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>> TRANSALPINA.

 

Der italienische Begriff „Transalpina“ ist schon seit mehr als hundert Jahren in Gebrauch. Eine exakte Definition steht allerdings bis heute aus. Oft wird er auch mit „Tauernbahn“ oder „Wocheinerbahn“ gleichgesetzt.

Der Begriff besitzt einen starken psychologischen Bezug: Zwischen 1900 und 1909 wurden durch den Bau „Neuer Alpenbahnen“ mehrere alpine Barrieren überwunden, um den österreichischen Seehafen Triest optimal ins Netz zu integrieren und damit mit einem weitläufigen Hinterland auszustatten - Sowohl in technischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine wahre Großtat! Insofern könnte „Transalpina“ als Synonym für „Sieg über die Alpen“ übersetzt werden.

Es handelte sich hierbei um folgende Linien:

1) Tauernbahn (Schwarzach-St. Veit - Spittal-Millstättersee).

Tauerntunnel: 8551 m.

2) Pyhrnbahn (Klaus-Selzthal).

Bosrucktunnel: 4766 m.

3) Karawankenbahn (Villach/Klagenfurt-Rosenbach-Aßling).

Karawankentunnel: 7976 m

4) Wocheinerbahn (Aßling-W.Feistritz-Görz).

Koblatunnel: 6339 m

5) Karstbahn (Görz-Triest).

    Längster Tunnel: „Revoltella-Tunnel“(1269 m) zw. Opcina und Triest.

Diese Alpenbahnen stellten die Hauptstütze des „Systems Transalpina“ dar.

System Transalpina:

Copyright: Elmar Oberegger

Rein theoretisch stellte auch die (hier nicht verzeichnete) Linie Selzthal-Schladming-Bischofshofen einen Teil dieses Systems dar. Doch angesichts der seit 1902 zweigleisigen Linie Linz-Salzburg war sie eigentlich entbehrlich.

Sie ermöglichten die Einrichtung folgender Korridore:

1) Prag-Linz/St.Valentin-Selzthal-St.Michael-Knittelfeld-St.Veit/Gl.-Klagenfurt-Rosenbach-Aßling(Jesenice)-W.Feistritz(B.Bistrica)-Görz(N.Gorica)-Rozzol-Triest.

2) Prag - Pilsen(Plzen) - Regensburg - München - Salzburg - Schwarzach-St.Veit - Villach - Aßling(Jesenice) - W.Feistritz(B.Bistrica) - Görz(N.Gorica) - Rozzol-Triest.

3) Nürnberg - München - Salzburg - Schwarzach-St.Veit - Villach - Aßling(Jesenice) - W.Feistritz(B.Bistrica) - Görz(N.Gorica) - Rozzol - Triest.

4) Prag - Linz - Salzburg - Schwarzach-St.Veit - Villach - Aßling(Jesenice) - W.Feistritz(B.Bistrica) - Görz(N.Gorica) - Rozzol - Triest.

Über die Frage, wo die Trassen der „Neuen Alpenbahnen“ genau errichtet werden sollten, war ca. 4 Jahrzehnte lang diskutiert worden. Schon kurz nach der Eröffnung der „Erzherzog Johann-Bahn“ von Wien nach Triest(1857), wurde also das Problem „Zweite Eisenbahnverbindung mit Triest“(Böhmen/Bayern-Triest) zum politischen Gegenstand.

Das hochentwickelte Böhmen wollte folgenden Direkt-Korridor errichtet wissen:

Prag-Linz-Klaus-Selzthal-Rottenmann-St.Johann/Tauern-St.Veit/Gl.-Klagenfurt-Loiblpaß-Laak(S.Loka)-Divaca-Triest(= „Laaker Variante“).

Andere Kräfte trachteten jedoch danach, auch Bayern bzw. Süddeutschland auf günstige Weise einzubeziehen und plädierten für folgende, über den Predil(später Mangart) anzulegende Korridore:

1) Prag-St.Valentin-Selzthal-Villach-Tarvis(Tarvisio)-Predil bzw. Mangart-Görz-Triest.

2) Prag-Pilsen-München-Salzburg-Tauern-Villach-Tarvis-Predil bzw. Mangart-Görz-Triest.

„Laak oder Predil“?! - Das war die stets kämpferisch vorgetragene Frage während der Zeit des allgemeinen Trassenstreits.

Die Lösung des Problems stellte schließlich einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiß dar: Angesichts des Protestes der Heeresverwaltung gegen eine zu nah an der italienischen Grenze verlaufenden Trasse(Predil/Mangart) wurde die neue Bahn durch die Wochein(Bohinj) geführt. Dadurch wurde die Anlage einer „Karawankenbahn“ notwendig, in welche sowohl Villach(Verkehr Richtung Bayern) als auch Klagenfurt(Verkehr Richtung Böhmen) optimal eingebunden wurden. Die Errichtung der „Pyhrnbahn“(Klaus-Selzthal) - welche den Weg von Prag nach Triest verkürzte - stellte ein Zugeständnis an Böhmen dar.

Hinzuweisen ist darauf, daß neben dem allgemeinen Trassen-Streit auch bereits Diskussionen zur Frage der konkreten Anlage der speziellen Trassen geführt wurden. Besonders bezüglich des Problems „Tauernbahn“ war eine Vielzahl von Varianten erarbeitet worden.

Folgende Karten sollen mithelfen, das komplizierte Trassen-Problem allgemein zu erhellen:

Sektor Nord:

Copyright: Elmar Oberegger  

 

Sektor Süd:

Copyright: Elmar Oberegger

Besonders nach dem Zweiten Weltkrieg büßte das „System Transalpina“ einen Gutteil seiner Bedeutung ein. Die „Neuen Alpenbahnen“ bzw. die durch sie ermöglichten Korridore fielen in neue Bedeutungs-Kontexte.

Am meisten hat die Karstbahn unter den neuen Verhältnissen gelitten: Der Abschnitt N.Gorica-Kreplje wird nur noch lokalbahnmäßig betrieben, jener zwischen Kreplje und der italienischen Staatsgrenze stellt eine „Betriebsreserve“ dar, wo man hin und wieder einen touristischen „Museums-Zug“ antrifft. Im Bereich V.Opicina-Repentabor ist die Linie heute bereits unbefahrbar. Auch der Abschnitt Klagenfurt-Rosenbach(Karawankenbahn) wird heute kaum mehr planmäßig befahren. Die „Wocheinerbahn“ besitzt heute nur noch die Funktion einer Lokalbahn. Im Norden wurde durch die Auflassung des Streckenstücks Gaisbach-Wartberg - Mauthausen im Jahre 1956 die Direkt-Verbindung Prag-St.Valentin-Selzthal-Triest unterbrochen, welche im Jahr 1874 eingerichtet worden war. Allein Tauern- und Pyhrnbahn konnten ihre Bedeutung im Nord-Süd-Verkehr bewahren. In heutiger Zeit werden beide ausgebaut.

Abschließend ein Definitionsvorschlag für den Begriff „Transalpina“:

1) „Transalpina im engeren Sinn“ = Die Neuen Alpenbahnen.

2) „Transalpina im weiteren Sinn“ = Das „System Transalpina“.

 

Quellen:

Art. „Tauernbahn“, „Pyhrnbahn“, „Karawankenbahn“, „Wocheinerbahn“, „Karstbahn“, „Rottenmannerbahn“, „Gosauerbahn“, „Laakerbahn“, „Predilbahn“, „Loiblbahn“, „Eisenbahnhafen Triest“ dieser Enzyklopädie.

OBEREGGER Elmar(Hg.): Transalpina. Von der Donau bis nach Triest.

PETRONIO Paolo: Transalpina. Die Wocheinerbahn-La Linea del Wochein-Bohinjska Proga. -Trieste 1997.

Transalpina. Un binario per tre popoli. -Monfalcone 1996.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2006.