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>> WIEN-WOLFSTHALER-BAHN. |
Die normalspurige und elektrifizierte Eisenbahn vom Bahnhof Wien-Kaiserebersdorf(dort direkter Anschluss an das städtische S-Bahn-System) nach Wolfsthal umfasst ca. 50 Kilometer. Ihre Hauptbedeutung liegt heute darin, den Verkehr vom Flughafen Wien-Schwechat in Richtung City zu gewährleisten. Daneben besitzt sie regionale Funktionen. Im heutigen offiziellen „Österreichischen Kursbuch“ wird sie mit „Pressburger-Bahn“(= No. 907) bezeichnet, was jeden ausländischen Touristen natürlich total verwirren muss… Die Hauptfrage ist: Warum wird denn diese Bahn mit „Pressburger-Bahn“ bezeichnet, wo sich doch in ihrem Verlauf kein einziger Ort dieses Namens(!) befindet? Welche Antwort hat man hier zu geben? Das, was man heute legitimerweise mit „Wien-Wolfsthaler-Bahn“ bezeichnen kann, ist nur ein relativ trauriger Überrest der im November 1914 vollständig eröffneten, elektrisch geführten „(Wien-)Pressburger-Bahn“. Die Grundidee hinter diesem Projekt war: a) Herstellung einer direkten Städteverbindung zwischen Wien und Pressburg(heute: Bratislava). b) Gleichzeitiges schienenmäßiges Eindringen in die jeweiligen „Stadt-Gebiete selbst“. In der herkömmlichen Weise kommt man per Schnellzug am Hauptbahnhof einer Stadt an und muss sodann umsteigen, um per Tram(oder anderen Verkehrsmitteln) in die City zu gelangen. Dies allerdings kostet Zeit. Beim Projekt „Pressburger-Bahn“ wollte man diesen ungünstigen Zustand möglichst ausschalten und strebte somit eine „Synthese“, also eine „Kombinations-Lösung“ an. Plan zur „Geschichte der Pressburger-Bahn“:
Copyright: Elmar Oberegger Dieses Konzept erinnert fürwahr an die frühe Eisenbahnstruktur in den USA, über die Prof. Franz Anton v.Gerstner 1839 in einem seiner berühmt gewordenen „Forschungs-Berichte“ schreibt: „Merkwürdig ist es bei … americanischen Bahnen, dass die Städte, welche an denselben liegen, von ihnen durchschnitten werden, und Zweige der Bahnen häufig durch lebhafte Strassen dieser Städte gehen; innerhalb der volkreichen Strassen ist aber immer nur der Gebrauch von Pferdekraft gestattet(S. 3)“. Im Ruhrgebiet – wo sich die Stadtgebiete geradezu aneinanderreihen - ist diese „Synthese aus IC- und Tramverkehr“ heute übrigens gern gesehene Wirklichkeit. Aus Dampf- und Pferdekraft(s.o. Zitat) waren nur zwei Stromsysteme geworden: Eins für den Überland-Verkehr und eins für den innerstädtischen Verkehr. Das war - wie schon gesagt – auch die „Grundidee der Pressburgerbahn“. Im alt-österreichischen Kontext war sie also auf jeden Fall ein fortschrittliches Projekt. An mehreren Stellen der alt-österreichischen Eisenbahngeschichte ist nun der höchst traurige Umstand zu beweinen, dass manche Verbindung mit Ungarn höchst problematisch war. Besonders fatal war übrigens der Fall „Lika-Bahn“(= Dir. Verb. Österreich-Dalmatien). Die Stadt Pressburg(Bratislava) lag zwar relativ nahe bei Wien, dennoch aber lag sie ebenfalls unbestritten innerhalb der „Ungarischen Reichshälfte“. Ende 1904 konstituierte sich die österreichische „Aktiengesellschaft zur Errichtung einer Lokalbahn Wien-Landesgrenze nächst Hainburg“. Damit war der erste Schritt für das große Projekt geleistet. Es dauerte jedoch ca. 5 Jahre(!) bis sich in Ungarn etwas in dieser Beziehung regte: Erst Ende 1909 wurde die „Elektrische Lokaleisenbahngesellschaft Pressburg-Landesgrenze gg. Österreich“ gegründet. Und in der Folge wurde die konkrete Umsetzung des Projektes „Wien-Pressburger-Bahn“ von Budapest aus so gut es ging weiter verzögert. Erst im Frühsommer 1911(!) konnten die Bauarbeiten beginnen. Die „Wien-Pressburger-Bahn“ wies schließlich drei signifikante Abschnitte auf, welche sich auch hinsichtlich des elektrischen Traktionssystems unterschieden: Abschnitt A: Ausgangspunkt in Wien im Bereich „Hauptzollamt/Grossmarkthalle“. Von dort aus Annäherung an den Donaukanal; sodann längs des Donaukanals; sodann via Simmeringer Haide zum „Preßburgerbahn-Platz“ nord-westlich des Bahnhofes Schwechat. Diese Strecke wurde neu errichtet und tramwaymäßig geführt. Elektrisches System in Wien: 600 Volt. Abschnitt B: Schwechat-Fischamend-Petronell-Hainburg-Ung. Landesgrenze. Hier wurden die schon bestehenden Strecken Schwechat-Fischamend und Petronell-Hainburg Güterbf. mitbenutzt. Die Neubaustrecke wurde v.a. dazwischen(s. Karte) errichtet. Das war der eigentlich effektive Neubauabschnitt der ganzen Bahn. Aber auch die Strecke „Hainburg-Güterbahnhof – Landesgrenze“ wurde neu hergestellt.(s. Karte) Das Stromsystem hier: 16 2/3 Hz, 16.500V. Abschnitt C: Landesgrenze-Petrzalka(Engerau)-Pressburg(Bratislava) City. Stromsystem: 550 Volt. Die Haltestelle der „Pressburger-Bahn“ befand sich am Bahnhofsvorplatz des Bahnhofes Petrzalka. Von dort aus Verlauf über die alte Donaubrücke bis nach Pressburg(Bratislava) hinein. Da im dortigen Tram-Netz die 1m-Spur üblich war, musste zwecks Hineinführung der neuen IC-Linie in die Stadt ein drittes Gleis verlegt werden. Weiterer Ausbau im Bereich Pressburg(Bratislava) war vor 1918 prinzipiell vorgesehen. Die Komplexität der oben geschilderten Struktur – die erst lange nach Kriegsbeginn(1914) effektiv wirksam geworden war - erhielt sodann noch durch das „Staats-Grenzen-Problem“ zwischen Wien und Pressburg(Bratislava) nach dem Ende des Ersten Weltkrieges einen neuen, negativen Schub. Eisenbahn-historisch ist inzwischen zu notieren: Unter „Normalen Umständen“ konnte die „Wien-Pressburger-Bahn“ ihren Dienst nie erfüllen! Der ursprünglich geplante „IC-Tram-Verkehr Wien-Bratislava“ verkam schließlich in der Zwischenkriegszeit langsam zur totalen Farce(der Fahrgast überquerte die Grenze zuletzt „per pedes“!) und vergeblich waren in der Folge alle Versuche, die gesamte „Alte Grundidee“(s.o.) in ihrer ganzen Tragweite zu reaktivieren. Die Bomben des Zweiten Weltkrieges trugen zur weiteren Zerstörung der alten Linie massiv bei. Nach 1945 wurde die „Wiener Stadtstrecke“ aufgelassen. Ab 1946 war Wolfsthal der offizielle Endpunkt. Das Gleis bis zur Grenze wurde schließlich ab ungefähr Mitte der 1950er Jahre rückgebaut. Eine Wiedererrichtung der „Pressburger-Bahn“ war zwar in den 1990er Jahren durchaus im politischen Mund, doch es ist bisher in dieser Hinsicht gar nichts geschehen. Vielmehr sucht man heute nach „Alternativen“. Doch diese beschreiben letztlich „Umwege“. Das Projekt „Pressburger-Bahn“ war schön, fortschrittlich und gut gemeint. Diese schönen Worte sind alles, was uns heute offenbar noch bleibt. „Wolfsthal“ – Das ist heute der Endpunkt der „Direktesten Linie Wien-Bratislava“! Was also de facto wirklich bleibt: Eine „Sack-Bahn“ ohne Hoffnung und Zukunftsperspektive! Ehemaliger Zug der „Pressburgerbahn“:
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Quellen: Art. „Lika-Bahn“ dieser Enzyklopädie. Art. „Wien-Pressburger-Bahn“. In: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Hrsg. v. Victor Röll. –Berlin/Wien 1912 ff. GERSTNER Franz A.: Erster Bericht(Boston, 15. Januar 1839). In: Ders., Berichte aus den Vereinigten Staaten von Nordamerica, über Eisenbahnen, Dampfschiffahrten, Banken und andere öffentliche Unternehmungen. –Leipzig 1839, S. 1 ff. HORN Alfred: 60 Jahre Pressburgerbahn. –Wien 1974. HORN Alfred: Pressburgerbahn - 75 Jahre in Bildern. Wien 1989. HUFNAGL Dieter: Die Niederösterreichischen Landesbahnen. –Wien 2003.
Copyright: Elmar Oberegger 2011. |
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