteren Zeit(s.o.) war damit strikt vollzogen.

Hervorzuheben ist aber: Der Verkehr von „Krafträdern“(= Motor-Rädern) waren damals also noch untersagt, was die Straße nicht explizit als „PLM-Straße“ ausweist.

Der obgenannte „HAFRABA-Verein“ erhielt erst unter Hitler großartigen Aufschwung: Er wurde am Ende sogar in „Gesellschaft zur Vorbereitung der Reichs-Autobahnen“ umbenannt, erlangte dadurch also eine zuvor ungeahnte Bedeutung.(s.d. SOMMER 1982) Zu erwähnen ist hierzu allerdings auch, dass damit die alte Funktionärsgarde der HaFraBa völlig an den Rand gedrängt wurde.

Unter Hitler wurde erstmals der „Autobahn-Netzgedanke“ konsequent forciert. Schon kurze Zeit nach der Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich wurde auch dieses Gebiet sofort mit einem Netzplan belegt.(s. Karte)

Der Hitlersche „Autobahn-Plan“ für Österreich:

Copyright: Elmar Oberegger

Der Hitlersche Autobahnbau begann grundsätzlich 1933 und bildete die Grundlage für das heute vorhandene PLM-System.

Hitler ging es aber nicht um eine „Konkurrenzierung“ der von ihm so heiß geliebten Eisenbahn, als vielmehr um ein völkisches Propaganda-Projekt. Geistig durchaus sowohl von der „Fordschen Revolution“ als auch von den „US-Parkways“ beeinflusst war seine Vision:

a)     Jedem Volksgenossen ein (kleines) Auto(= „Volkswagen“) als „Luxus- und Spaßobjekt“.

b)    Der Volksgenosse solle die Möglichkeit haben, von Zeit zu Zeit der Enge des Eisenbahnwaggons zu entfliehen und sich frei auf den „Straßen des Führers“ durchs schöne Deutschland zu bewegen.

Großartige militärische oder wirtschaftliche Bedeutung gestand man dem „Neuen System“ aber realiter nicht zu. Im Krieg konnten die Bauvorhaben deshalb also getrost zurückgestellt werden.

Das Problem Deutschlands war unter Hitler grundsätzlich der Mangel an Automobilen. Der „Volkswagen“(= VW „Käfer“) war zwar bereits grundsätzlich konzipiert, konnte jedoch aufgrund des Weltkrieges nicht massenhaft für die Zivilbevölkerung produziert werden. Ein US-amerikanischer Straßenbau-Ingenieur kommentierte diesen „Deutschen Automobil-Mangel“ anlässlich einer noch vor Kriegsausbruch(1938) stattgefundenen Besichtigung der bereits vollendeten „Deutschen Auto-Bahnen“ mit folgendem, in strukturgeschichtlicher Hinsicht hochbedeutenden Satz:

„Germany has the roads, while we have the traffic“(9).

Deutschland habe also – frei übersetzt – die „Auto-Bahnen“, die USA aber die „Autos“, welche sich zunehmend gegenseitig zu behindern begannen.

Erneut war „Europa“ also für die USA ein Vorbild in puncto Straßen-Bau! Dort soll man erst ca. 20 Jahre(!) später sogenannte „Interstate Highways“ nach „Deutschem Vorbild“ planen(s. „Highway-Act“ v. 29. Juni 1956).

Nach dem Krieg begann dann aber – nach Hitlerschem Vorbild bzw. nach US-Vorbild – in der BRD die Automobil-Massenproduktion und die dortigen Autobahnen füllten sich relativ rasch. Auch mit Motorrädern. Ferner wurden in den Folgejahrzehnten bekanntlich immer wieder neue „Autobahnen“ angelegt.

Zunehmend trat man damit dem Problem „Stau“ entgegen. Diese Methode ist bekanntlich bis heute in Gebrauch. Man schiebt – riesige Geldsummen in die Hand nehmend –  den totalen Verkehrsinfarkt quasi permanent vor sich her.

Autostau: Größte Geisel des „Automobilismus“.

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Der LKW schlich sich gewissermaßen in das System ein, ruiniert seither die Fahrbahnen und wird – weil in weiten Teilen des Verkehrsgeschehens schneller und flexibler als die Eisenbahn – längst als „Absolute wirtschaftliche Notwendigkeit“ betrachtet. Eine ehrliche volkswirtschaftliche(!) Kosten/Nutzen-Rechnung stellen aber die Verfechter dieses Systems nie auf.

Ohne LKW-Verkehr gäbe es jedenfalls nicht so viele Fahrbahnschäden und somit nicht so viele Baustellen auf den Autobahnen, welche in zweierlei Hinsicht kosten: Einerseits als Baustelle selbst, andererseits als Verursacher von Staus, im Zuge derer sowohl Zeit als auch Treibstoff vernichtet werden.

Beschädigte Autobahn: Eine Spurrinne.

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Verursacht werden solche Spurrinnen durch das Gewicht der LKWs. Sie sind bei Regen für den PKW sehr gefährlich(„Aquaplaning“).

Schild einer Autobahnbaustelle:

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Trotz dieser Mängel breitete und breitet sich dieses „System der PLM-Straßen“ und damit der „Automobilismus“ auf der Welt immer mehr aus. Die technische Struktur der einzelnen Straßen ist durchaus verschieden und deckt sich in der Tat nicht immer mit unserem oben konstruierten „Idealtypus“:

So besitzt etwa die Autobahn Salzburg-München höchst niedriges technisches Niveau(Kurven, Steigungen, Problem Pannenstreifen). Die österreichische Pyhrn-Autobahn ist im Bereich Klaus überhaupt vorerst nur einspurig befahrbar. Weitere Beispiele könnten genannt werden.

Zum Problem der technischen Verschiedenheit tritt sodann noch jenes der jeweiligen Bezeichnung. PLM-Straßen werden nicht nur „Autobahnen“, sondern auch „Schnellstraßen“, „Autostradas“, „Autostraßen“ etc. genannt. Eigentlich ist die Autobahn Salzburg-München de facto nur eine „Schnellstraße“, während die „Mühlviertler Schnellstraße“ in Oberösterreich de facto eine „Autobahn“ darstellt. Hierbei spielt auch die Politik herein: Die mächtigen „Autobahn-Gegner“ scheinen sich mit einem „Autobahn-Projekt“ genau dann leichter abzufinden, wenn es offiziell „Schnellstraße“ genannt wird.

Zu diesen Begriffs-Fragen könnte man wohl eine ganze Bibliothek schreiben…

Historisch entstanden ist das „PLM-Straßen-System“ im heutigen Sinn jedenfalls in Deutschland:

a)     Dort wurde der Name „Autobahn“ als „Konkurrenz-System zur Eisen-Bahn“ erfunden.(s.o.)

b)    Unter Hitler wurde die Errichtung eines Netzes aus transitären Autobahnen in Angriff genommen.

c)     Hitlers Konzept wurde zum weltweiten Vorbild.

Der „Automobilismus“ wirkte sich aber übrigens nicht nur auf das PLM-Straßen-System selbst aus, sondern auch auf die Straßen niederen Ranges, welche die existierende Masse der Fahrzeuge nicht mehr bewältigen konnten. Diese mussten vor allem von Eisenbahnkreuzungen befreit, verbreitert und zur Erhöhung der Verkehrssicherheit begradigt werden. Vor allem zwecks Kapazitätserhöhung mussten zahlreiche „Orts-Umfahrungen“ errichtet werden. Die beigegebenen Kartenskizzen erhellen das oben beschriebene Problem.

Straßenabschnitt Kremsmünster-Kirchdorf a.d. Krems vor dem Ausbau:

Copyright: Elmar Oberegger

Die Straße gewissermaßen im „Würgegriff der Eisenbahn-Python“.

 

Straßenabschnitt Kremsmünster-Kirchdorf a.d. Krems nach dem Ausbau:

Copyright: Elmar Oberegger

Eisenbahn und Straße wurden erfolgreich entflechtet.

 

Straßenabschnitt Wels-Sattledt vor dem Ausbau:

Copyright: Elmar Oberegger

In Sattledt existiert eine Eisenbahnkreuzung, die Straße führt ferner durch die enge Gasse von Thalheim bei Wels.

 

Straßenabschnitt Wels-Sattledt nach dem Ausbau:

Copyright: Elmar Oberegger

In Sattledt wurde eine Eisenbahn-Überführung errichtet, bei Wels die sogenannte „Osttangente“ als Umfahrung und „Mini-Stadt-Autobahn“.

Abschließend Statistiken zum Wachstum des Autobahn- bzw. PLM-Netzes in Deutschland und Österreich.

Wachstum des Autobahnnetzes in der BRD von 1950 bis 2010:

Quelle: Stat. Bundesamt.

 

Wachstum des PLM-Netzes in Österreich von 1960 bis 2010:

nach Kreuzer 2012.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2015.