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„THE OPEN DOOR“ Wintersteigers unglaubhafte Reise 4 GIU von Elobert Stifter
„Se non è vero/ È molto ben trovato“. (G. Bruno)
Häftling Nummero 7777 – alias Dr. Georg Wilhelm WINTERSTEIGER – hat immer schon gesagt, dass er diese Tür dort irgendwann überwinden würde, um endlich in die Freiheit zu gelangen. Er würde diese entweder aufbrechen, eintreten oder auf listige Weise öffnen. Oder es käme dieser Tag, an dem der Kerker-Meister ganz einfach darauf vergessen würde, diese Tür zu verschließen. Er würde irgendwann diese Schwelle überschreiten, doch er war innerlich noch immer beherrscht von diesem abrupten „Versperrungs-Geräusch“, vor dem Nichts ist und nach dem auch Nichts ist. An diesem Nachmittag hörte er – und das ist wissenschaftlich nachgewiesen – 333 x den Song „THE OPEN DOOR“ von Jimmy MAGWOOD, 33 x den Song „PAPA WAS A ROLLING STONE“ von den TEMPTATIONS. Bester 1970er-Jahre-Stuff. Er trank an diesem Nachmittag sehr viel, bis er dann einschlief. Als er aufwachte, war die Tür offen. Doch mit dem Licht-Einfall stimmte irgendwas nicht. Er hätte eigentlich viel intensiver ausfallen müssen, rein wissenschaftlich betrachtet. „GEREGELTE GEFANGENSCHAFT“ oder „UNGEREGELTE FREIHEIT“? – Das war nun die Frage. Und plötzlich bemerkte Dr. WINTERSTEIGER, dass er nicht mehr so ganz jung war. Jahrelang hatte er nur über „BEFREIUNG“ gesprochen, nun war die „FREIHEIT“ plötzlich da und die „ANGST“ umhüllte ihn wie Schwarzer Nebel. „HIC RHODOS, HIC SALTUS“, das ging ihm so eine Weile durch den Kopf. Ich werde das Reihenhaus No. 77 um ca. 03:33h verlassen, sagte sich Wintersteiger, und ich werde strikt in Richtung Süden fahren, weil es dort so schön warm ist und alles so schön duftet. Ich werde nach Süden fahren, hin zum lichtblau-türkisen Ozean, sagte sich Wintersteiger. Ich werde in ungefähr 3 Stunden am Pass von Thermopile sein, und dort eine Pause einlegen. Ich werde schlafen. Bis es hell wird. Und Reif wird auf den Fenstern meines Wagens sein. Und sie werden dann klopfen, und ich werde sie unter Androhung größter Gewalt-Aktionen verscheuchen. Ich werde noch einen Stein nach ihnen werfen, sofern ich einen solchen auffinden sollte. Daheim werden sie dann alle schon aufgestanden sein. Doch nur der Geruch meines Handtuchs, meines Rasierwassers, meiner Rasiercreme, meiner Seife werden im Badezimmer vor der Hand an mich erinnern. Meine Abteilung wird kopflos sein. Sie werden nicht wissen, was zu tun ist. Ohne mich wissen sie eben nicht, was zu tun ist, sagte sich Wintersteiger. So ist das eben mit diesem subalternen Unflat, sagte sich Wintersteiger. Sie sind unberechenbar, wie die Ratten. Entweder sie sind wirklich dumm, oder sie stellen sich dumm, um eine Falle zu stellen, sagte sich Wintersteiger. Ich aber werde nach Süden unterwegs sein, sagte sich Wintersteiger. Ich werde bald bei der „ALTEN HEIDI“ sein, bei dieser Gebirgs-Hexe, die ein Original ist, d.h. nur noch 3 Zähne hat, buckelig ist, und ein Kopftuch trägt. An der Straße nach Süden eine Station mit „Zimmer-Vermietung“ betreibt. Die Ursprünge dieser Station gingen auf die RÖMERZEIT zurück, sagte sie immer. Und ich werde bei ihr einen halben Liter Ziegenmilch und ein Speckbrot bestellen, damit also EIN KLIMT sein. Ich werde vermuten, dass sie die Milch vergiftet hat, um mir zu schaden, oder mich zu töten. Ich werde sie am Kragen packen, und sie so lange durchschütteln, bis sie mir die Wahrheit sagt. Ich werde sie töten, wenn sie mir nicht die Wahrheit sagt. Ich werde mein Messer immer bei mir haben. Ich werde dann irgendwann bemerken, dass ich auf-tanken müsse, um in den Süden gelangen zu können. Ich werde bemerken, dass der Tankwart hinter meinem Rücken sein Messer ziehen wird, ich aber schneller sein werde, d.h. ich werde ihn abstechen und sein Geschrei dann mit diesem dreckigen Tuch ersticken, welches alle Tankwarte immer bei sich tragen. Seinen toten Körper werde ich dann hinter diese Container werfen und dann die Polizei rufen. Ich werde dann auf einer Bank eine größere Menge Geld abheben, weil mir das Sicherheit geben wird. Ich werde bemerken, dass der Tag sich seinem Ende zuneigt, und ich werde den Plan fassen, bei „RIMANs“ einzukehren. Ehrliche Slowenen. Ich werde einfach sagen, dass ich ein Zimmer wolle, denn die „PENSION RIMAN A.“ sei ja die BESTE DER WELT, und überhaupt so flexibel. „RIMANs“ ein Begriff. Ich werde aber bemerken, dass sie das Schild „PENSION RIMAN“ nach meiner Ankunft grinsend abmontieren werden, mich also umbringen werden, weil sie ja im Grunde keine „PENSION“ sind. Ich werde bemerken, dass die Chefin hinter mir ihr Messer zieht, um mich umzubringen. Ich werde aber schneller sein und ich werde von ihrem Blut trinken. Ich kenne den Grund nicht. Beim Heraustreten aus dem Haus werde ich dann niedergeschlagen werden, und man wird mir alles nehmen. Ich werde stundenlang bewusstlos sein. Ich werde weiterfahren. Nach Süden hin. Ich werde eine Bank überfallen. Schlau - d.h. unter Vorspiegelung falscher Tatsachen – und brutal. So werde ich wieder zu Geld kommen und über den Donner-Pass werde ich dann gehen, in Richtung Ozean. Ich werde im Birnbaumer Wald(Hrusica) von den „INAT-BRIGADEN“ aufgehalten werden und sie werden mir alles abnehmen. Ich werde danach noch einen Banküberfall machen, jedoch besser und trickreicher als je zuvor. Vom Donner-Pass aus werde ich den Ozean zum ersten Mal aus der Ferne sehen können. Ich werde zum Hafen hinfahren. Noch 3 Stunden Fahrzeit. Ich werde mich am Hafen dann ausziehen und ins Wasser springen. Und ein Hai wird kommen, der mich in Stücke reißt, um diese dann nach und nach in sich hinein-zu-würgen. Man fand Dr. Wintersteiger am 3. Tag geistig völlig abwesend, dehydriert und erstarrt am Sofa – „FIBRODYSPLASIA OSSIFICANS PROGRESSIVA“. Am Boden ein zerknüllter Zettel, auf dem folgende, offenbar in größter Angst aufgeschriebene, nahezu unleserliche Worte standen: LICHT – FREIHEIT – MEDUSA
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