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>> EISENBAHNHAFEN PLOCE.

 

Blickt man etwa auf die entsprechende Kartenbeilage des Dalmatien-Reiseführers auf den k.k. Staatsbahnen(1911), so fällt auf, daß im Gebiet der Neretva-Mündung zwar der Hafenort Metkovic eingezeichnet ist, nicht aber Ploce.(1) Auch im Zuge der Beschreibung der Schiffsfahrt Split-Metkovic wird jener Ort, der heute eine stolze Hafenstadt darstellt, mit keiner Silbe erwähnt:

„... dann wird der Kurs östl. genommen, gegen die große Lücke im dalmatinischen Küstengebirgswall, durch welche die Narenta(= Neretva, Anm. d. Verf.) dem Meere zuströmt. Indem das Schiff in sie einbiegt, kommt es aus der blauen Adria in ein braunes Gewässer, in ein Gebiet von zur Austrocknung bestimmten Lagunen oder Strandseen und alsbald zwischen die Steindämme, welche seit der 1888 durchgeführten Narantaregulierung das Flußgerinne von den Küstenseen scheiden. Es folgt nun eine interessante Fahrt flußauf durch die Narentaniederung ...„(2).

In der Folge wurde die Endstation Metkovic erreicht.

Der Neretva-Hafen Metkovic in der alten Zeit:

Aus: Illustrierter Führer auf den kais.königl. Österr. Staatsbahnen für die Strecken: Dalmatien, Wien 1911(Int.Eisenbahnarchiv L.K. Pernegger), 77.

Diese Ausführungen zeigen auch, daß es schon früh Bestrebungen gab, im Delta der Neretva Neuland zu gewinnen. Dazu schreibt der Autor an anderer Stelle weiters: „Übrigens schreitet die Entsumpfung der Narentaniederung immer weiter vor und je mehr fruchtbarer Boden gewonnen wird, desto mehr nimmt auch die hier noch herrschende Malaria ab“(3).

Ursprünglich war also Metkovic der wichtigste Hafen der Region. Nach seiner eisenbahnmäßigen Erschließung stellte er kurzzeitig sogar den einzigen Hafen von Bosnien-Herzegowina dar. Doch da dessen damalige Kapazität sehr gering war, erfüllte später Dubrovnik-Gruz diese Funktion.(4)

Ob Österreich den Plan verfolgte, direkt an der Mündung der Neretva einen neuen, leistungsfähigen Hafen zu errichten, ist ungewiß. Fest steht nur, daß man in diesem Gebiet danach trachtete, Neuland zu gewinnen(s.o.). Ferner bestand der Plan, eine normalspurige Eisenbahnverbindung Banja Luka-Jajce-Mostar herzustellen.(5) Somit wäre die Anbindung eines neuen Adriahafens im Neretva-Gebiet an das Netz der Monarchie kein größeres Problem gewesen.

Die geplante Normalspur-Linie Banja Luka-Mostar und ihr nördliches Ausfallstor:

Copyright: Elmar Oberegger

Die Gründung des Hafens Ploce wurde aber erst in jugoslawischer Zeit, nämlich 1936, offiziell beschlossen.(6) Daß es sich hierbei um ein Aufbauwerk von größter Bedeutung handelte, fand seinen Ausdruck vor allem darin, daß der Ort schon vorher in „Aleksandrovo“ umbenannt worden war, zum Gedenken an den 1934 ermordeten König.

Die Eisenbahn-Hafen-Struktur des ersten jugoslawischen Staates unterschied sich erheblich von jener Tito-Jugoslawiens:

Für den westlichen Landesteil stand zunächst nur Rijeka-Susak zur Verfügung, seit Fertigstellung der Lika-Bahn im Jahre 1925 auch Sibenik und Split.(7) Koper befand sich noch unter italienischer Herrschaft.

Für den Osten und die Hauptstadt stand nach der Herstellung der Linien Lajkovac-Cacak(1922) und Uzice-Vardiste(1925) die Schmalspur-Verbindung(76 cm) Beograd - Lajkovac - Cacak - Vardiste - Sarajevo - Dubrovnik-Gruz zur Verfügung.(8)

Das Problem war aber, daß diese in der Relation Mostar-Adriaküste einen bedeutenden Umweg beschrieb, d.h. sie bog in der Gegend von Metkovic nach Südosten ab und erreichte erst nach langer Fahrt das Meer. Ferner wies die Bahn besonders im Bereich von Dubrovnik-Gruz ungünstige Steigungsverhältnisse auf. Dazu kam, daß die Kapazität des Gruzer Hafens - obwohl größer als jene Metkovics - beschränkt war.

Jugoslawien I: Die wichtigsten Städte und ihre Eisenbahn-Zugänge zum Meer.

Copyright: Elmar Oberegger

Angesichts dessen erschien es als günstig, die vorhandene Eisenbahnlinie von Metkovic bis nach Ploce(Aleksandrovo) zu verlängern und ebendort einen neuen Hafen zu errichten. Im Jahr 1937 begann der Bahnbau, wenige Zeit später der Hafenbau.

Besonders Italien hatte großes Interesse an diesem neuen, leistungsfähigen Hafen, war es doch Hauptabnehmer der jugoslawischen Exporte.(9) Deutschland erkannte nach der Machtergreifung Hitlers im „Donau-Balkan-Raum“ eine der „Rohstoff- und Ernährungsbasen“ für einen zukünftig zu führenden Krieg. Während jedoch die Transporte nach Deutschland mit der Eisenbahn erfolgen konnten, so war für Italien der Weg über die Adria günstiger. Daß die Halbinsel Peljesac dem neuen Hafen den direkten Weg nach Süden bzw. Südosten versperren würde, spielte vor diesem Hintergrund keine Rolle.

Die Halbinsel Peljesac und der Hafen Ploce:

Copyright: Elmar Oberegger

Somit waren es die Italiener, welche nach der Besetzung Jugoslawiens sowohl den Eisenbahn- als auch den Hafenbau forcierten. Bis 1942 konnte die Linie Metkovic-Ploce fertiggestellt werden, auch der Hafen war zu diesem Zeitpunkt bereits partiell funktionsfähig. Durch alliierte Bombardements wurde das Erreichte jedoch zum Teil wieder zerstört.

Unter Tito entschloß man sich dazu, an die in Ploce bereits vorhandenen Strukturen anzuknüpfen. Zweifellos war der Hafenplatz insofern ungünstig, als die Halbinsel Peljesac den Weg nach Süden versperrte, doch dieser Umstand darf nicht überbewertet werden.

Ebenfalls unter Tito wurde die Eisenbahn Sarajevo-Metkovic-Ploce auf Normalspur umgestellt(1966) und anschließend elektrifiziert(1969). Damit war Ploce ein moderner Eisenbahnhafen geworden, dessen Entfaltung weiterging. Metkovic wurde ausgebaut und 1981 integriert.

Im Jahre 1979 wurde Ploce zum Gedenken an den verstorbenen slowenischen Titoisten Edvard Kardelj in „Kardeljevo“ umbenannt. Diese Bezeichnung hielt sich bis zum Zusammenbruch des Kommunismus.

Der Eisenbahnhafen Ploce hat unter dem jugoslawischen Bürgerkrieg schwer gelitten. Doch in den letzten Jahren geht es wieder aufwärts. Sein Hinterland reicht schon wieder bis in die Gegend von Bratislava hinauf. Die weitere Zukunft hängt natürlich von der politischen und ökonomischen Entwicklung der Republik Bosnien-Herzegowina ab: Denn dort verläuft größtenteils jene Eisenbahnlinie, welche ihn mit der Welt verbindet.

 

Anmerkungen:

1. Illustrierter Führer auf den kais.königl. Österr. Staatsbahnen für die Strecken: Dalmatien. -Wien 1911.(Int.Eisenbahnarchiv L.K. Pernegger) Auch andere ältere Eisenbahn- bzw. Landkarten kennen diesen Ort noch nicht.

2. Illustrierter Führer a.a.O., S. 78.

3. Illustrierter Führer a.a.O., S. 79.

4. Vgl. Art. „Bosnisch-hercegovinische Eisenbahnen“. In: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Hrsg. v. Victor RÖLL. -Berlin/Wien(2) 1912 ff., S. 463 ff. Hier: S. 464 f.

5. Vgl. Art. „Bosnisch-hercegovinische Eisenbahnen“ a.a.O., S. 468.

6. Vgl. zu Aufbau und Strukturen des Eisenbahnhafens Ploce: Int.Eisenbahnarchiv L.K. Pernegger.

7. Vgl. Knaurs Weltatlas. Hrsg. v. Johannes RIEDEL. -Leipzig 1928, S. 117.

8. Vgl. Jezdimir NIKOLIC: Istoria Zeleznica Srbie, Vojvodina, Crna Gora i Kosova. -Beograd 1980, S. 343.

9. Der SHS-Staat war vor allem ein Mais-Produzent. Es folgten Weizen und Kartoffeln. Die Folgen des „Abbessinien-Krieges“(1935) brachten kurzzeitig einen Einschnitt in der Beziehung Italien-Jugoslawien mit sich.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2006.