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>> KAISER FERDINANDS-NORDBAHN. |
I: Vorbemerkungen. Die im Jahr 1836 gegründete „k.k.priv. Kaiser Ferdinands-Nordbahngesellschaft“ ist vor allem deshalb historisch bedeutend, weil aufgrund ihrer Initiative die erste Lokomotiv-Bahn Österreichs zustande kam. Das Unternehmen war höchst erfolgreich und brachte es über die Jahrzehnte auf ein stattliches Netz. Im Jahr 1840 wurden noch 29.917 Tonnen Güter transportiert, im Jahr 1880 bereits 4,800.758 Tonnen und 1905 17,033.171 Tonnen. Besonders der Kohlentransport spielte eine bedeutende Rolle. Die Zahl der beförderten Personen stieg von 190.642(1838) auf 13,822.065(1905). Im Jahr 1906 erfolgte die Verstaatlichung. Das Netz zur Zeit der Verstaatlichung im Jahre 1906(ohne Lokalbahnen):
Copyright: Elmar Oberegger Die zweigleisige Strecke Wien-Krakau(Krakow) stellt die Hauptlinie des Netzes dar. Angesichts der relativ unproblematischen Geländeverhältnisse konnte sie zu 78% in der Geraden angelegt werden. Die größte Steigung beträgt nur 6,6 Promill. Von besonderer Wichtigkeit für die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs waren die von der Hauptlinie abzweigenden Bahnen nach Brünn(Brno) und Olmütz(Olomouc). Von dort aus verlaufen zwei (vom Staat errichtete) Linien, welche sich in Prag(Praha) treffen. Von Prag aus führt der Schienenweg sodann in Richtung Nordseehafen Hamburg. Die Verbindung Wien-Hamburg konnte übrigens bis 1851 hergestellt werden.
II: Der lange Weg bis zur Konzessionserteilung (1829-1836). Die Grundlage für die Kaiser Ferdinands-Nordbahn bildete die große Idee von Professor Franz X. Riepl(1790-1857), eine Eisenbahn von Brody bis nach Triest zu errichten. Ende 1829 legte er seinen Plan der Öffentlichkeit vor. Professor Riepls Eisenbahnplan(1829):
Copyright: Elmar Oberegger Für die Abwicklung des Ost-West-Verkehrs stand vorerst die Donau zur Verfügung. Salomon Freiherr von Rothschild - der Leiter des mächtigen Wiener Bankhauses - brachte diesem Konzept größtes Interesse entgegen, stellte jedoch klar, daß vorerst nur die Errichtung der Nordlinie wirtschaftlich sinnvoll sei. Umgehend ging er daran, dieses Projekt materiell zu unterstützen. Im Jahr 1830 schickte er Riepl zur Durchführung technischer Studien nach England. Dort gelangte dieser schließlich zur Überzeugung, daß die neue Bahn als „Lokomotiv-Bahn“ errichtet werden müsse. Historisch ist darauf hinzuweisen, daß Franz Anton Ritter von Gerstner(1796-1840) - der „Vater“ der Pferde-Eisenbahn Linz-Budweis - schon viel früher die Sinnhaftigkeit dieser Traktionstechnik eingesehen hatte, sich jedoch nicht durchsetzen konnte. Trotz Riepls positiver Berichte kam die Realisierung des Nordbahn-Projektes aufgrund der ungünstigen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Zeit nicht in Schwung. Noch immer gab es mächtige Kreise, welche dem Fortschritt höchst negativ gegenüberstanden. Es kam schließlich zu einer Beschneidung des ehrgeizigen Projektes Wien-Brody. In der Folge stand nur noch die Linie Wien-Bochnia(bei Krakau) zur Diskussion. Im Jahr 1834 wurde von den Befürwortern des Bahnbaus ein Memorandum herausgegeben, in welchem u.a. die Frage des Güterverkehrs in der Relation Wien-Bochnia genau analysiert wurde. Zunächst stellte man die aktuellen Frachtmengen dar. Im Anschluß daran wurden Hypothesen darüber geäußert, in welchem Maße sich diese nach dem Bau einer Eisenbahn erhöhen würden. In technischer Hinsicht setzte sich Riepls Überzeugung, daß der Lokomotivbetrieb eingeführt werden müsse, alsbald allgemein durch. Auch ein gewisser Matthias von Schönerer sprach sich nach der Begutachtung der Linie Wien-Bochnia voll Überzeugung für die neue Technik aus. Derselbe Schönerer war es gewesen, welcher einst an der Errichtung der Bahn Linz-Budweis beteiligt war und den Plan seines weitblickenden Vorgesetzten Gerstner, diese Linie auf die Einführung des Dampfbetriebes auszurichten, stets nur belächelt hat. Als er sodann seinem Herrn das Projekt abgerungen hatte, vervollständigte er es(Lest-Linz) auf geradezu barbarische Weise: Es waren die Steigungs- und Krümmungsverhältnisse des „Schönerer-Abschnitts“, welche die Einführung des fortschrittlichen Lokomotiv-Betriebes unmöglich gemacht haben. Am 15. April 1835 suchte das Bankhaus Rothschild offiziell um die Erteilung der Konzession an. Die Errichtung folgender Linien wurde angestrebt: 1) Wien-Bochnia(Hauptstrang). 2) Vom Hauptstrang abzweigende Bahnen nach Brünn, Olmütz und Troppau(Opava); ferner zu den Salzmagazinen in Dwory, Wieliczka und bei Bochnia. Erst am 4. März 1836 wurde die Konzession erteilt, allerdings nur für die Dauer von 50 Jahren. Sollte sich das Projekt bewähren, könne diese Frist verlängert werden. Der Staat behielt sich das Recht auf Enteignung vor. Am 9. April desselben Jahres wurde dem Unternehmen gestattet, den Namen „Kaiser Ferdinands-Nordbahn“ zu tragen.
III: Zur Entfaltung des Netzes (1836-1892). Die Kosten für die Errichtung der Hauptlinie wurden mit 11,36 Mio.fl.K.-M. veranschlagt und die entsprechenden Aktien ausgegeben. Das Bankhaus Rothschild versicherte, das Unternehmen möglichst gemeinnützig zu gestalten. 8000 Aktien waren auf das ehrenwerte Haus angemeldet, die restlichen 4000 waren der Zeichnung durch Privatpersonen vorbehalten. Die Subskription war ein voller Erfolg. Trotzdem machte sich noch im Laufe des Jahres 1836 ein massiver Umschwung in der öffentlichen Meinung breit. Schließlich hatten wieder die Zweifler die Oberhand. Kurzzeitig sah es sogar so aus, als ob das Bankhaus Rothschild den Eisenbahnbau in Eigenregie durchführen müsse. Doch letzten Endes setzten sich die Befürworter des Bahnbaus durch. Nach Vorarbeiten, im Zuge derer sogar Stephenson in England konsultiert wurde, wurde der Bau Ende 1836 begonnen. Doch diese Vorarbeiten wurden nicht gründlich genug erledigt, um einen problemlosen Bahnbau zu ermöglichen. So setzte z.B. Karl Ritter von Ghega kurzfristig die Verwendung von „Stuhlschienen“ durch, welche man größtenteils aus England teuer importieren mußte. Weitere ungünstige bzw. zuvor nicht einkalkulierte Faktoren(hohe Grundeinlösungskosten, Verteuerung des Brennstoffs u.a.) führten schließlich dazu, daß die Gesellschaft im Jahr 1840 ihr erstes Darlehen aufnehmen mußte. Die Lokomotiven wurden aus England importiert. Betrieben und betreut wurden diese zunächst von englischem Fachpersonal, welches allerdings die Aufgabe hatte, einheimische Mechaniker ins neue technische Feld einzuführen. Am 19. November des Jahres 1837 wurde zwischen Wien-Floridsdorf und Deutsch-Wagram die erste Probefahrt durchgeführt. Die erste Lokomotiv-Fahrt in Österreich(19. November 1837):
Detail aus: GDÖU I/1, 149. Trotz finanzieller Probleme, welche jedoch im Jahr 1844 dauerhaft beseitigt werden konnten, kam es zu einer kontinuierlichen Entfaltung des Netzes. Schließlich wurden sogar bereits bestehende Bahnlinien aufgekauft. Ihren einst projektierten Endpunkt Bochnia soll die Ferdinands-Nordbahn übrigens nie erreichen. Bereits im Jahr 1853 war sie aufgrund verkehrspolitischer Überlegungen vom Staat von dieser Aufgabe befreit worden. Im Zusammenhang mit der Entfaltung des Netzes ist zu erwähnen, daß die Gesellschaft für die Errichtung der Linien Brünn-Sternberg(Sternberk)/Prerau(Prerov) eine eigene Gesellschaft gründen mußte, welche den Namen „Mährisch-schlesische Nordbahn“ erhielt. 1869/70 erfolgte die Eröffnung der neuen Bahnen. Da im Jahr 1886 die Konzession auslief, bemühte man sich bereits 1883 um deren Verlängerung. Ursprünglich hatte es geheißen, daß im Falle einer positiven Entwicklung des Nordbahn-Projektes einer solchen Verlängerung nichts im Wege stehe. Die Zahlen sprachen für sich: Zwischen 1838 und 1880 steigerte sich die Einnahme aus dem Transportverkehr von 159.050 auf 51,378.490 Kronen. Zwischen 1840 und 1880 war im Bereich des Güterverkehrs eine Steigerung von 29.917 auf 4,800.758 Tonnen zu verzeichnen. Die Anzahl der beförderten Personen stieg im selben Zeitraum von 190.642 auf 2,383.851. Dazu kam eine in der Tat beachtliche Entfaltung des Netzes. Ferner war die Gesellschaft ständig bemüht, Fahrpark und Betriebstechnik technisch auf aktuellem Stand zu halten. Der Wiener Nord-Bahnhof um 1875:
Privatarchiv Gerti Bartke, Deutsch-Wagram. Dennoch wurde die Frage der Verlängerung der Konzession kontrovers diskutiert. Eine Lösung kam schließlich nicht zustande. Somit wurde in der Folge eine neue, bis zum Jahr 1940 gültige Konzession erteilt. Neben dem bereits bestehenden Netz betraf diese aber auch neu zu errichtende Bahnen. Ferner mußte sich die Gesellschaft dazu verpflichten, eine Reihe von Lokalbahnen herzustellen. Der Staat sicherte sich u.a. das Recht, die Gesellschaft ab dem 1. Januar 1904 einzulösen. Bis zum Jahr 1892 wurden alle Lokalbahnen eröffnet, zu deren Bau die Gesellschaft verpflichtet worden war. Damit endet der Prozeß der Entfaltung des Netzes.
IV: Von der Verstaatlichung im Jahr 1906 bis heute. Im Jahr 1906(Gesetz vom 31. Oktober) wurde die Kaiser Ferdinands-Nordbahn verstaatlicht. Um die Gesellschaft entsprechend zu entschädigen, verpflichtete sich der Staat, für das Hauptnetz eine bis Ende 1940 laufende Jahresrente von 30,537.000 Kronen zu bezahlen. Hinsichtlich der Lokalbahnen wurde eine Sonderregelung getroffen. Ferner übernahm der Staat die Begleichung noch ausstehender Schulden. Ein Teil des Privatbesitzes der Gesellschaft wurde übrigens nicht angetastet. Mit der Erwerbung der Kaiser Ferdinands-Nordbahn hatte der Staat - trotz aller Zugeständnisse - in der Tat einen Schatz an sich gebracht, welcher von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung war. Doch im Jahr 1914 brach der Erste Weltkrieg aus, welcher verlorenging. Nach 1918 ging das Nordbahn-Netz zum größten Teil auf die Tschecho-Slowakei und Polen über. Der in Österreich verbliebene Teil des Hauptstranges wurde im Bereich Wien-Nord - Gänserndorf bis 1962 elektrifiziert. Im Jahr 1978 wurde auch auf der restlichen Strecke bis zur Staatsgrenze der elektrische Betrieb eingeführt. Die Linie Wien-Nord - Gänserndorf - Staatsgrenze bei Bernhardsthal war und ist vor allem für den Güterverkehr von Bedeutung. Während in der Zeit des „Kalten Krieges“ vor allem Massengüter(v.a. Kohle) transportiert wurden, so werden in heutiger Zeit auch Industrieprodukte(v.a. Autos) befördert. Seit 1989 erfuhr der internationale Personenverkehr eine bedeutende Steigerung.
Quellen: Art. „Kaiser Ferdinands-Nordbahn“. In: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Hrsg. v. Victor RÖLL. -Berlin/Wien 1912 ff. Geschichte der Eisenbahnen der österreichisch-ungarischen Monarchie. -Bde. I-VI. -Wien u.a. 1898 ff. HORN Alfred: Die Kaiser Ferdinands-Nordbahn. -Wien 1971. Int.Eisenbahnarchiv L.K. Pernegger WEGENSTEIN Peter: Die Nordbahnstrecke. -Wien 1986(Bahn im Bild 51).
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