[ HOME ]        [ INHALTSVERZEICHNIS ]
 

 

 

>> PLOCE-BAHN.

 

Der Verfasser hat den Herren Helmut Dahlhaus, Markus Rabanser und Keith Chester zu danken, ohne deren freundliche Unterstützung der vorliegende Artikel niemals zustande gekommen wäre.

Mit „Ploce-Bahn“ wäre jene eingleisige und elektrifizierte(1969) Hauptbahn(ca. 194 km) zu bezeichnen, welche von (bzw. bei) Sarajevo ausgeht und bis zum kroatischen Seehafen Ploce(früher: „Aleksandrovo“, „Kardeljevo“) reicht. Die höchste Steigung beträgt 25 Promill.

Der Verlauf:

 

Copyright: Elmar Oberegger

Die Staatsgrenze zwischen Kroatien und Bosnien-Herzegowina verläuft bei Capljina.

Als Vorläuferin der Bahn ist die 76cm-Schmalspurlinie von Sarajevo nach Ploce anzusehen, welche allerdings nicht in einem Stück, sondern in Abschnitten entstand:

1) Sarajevo-Ivan-Mostar (1891).

2) Mostar-Metkovic (1885).

3) Metkovic-Ploce (1942).

Die Überwindung des „Ivan-Sattels“(= bosn. Wasserscheide) wurde durch Umsetzung von zwei technischen Maßnahmen erreicht:

1) Errichtung eines „Ivan-Tunnels“(648 m).

2) Einführung des „Abtschen Zahnstangensystems“ auf dessen Zugangslinien(Höchststeigung jeweils 60 Promill).

Der alte Ivan-Tunnel und seine Zugangslinien:

Nach: H.E. Stemmler, Von Sarajevo nach Dubrovnik, in: Jahrbuch für Eisenbahngeschichte 10 (1978), S. 115 ff. Hier: S. 118.

Die Funktion der Bahn Sarajevo-Mostar-Metkovic bestand darin, das wirtschaftlich aufstrebende „österr.-ung. Okkupationsgebiet Bosnien-Herzegowina“ mit dem Meer zu verbinden. Da der Hafen Metkovic jedoch nur von geringer Leistungsfähigkeit war, wich man später auf Dubrovnik-Gruz(Ragusa-Gravosa) aus. Damit wurde allerdings in der Relation Sarajevo-Küste ein großer Umweg in Kauf genommen, was dieses Konzept eindeutig als „Provisorium“ charakterisiert. Überhaupt ist festzustellen, daß der österreichisch-ungarische Eisenbahnbau in Bosnien-Herzegowina nur „provisorischen“ Charakter trug. Die Erben dieses Systems, nämlich die jugoslawischen Völker, mußten viel Geld aufwenden, um es in geordnete, wirklich fruchtbringende Bahnen zu lenken.

In der Zwischenkriegszeit entstand die Idee, einen neuen Seehafen in Ploce zu errichten, und diesen an die Linie Sarajevo-Metkovic anzubinden. Die Relation (Beograd-)Sarajevo-Küste würde damit entscheidend verkürzt. Dieser Hafen wurde „Aleksandrovo“ genannt, in memoriam des am 9. Oktober 1934 in Marseille ermordeten Königs Alexander I. Karadjordevic(geb. 17.12.1888, Cetinje/Crna Gora). Die entsprechende Eisenbahnlinie(76cm) wurde erst unter deutsch-italienischer Ägide fertiggestellt(1942).

Schon lange vorher war aber klar erkannt worden, daß das „Zahnstangen-System“ am Ivan leistungsmäßig begrenzt war und somit auch nur ein „Provisorium“ bzw. ein „technisches Experiment“ darstellte. Bereits damals tendierte man in Richtung eines normalspurigen Ausbaus der Linie Sarajevo-Ploce. Aufgrund Geldmangels blieb dieses große Ziel jedoch Illusion. Dennoch ging man an die Arbeit. Bis 1935 wurden folgende Projekte umgesetzt:

1) Errichtung des „Neuen Ivan-Tunnels“(3.223 m): Er wurde bereits auf Normalspur ausgelegt. Die Herstellung war schwierig. Eröffnung: 1931.

2) Einschaltung einer Doppel-Kehre bei Rastelica.

3) Trassen-Umlegung im Bereich Pazaric-Tarcin.

Der Effekt dieser Maßnahmen war, daß der ungünstige Zahnstangen-Betrieb von ca. 20 km auf ca. 8 km(Podorosac-Bradina) reduziert werden konnte.

Der neue Ivan-Tunnel und seine Zugangslinien:

Nach: H.E. Stemmler, Von Sarajevo nach Dubrovnik, in: Jahrbuch für Eisenbahngeschichte 10 (1978), S. 115 ff. Hier: S. 118.

Der alte, österreichisch-ungarische Tunnel wurde in einen „Straßen-Tunnel“ umgewandelt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Bosnien-Herzegowina wirtschaftlich massiv aufgebaut. Der Aufbau während österreichisch-ungarischer Zeit besitzt im Vergleich dazu nur filigrane Struktur. Neue Energiequellen(u.a. Wasserkraft) wurden erschlossen, die u.a. für die militärische Rüstung wichtige Schwerindustrie wurde forciert. Tito erkannte Bosnien-Herzegowina in wehr-strategischer Hinsicht als „Balkan-Festung“: Dort sollten die für das Militär wichtigsten Betriebe sein und nur wenige leistungsfähige Verkehrswege sollten nach außen führen. Im Falle eines militärischen Angriffs sollte „Tito-Jugoslawien“ vor allem in Bosnien-Herzegowina weiterleben können.

Die wirtschaftlichen Potentiale von Bosnien-Herzegowina wollte man allerdings auch im Frieden nützen. Im Jahre 1958 wurde somit ein neues Ausbau-Projekt im Bereich Sarajevo-Ploce begonnen, dessen Ziel es ursprünglich war, vor allem den verbliebenen „Zahnstangen-Betrieb“(ca. 8 km) zu beseitigen.(s.o.) Offiziell wurde von einer „Linienverbesserung Bradina-Konjic“ gesprochen. Man hatte damit das alte Projekt, die Linie Sarajevo-Ploce auf Normalspur umzustellen, erneut aufgeschoben.

Im Jahre 1963 erhielt Jugoslawien jedoch von der Int. Entwicklungsbank einen großen Kredit. Daraufhin konnte man darangehen, das Problem „Sarajevo-Ploce“ endlich grundlegend, d.h. unter gänzlicher Einführung der Normalspur zu lösen.

Trotz dieses Kredites mußten die Baukosten niedrig gehalten werden. Das Projekt eines „Ivan-Basistunnels“ wurde zwar diskutiert, jedoch aber als zu teuer erkannt. Somit knüpfte man im Neubau an den im Jahre 1931 errichteten Ivan-Tunnel(ca. 3 km) an und errichtete sowohl die nördliche, vor allem aber die südliche Zulaufstrecke á la Ghega.

Ende 1966 fand das „Große Finale“ des großen Bahnbaus statt. Von 5. bis 25. November d.J. wurde die Linie Sarajevo-Ploce gesperrt: In diesem Zeitraum wurden unter größtem Arbeitsaufwand die Kreuzungs- und Überschneidungsstellen zwischen neuer und alter Bahn bereinigt. Am 26. November 1966 rollte der Eröffnungszug über den neuen, europäischen Verkehrsweg.

Jugoslawien hat mit der Eröffnung der normalspurigen Linie Sarajevo-Ploce nicht nur Bosnien-Herzegowina in zukunftsträchtiger Weise erschlossen, sondern auch den neuen Save-Adria-Korridor Strizivojna-Vrpolje - Ploce eröffnet. Im Jahre 1976 soll der Korridor Beograd-Bar folgen.

Auf der Ploce-Bahn verkehrte bis 1993 (offiziell) der „Mostar-Dalmacija-Expreß“(urspr. „Mostar-Expreß“), welcher die BRD und Österreich mit der südlichen Adriaküste verband. Der Bürgerkrieg hat der Bahn sehr geschadet. Heute stellt der Schnellzug 396/297 die Verbindungen Zagreb-Sarajevo-Ploce-Zagreb her. Seit Kriegsende befindet sich der Hafen Ploce wieder im Aufwind.

Am Bahnhof von Ploce(2006):

Copyright: Markus Rabanser

 

Quellen:

Art. „Beograd-Bar-Bahn“ dieser Enzyklopädie.

Art. „Bosnisch-herzegowinische Eisenbahnen“ dieser Enzyklopädie.

Art. „Eisenbahnhafen Ploce“ dieser Enzyklopädie.

Art. „Jugoslawische Eisenbahnen“ dieser Enzyklopädie.

CHESTER Keith: The Narrow Gauge Railways of Bosnia-Hercegovina. -Malmö 2006.

DREHSCHEIBE-ONLINE(Art. H. DAHLHAUS): http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?17,3130009
(Dort hervorragende Fotos aus der alten Zeit mit Kommentar und Literaturliste. Angabe dieser Information mit wohlwollender Genehmigung des Autors!)

HOLZINGER Reimar: Sarajevo-Ploce - eine neue Gebirgsbahn in Jugoslawien. In: Eisenbahn 2 (1967), S. 21 ff.

STÖCKL Fritz: Eisenbahnen in Südosteuropa. -Wien 1975.
(Hinsichtlich des Problems „Ivan-Tunnel“ liegt der Autor in seinem Bericht leider total daneben, siehe S. 232 f. Er behauptet, daß der alte Ivan-Tunnel, 648 m, in die bis 1966 vollendete Strecke eingebunden worden wäre.)

 

Copyright: Elmar Oberegger 2006.