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>> WOCHEINER-BAHN. |
Die ca. 89 Kilometer lange, eingleisige „Wocheinerbahn“(= „Bohinjska Proga“) befindet sich in Slowenien und reicht vom Knoten Jesenice(Aßling) bis nach N.Gorica(Görz). Hergestellt wurde sie unter österreichischer Herrschaft. Ihr Zweck bestand grundsätzlich darin, gemeinsam mit den anderen „Neuen Alpenbahnen“(Tauern, Pyhrn, Karawanken, Karst) die Räume Bayern/Süddeutschland und Böhmen/Mähren nachhaltig an den Seehafen Triest heranzuführen.(1) Die Errichtung der Bahn begann grundsätzlich im Jahr 1900 und war eigentlich bis zum Sommer 1905 abgeschlossen. Der Durchschlag im Haupttunnel durch die Kobla(6339 m) hatte bereits im Jahre 1904 stattgefunden. Doch plötzlich stürzte der „Bukovo-Tunnel“ ein. Die entsprechenden Reparatur-Arbeiten zogen sich schließlich bis ins Jahr 1906, sodaß erst am 19. Juli d.J. die Eröffnung stattfinden konnte.(2) Die Bahn wurde nach der Talschaft „Wochein“(= „Bohinj“) benannt, wo sich u.a. der wunderschöne „Wocheinersee“ befindet. Der Verlauf:
Copyright: Elmar Oberegger Die Steigungsverhältnisse zwischen Podbrdo und N.Gorica sind höchst ungünstig, der ursprünglich zweigleisig angelegte Haupttunnel mußte nach einem schweren Wassereinbruch schließlich auf Eingleisigkeit rückgebaut werden. Das Längenprofil:
Copyright: Elmar Oberegger Die Wocheiner-Bahn stellte ursprünglich den Mittelteil der südlichen „Transalpina“(Villach/Klagenfurt-Triest) dar.(3) Diese Transit-Funktion hat sie allerdings mittlerweile eingebüßt. Übrig blieb die Bedeutung als Lokal- bzw. Touristen-Bahn. Zug-Kreuzung in Bohinjska Bistrica:
Copyright: Elmar Oberegger Der Reisezugverkehr wurde bis 1972 verdieselt, bis zum Jahr 1974 auch der Güterverkehr. Zwischen B.Bistrica und Podbrdo/Most na Soci existiert eine „Autoschleuse“ durch den Haupttunnel, welche eine kostengünstige und bequeme Alternative zur eher problematischen Straße durch das Gebirge darstellt. Der Autozug(= Autovlak) erwartet in B.Bistrica seine Fahrgäste(2005):
Copyright: Elmar Oberegger Links hinten ist die Verlade-Rampe zu sehen. Die touristische Bedeutung der Bahn liegt vor allem in der Erschließung der Wochein und des Isonzo-Tales. Ferner zeigt sie dem Reisenden eindrucksvoll den Übergang zwischen Nord und Süd. Josef Rabl schreibt dazu 1906: „Die Fahrt auf dieser Bahnstrecke führt uns innerhalb weniger Stunden die größten landschaftlichen und klimatischen Gegensätze vor; sie bringt den Reisenden aus starren von Schneefeldern umglänzten und von Wasserfällen umrauschten Felsgebirgen, wo das rauhe Klima nordischer Breiten herrscht, in die vom lauen Hauch des Südens begünstigte görzische Gartenlandschaft...“(4). Diese klimatische Übergangszone befindet sich übrigens zwischen Grahovo und Avce. Von großer touristischer Bedeutung ist aber auch der mittlerweile berühmt gewordene „Muzejski vlak“(= „Museums-Zug“), welcher zumeist mit Dampf betrieben wird. Wie in der alten Zeit: Der Museums-Zug wenige Kilometer vor B.Bistrica:
Copyright: Elmar Oberegger Zu erwähnen ist ferner, daß die Wocheiner-Bahn mit ihrer Geschichte tief in der slowenischen Volksmentalität verankert ist. So wurden z.B. im Sommer 2005 im „Touristen-Info-Zentrum“ von Ribcev Laz(= Fischgereuth/Wocheinersee) historische Collagen ausgestellt, welche von Schülern angefertigt wurden. Ribcev Laz, Sommer 2005:
Copyright: Elmar Oberegger Im Sommer 2006 wurde das Jubiläum „100 Jahre Transalpina“ feierlich begangen. Die Wocheinerbahn ist aber auch in technikgeschichtlicher Hinsicht bedeutend, da sie bei Solkan(Salcano) die größte Wölbbrücke der Welt aufweist.(5) Die Solkan-Brücke bei N.Gorica(Görz) vor 1914:
Die staatliche Entscheidung, eine „Wocheiner-Bahn“ zu errichten, welche durch das schwierige Baca-Tal(Podbrdo - S.Lucia-Tolmein/Most na Soci) geführt werden mußte, stellte natürlich für alle Zeitgenossen, welche entweder zu sehr in ihre Geschäfte vertieft waren oder mit naivem Geist an das Bündnis mit Italien glaubten, eine große Überraschung dar.
Denn in der Tat hatte man ungefähr 30 Jahre vorwiegend über die Frage gestritten, ob die „Zweite Eisenbahnverbindung mit Triest“ via Laak(S.Loka) oder via Predil (bzw. Mangart) angelegt werden soll.(6) Schließlich stellte sich heraus, daß letztere Variante verwirklicht werden würde. Doch die oberste Heeresleitung sah den Krieg mit Italien bereits klar voraus und stellte vor diesem Hintergrund klar, daß der zukünftige Feind eine „Predil- bzw. Mangart-Bahn“ allzu leicht unterbrechen könne. Damit stünde diese sodann nicht mehr für die Versorgung einer „Isonzo-Front“ zur Verfügung. Mit diesem gewichtigen Argument setzte sich das Militär schließlich durch.(7) Predil/Mangart-Linien und Wocheiner-Bahn im militär-strategischen Vergleich:
Copyright: Elmar Oberegger Die Trassenführung durch das Baca-Tal war jedoch volkswirtschaftlich in hohem Maße ungünstig, da von vorne herein feststand, daß die neue Bahn in diesem Abschnitt aus technischen Gründen niemals doppelgleisig ausgestaltet werden könne.(8) Der Verkehr auf der Wocheinerbahn entwickelte sich zunächst sehr lebhaft. Für das Jahr 1912 ist von einem täglichen Aufkommen von ca. 13 Güterzügen(á 280 t) auszugehen.(9) Während des Ersten Weltkrieges leistete die Bahn tatsächlich wertvolle Dienste in der Versorgung der 1915 eröffneten Isonzo-Front. Nach dem Ersten Weltkrieg sorgten schließlich „Neue Adria-Tarife“ dafür, daß der Triest-Verkehr wieder belebt wurde.(10) Erst der „Eiserne Vorhang“ schnitt Triest von seinem traditionellen Hinterland dauerhaft ab. Nach der Eröffnung der „Koper-Bahn“(Koper-Presnica) im Jahre 1967 kam es allerdings zur Einrichtung des sogenannten „Isonzo-Korridors“, welcher sowohl Karst- als auch Wocheinerbahn längerfristig attraktivierte. Mitte der 1980er Jahre war zwischen Sezana und Jesenice ein tägliches Aufkommen von ca. 15 Güterzügen(à 280 t) zu verzeichnen.(11) Der Betrieb blieb jedoch angesichts der ungünstigen Steigungsverhältnisse schwierig. Seit dem Zerfall Jugoslawiens wird deshalb der Koper-Verkehr über Ljubljana geleitet. Die Wocheinerbahn sank damit in den Rang einer Lokalbahn zurück. Zweimal bereits stellte die Wocheinerbahn eine Ausweichlinie der „Pontebbana“ dar: Im Jahr 1968, als die Brücke von Dogna einstürzte, und 1976, als das Friaul von einem schweren Erdbeben heimgesucht worden war.(12) Diese Funktion einer „Ausweichlinie“ wird der Wocheinerbahn auch in Zukunft erhalten bleiben. Doch angesichts ihrer mangelhaften Strukturen(s.o.) erscheinen Ausbaumaßnahmen(z.B. Elektrifizierung) als nicht gerechtfertigt.
Anmerkungen: 1) Hinsichtlich der Geschichte der Wocheiner-Bahn engagiert sich besonders der Verein „Drustvo za Bohinjsko-gorisko progo“ in Sempeter pri Gorici.(Siehe: http://freeweb.siol.net/bohproga) Der Verfasser hat sich für viele wertvolle Auskünfte zu bedanken! 2) Vgl. Hermann STRACH: Allgemeine Entwicklung der österreichischen Eisenbahnen seit 1897. In: GDÖU V/1, S. 1 ff. Hier: S. 80 f. u. 117. 3) Vgl. zum Problem „Transalpina“ den entsprechenden Art. dieser Enzyklopädie. 4) Josef RABL: Illustrierter Führer auf der Tauernbahn und ihren Zugangslinien. -Wien/Leipzig 1906, S. 186. 5) Vgl. dazu Gorazd HUMAR: Il ponte sull’ Isonzo presso Salcano. In: Transalpina. Un binario per tre popoli. -Monfalcone 1996, S. 264 ff. 6) Vgl. dazu die Art. „Zweite Eisenbahnverbindung mit Triest“ und „Transalpina“ dieser Enzyklopädie. 7) Vgl. STRACH a.a.O., S. 52. 8) Vgl. STRACH a.a.O., S. 80. 9) Siehe dazu den Art. „Karst-Bahn“ dieser Enzyklopädie. 10) Vgl. Drago MATKOVIC: Entwicklung und Probleme der Hafenstadt Triest. In: Der Donauraum 6 (1961), S. 269 ff. Hier: 270 f. 11) Vgl. zur „Koper-Bahn“ den entsprechenden Art. dieser Enzyklopädie. Vgl. zum „Isonzo-Korridor“ Mirjam KASTELIC: Il corridoio dell’Isonzo. In: Transalpina. Un binario per tre popoli. -Monfalcone 1996, S. 335 ff. 12) Vgl. Roberto CASANOVA: Cronologia della Transalpina. In: Transalpina. Un binario per tre popoli. -Monfalcone 1996, S. 35 ff. Hier: S. 40.
Copyright: Elmar Oberegger 2006. |
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