[ INHALT ] 
   
   
 

ZUM RÄTSELHAFTEN „FRANZOSENGRAB“ VON SIPBACHZELL-SCHARRNDORF(OÖ):

von

Levanda Motta

 

Wer sich von der großen Straßenkreuzung Sipbachzell-Eggendorf/Kematen a.d. Krems-Leombach in Richtung Westen – also Leombach – bewegt, der bemerkt vor der A1-Überführung auf der rechten Straßenseite ein kleines Grabdenkmal(Höhe des Steins vom Sockel aus gemessen: 60cm), welches „Französischen Soldaten“ gewidmet ist.

Das Franzosengrab von Scharrndorf nach der neuerlichen Attraktivierungsaktion im Februar 2023:

Die Inschrift am Grabstein lautet: „HIER RUHEN FRANZÖSISCHE SOLDATEN DER NAPOLEONISCHEN KRIEGE. OÖSK“.

 

Jene Gegend, wo sich dieses Artefakt befindet, nennt man „Scharrndorf“ oder volksmündlich auch „Schnarrndorf“. Die zweite Form wird im offiziellen Sprachgebrauch immer dominanter.

Hergestellt wurde diese Grabstelle erst im Jahre 1866, also lange nach dem Ende der Franzosenkriege. Und bis heute ist diese aus ungeklärten Gründen in den Landkarten nicht verzeichnet. Ferner ist der Errichter unbekannt.

Betreut wird das Grab seit 18.02.21 von Dr. Elmar Oberegger – wiss. Konsulent des Landes OÖ – , welcher im selben Jahr einen Aufsatz zum Thema verfasste, wo er alle Informationen zusammenfasste, welche verfügbar waren. Aus dieser Arbeit schöpfen wir hier.

Fest steht, dass – wohl am Anfang der 1970er-Jahre – der Standort des Denkmals nach Süden hin verlegt wurde, und zwar im Zuge der Verschwenkung der nach Leombach führenden Straße. Seine neue Heimat war ab nun deren nördlicher Rand, damit es einer unproblematischen bäuerlichen Bearbeitung des nördlich gelegenen Feldes nicht im Wege stand.(s. Karte)

Die Standortveränderung des Grabmals:

Während die alte Straße nach Leombach vor der Unterfahrung der A1 einen nördlichen Bogen beschrieb, wurde die neue in gerader Linie angelegt. Das Resultat ist übrigens eine für Wanderer und Radfahrer sehr gefährliche „Automobil-Rennstrecke“.

 

Aber nicht nur der Standort des Grabmals wurde verändert, sondern auch dessen Struktur: Ursprünglich bestand es aus einem Eisernen Kreuz auf einem Grabhügel an der nördlichen Geländekante der alten Straße. Daneben eine Linde oder eine Eiche.

Auf dieses Ensemble wurde in der Silvesternacht 1970/71 ein Terror-Anschlag verübt: Vielleicht handelte es sich hier um einen „Anti-Französischen Akt“ anlässlich des „100-Jahr-Jubiläums“ der Deutschen Reichsgründung unter Bismarck.

Das Eiserne Kreuz wurde umgebogen, bis es im unteren Bereich brach, und sodann ins Feld geworfen. Die Bauern führten allerdings sofort eine notdürftige Instandsetzung durch. Im Zuge des obgenannten Straßen-Ausbaus verschwand sodann das gesamte Ensemble vollständig. Nachfolger wurde der heute noch vorhandene, solide und gut verankerte Granitstein mit Aufschrift.

Im Jahr 2021 wurde das Denkmal sodann – wie schon gesagt – durch Dr. Oberegger renoviert, und zwar nach folgenden Maßstäben:

1)    Keine Bepflanzung aufgrund der Gefahr des Reh-Verbisses.

2)    Stattdessen Anbringung von Steinen in den französischen Nationalfarben.

3)    Anbringung eines batteriebetriebenen Grablichtes.

4)    Anbringung einer Zusatztafel mit der (i. Orig. lat.)Aufschrift: „WANDERER! KOMMST DU NACH GALLIEN, DANN VERKÜNDIGE DORT, DASS DU UNS HIER LIEGEN SAHST. AD 1809“.(erneuert 2023)

Diese Jahreszahl „1809“ führt uns nun auf die Frage der historischen Hintergründe des Grabmals hin.

Nach genauer Überprüfung mehrerer Varianten hält Dr. Oberegger es für möglich, dass französische Soldaten nach der „Schlacht von Ebelsberg“(1809) im Raum „Ebelsberg Süd“(= Schloss Leombach, Schloss Kematen usf.) Proviant für den Weitermarsch in Richtung Osten sammelten oder sammeln wollten. Natürlich mit Gewalt. Denn die Schlacht hat – das damals noch ländlich geprägte – Ebelsberg schwer mitgenommen: Am Ende stand ein Flammen-Inferno. Möglicherweise war die entsprechende Rauchwolke bis Sipbachzell zu sehen, was die dortigen Bauern natürlich in Alarmzustand versetzt haben muss.

Als die Franzosen dann anrückten, hat man sie wohl bei günstiger Gelegenheit hinterrücks erschlagen und verscharrt.

Aber trotz allem war dieses Vorgehen eine schwere Sünde und so erfuhr wohl nur der damalige Pfarrer von Sipbachzell als Beichtvater die reine Wahrheit zur Sache. Vielleicht war es auch dieser, oder dessen Nachfolger, der über die Jahre auf die Errichtung eines Denkmals in Scharrndorf drängte.  

(Guerilla-)Anschläge dieser Art gegen französische Soldaten waren in der oberösterreichischen Geschichte offenbar keineswegs unüblich. Und wenn wir nun aus „Sagen“ zitieren, dann ist darauf hinzuweisen, dass in jeder Sage ein wahrer Kern steckt.

Im „Oberösterreichischen Sagenbuch“(Zitate b. Oberegger, S. 14 f.) lesen wir:

In Altenfelden habe ein gewisser Kleemüller einen französischen Soldaten niedergeschossen. Aus Rache wurden mehrere Ortschaften geplündert.

Also war die „Methode der Vertuschung“ von großer Relevanz:

In Grieskirchen habe man einen französischen Soldaten getötet und dann im Backofen verbrannt.

Bei Grieskirchen soll sich folgendes Ereignis zugetragen haben:

„Im Franzosenkrieg kam ein französischer Nachzügler in das Holzingergut in Hiering bei Grieskirchen. Die Bauern, die über die vielen Plünderungen erbittert waren, schlugen ihn nieder und hielten ihn für tot. In der Nacht aber hörte ihn der Bauer auf dem Tennboden jammern, da schlug er ihn ganz tot“.

Auf dem Tennboden verbarg man also die vermeintliche Leiche, um sie dann wohl noch vor Sonnenaufgang zu verscharren. Der schwerverwundete Franzose musste aber letzten Endes erst „zur Leiche gemacht“ werden...

Aus dem Ramingtal stammt folgende Erzählung:

„In der Steinwänd, nahe dem Reitnergraben im Ramingtal, wurden drei Franzosen erschlagen und in der Teufelslacke im Reitnergraben verscharrt“.

Folgende Erzählung aus Grein zeigt, dass die Grande Armee nicht immer Zeit hatte, um „Ungeklärten Verlusten“ nachzugehen:

„Zwölf Franzosen kamen zum Niedersattler bei Grein und erpressten von ihm 200 fl. Aber mehrere von den Franzosen ebenfalls beraubte Bauernburschen kamen dazu und dadurch ermutigt, forderte der Niedersattler sein Geld zurück. Es entstand Streit, die Franzosen schössen einen Bauern in der Stube nieder und eilten dann ins Freie. Hier wurden sie aber von einer ganzen Schar Bauern umringt und niedergemacht. Ein einziger entkam“.

Entscheidend ist für unseren Zusammenhang nun:

„Da die Franzosen in dem mörderischen Gefecht bei Dürnstein geschlagen wurden und den Rückzug antreten mussten, hatten sie keine Zeit, Rache zu nehmen“.

Ereignete sich ein Szenario obiger Art auch in Scharrndorf?

Wir wissen es nicht.

 

Literatur:

OBEREGGER Elmar: Guerilla in Scharrndorf? Über das rätselhafte „Franzosengrab“ im Gemeindegebiet von Sipbachzell(OÖ). Essai. –Sattledt 2021.