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>> SARGAN-STRECKE.

 

I: Vorbemerkung.

Die Schmalspur-Strecke(76cm) über den „Sargan-Pass“ in Serbien war einst zentraler Teil der jugoslawischen Transit-Verbindung Beograd-Adria(= Beograd-Sarajevo-Dubrovnik Gruz). Historisch großzügig betrachtet stellt diese den Urahn‘ der heutigen „Beograd-Bar-Bahn“(eröffnet 1976) dar.

Die alte Beograd-Adria-Verbindung:

Copyright: Elmar Oberegger

Seit der Gründung des jugoslawischen SHS-Staates(1918/19) als absolut notwendig erachtet! Trotzdem blieb Rijeka-Susak der wichtigste Hafen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zerbrach diese Verbindung.

Im Jahr 1974 wurde die Sargan-Strecke aufgelassen, jedoch inzwischen wiedererrichtet. Heute ist sie Teil einer höchst erfolgreichen Museumsbahn. Dies soll übrigens auf den expliziten Wunsch Titos – einen großen und mächtigen Liebhaber der Strecke – zurückgehen.

Eisenbahntechnisch und –historisch bemerkenswert ist vor allem ihr Verlauf: Materieller Minimalismus, technische Leistung und politische Notwendigkeit geben sich hier eindeutig die Hand.

Die „Sargan-Strecke“: Teil der Verbindung Beograd-Adria(Lage bis 1974).

Copyright: Elmar Oberegger

Legendär wurde der „Achter“ im Verlauf(= serb. „Sarganska Osmica“). Tito – berufsmäßig ein „Techniker“ – war von dieser „Kapriole der Technik“ sicherlich ganz besonders fasziniert!

 

II: Die Ursprünge. Zu Witteks „Donau-Adria-Bahn-Analyse“.

Bis 1906 war von Sarajevo aus die „Bosnische Ostbahn“ u.a. bis Vardiste/serb. Grenze errichtet worden – Obwohl dieses Projekt ganz allgemein auch im Dienste einer Verbindung „Wien-Saloniki“ stand, war damals vor der Hand das militärische Moment von Bedeutung(Krieg gg. Serbien).

Von Sarajevo aus reichte der Schienenstrang damals bereits bis zum dalmatinischen Frachthafen Dubrovnik Gruz.

Das militärische Moment fast performativ(!) ignorierend hatte der ehemalige österr. Eisenbahnminister Heinrich v.Wittek in seinem noch vor dem Ersten Weltkrieg erschienenen, enzyklopädischen Artikel zum Problem „Donau-Adria-Bahn“ mehrere diesbezügliche Varianten untersucht. Eine davon ist die „Österreichisch-serbische Donau-Adria-Bahn“(Beograd-Vardiste-Sarajevo-Dubrovnik Gruz). Diese wird schon in der Einleitung favorisiert:

„Unter diesem Namen(nämlich „Donau-Adria-Bahn“, Anm. d. Verf.) werden verschiedene, zumeist noch im Stande der Projektierung … befindliche Bahnlinien zusammengefaßt, die den Zweck verfolgen, den südlich der Donau gelegenen Binnengebieten der Balkanhalbinsel, insbesondere Serbien und Bulgarien, aber auch den an diese grenzenden Provinzen des Osmanischen Reiches einen möglichst direkten Schienenweg nach der Ostküste des Adriatischen Meeres zu eröffnen. Eine einzige dieser Bahnlinien – die österreichisch-serbische durch Bosnien und die Hercegovina – ist in ihrem Hauptteile, der in die neuen Grenzen der österreichisch-ungarischen Monarchie fällt, bereits ausgebaut und dem Betrieb übergeben. Die übrigen Linien sind … nicht über das Projektstadium hinausgekommen. Diesen allen gemeinsam ist die geringe Aussicht auf baldige Verwirklichung…“.

Die Überwindung des Sargan im Zuge der Linie Beograd(Donau)-Adria – welche Gegenstand des vorliegenden Artikels ist - spielt er übrigens in der Folge technisch völlig herab:

„Es bedarf nur der keinen Geländeschwierigkeiten begegnenden Ausfüllung der mit etwa 40km Bahnlänge anzunehmenden Lücke des serbischen Bahnnetzes zwischen Vardiste und Uzice …“.(s. dazu obige Karte!)

Für den Beograder Anschluss der „Donau-Adria-Bahn“ entwirft er sodann Varianten, welche jedoch „Umwege“ beschreiben.(s. Kartenbeigabe Art. Wittek)

 

III: Erster Weltkrieg, Ausbau, Bedeutung nach 1918/19. Ploce als neuer Endpunkt an der Adria.

Im Zuge des Ersten Weltkrieges – als Serbien durch Österreich-Ungarn schließlich besetzt werden konnte - wurde der Bau der „Österreichisch-serbischen Donau-Adria-Bahn“(s.o. Wittek) von der Besatzungsmacht mittels massivem Kriegsgefangenen-Einsatz forciert, doch der Sargan wurde schließlich nicht überwunden.

An die Leistungen der ehemaligen Besatzungsmacht anknüpfend erreichte der neue, jugoslawische SHS-Staat dennoch die Überwindung des Sargan; allerdings wichen hierbei die neuen Pläne von den alten teilweise ab. Seit 1925(= Lückenschluss Vardiste-Uzice) war die Verbindung Beograd-Adria(Dubrovnik) schließlich hergestellt; die Herstellung einer Abkürzungslinie gg. Beograd war vorausgegangen.(s.o. Karte)    

Sowohl für den Güter- als auch für den Personenverkehr war diese Strecke von großer Bedeutung. Das „76cm-System“ – stets auch in abschätziger Weise schlicht „Schmalspur“ genannt – wuchs hier(wie auch in Bosnien!) gewissermaßen über sich hinaus.

Legendär wurden die Liegenwagen-Schnellzüge auf dieser Linie. Die Reisenden wurden im Waggon aus Platzgründen nicht quer zur Strecke(Normalspur), sondern längs der Strecke(Schmalspur) befördert. Sogar einen Speisewagen gab es.

Da die Relation Sarajevo/Mostar-Dubrovnik Gruz jedoch einen Umweg in Richtung zur Küste beschrieb, ferner der Hafen Gruz(Gravosa) längst als nicht genügend leistungsfähig erkannt wurde, entschloss man sich in den 1930er Jahren dazu, eine (schmalspurige!)Direttissima Sarajevo/Mostar-Metkovic-Adria(= Bf. Ploce) herzustellen und darüberhinaus einen völlig neuen und modernen Seehafen in Ploce(= südl. von Metkovic. Heute ist Metkovic Teil des Hafens Ploce!).

Der Bahnbau nach Ploce begann 1937, etwas später der Hafenbau. Vor dem Einmarsch der Faschisten konnte dieses Projekt jedoch nicht mehr dem Verkehr übergeben werden. Die Besatzungsmacht verfolgte es jedoch gezielt weiter und im Jahre 1942 wurde es schließlich vollendet.

 

IV: Der Niedergang.

Kein offizieller jugoslawischer Staat hatte jemals eine wirkliche große Liebe zu den „76cm-Bahnen“ empfunden. Denn jeder in Richtung „Moderne“ strebende Staat muss ökonomisch denken, damit auf eine Homogenisierung der Spurweiten hinwirken.

So wurde etwa der neue, in den 1930er Jahren errichtete „Ivan-Tunnel“ südlich von Sarajevo bereits auf Normalspur ausgelegt, jedoch aber bis in die Tito-Zeit hinein schmalspurig befahren.

Doch erst nach 1945 ergab sich die reale Möglichkeit, völlig neue Wege im Eisenbahnbereich zu gehen. Dies ermöglichte das „Regime Tito“; abseits von Ost und West. Das Ziel war die Errichtung neuer Adriabahnen(bes. Ploce-Bahn, Beograd-Bar-Bahn), entweder durch Umspurung oder durch Neubau. Realiter war das eine vom andern technisch allerdings gar nicht zu trennen!

Zuvor wurde die alte „76cm-Erbschaft“ jedoch noch ausgenutzt so gut es ging.

Die Transitlinie Beograd-Sargan-Dubrovnik(s.o.) allerdings wurde bereits im 2. Weltkrieg(Kampfhandlungen bei Uzice) unterbrochen und seither nicht wieder aufgebaut.

Die Sarganstrecke selbst wurde 1974 stillgelegt.

Der Verkehr Beograd-Sarajevo-Adria(Ploce) verlief damals schon lange via Strizivojna-Vrpolje.

 

V: Zu Geschichte und Gegenwart des Projektes „Sargan-Museumsbahn“.

Die Initiative für den Wiederaufbau der „Sargan-Strecke“ ging Ende der 1990er Jahre zunächst vorwiegend vom Volk aus. Immerhin konnte man sich hierbei auf den alten Wunsch Titos(s.o.) stützen.

1999 genehmigte Beograd diesen Wiederaufbau offiziell im Kontext eines „Tourismus-Konzeptes“, welches v.a. die ökonomischen Verhältnisse im Sargangebiet heben sollte. Bau und Betrieb wurden den JZ übertragen. Fortan ging es stetig aufwärts!

Bettina Bansbach referiert uns dazu in ihrer faszinierenden TV-Doku(s.u.) übrigens folgende Entwicklung:

„Die EU stellte Geldmittel zur Verbesserung der Infrastruktur zwischen Belgrad und Zagreb zur Verfügung. Da der Chef der Serbischen Staatsbahn ein Fan der abgebauten Schmalspurbahn war, zweigte er etwas von dem Geld ab, um Teile der Trasse neu aufzubauen. Das hat ihn seinen Job gekostet, der Museumsbahn allerdings den Weg in die Zukunft bereitet“.

Sollte das wirklich stimmen, dann haben wir es hier in der Tat mit einem ganz großartigen Vorkämpfer für die „Sache Eisenbahn“ zu tun, welcher bisher von der internationalen Fangemeinde viel zu wenig geehrt worden ist!

Die Grenze zwischen „kriminell“ und „anständig“ ist – wie besonders der neu-deutsche Begriff „Ehrenwort“ ganz klar bezeugt – oft fließend… 

2003 war die Strecke von Mokra Gora bis Sargan Vitasi fertiggestellt, seit 2010 reicht die Museumsbahn sogar bis Visegrad in Bosnien-Herzegowina und berührt damit den östlichen Teil der ehemaligen „Bosnischen Ostbahn“.     

International-vergleichend manifestiert sich im Sargan-Gebiet eine geradezu „Übergroße Liebe zur Eisenbahn“, welche wir bei uns in dieser Tragweite(!) leider vergeblich suchen. „Der Weg ist das Ziel“ dürfte im Eisenbahnbereich überhaupt eine slawische Losung sein!

Jeder echte Eisenbahnfreund – der auf eine historisch interessante und gemütliche Fahrt aus ist - sollte die „Sargan-Museumsbahn“ einmal besuchen!

Trasse bei Jatare:

Copyright: H. Dahlhaus

 

Quellen:

Art. „Beograd-Bar-Bahn“ dieser Enzyklopädie.

Art. „Bosnische Ostbahn“ dieser Enzyklopädie.

Art. „Eisenbahnhafen Ploce“ dieser Enzyklopädie.

Art. „Jugoslawische Eisenbahnen“ dieser Enzyklopädie.

Art. „Ploce-Bahn“ dieser Enzyklopädie.

Art. „Serbische Eisenbahnen“ dieser Enzyklopädie.

BANSBACH Bettina: „Strecken 8“ auf neuen Gleisen – Bahnwunder vom Balkan. –SWR 2009(Reihe „Eisenbahn-Romantik“).

OBEREGGER Elmar: Der „Große Aufbruch in die Ägäis. Das gescheiterte Eisenbahnprojekt Wien-Sarajevo-Saloniki(1874-1914). –Sattledt 2009.

VERESIC Zoran: Steam in Serbia 1882-2007. –Beograd 2007.

WITTEK Heinrich: Donau-Adria-Bahn. In: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Hrsg. v. Victor Röll. –Berlin/Wien 1912 ff.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2011.