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>> UNGARISCHE EISENBAHNEN.

 

I: Das heutige Netz und seine Zukunft.

Das ungarische Haupt-Netz entwickelt sich von der Hauptstadt Budapest aus grundsätzlich sternförmig und stellt ein wichtiges Element des (mittel-)europäischen Verkehrs dar.(1)

Das heutige ungarische Netz:

Nach: Kursbuch 07.

Betrieben wird dieses grundsätzlich von der MÁV(= Ung. Staatsbahn). Die bedeutendste Privatbahn auf ungarischem Territorium ist die sogenannte „Raab-Ödenburg-Ebenfurther-Eisenbahn-Gesellschaft“(ung. „Györ-Sopron-Ebenfurthi Vasut“), deren Netz zum Teil in Österreich liegt. Der ungarische Teil ihres Hauptstranges reicht vom Knoten Györ bis zur Staatsgrenze bei Sopron.(2)

Diese Hauptstrecken sind im allgemeinen gut ausgebaut. Hinsichtlich der Elektrifizierung hinkt Ungarn jedoch hinter den anderen Ländern Mitteleuropas nach. Dasselbe hat für den Bereich der Strecken-Höchstgeschwindigkeit zu gelten. Die Errichtung einer Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Wien und Budapest ist allerdings geplant.

Das Gesamtnetz präsentiert sich trotz der Auflassung einiger Lokalbahnen noch immer als relativ dicht.

Wichtig für die ungarische Volkswirtschaft ist zweifellos der bis 2001 vollendete und via Hodos verlaufende „Adria-Ostsee-Korridor“, welcher Koper und Gdansk(Danzig) verbindet. Seiner Herstellung waren massive Ausbauten im Bereich Staatsgrenze bei Hodos-Szombathely vorausgegangen.(3)

Die MÁV sind permanent darum bemüht, sowohl die Qualität des Netzes als auch das Leistungsangebot ständig zu steigern. Doch dieses Ziel muß immer in eine genaue Analyse der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung der Nachbarstaaten eingebettet sein. Die Anschaffung der „Taurus-Lokomotive“(Höchstgeschwindigkeit 230 km/h) - welche auch im benachbarten Österreich in Gebrauch ist - stellt ohne Zweifel einen Schritt in die richtige Richtung dar.

 

Exkurs: In Ungarn befand sich die „Letzte Pferde-Eisenbahn“ der Welt.

Der Hinweis, daß sich in Ungarn die letzte regulär betriebene „Pferde-Eisenbahn der Welt“ befand, dürfte nicht uninteressant sein. Sie verlief von Konya-Haltestelle(Strecke Debrecen-Tiszafüred) bis Konya-Siedlung(2,5 km).(4)

Personentransport auf der „Letzten regulären Pferde-Eisenbahn des Kontinents“(1974):

Aus: Eisenbahn 9 (1974), 141. Copyright: H.Lehnhart

Hinsichtlich des Auflassungs-Datums dieser Pferde-Bahn stehen bisher leider keinerlei Daten zur Verfügung.

 

II: Das alte Netz.

Das alte ungarische Netz war vom Seehafen Fiume(Rijeka) bis zur Südgrenze der Bukowina halbkreisartig vom österreichischen Territorium umlagert. Sodann schlossen sich Rumänien und Serbien an. Zu allen diesen Räumen bestanden leistungsfähige Eisenbahnverbindungen.

Das alte Netz um 1918:

Nach: Kartenbeilage des Art. „Österreichische Eisenbahnen“ bei V.Röll, Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Berlin/Wien 1912 ff.

Bosnien-Herzegowina war 1878 gemeinsam mit Österreich okkupiert und sodann 1908 gemeinsam annektiert worden.(5) Verwaltet wurde dieses Gebiet als „Kondominium“. Da dort in erster Linie die 76cm-Spur Anwendung fand, war die Etablierung einer leistungsfähigen Direkt-Verbindung Budapest-österreichische Adriahäfen(Split u.a.) nicht möglich. Somit waren die österreichisch-dalmatinischen Häfen außerstande, mit dem ungarischen Seehafen Fiume(Rijeka) in Konkurrenz zu treten. Im Jahre 1873 wurde dieser eisenbahnmäßig mit Budapest verknüpft. Daraufhin stellte er schon bald einen überaus ernst zu nehmenden Konkurrenzhafen des österreichischen Triest dar.(6)

Bereits das alte Hauptnetz weist jene Sternform auf, welche auch für das heutige charakteristisch ist. Der Umfang der zweigleisigen Strecken ist höchst begrenzt. Da Ungarn schon sehr früh eine konsequente „Staatsbahn-Politik“ betrieb, befanden sich vor dem Ersten Weltkrieg fast alle wichtigen Bahnen unter der Herrschaft des Staates. Eine der Ausnahmen war die „Kaschau-Oderberger-Bahn“(ung. “Kassa-Oderbergi-vasut“), deren Bedeutung vor allem im für Ungarn wichtigen Kohle-Import lag.(7)

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde dieses Netz zerrissen. Während des folgenden Horthy-Regimes kam es allerdings zu einer neuerlichen Erweiterung im Raum Siebenbürgen. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges besitzt das Netz seinen heutigen Charakter.

 

III: Zur allgemeinen Geschichte des alten Netzes.

Ungarn stellte - wie Österreich - lange Zeit ein sehr rückständiges Land dar. Daraus folgte, daß auch in Ungarn das neue, moderne Transportsystem „Eisenbahn“ nicht freudig aufgegriffen wurde.

In Österreich wurde der Prager Gelehrte Franz Josef Ritter von Gerstner abgelehnt, als er 1808 den Vorschlag machte, eine „Eisen-Bahn“ zwischen Moldau und Donau zu errichten. Erst über ausländische Initiative soll dieses Projekt weiterverfolgt werden, und zwar unter der Ägide seines Sohnes Franz Anton. Vor diesem Hintergrund entstand bis 1832 die „Erste Eisenbahn Österreichs“ von Budweis nach Urfahr(Linz), welche mit Pferden betrieben wurde.(8)

Auch in Ungarn tauchte schon relativ früh der Gedanke auf, mittels der Errichtung von Pferde-Eisenbahnen die Transportverhältnisse zu verbessern. Im Jahr 1827 bemühte man sich darum, die Linie Pest-Debrecen eisenbahnmäßig auszugestalten, da die entsprechende Straße im Spätherbst regelmäßig nahezu unbefahrbar war. Obwohl hinsichtlich der Teilnahme am Projekt überaus günstige ökonomische Bedingungen gestellt wurden, ging dieses im allgemeinen Desinteresse unter.

Dennoch erarbeitete man bis 1836 einen grundlegenden Eisenbahn-Plan, welcher bereits deutlich die typische, oben bereits genannte „Stern-Form“ des späteren ungarischen Hauptnetzes erkennen läßt.

Der erste ungarische Eisenbahn-Plan(1836):

Copyright: Elmar Oberegger

Budapest(9) sollte also unbestritten das Zentrum des Systems darstellen. Graf Istvan Szechenyi - im Jahre 1848 „Kommunikations-Minister“ - stellte in aller Klarheit fest:

„Der Brennpunkt des ungarischen Handels und der Gewerbe ist Budapest; Budapest ist das Herz des Landes und die dahin führenden Eisenbahnlinien sind als jene Hauptadern zu betrachten, die den Kreislauf des Blutes vom Herzen bis an die äußersten Grenzen des Landes vermitteln. Infolgedessen sind die von Budapest ausgehenden Bahnen so auszubauen, daß sie den Weltverkehr nach Budapest leiten und von dort über alle Landesteile verbreiten können“(10).

„Kommunikations-Minister“ Graf Istvan Szechenyi:

Aus: GDÖU I/1, 121.

Der Weg bis zur endgültigen Verwirklichung eines solchen Netzes war allerdings noch weit und schwierig.

Als erste Eisenbahn auf ungarischem Territorium ist die 1840 eröffnete, 14 Kilometer lange Pferde-Eisenbahn von Preßburg(Poszony, Bratislava) nach St.Georg(Szentgyörgy) zu betrachten, welche eigentlich nur das erste Teilstück der „Preßburg-Tyrnauer(Trnava)-Bahn“ darstellte. Vor dem Hintergrund des heutigen ungarischen Territoriums wäre die Strecke Pest-Vacz(1846) als „Erste Eisenbahn“ und gleichzeitig als „Erste Lokomotiv-Bahn“ anzusehen.

Um den Anschluß an die internationale Entwicklung zu gewährleisten, wurde das „Dampf-Lokomotiv-System“ in der Folge beibehalten. Doch da Ungarn schon damals ein kohlenarmes Land war, mußte dieser Rohstoff zum größten Teil importiert werden. Obwohl in der Folge neue Kohle-Reviere aufgeschlossen wurden, sollte es nie gelingen, den Bedarf aus eigener Kraft zu decken.(11)

Vor dem „Ausgleich“ von 1867 plante man ebenfalls eine großzügige Erschließung des ungarischen Raumes mittels sogenannter „Reichsbahnen“. Doch dies immer mit besonderer Rücksicht auf das militärische und ökonomische Interesse Wiens.(12)

Nach dem „Ausgleich“ orientierte sich Ungarn jedoch verstärkt am bereits 1836 vorgelegten Konzept des „Zentralismus“. Vor allem angesichts der neuen politischen Verhältnisse kam hierbei dem Staatsbahn-Gedanken besondere Bedeutung zu. Bereits im Jahr 1868 wurde die „Ungarische Nordbahn“(13) verstaatlicht. Das grundsätzliche Ziel war also die Herstellung eines „homogenen Kommunikations-Zusammenhanges“, d.h. dessen Strukturierung und die Steuerung seiner Abläufe sollte allein den Ministerien obliegen. Diese „Staatsbahn-Strategie“ wurde über die Jahrzehnte konsequent fortgesetzt, d.h. es wurden entweder Privatbahnen aufgekauft oder neue Linien auf Rechnung des Staates errichtet. So z.B. die wichtige Linie zum Seehafen Rijeka(s.o.). Besonders ab 1867 soll das ungarische Eisenbahnnetz seinen ersten, großen Entwicklungsschub erfahren.

Die quantitative Genese des ungarischen Netzes(1846-1914):

Copyright: Elmar Oberegger

Das Lokalbahn-Netz erlangte angesichts der Erkenntnis, daß es in Ungarn unter Umständen billiger sei, anstatt einer Straße eine Eisenbahn zu errichten, einen besonderen Aufschwung.(14)

Obwohl die ungarische nationale Mentalität überaus stark mit dem Begriff der „Kommunikation“ verhaftet war(15) und damit grundsätzlich die Staatsbahn-Strategie verfolgte, sollte es aus rein finanziellen Gründen nicht gelingen, bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges ein wirklich lückenloses Staatsnetz herzustellen. Vor allem viele Lokalbahnen waren Privat-Bahnen, deren Betrieb allerdings in der Regel von der MÁV besorgt wurde. Als bedeutendste private Hauptbahnen sind vor 1914 die „Südbahn“, die „Kaschau-Oderberger-Bahn“ und die - teils auf österreichischem Territorium liegende - „Raab-Ödenburg-Ebenfurther-Bahn“ zu betrachten.

Hinsichtlich der allgemeinen Entstehung des alten ungarischen Netzes waren folgende Privatbahnen von besonderer Bedeutung:(16)

1) Südbahn-Gesellschaft (verstaatlicht 1932).

2) Kaschau-Oderberger-Bahn (bis 1918 privat, sodann nicht mehr Teil des Netzes).

3) Österreichisch-Ungarische-Staatseisenbahn-Gesellschaft (ungar. Teil 1891 verstaatlicht).

4) Ungarische Nordbahn (verstaatlicht 1868).

5) Ungarische Nordostbahn (verstaatlicht 1890).

6) Ungarische Ostbahn (verstaatlicht 1876).

7) Ungarische Westbahn (ungar. Teil 1889 verstaatlicht).

8) Ungarisch-Galizische-Bahn (ungar. Teil 1889 verstaatlicht).

9) Theiß-Bahn (1880 verstaatlicht).

10) Siebenbürger-Bahn (1884 verstaatlicht).

11) Raab-Ödenburg-Ebenfurther-Bahn.(sowohl ungar. als auch österr. Teil bis heute privat).

Die Linien der Südbahn-Gesellschaft hatten noch bis 1932 den Status einer Privatbahn inne.(17) Übrig blieb bis heute die Raab-Ödenburg-Ebenfurther-Bahn, obwohl die ursprüngliche Konzession bereits 1969 abgelaufen war.

Angesichts der ungarischen Tiefebene war der Bahnbau in Ungarn eher unproblematisch. Deshalb konnten gerade Linien mit geringen Steigungen errichtet werden. Ganz anders war die Lage jedoch in den im Norden, Osten und Süden an diese Ebene anschließenden, gebirgigen Landesteile. Besonders schwierig gestaltete sich die Errichtung der „Rijeka-Bahn“ von Karlstadt(Karlovac) bis zum Seehafen Fiume(Rijeka).(18) Zwischen Sleme und dem Meeresstrand war ein Höhenunterschied von ca. 830 Meter zu überwinden. Die bedeutendste Tunnelanlage(Brajdica) besitzt eine Länge von 1838 m.

 

Weitere Fotos zum Thema:

 

Dampfzug in Siófok:

Copyright: Tibor Wein

 

Schnellzug in Siófok(1978):

Copyright: Leopold K. Pernegger

 

Schnellzug auf der Theiß-Brücke bei Tokaj(1992):

Copyright: Leopold K. Pernegger

 

Regional-Triebwägen in Szentendre(2001):

Copyright: Leopold K. Pernegger

 

Anmerkungen:

1) Vgl. zur Eisenbahngeschichte Ungarns grundlegend Laszlo KOVACS: Geschichte der ungarischen Eisenbahnen 1846-2000. -Budapest 2000., den Art. „Ungarische Eisenbahnen“. In: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Hrsg.v. Victor RÖLL. -Berlin/Wien 1912 ff.; Geschichte der Eisenbahnen der österreichisch-ungarischen Monarchie. -Wien u.a. 1898 ff. Band III, S. 353 ff.; ferner Victor RÖLL u.a.: Grundlinien der Eisenbahngeschichte von Österreich-Ungarn und Bosnien-Herzegowina. -Linz 2005, S. 45 ff.

2) Siehe dazu den entsprechenden Art. dieser Enzyklopädie.

3) Vgl. dazu den Art. „Adria-Ostsee-Korridor“ dieser Enzyklopädie.

4) Vgl. Hans LEHNHART: Eine Pferdebahn im Jahre 1974. In: Eisenbahn 9 (1974), S. 141.

5) Vgl. zur Eisenbahngeschichte von Bosnien-Herzegowina den entsprechenden Art. dieser Enzyklopädie.

6) Vgl. dazu die Art. „Eisenbahnhafen Rijeka“, „Eisenbahnhafen Triest“, „Pragerhofer Zweiglinie“, „Österreichische Eisenbahnen“ und „Österreichische Dalmatien-Verbindungen“ dieser Enzyklopädie.

7) Kaschau bzw. Kassa heißt heute „Kosice“ und liegt in der Slowakei. Oderberg heißt heute „Bohumin“ und liegt in Tschechien. Vgl. zur „Kaschau-Oderberger-Bahn“ den entsprechenden Art. dieser Enzyklopädie.

8) Vgl. Elmar OBEREGGER: Der Eiserne Weg nach Böhmen. Von der Pferde-Eisenbahn zur Summerauer-Bahn. In: Kohle und Dampf(Katalog der Landesausstellung). Red. Julius Stieber. -Linz 2006, S. 247 ff.

9) Das heutige Stadtgebiet von BUDAPEST entstand aus „Buda(Ofen)“, „Obuda“ und „Pest“. Der bis heute gebräuchliche Name wurde erst im Jahr 1872 endgültig geprägt. Davor war u.a. der Name „HÖNDERÜ“(= „Vaterlandsfrohsinn“) in Diskussion.

10) Zit. bei RÖLL u.a. a.a.O., S. 50.

11) Vgl. Ivan T. BEREND/György RANKI: Ungarns wirtschaftliche Entwicklung 1849-1918. In: Die wirtschaftliche Entwicklung. Hrsg. v. Alois Brusatti. -Wien 1973(Die Habsburgermonarchie 1848-1918 I), S. 462 ff. Hier: S. 505.

12) Vgl. dazu etwa das Memorandum des Handelsministers Bernhard von WÜLLERSTORF-URBAIR: Ein Eisenbahnnetz für die österreichische Monarchie. In: Österreichische Revue 1866, S. 22 ff.

13) Vgl. dazu den entsprechenden Art. in dieser Enzyklopädie.

14) Vgl. dazu RÖLL u.a. a.a.O., S. 76 ff.

15) Im Haupttext wurde bereits erwähnt, daß es das Amt des „Kommunikations-Ministers“ gab. Anläßlich der Ausstellung „1000 Jahre Ungarn“(1896) wurde sogar ein eigener „Kommunikations-Pavillon“ errichtet, wo dem Besucher u.a. die Fortschritte im Bereich des Eisenbahnwesens veranschaulicht wurden.

16) Vgl. dazu die entsprechenden Art. dieser Enzyklopädie.

17) Vgl. dazu den Art. „Südbahn-Gesellschaft“ dieser Enzyklopädie.

18) Diese Bahn stellt heute einen Bestandteil des kroatischen Netzes dar. Vgl. dazu den Art „Rijeka-Bahnen“ dieser Enzyklopädie.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2006.