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>> ÖSTERREICHISCHE EISENBAHNEN. |
I: Das heutige Netz und seine Zukunft.
Nach: Karte ÖBB-Kursbuch 2005/06. Dieses Netz wird größtenteils von den ÖBB betrieben. Als wichtigste Privatbahnen wären zu nennen: Montafoner-Bahn, Zillertal-Bahn, Salzburger Lokalbahn, Stern & Hafferl, Steiermärkische Landesbahnen, Raab-Ebenfurter-Bahn. Betrachtet man die österreichische Ost-West-Transit-Achse(Wien-Salzburg-Innsbruck-Vorarlberg), so fällt auf, daß diese bautechnisch recht gut entwickelt ist.(1) Sie ist durchgängig elektrifiziert und zum größten Teil zweigleisig.(2) Der vollständig doppelgleisige Ausbau der Arlbergbahn ist vorgesehen. Zwischen Linz und Wien ist der viergleisige Ausbau gerade im Gang. Schon heute ist dort abschnittsweise eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h üblich(ICE). Die neue ÖBB-Lokomotive „Taurus“:
Copyright: Elmar Oberegger Höchstgeschwindigkeit: 230 km/h Für den Personenverkehr Wien-Salzburg-Innsbruck-Bregenz(-Schweiz) war schon in der Kaiserzeit die „Rosenheimer Route“(Bayern) von Bedeutung. Bis 1982 wurde diese durch die Errichtung einer „Rosenheimer Schleife“ attraktiviert. Zuvor mußten die Züge der Relation Salzburg-Innsbruck in Rosenheim „gestürzt“ werden, d.h. ihre Fahrtrichtung ändern.(3) Während die Ost-West-Achse vom „Eisernen Vorhang“ relativ unberührt blieb, so trifft dies für die seit 1938 durchgängig zweigleisige „Passauer-Strecke“(Wels-Passau) nicht zu: Nachdem die traditionelle, seit 1851 bestehende Verbindung Wien-Prag-Hamburg politisch prekär geworden war, oblag es fortan dieser Linie, den freien Verkehr zwischen den Wirtschaftszentren Wien und Hamburg zu ermöglichen. Diese Aufwertung führte dazu, daß sie bereits relativ früh, nämlich bis 1955, elektrifiziert wurde. Unter dem Eisernen Vorhang haben aber besonders die österreichischen Nord-Süd-Linien gelitten. Die große Ausnahme stellt freilich die zweigleisige und elektrifizierte „Brenner-Bahn“ dar, deren Funktion es ist, den Verkehr der Relation Deutschland-Italien abzuwickeln. Angesichts betrieblicher Schwierigkeiten ist schon seit langer Zeit die Errichtung eines „Brenner Basis-Tunnels“ in Planung. Weiter östlich liegt die ursprünglich nur eingleisig angelegte „Tauern-Bahn“. Diese wurde durch den Eisernen Vorhang insofern beschnitten, als die alte Relation Prag-Pilsen-München-Salzburg-Adria wegfiel. Erhalten blieb nur das westdeutsche Einflußgebiet. Trotzdem gestaltete sich das Verkehrsaufkommen in der Folge als derart massiv(Gastarbeiter-Züge, Gütertransport), daß man sich schließlich zum durchgängigen Zweigleis-Ausbau entschloß. Die Elektrifizierung war übrigens bereits in den 1930er Jahren erfolgt. Dieser „Zweigleis-Ausbau“ stellte und stellt ein höchst schwieriges und kostenintensives Projekt dar, welches bis heute nicht abgeschlossen ist. Gehen wir weiter nach Osten, so treffen wir auf den „Passau/Summerau-Selzthal-Korridor“, welcher sich allerdings hinsichtlich des Güter- und Personenverkehrs-Aufkommens keineswegs mit Brenner- oder Tauernbahn messen kann. Dieser wäre in mehrere Sub-Korridore aufzuteilen: 1) Passau-Marchtrenk(zweigleisig)-Traun-Kirchdorf a.d. Krems-Selzthal(eingleisig/partiell zweigleisig).(4) 2) Passau-Linz-St. Valentin(zweigleisig)-Kleinreifling-Selzthal(eingleisig). 3) Summerau-Linz-Kirchdorf a.d. Krems-Selzthal(eingleisig/partiell zweigleisig). Der Passau/Summerau-Selzthal-Korridor:
Copyright: Elmar Oberegger Der zweigleisige Ausbau der Strecke Budweis - Gaisbach-Wartberg war vor 1914 in Planung.(5) Der ersten beiden, in Richtung Westdeutschland orientierten Sub-Korridore funktionieren eigentlich klaglos, abgesehen natürlich vom Umstand, daß die via Kleinreifling verlaufende „Gesäuse-Route“ immer wieder von teils unvorhersehbaren Elementar-Ereignissen in Form von Lawinen und Muren heimgesucht wird. 1924: Aufräumungsarbeiten bei Hieflau, nach einem schweren Lawinen-Abgang.
Aus: ÖBB. Nachrichtenblatt der Generaldirektion der österreichischen Bundesbahnen 2 (1968), 34. Die Verschüttung besaß eine Höhe von 15(!) Metern. Bereits in den Jahren 1888, 1892, 1905 und 1907 war es zu schwerwiegenden Streckenverlegungen aufgrund von Lawinen gekommen. Obwohl mittlerweile viel in den Lawinenschutz investiert wurde, konnte die Gefahr nicht zu 100 % gebannt werden. Der zweite, in Richtung Böhmen orientierte Sub-Korridor ist allerdings problematisch, wird doch dessen Kapazität im Bereich Linz-Summerau(eingleisig) heute vor allem durch die „Kohlen-Züge“ der VOEST in Anspruch genommen. Für einen tschechischen Adria-Transit ist damit kein Platz vorhanden. Bedauerlich ist zweifellos, daß im Jahre 1956 der Abschnitt Gaisbach-Wartberg - Mauthausen(14 km)(s. Karte) aufgelassen wurde, welcher einen Teil der bis 1872 hergestellten, eingleisigen Verbindung Gaisbach-Wartberg - St. Valentin darstellte. Denn dieser würde zumindest eine partielle Entlastung mit sich bringen. Heute sind wir allerdings mit dem traurigen Umstand konfrontiert, daß Tschechien wie schon zu Zeiten des „Kalten Krieges“ seinen Adria-Verkehr via Bratislava abwickelt. Die Wieder-Errichtung der Strecke Gaisbach-Wartberg - Mauthausen wäre zwar eine billige, jedoch aber wenig zukunftsträchtige Maßnahme: 1) Die Fahrt Summerau-Selzthal würde via Mauthausen und St. Valentin um ca. 45 Minuten länger dauern als via Kirchdorf a.d. Krems(Pyhrnbahn). 2) Der „Gesäuse-Abschnitt“ ist als Transit-Linie letzten Endes nicht genügend leistungsfähig(Elementar-Ereignisse, s.o.). Davon abgesehen müßte der Abschnitt Summerau-Budweis ohnehin doppelgleisig ausgestaltet werden. Somit bleibt letzten Endes nur die Umsetzung eines Großprojektes von europäischem Format, nämlich der zweigleisige Ausbau der Relation Budweis-Linz-Selzthal. Besonders die Errichtung eines zweiten Bosruck-Tunnels wäre sinnvoll, wurde dieser doch durch wasserlösliches und damit gefährliches Kalk-Gestein angelegt. Eine zweite Tunnelröhre würde einerseits der Kapazitätserweiterung, andererseits aber der wichtigen Aufrechterhaltung des Betriebes nützen. Schon in den nächsten Jahren(2008?) wird der - zuletzt bis 1965 renovierte - Bosruck-Tunnel zum Sanierungsfall werden. Sollte bis dahin keine zweite Röhre bestehen, wird der Verkehr Linz-Kirchdorf a.d. Krems-Selzthal zukünftig in höchstem Maße beeinträchtigt sein(Schienenersatz-Verkehr u.a.). Die südliche Fortsetzung dieses Passau/Summerau-Selzthal-Korridors“ stellt die sogenannte „Schoberpaß-Linie“(Selzthal-St. Michael) dar, welche in den letzten Jahren modern ausgebaut wurde. Ergänzt wird diese bis zur Staatsgrenze durch die zweigleisige und elektrifizierte Linie St. Michael-Villach. Für den Wiener Raum sind heute folgende Nord-Süd-Transit-Bahnen von Bedeutung: 1) Die „Nordbahn“(Wien-Breclav): Zweigleisig und elektrifiziert. 2) Die „Franz Josephs-Bahn“(Wien-Gmünd): Eingleisig und elektrifiziert. Von Wien aus führten einst mehrere Transit-Bahnen in Richtung Böhmen. Nach 1945 wurde der Verlauf der „Nordwestbahn“ an der Staatsgrenze bei Retz gekappt. Anfang der 1990er Jahre wurde die Verbindung jedoch wieder hergestellt. Sie besitzt seither eher regionale Bedeutung. Die Verbindung Wien-Brünn über Laa a.d. Thaya ist bis heute unterbrochen. In Richtung Süden existiert folgender, ab Bruck a.d. Mur zweigeteilter Korridor: Wien-Semmering-Bruck-Villach/Graz(- jew. Staatsgrenze). Dieser ist zum größten Teil zweigleisig und elektrifiziert. Die Strecke Graz-Spielfeld wurde angesichts der neuen politischen Verhältnisse ab 1945 auf Eingleisigkeit zurückgebaut. Ein Ausbau ist in Planung. Vorgesehen ist ferner die Errichtung eines „Semmering-Basis-Tunnels“. Hinsichtlich des Personenverkehrs hatten die ÖBB Anfang der 1990er Jahre die größte Attraktivierungs-Offensive ihrer Geschichte gestartet. Die Rede ist vom „Neuen Austro-Takt“, abgekürzt NAT. Das Projekt sollte stufenweise aufgebaut werden und im Jahr 2000 vollendet sein. Zu dessen grundlegenden Strukturen schrieb der damalige Generaldirektor Dr. Heinrich Übleis: Der NAT „... soll in seiner endgültigen Form eine in allen Einzelheiten durchdachte, präzise Verknüpfung aller öffentlichen Verkehrsmittel mit Verkehrszeiten bieten, die leicht im Gedächtnis zu behalten sind. Und er wird damit nicht mehr und nicht weniger sein als ein österreichweites, flächendeckendes Angebot von umweltfreundlichen und volkswirtschaftlich sinnvollen Reisemöglichkeiten“(6). Doch dieser ehrgeizige Vernetzungs-Plan ging nicht vollends auf. Schon 1995 mußte das existierende Angebot wieder beschnitten werden. So wurde z.B. die Anzahl der direkten IC-Züge Linz-Graz-Linz halbiert. Seither befinden sich die ÖBB überhaupt innerhalb einer Anpassungs-Phase. Immer wieder wird die Einstellung von betriebswirtschaftlich unrentablen Nebenstrecken ins Auge gefaßt. Seit dem Ende des Ersten Weltkrieges wurden in Österreich zahlreiche Lokalbahnen aufgelassen. Heute, im Jahr 2006, wird dem Volk von den ÖBB ein regelrechter „Kahlschlag“ angedroht. Die Führung der ÖBB hat heute übrigens ein ÖVP-Mann inne, welcher den Auftrag hat, das Betriebsergebnis um jeden Preis zu verbessern. Sein Partei-Kollege Univ.-Prof. Dr. Gerhart Bruckmann sagte im Jahr 1976 folgendes zum Problem der „Neben-Bahnen“: „Ich halte es ... für falsch, Nebenbahnen einzustellen, so sehr dies auch das Betriebsergebnis der Österreichischen Bundesbahnen unmittelbar verbessern mag. Diese Einstellung erscheint mir deshalb falsch, weil hier die volkswirtschaftlichen Kosten, die man schwer auf Heller und Pfennig berechnen kann, sehr stark ins Gewicht fallen“(7). Dazu muß man wissen, daß es sich im Falle von Professor Bruckmann um einen hervorragenden Mathematiker und Statistiker handelt. Öffentlich bekannt wurde er aufgrund seiner Wahlprognosen für den ORF. Heute ist jedoch folgende Mentalität gängig: Ein relativ leerer Lokalbahn-Zug in der Nacht verbreitet in Österreich viel mehr volkswirtschaftliche Sorge, als der Umstand, daß der morgendliche „Stau“ auf den Stadteinfahrten jedesmal von PKWs gebildet wird, in denen in der Regel jeweils nur eine Person sitzt, die bestehende Kapazität also nicht einmal annähernd ausgenützt wird. Aufgrund dieser „Staus“ wird sodann teurer Straßen-Ausbau betrieben. Eine langfristige volkswirtschaftliche Perspektive besitzt man dabei allerdings nicht. Triebwagen der „Neuen Nahverkehrs-Flotte“:
Copyright: Elmar Oberegger Österreich will zukünftig folgende große Ausbau-Projekte realisieren: 1) Brenner-Basis-Tunnel(gem. mit Italien). 2) Semmering-Basis-Tunnel.(s.o.) Andere Ausbau-Projekte befinden sich bereits im Stadium der Umsetzung(Tauern, Westbahn u.a.).
II: Struktur, quantitative Genese und Zerfall des alten Netzes. Betriebliche Konsequenzen. Das alte Netz (ohne Dalmatien) seit 1867:
Nach: Karte zu Art. „Österreichische Eisenbahnen“, in: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Berlin/Wien 1912 ff. Das alte österreichische Netz reichte einst von Vorarlberg bis zur Bukowina und von Böhmen bis an die Adria. Von Wien aus betrachtet entwickelten sich die Hauptlinien fächerförmig(Wien-Triest, Wien-Bregenz, Wien-Prag, Wien-Krakau/Lemberg/Czernowitz). Am dichtesten war das Netz im Bereich der wirtschaftlich hochentwickelten Regionen Böhmen und Mähren. Das dalmatinische Netz war territorial vom Stammland getrennt. Die Herstellung einer hauptbahnmäßigen Verbindung, welche notgedrungen ungarisches Territorium durchlaufen mußte(v.a. Ogulin-dalmat.Landesgrenze bei Knin) wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts beschlossen, jedoch aber erst 1912 in Angriff genommen. Bis 1918 konnte diese jedoch nicht mehr realisiert werden. Dasselbe gilt für die Perspektive, via Bosnien-Herzegowina per Normalspur die Adria zu erreichen.(8) In Dalmatien plante man ferner die Errichtung einer Längsverbindung(s.Karte), welche jedoch bis heute nicht existiert. Das dalmatinische Netz und Bosnien-Herzegowina:
Aus: Karte zu Art. „Österreichische Eisenbahnen“, in: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Berlin/Wien 1912 ff. Zum österreichischen Netz wären m.E. auch die Eisenbahnen von Bosnien-Herzegowina hinzuzurechnen, welches gemeinsam mit Ungarn verwaltet wurde(Kondominium).(9) Das Wachstum des Netzes wäre in quantitativer Hinsicht wie folgt anzugeben:
Nach: Art. „Österreichische Eisenbahnen“, in: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Berlin/Wien 1912 ff. Ab dem Jahr 1910 begegnen wir hier also einer Plateau-Struktur. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits die wichtigsten Linien hergestellt. Das letzte Großprojekt war die Errichtung der „Neuen Alpenbahnen“(Tauernbahn u.a.), durch welches der österreichische Seehafen Triest optimal ins Eisenbahnsystem integriert wurde und damit ein stattliches Hinterland erlangte. Die entsprechenden Arbeiten dauerten insgesamt von 1900 bis 1909. Das größte Wachstum des Netzes war zwischen 1867 und 1876 zu verzeichnen und umfaßte 6.810 Bahnkilometer. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde dieses System zerrissen.(10) Für Österreich bzw. seine eisenbahnmäßige Struktur war vor allem der Verlust des böhmisch-mährischen Raumes schmerzlich, wo angesichts des hohen wirtschaftlichen Entwicklungsstandes und der großen Einwohnerzahl ein großes Verkehrsbedürfnis existiert. In einem historischen Memorandum aus dem Jahre 1937 wird im Rückblick mit Recht beklagt, daß der neue Staat nach Kriegsende eigentlich zum klassischen Gebirgseisenbahn-Land geworden sei und alle diesbezüglichen Nachteile in Kauf zu nehmen hatte: „...verblieben waren ... die zufolge ihrer ungünstigen Neigungs-, Krümmungs- und Witterungsverhältnisse überaus kostspieligen Bergbahnen der Alpen“(11). Ferner sind die Alpengegenden relativ menschenleer und industriell wenig entwickelt. Schnellzug auf der alten Pfaffenberg-Zwenberg-Brücke der Tauernbahn(um 1969):
Aus: ÖBB. Nachrichtenblatt der Generaldirektion der Österreichischen Bundesbahnen 7 (1969), Titelseite. Dazu trat noch der folgenschwere Umstand, daß der - übrigens bis 1915 hochmodern ausgebaute - Seehafen Triest an Italien fiel und damit keinen Bestandteil der österreichischen Volkswirtschaft mehr darstellte.(12) Jene Alpenbahnen, welche der Staat unter großem Kostenaufwand zur Vergrößerung seines Hinterlandes errichtet hatte, waren nun primär dem Ausland nützlich. Es wiederholte sich also das „Brenner-Bahn-Szenario“, wenngleich in weitaus schlimmerer Form: Diese Bahn(1867 eröffnet) war ursprünglich u.a. zur Erschließung des Seehafens Venedig errichtet worden. Da dieser jedoch samt Venetien 1866 an Italien fiel, stand Österreichs Volkswirtschaft fortan am Rande. Auf der Friedenskonferenz von St. Germain(1919) beharrte die neu gegründete „Tschecho-Slowakei“ mit Nachdruck auf der freien Benützung des „Summerau-Pyhrn-Karawanken-Korridors“. Im Vertragstext wurden schließlich folgende Worte gebraucht: „Im Hinblick auf die Wichtigkeit, welche der freie Verkehr zur Adria für den tschecho-slowakischen Staat hat, erkennt Österreich dem tschecho-slowakischen Staate das Recht zu, seine Züge über die auf österreichischem Gebiet gelegenen Teilstrecken folgender Linien zu führen: ... von Budejovice(Budweis) nach Triest über Linz, St. Michael, Klagenfurt und Aßling und Abzweigung von Klagenfurt nach Tarvis ... Dieses Durchzugsrecht wird insbesondere das Recht in sich begreifen, Maschinendepots und kleinere Reparaturwerkstätten für das rollende Material zu errichten und Überwachungsorgane für den tschecho-slowakischen Dienst zu bestellen“(13). Derart spricht man allerdings nur mit einer Kolonie, nicht aber mit einem Staat, mit dem man zukünftig gleichberechtigt und in Frieden leben will. Die rohe Maßnahme der Bestellung von „Überwachungsorganen“ mußte übrigens in der Folgezeit niemals ergriffen werden. Das „Problem Triest“ wurde schließlich durch die Einführung von „Adria-Tarifen“ geregelt.(14) Durch die Zerreißung des alten Netzes wurde es ferner nötig, zwei „Korridor-Strecken“ einzurichten: 1) Die Linie Staatsgrenze bei Sillian-Franzensfeste-Brenner.(= Verbindung Lienz-Innsbruck) 2) Die Linie Staatsgrenze bei Lavamünd-Unterdrauburg(Dravograd)-Staatsgrenze bei Prävali(Prevalje).(= Verbindung Zeltweg-St. Paul-Klagenfurt) Während 1) noch immer in Betrieb ist, wurde 2) durch die Errichtung der „Jauntaler Verbindungsschleife“ beseitigt; allerdings erst bis 1964.(15) Das Ende des Ersten Weltkrieges brachte aber vor allem eine große Umorientierung im Bereich des Betriebes mit sich. Um vom Kohle-Import unabhängig zu werden, forcierte man die Elektrifizierung der österreichischen Eisenbahnen. Dabei konnte man sich vor allem auf die Wasserkräfte der Alpen stützen. In der Zwischenkriegszeit wurden folgende Linien elektrifiziert:(16) 1) Innsbruck West - Telfs-Pfaffenhofen - Landeck(1923). 2) Stainach-Irdning - Attnang-Puchheim(1924). 3) St. Anton am Arlberg-Langen am Arlberg(1924). 4) Landeck-St. Anton am Arlberg(1925). 5) Langen am Arlberg-Bludenz(1925). 6) Bludenz-Feldkirch-Staatsgrenze bei Buchs(1926). 7) Feldkirch-Bregenz(1927). 8) Innsbruck-Wörgl-Staatsgrenze bei Kufstein(1927). 9) Wörgl-Saalfelden(1928). 10) Innsbruck-Brennersee(1928). 11) Salzburg - Schwarzach-St.Veit(1929). 12) Schwarzach-St.Veit - Saalfelden(1930). 13) Schwarzach-St.Veit - Mallnitz-Obervellach(1933). 14) Brennersee-Staatsgrenze beim Brenner(1934). 15) Mallnitz-Obervellach - Spittal-Mittstättersee(1935). Der größte Elektrifizierungs-Schub fand jedoch in den 1970er Jahren statt. Ein altes Dampfroß geht in Pension(1974): Ein klares Symbol für die fortschreitende Elektrifizierung in Österreich.
Aus: Die ÖBB in Wort und Bild 12 (1974), hinterer Umschlag. Eine 214.10er auf dem Weg ins Technische Museum(Wien). Abschließend bleibt also festzuhalten, daß in der Tat ein enger Zusammenhang zwischen dem Zerfall Österreichs bzw. seines alten Eisenbahnnetzes und der konsequenten Elektrifizierung besteht. Die „Elektrifizierung“ wurde aber auch nach 1945 konsequent weitergeführt. Allerdings soll innerhalb dieser Phase immer mehr der „Umweltschutz-Gedanke“ als Legitimation hervortreten. In Österreich wurde aber auch „verdieselt“: Heute ist diese Traktionsform nur noch im Falle von Lokalbahnen üblich. Früher wurden aber auch Hauptbahnen bis zu deren Elektrifizierung mit Diesel-Lokomotiven betrieben(s. Pyhrnbahn, Pustertalbahn). Von der Methode der „Verdieselung“ versprach man sich in erster Linie eine Ökonomisierung hinsichtlich des Personal-Einsatzes. Im „Nachrichtenblatt der Generaldirektion der Österreichischen Bundesbahnen“ wurde 1959 festgestellt: „Der Vorteil der Dieseltraktion ... ist offensichtlich. Das Triebfahrzeug braucht ... nur mit einem Führer besetzt zu werden, während die Dampflokomotive einen Führer und einen Heizer benötigt. Die unmittelbaren Personalkosten betragen diesfalls nur rund 55 % gegenüber der Dampftraktion“(17).
III: Zur allgemeinen Geschichte des alten Netzes(1832-1918). Der entscheidende politische Impuls für die Errichtung der ersten Eisenbahn Österreichs kam eigentlich aus dem Ausland. Zwischen 1819 und 1821 fanden mitteleuropäische „Transit-Verhandlungen“ statt, deren Ziel es war, via Moldau und Elbe einen freien Schiffahrts-Korridor bis zum Nordseehafen Hamburg herzustellen. Österreich wurde dabei einerseits dazu eingeladen, die Moldau von Budweis(C.Budejovice) bis Melnik(Einmündung in die Elbe) schiffbar zu machen, andererseits dazu, die Moldau mit der Donau zu verbinden. Entweder durch die Errichtung eines „Kanals“ oder einer „Eisenbahn“.(18) Die offene Erwähnung der Eisenbahn-Variante war kein Zufall, hatte doch bereits 1808 Professor Franz Josef Ritter von Gerstner auf der Hauptversammlung der „Böhmisch-hydrotechnischen Privatgesellschaft“ in Prag für die Errichtung einer Donau-Budweiser-Eisenbahn plädiert. Damals war es jedoch nur um die Verbesserung des Salz-Transportes zwischen dem Salzkammergut und Böhmen gegangen. Gerstners revolutionärer Gedanke rief natürlich Irritationen hervor: Immerhin sprach er vor einer Gesellschaft, welche auf Wasserwege spezialisiert war und darüberhinaus war er von dieser ursprünglich nur beauftragt worden, eine günstige Kanal-Variante auszuarbeiten. Überhaupt erschien dem Publikum das „System Eisenbahn“ als viel zu neuartig. Somit verschwand Gerstners Konzept für ungefähr zwei Jahrzehnte in der Versenkung. Doch nun, sozusagen auf internationale Einladung hin, erinnerte sich der Staat an diesen alten Plan und wandte sich aufgrund des hohen Alters Professor Gerstners an dessen Sohn Franz Anton. Dieser war am Projekt sogleich in hohem Maße interessiert und begann es mit Hilfe privaten Kapitals umzusetzen. Aufgrund massiver Probleme während des Baus wurde es jedoch von Matthias Ritter von Schönerer vollendet. Gerstner sen. und Gerstner jun.: Die Urväter des österreichischen Eisenbahnwesens.
Aus: F.Aschauer, Oberösterreichs Eisenbahnen, Wels 1964, Fotobeilage. Die vollendete Bahn zwischen Urfahr bei Linz und Budweis stellte schließlich eine „Pferde-Eisenbahn“ dar, obwohl Gerstner jun. schon lange vor ihrer Fertigstellung von der betrieblichen Sinnhaftigkeit der Dampflokomotive überzeugt war und demzufolge massiv für deren Einführung plädierte. Schönerer vervollständigte das Projekt schließlich auf derart barbarische Weise, daß die Einführung des Dampfbetriebes zur Unmöglichkeit wurde. In Österreich wurden zwischen 1832 und 1838 insgesamt folgende Pferde-Eisenbahnen errichtet:(19) 1) Urfahr-Budweis(C.Budejovice) (1832). 2) Gmunden-Linz-Urfahr/Zizlau (1836). 3) Prag(Praha) - Klicava-Ufer (1838). Zu Zeiten der Gerstners war natürlich offiziell noch keine Rede von einem systematisch anzulegenden „Österreichischen Eisenbahnnetz“. Dennoch aber wußten wohl bereits sie, daß daran letzten Endes kein Weg vorbei führen würde. Das erste Konzept für ein „Österreichisches Eisenbahnnetz“ entwickelte Professor Franz X. Riepl bis zum Jahr 1836. Professor Franz X. Riepl(1790-1857):
Aus: Die ÖBB in Wort und Bild 10 (1972), 53. Ursprünglich plante er nur eine Linie von der Reichsgrenze bei Brody bis zum Adriahafen Triest. In der Folge stattete er dieses jedoch auch mit „Seitenlinien“ aus. Interessant ist, daß dieses Konzept eine Umfahrung des Semmering vorsah. Die „Brenner-Linie“ müßte jedoch - angesichts mangelnder Alternative - direkt über den Paß geführt werden. Das „Erste Konzept eines Österreichischen Eisenbahnnetzes“(Riepl 1836):
Copyright: Elmar Oberegger Interessant ist ebenfalls, daß in diesem Konzept offenbar der Donau-Verkehr noch eine große Rolle spielt. Anders ist es nämlich nicht zu erklären, daß Riepl ausgerechnet zwischen Wien und Passau - wo das Terrain eigentlich unproblematisch ist - keine Bahn vorsieht. Der Verkehr Linz-Salzburg sollte wohl weiterhin mit dem traditionellen Fuhrwerk abgewickelt werden. Bereits Riepls erster Eisenbahnplan wurde von der Wirtschaft nicht vollständig akzeptiert. Rothschild interessierte sich angesichts der nördlichen Rohstoffe(Kohle, Salz) nur für den Abschnitt Wien-Bochnia(bei Krakau), begann aber den Eisenbahnbau zu forcieren. Nach Riepls Studien in England war schließlich endgültig klar, daß die Zukunft im Dampfbetrieb liege. So beginnt im Jahre 1836 die Geschichte des schließlich glanzvollen Projektes der „Kaiser Ferdinands-Nordbahn“, der ersten Lokomotiv-Eisenbahn Österreichs.(20) Über diese Linie konnte schließlich per Fahrplan Kohle ins Zentrum des Staates transportiert werden - u.a. ein solider Grundstein für die Einführung eines allgemeinen Dampf-Eisenbahn-Systems. Wie den bisherigen Ausführungen zu entnehmen ist, fußte das österreichische Eisenbahnwesen anfangs auf privatem Kapital. Die einzelnen Projekte mußten jedoch vom Staat konzessioniert werden. Der Eisenbahnbau wurde also im Grunde nur als technisches Experiment unter staatlicher Ägide betrachtet. Doch im Jahre 1837 änderte sich die Lage: Damals stellte der Staat fest, daß nur er das Recht habe, Eisenbahnlinien zu errichten. Es sei allein die Frage, ob er von diesem Gebrauch machen wolle. Damit hatte also der Staat die politische Bedeutung des Eisenbahnsystems klar erkannt: In der Tat standen hinsichtlich der Erschließung des Staatsgebietes Kosten und Nutzen in einem relativ günstigen Verhältnis. Der Bahnbau auf privater Finanzbasis erwies sich jedoch alsbald als untauglich: Aufgrund des mangelhaften staatlichen Konzessions-Verfahrens kam es immer wieder zu negativen Überraschungen(v.a. Kostenüberschreitungen), welche die Stimmung der Anleger ins Wanken brachte. Am Ende machte sich Desinteresse breit und der Eisenbahnbau drohte völlig zu stagnieren. Vor diesem Hintergrund nahm der Staat die Eisenbahnfrage selbst in die Hand und entwarf im Jahre 1841 - durchaus auf Riepls Konzept rekurrierend - ein „Österreichisches Staats-Eisenbahnprogramm“. Dieses sah einerseits die Errichtung einer von der Nordbahn abzweigenden Linie in Richtung Prag und Bodenbach(Decin) vor, andererseits eine Wien-Triester Linie. Das Problem der „Zweigbahnen“ sollte auch weiterhin unter Heranziehung privater Investoren erledigt werden. 1842 wurde die „Generaldirektion der Staats-Eisenbahnen“ ins Leben gerufen. Noch im selben Jahr wurde mit dem Bahnbau begonnen, im Jahre 1857 waren schließlich alle geplanten Projekte vollendet. Von der Nordbahn ausgehend waren schließlich sogar zwei Linien(sowohl von Brünn als auch von Olmütz aus) in Richtung Prag errichtet worden. Durch den Bahnbau im Norden war Wien bereits im Jahr 1851 nahtlos mit dem Nordseehafen Hamburg verbunden. Der südliche „Semmering-Abschnitt“ - welcher nicht im Sinne Riepls war, jedoch aber von Ghega forciert wurde - zog die internationale Aufmerksamkeit auf sich. Schon während der Errichtung dieser Bahnen zeigte sich jedoch in zunehmendem Maße, daß das Projekt „Staats-Bahnen“ für den damaligen Haushalt letzten Endes zu kostspielig war. Am 14. September 1854 wurde deshalb das „Neue Konzessionsgesetz“ veröffentlicht, welches erneut - wenngleich unter klareren Bedingungen - die Instrumentalisierung privaten Kapitals vorsah. Die Staatsbahnen wurden schließlich relativ billig verkauft und in der Folge private Bahngesellschaften konzessioniert. Hierbei sind historisch zwei Typen zu unterscheiden: 1) Privatbahnen, welche zuvor Staatsbahnen erwarben und auf diesem Netz weiter aufbauten. 2) Privatbahnen, welche völlig neue Linien errichteten. Obwohl man mit dem Verkauf der Staatsbahnen bereits die Herrschaft über den Tarif preisgegeben hatte, so achtete man hinsichtlich der Vermeidung einer völligen Tarif-Konfusion darauf, daß möglichst große, d.h. linienmäßig weitläufige Eisenbahngesellschaften entstehen. Finanztechnisch ist interessant, daß man neue Bahngesellschaften in hohem Maße unterstützte. So wurde z.B. eine Vielzahl von „Krediten“ gegeben, welche das Staatsbudget insofern nicht belasteten, als es sich hierbei ja um keine „Geld-Ausgabe“ handelte. Folgende Privatbahnen waren für Österreich von besonderer Bedeutung:(21) 1) Staatsbahn-Gesellschaft: Bestandteil war u.a. die wichtige Staatsbahn-Linie Bodenbach(Decin)-Prag-Brünn/Olmütz (konzessioniert 1855). 2) Kaiserin Elisabethbahn-Gesellschaft(konzessioniert 1856). 3) Galizische Carl Ludwigbahn-Gesellschaft(1857 konzessioniert). 4) Südbahn-Gesellschaft: Bestandteil war u.a. die wichtige Staatsbahn-Linie Wien-Semmering-Triest (konzessioniert 1858). 5) Lemberg-Czernowitz-Eisenbahngesellschaft(1864 konzessioniert). 6) Kaiser Franz Josephbahn-Gesellschaft(konzessioniert 1866). 7) Kronprinz Rudolfbahn-Gesellschaft(konzessioniert 1866). 8) Vorarlbergerbahn-Gesellschaft(konzessioniert 1869). Mit diesem „Privatbahn-Konzept“ sorgte der Staat vor allem dafür, daß überhaupt neue, wichtige Eisenbahnlinien errichtet wurden, welche ihm zukünftig von Nutzen sein würden. Es war in dieser Hinsicht durchaus fruchtbar: Zwischen 1867 und 1869 war das größte Netz-Wachstum(6.810 Bahn-Kilometer) zu verzeichnen(s.o.). Nach dem „Ausgleich“ von 1867 schlug Ungarn jedoch einen neuen politischen Weg ein. Auch in der Eisenbahnfrage.(22) Im Jahre 1866 hatte Handelsminister Bernhard von Wüllerstorf-Urbair ein Memorandum mit dem Titel „Ein Eisenbahnnetz für die österreichische Monarchie“ vorgelegt, welches die Notwendigkeit staatstragender Linien unterstrich. Diese bezeichnet er mit „Reichsbahnen“ und umreißt deren Funktion wie folgt: „Als Reichsbahnen bezeichne ich diejenigen, welche die Reichshauptstadt mit den äußersten Grenzen oder Grenzpuncten des Reiches in directe Verbindung setzen, welche internationale Wichtigkeit haben und dem großen Weltverkehre eben so wie politischen und militärischen Interessen dienen“. Das „Reichsbahn-Konzept“(Wüllerstorf-Urbair 1866):
Nach der Kartenbeilage des Aufsatzes: B.v.Wüllerstorf-Urbair, Ein Eisenbahnnetz für die österreichische Monarchie, in: Österreichische Revue 1866, S. 22 ff. Diese Karte zeigt sowohl die fertiggestellten, als auch die i.Bau befindlichen, konzessionierten und geplanten Bahnen, denen nach Wüllerstorf-Urbair die Funktion einer „Reichs-Bahn“ zufällt. Interessant ist, daß er im Zusammenhang mit der Frage des „Welt-„ bzw. „Transitverkehrs“(s.o.) - welchen er mit Recht als große wirtschaftliche Chance betrachtet - das Problem der insgesamten Rückständigkeit Österreichs schonungslos anspricht. Dazu folgende Ausführungen: Die Reichsbahnen „... werden trotz ihrer Ausdehnung, trotz der Kosten, welche sie verursachen, sich schon durch den gewaltigen Transitoverkehr verwerthen, während der locale Verkehr unseres Landes bei großen Bahnen nur in seltenen Fällen eine genügende Rentabilität auszuweisen vermag. In der That ist unsere Ausfuhr und die Thätigkeit in der Hervorbringung von Werthen noch nicht so mächtig, um großen Eisenbahnen ausgiebige und fortgesetzte Arbeit zu verschaffen. Die Einfuhr aber ist selbst in den productenreichsten Ländern der Monarchie eine so geringfügige, daß sie in keinem Falle der Betriebsmittel bedarf, welche für die Ausfuhr von Bodenproducten benöthigt werden und auf Kosten dieser letzteren zurückgeschafft werden müssen“(23). Karl Marx hatte übrigens 1857 in der „New York Daily Tribune“ geschrieben: „Man werfe nur einen Blick auf die ökonomische Lage des Österreichischen Reiches, auf die ungenügende Entwicklung der inländischen Verkehrswege, auf den großen Teil seiner Bevölkerung, der sich noch in Schafspelze kleidet und keinerlei höhere Bedürfnisse kennt“(24). Wüllerstorf-Urbair kommt vor allem das historische Verdienst zu, das Problem des „Österreichischen Eisenbahnnetzes“ erstmals streng analytisch betrachtet zu haben. Bernhard von Wüllerstorf-Urbair(1816-1883) - Stolzer Seemann und von 1865 bis 1867 österreichischer Handelsminister:
Aus: F.Wallisch, Sein Schiff hieß Novara, Wien/München 1966, 4. Mit der Fregatte „Novara“ umrundete er zwischen 1857 und 1859 von Triest aus die Welt. So kennt er neben den „Reichsbahnen“ auch die „Länderbahnen“, welche er wie folgt beschreibt: „Ist das Hauptnetz durch Feststellung der Reichsbahnen bestimmt, so mag es den einzelnen Königreichen und Ländern überlassen bleiben, im Wege ihrer Landtage oder sonstigen gesetzlichen Behörden die Landesbahnen in Antrag und Ausführung zu bringen, um die bedeutendsten Productionscentren mit den wichtigsten Absatzorten zu vereinigen und dadurch das Hauptnetz zu vervollständigen“(Hervorhebungen i.Orig.sperrig). Zum Problem „Vicinal- oder Nebenbahnen“ stellt er fest: „Was die Zweig- oder Nebenbahnen anbelangt, welche den Zweck haben, die verschiedenen Productionsorte der Monarchie mit den Reichs- und Länderbahnen zu verbinden, so können diese, schon ihrer Natur nach, in kein besonderes System gebracht werden“(25). Die im Jahr 1873 ausgebrochene Wirtschaftskrise zeigte dem Staat erstmals klar und deutlich, wie fragil das „Privatbahn-System“ doch war. Er mußte mit Notstandsbauten eingreifen. Aber erst als manche Privatbahnen nur noch Verluste machten, entschloß er sich schließlich dazu, das Ruder wieder selbst in die Hand zu nehmen. Damit wurden die einst gegebenen „Kredite“(s.o.) letzten Endes zu „Staats-Ausgaben“. Die Erkenntnis, daß nicht das jeweilige „Betriebsergebnis“, sondern vielmehr die „Herrschaft über den Tarif“ von volkswirtschaftlicher Bedeutung sei, begann sich massiv durchzusetzen. Überhaupt zeigte sich, daß für wichtige, jedoch teure Bahnprojekte gar kein privater Investor zu finden war. Somit mußte der Staat die „Arlberg-Bahn“ selbst errichten. Im Jahre 1880 wurden die entsprechenden Mittel bewilligt. In den 1880er Jahren gingen viele private Bahngesellschaften in den Besitz des Staates über. Auch die Errichtung der „Neuen Alpenbahnen“(Tauern-, Pyhrn-, Karawanken-, Wocheiner- und Karstbahn) - deren Funktion in der Hebung von Triest bestand - mußte der Staat schließlich selbst übernehmen(1900-1909). Die Verstaatlichungsaktion ging unterdessen weiter. Einen besonderen „Schatz“ stellte die ertragreiche Kaiser Ferdinands-Nordbahn dar. Folgende Bahnen blieben von der Verstaatlichung unberührt: 1) Südbahn-Gesellschaft. 2) Kaschau-Oderberger-Bahngesellschaft. 3) Buschtiehrader-Eisenbahngesellschaft. 4) Aussig-Teplitzer-Eisenbahngesellschaft. Der „Lokalbahn-Sektor“(s. dazu die obigen Ausführungen von Wüllerstorf-Urbair) wurde erst ab dem Jahr 1880(s. Reichsgesetzblatt 56) systematisch geregelt. Als „Erste Lokalbahn Österreichs“ wäre die ursprünglich mit Pferden, jedoch seit 1855 mit Dampf betriebene und 1903 auf Normalspur umgebaute „Gmundener-Bahn“(Lambach-Engelhof-Gmunden) zu betrachten.(26) Hervorzuheben ist allerdings, daß diese nicht als „Lokal-Bahn“, sondern vielmehr als „Transit-Bahn“(Relation Budweis-Linz-Gmunden) errichtet wurde. Nach der Herstellung der Linie Wien-Linz-Salzburg(Kaiserin-Elisabethbahn-Gesellschaft) im Jahre 1860 fiel ihr jedoch in der Tat eine Funktion zu, welche später mit „lokalbahnmäßig“ bezeichnet wurde. Somit kann die Gmundener-Bahn nur für sich in Anspruch nehmen, in historischer Hinsicht die „Erste Lokalbahn Österreichs“ darzustellen. In juristischer Hinsicht, d.h. vor dem Hintergrund des Gesetzes von 1880(s.o.) stellt jedoch die von vorne herein normalspurig angelegte „Kremstal-Bahn“(Linz-Kremsmünster, später bis Klaus) „die erste Lokalbahn in Oesterreich“(27) dar. In der Folge wurde auch die Anlage von Lokalbahnen in der „76cm-Spur“, gestattet(Steyrtal-Bahn, Salzkammergut-Lokalbahn u.a.), auf welcher das Eisenbahnwesen in Bosnien-Herzegowina damals zum größten Teil fußte.(28) Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurden viele österreichische 76cm-Lokomotiven nach Bosnien-Herzegowina berufen. Einige kehrten nie wieder zurück.
Anmerkungen: 1) Vgl. zum folgenden Beitrag „Geschichte der Eisenbahnen der österreichisch-ungarischen Monarchie“(Red. Hermann STRACH). 6 Bde. - Wien u.a. 1898 ff.; Art. „Österreichische Eisenbahnen“. In: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Hrsg. v. Victor RÖLL. -Berlin/Wien 1912 ff.; Peter STAUDACHER: Die österreichischen Eisenbahnen 1918-1938. Problemgeschichte eines Transportsystems. In: Bewegung und Beharrung. v. Georg SCHMID u.a. Wien u.a. 1994, S. 16 ff.; Jahrbuch Europäische Eisenbahnen(Richard LATTEN); Angela GFRERER: Das Image der ÖBB und dessen Entwicklung seit 1978. -Wien 2000. 2) Zu den wichtigsten Elektrifizierungs-Daten s. Günther WINKLER: 100 Jahre elektrische Eisenbahnen in Österreich. in: ÖBB-Journal 7 (1980), S. 2 ff. Hier: S. 9 f. 3) Vgl. zur Vorgeschichte der „Rosenheimer Schleife“ die Beiträge in: ÖBB-Journal 7 (1978), S. 16.; Ebendort 4 (1979), S. 27.; Ebendort 6 (1979), S. 28 f.; Ebendort 10 (1980), S. 21. 4) Vgl. dazu den Art. „Verbindungsschleife Marchtrenk-Traun“ dieser Enzyklopädie. 5) So der bekannte oö. Heimatforscher Hans HAMETNER(Steyregg). Siehe dazu Elmar OBEREGGER: Der Eiserne Weg nach Böhmen. Von der Pferde-Eisenbahn zur Summerauer-Bahn. In: Mit Kohle und Dampf. Red. Julius STIEBER. -Linz 2006(Ausstellungskatalog), S. 247 ff. Hier: S. 256. 6) Dr. Heinrich ÜBLEIS. In: NAT. Neuer Austrotakt. Ein Fahrplan verändert Österreich. -Wien 1990, S. 3. 7) Univ.Prof. Dr. Gerhart BRUCKMANN. In: ÖBB-Journal 6 (1976), S. 51. 8) Vgl. dazu den Art. „Österreichische Dalmatien-Verbindungen“ dieser Enzyklopädie. 9) Vgl. dazu den Art. „Bosnisch-herzegowinische Eisenbahnen“ dieser Enzyklopädie. 10) Vgl. zum Thema „Die österreichischen Eisenbahnen im Ersten Weltkrieg“ die detailreiche und faszinierende Studie von Bruno ENDERES: Die österreichischen Eisenbahnen. -Wien/New Haven 1931(Verkehrswesen im Kriege). 11) Die österreichische Eisenbahn 1837-1937. Gedenkblätter zur Hundertjahrfeier der Eröffnung der ersten österreichischen Dampfeisenbahn. -Wien 1937, S. 64. 12) Vgl. zum Hafen-Ausbau bzw. zur allgemeinen Geschichte des Hafens Triest den Art. „Eisenbahnhafen Triest“ dieser Enzyklopädie. 13) Die Friedensbedingungen von St. Germain. -Wien 1919, Kap. V, Art.35/36 bzw. S. 143. 14) Vgl. Drago MATKOVIC: Entwicklung und Probleme der Hafenstadt Triest. In: Der Donauraum 6 (1961), S. 269 ff. Hier: 270 f. 15) Vgl. dazu den Art. „Lavanttal-Bahn“ dieser Enzyklopädie. 16) Vgl. Günther WINKLER: 100 Jahre elektrische Eisenbahnen in Österreich. In: ÖBB-Journal 7 (1980, S. 2 ff. Hier: S. 9. 17) ÖBB. Nachrichtenblatt der Generaldirektion der Österreichischen Bundesbahnen 4 (1959), S. 51. 18) Vgl. zu diesem Problem OBEREGGER, Eiserner Weg a.a.O. 19) Vgl. dazu den Art. „Österreichische Pferdeeisenbahnen“ dieser Enzyklopädie. 20) Siehe dazu den Art. „Kaiser Ferdinands-Nordbahn“ dieser Enzyklopädie. 21) Siehe dazu die entsprechenden Art. in dieser Enzyklopädie bzw. in der Eisenbahn-Enzyklopädie des Victor RÖLL. 22) Siehe dazu den Art. „Ungarische Eisenbahnen“ dieser Enzyklopädie. 23) Bernhard von WÜLLERSTORF-URBAIR: Ein Eisenbahnnetz für die österreichische Monarchie. In: Österreichische Revue 1866, S. 22 ff. Hier: S. 25. 24) Karl MARX: Der Seehandel Österreichs. In: MEW 12, S. 83 ff. Hier: S. 87. Originaltext englisch(s. New York Daily Tribune 4906/1857). 25) WÜLLERSTORF-URBAIR a.a.O., S. 26, 32 f. 26) Siehe dazu den entsprechenden Art. in dieser Enzyklopädie. 27) Paul TÜRK: Die Geschichte der Kremstalbahn von der Gründung bis zur Verstaatlichung. 1880-1906. -Linz 1906, S. 3. Hervorhebung im Original sperrig. Vgl. dazu auch Elmar OBEREGGER: Zur Geschichte der ersten Lokalbahn Österreichs-Die Kremstalbahn von 1880 bis 1906. In: oö.Heimatblätter 52 (1998), S. 316 ff. Man muß jedoch darauf hinweisen, daß diese Bahn nicht die erste Konzession gemäß des Gesetzes von 1880 erlangte. Als erste Linie wurde Hullein-Kremsier(6,1 km) konzessioniert. Das Projekt Linz-Kremsmünster wurde jedoch früher umgesetzt. Vgl. dazu P.F. KUPKA: Das Localbahnwesen in Oesterreich. In: GDÖU I/1, S. 467 ff. Hier bes.: S. 510.; Vgl. zum Problem „Lokalbahnen“(Österreich und allgemein) den Art. „Lokalbahnen“. In: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Hrsg. v. Victor RÖLL. -Berlin/Wien 1912 ff.; ferners Emil SAX: Die Eisenbahnen. -Wien 1879(Die Verkehrsmittel in Volks- und Staatswirthschaft 2). 28) Die „76cm-Spur“ war für Bosnien-Herzegowina übrigens noch bis zum Ende der 1970er Jahre von Bedeutung. Siehe dazu den Art. Bosnisch-herzegowinische Eisenbahnen dieser Enzyklopädie.
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