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>> PULA-BAHN. |
I: Grundlegendes. Diese ca. 140 Kilometer lange, größtenteils nicht elektrifizierte Bahn nimmt in der ehemaligen Südbahn-Station Divaca ihren Ausgang und verläuft via Pazin(Pisino, Mittenburg) bis zur Hafenstadt Pula.(1) Bei Rakitovec befindet sich die slowenisch-kroatische Staatsgrenze. Bis 1966 bestand eine Zweigbahn von Kanfanar zur ehemaligen istrianischen Landeshauptstadt Rovigno(Rovinj). Der Verlauf(bis 1966):
Nach: Kartenbeilage zum Art. „Österreichische Eisenbahnen“. In: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Hrsg. v. Victor RÖLL. -Berlin/Wien 1912 ff. Die Region um Pula war und ist touristisch bedeutend. In jugoslawischer Zeit existierte sogar eine direkte D-Zug-Verbindung Beograd-Pula. Auch heute werden wieder Schnellzüge geführt, jedoch gehen diese ausschließlich von Ljubljana aus. Der Hafen von Pula war bis zum Zerfall Jugoslawiens Teil des Hafens Rijeka und wickelte seinen Verkehr via Divaca ab.(2) Seither blockiert jedoch der slowenische Koper-Verkehr die wichtige Linie Divaca-Pivka-Ljubljana. Angesichts dessen hat Pula nicht unwesentlich gelitten. Mittlerweile wird der Verkehr vorwiegend mit LKWs abgewickelt. Dieses Transportsystem profitiert vor allem von der vor einigen Jahren erfolgten Fertigstellung der „Istrianer Y-Autobahn“. Da der Abschnitt Rakitovec-Pula eine „Exklave“ des kroatischen Netzes darstellt, ist zu dessen Integration die Errichtung eines Großtunnels durch die Cicarija geplant.(3)
II: Zur Geschichte. Mit der Errichtung der Linie Divaca-Kanfanar-Rovinj/Pula(1873-1876) beginnt die Eisenbahngeschichte Istriens. Ursprünglich wurde die neue Bahn mit „Istrianer-Bahn“ bezeichnet. Doch angesichts dessen, daß in diesem Raum in der Folge weitere Strecken errichtet wurden, präsentiert sich dieser alte Begriff heute als zu allgemein. Deshalb wurde hier der konkrete Begriff „Pula-Bahn“ eingeführt. Den eigentlichen Ursprung dieser Bahn stellte das „revolutionäre Venedig“ dar: Diese Stadt - welche den damaligen österreichischen Hauptkriegshafen beherbergte - hatte sich im Jahre 1848 zur unabhängigen Republik erklärt und mußte zurückerobert werden. Angesichts dessen entschloß man sich dazu, den Hauptkriegshafen an neuer Stelle einzurichten, nämlich in Pula. Dieser Ort war in territorialer Hinsicht weit vom italienischen Kernland entfernt, das Meer bildete eine zusätzliche Barriere und Istrien selbst war vorwiegend slawisch bevölkert. Dieser Umstand war günstig, denn noch mußte man den italienischen Nationalismus mehr fürchten als den südslawischen. Doch für einen funktionierenden Hauptkriegshafen war die Errichtung einer das Hinterland erschließenden Eisenbahn unerläßlich. Zur Eisenbahnfrage führte Kommodore Bernhard v. Wüllerstorf-Urbair im Jahr 1866 aus: Militärische Rücksichten gebieten „ ... ein besonderes Augenmerk auf unsere Meeresküste zu richten, deren bedeutendste Häfen, auch wenn sie nicht befestigt sind, mit dem Hauptnetze sowohl, als auch unter einander verbunden sein sollten ... weil bei einer langgestreckten, dem Centrum des Reiches aus Mangel an Communicationen entrückten Küste die Vertheidigung vom Lande aus im Kriegsfall eine unverhältnismäßig große Truppenmacht erfordert ... Durch eine Schienenverbindung Pola’s mit Triest und Fiume wird zugleich diese Festung, so wie das große Marine-Arsenal von der See unabhängig gemacht und selbst einem, in maritimer Beziehung übermächtigen Feinde gegenüber im Stande sein, sich fortwährend mit Verstärkungen, mit Brenn- und Kriegsmaterial, so wie mit Arbeitskräften zu versehen. Da unter den gegenwärtigen Verhältnissen in einem Seekriege Pola und Istrien gegen einen zur See übermächtigen Feind für die Dauer schwer vertheidigt werden könnten, so erscheint die baldigste Herstellung einer derartigen Verbindung ... vom politischen und militärischen Standpuncte aus dringend geboten“(4). Das „Reichsbahn-Konzept“ von Wüllerstorf-Urbair(1866):
Copyright: Elmar Oberegger Als Wüllerstorf-Urbair diese Sätze schrieb, war die Diskussion um die Eisenbahnverbindung mit Pula bereits längst im Gange. Das technisch-ökonomische Grundproblem stellte dabei immer der Umstand dar, daß die Errichtung der neuen Bahn aufwendig sein würde, d.h. über 100 Kilometer Strecke müßten in teils schwierigstem Terrain angelegt werden. Und dies eigentlich nur aus militärischen Gründen, da das agrarisch orientierte Istrien wirtschaftlich wenig bieten konnte. Auch die dortigen Rohstoffquellen sind überaus bescheiden ausgeprägt. Privates Kapital - auf dem der Eisenbahnbau zur damaligen Zeit fußte - war in nicht genügendem Maße zu mobilisieren. Im Jahr 1873 brach allerdings eine große Wirtschaftskrise aus, im Zuge derer das private Kapital zurückgezogen wurde und somit die Gründungstätigkeit auf dem Eisenbahnsektor völlig zu erlahmen drohte. Angesichts dessen sprang der Staat ein und errichtete mehrere Linien in Eigenregie. Darunter befand sich auch die Bahn von Divaca nach Pula und Rovinj. Am 17. Dezember 1873 fand in Pazin(Mittenburg) der feierliche Spatenstich statt. Bis zum Spätsommer des Jahres 1876 konnten beide Projekte erfolgreich beendet werden. Die neuen Staatslinien wurden bis 1882 von der Südbahn-Gesellschaft betrieben, sodann ging der Betrieb auf die Staatsbahn über.
III: Streckenbeschreibung von Ignaz Konta(um 1900). „Die Hauptlinie der Istrianer Bahn(= Pula-Bahn, Anm.d.Verf.) zweigt am Südende der Station Divaca von der Südbahn ab und führt alsbald mit einer Steigung von 1:50 zu dem höchsten Punkte der Bahn, der Wasserscheide bei Rodik(539 m Seehöhe), wendet sich dann gegen Westen und erreicht die auf nacktem Karstplateau gelegene Station Herpelje-Kozina. Von hier zieht die Trace an der sogenannten Klanizaer Lehne, deren Steilheit die Anlage der Rampen und Wächterhäuser wesentlich erschwerte, im schwachen Gefälle zur Station Podgorje. Den tief eingerissenen Klüften des Schiefergesteines ausweichend, ersteigt sie das Plateau von Rakitovic - den zweithöchsten Punkt der Bahn(530 m Seehöhe - und erreicht mittels zweier durch einen wellenförmigen Bergrücken führenden Felseinschnitte die Station Rakitovic, von welcher aus sie dann in vielfachen Windungen und mittels eines 1000 m langen, nur durch Dolinen unterbrochenen Einschnittes auf der Lehne bei Pinguente an die Grenze der Schiefer- und Karstformation gelangt. Der Weg von da zur Station Pinguente konnte wieder nur mühsam, meist durch grossartige Felsensprengungen gewonnen werden. Hinter Rozzo trifft die Trace, nach Durchbruch eines vorgeschobenen hohen Schotterrückens, den gefährlichsten Punkt der ganzen Anlage, den Raspadaliza genannten gewaltigen Bergsturz. Jeder Regen verursachte neue Rutschungen und mussten sehr umfassende Entwässerungs-Vorrichtungen getroffen werden, um die Bahn hier gegen Katastrophen zu sichern. Auch in der weiteren Strecke bis Rozzo haben die zerrissenen Schluchten die Ausführung vieler kostspieliger Schutzbauten nothwendig gemacht. Von der Station Rozzo fällt die Bahn bis zu der bei der gleichnamigen Ortschaft befindlichen Thalmulde, um sich dann auf das mit Pinguente gleich hohe Karstplateau von Lupoglava zu erheben, wobei bedeutende Anschüttungen und massenhafte Rutschungen zu bewältigen waren. Hinter Luopglava beginnt abermals die Schieferformation. Einschnitte bis zu 29 m Tiefe und Dämme bis 37 m Höhe folgen einander im raschen Wechsel und nur mühsam windet sich die Bahn durch wilde, tief eingerissene Schieferschluchten in vielfachen Krümmungen zu der Wasserscheide des Quieto- und Foibagebietes empor, welche mittels eines 340 m langen Tunnels durchbrochen wird. Die Trace führt weiter längs des Foibathales, an der Station Cerovglie vorbei nach Pisino. Pisino verlassend gelangt die Bahn durch einen 18 m tiefen Felseinschnitt auf das südliche Karstgebiet, auf welchem sie nun bis zu ihrem Endpunkte verbleibt. Auf dem Wege über St.Pietro in Selva bis nach Canfanaro(Abzweigung der Flügelbahn nach Rovigno) bedingten die tiefen, gegen das westlich gelegene Dragathal sich hinziehenden Mulden grosse Schleifen und Entwicklungen. Kanfanar - Ausgangspunkt der stillgelegten Zweigbahn nach Rovinj:
Copyright: Leopold K. Pernegger Von Canfanaro über Zabronich dahinziehend, führt die Bahn in stetem Gefälle nach Dignano und gelangt in vielfachen Krümmungen in den Hafen von Pola, wo ein Theil der Station in die das Hafenbassin von Pola bildende Meeresbucht hineingebaut wurde. Die Flügelbahn nach Rovigno hat denselben Charakter wie die letzte Strecke der Hauptlinie, aus welcher sie in Canfanaro mit einer Schleife abzweigt. Sie führt längs dem Canale di Leme zur Station Sossich und von da in vielfachen Krümmungen nach der am Meere angelegten Endstation Rovigno. Die Istrianer Bahn ist eine wahre Kunstbahn, deren Herstellung durch die Terrainverhältnisse, die geologische Beschaffenheit des Bodens und die Wasserarmuth des Landes, welch letztere nicht blos weitläufige Wasserversorgungs-Anlagen für den Betrieb, sondern schon beim Baue sehr oft die Herbeitragung des Wassers zur Mörtelbereitung aus entfernten Niederungen nothwendig machte, sehr erschwert war“(5). Längenprofil:
Copyright: Elmar Oberegger
Anmerkungen:
1) Elektrifiziert ist die Linie nur zwischen
Divica und Presnica(s. Koper-Bahn). 2) Vgl. Sava VASILJEVIC: Transitverkehr durch Jugoslawien und jugoslawische Seehäfen. -Beograd (jährlich). 3) Vgl. dazu Euro City 1 (1994), S.34.; Vgl. zum Projekt ferner Tomislav IVEZIC/Nikola MATIC: Osnove znacajke zeljeznickog spoja sa Istrom. In: Zeljeznica u Teoriji i Praksi 1-2 (1994), S. 3 ff.; Vgl. zum Thema ferner den Art. „Kroatische Eisenbahnen“ dieser Enzyklopädie. 4) Bernhard v. WÜLLERSTORF-URBAIR: Ein Eisenbahnnetz für die österreichische Monarchie. In: Österreichische Revue 1866, S. 22 ff. Hier: S. 28, 30. (s. auch die Karten-Beilage, auf der die folgende Karte im Text fußt. 5) KONTA a.a.O., S. 177 f.
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