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>> EISENBAHNHAFEN DURRES.

 

Für wertvolle Hinweise bedankt sich der Verfasser bei: Herrn Prof. DDr. Willibald Girkinger(Wels), Frau Elisabeth Girkinger(Albanien) und Frau Dr. Katrin Boeckh(München).

Die albanische Hafenstadt Durres besitzt zwei weitere Namen, nämlich Drac(sprich: „Dratsch“, serbisch) und Durazzo(italienisch).

Dieser Sachverhalt weist leider nicht darauf hin, daß wir es hier mit einer Verkehrs-Drehscheibe von großer historischer Bedeutung zu tun haben. Vielmehr spiegeln sich hier die Besitzansprüche ausländischer Mächte wider: Einerseits jene Serbiens (bzw. „Jugoslawiens“), andererseits jene Italiens.

Das serbische Interesse an „Nord-Albanien“ wurde bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts deutlich, also zu einer Zeit, als Serbien noch unter der Oberhoheit des osmanischen Sultans stand. In seinem „Geheim-Programm“(Nacertanije) stellte der damalige Innenminister Ilija Garasanin fest, daß es für die Nation günstig sei, in Ulcinj(Crna Gora/Montenegro) einen Adriahafen samt politischer Organisation zu schaffen, u.a. um damit Einfluß auf Nord-Albanien auszuüben. Von einer Inbesitznahme des Hafens Durres spricht er allerdings nicht. Soweit zur Theorie bzw. Ideologie.

Für die praktische politische Entwicklung am Balkan war vor allem der „Berliner Kongreß“(1878) bedeutend, im Zuge dessen Serbien zum unabhängigen Staat wurde. Die Unabhängigkeit Montenegros wurde bestätigt, Bulgarien wurde zum tributpflichtigen Fürstentum. Gemeinsam mit Griechenland(1830 unabh.) schlossen diese Akteure im Oktober 1912 den sogenannten „Balkan-Bund“, dessen Ziel es war, folgende Territorien von der osmanischen Herrschaft zu befreien: Makedonien, Thrakien, Epiros, Sandschak Novipazar und Albanien. Offen blieb allerdings, wem zukünftig welches Territorium zustehe. Der Erste Balkankrieg begann noch 1912.

Nach der erfolgreichen „Schlacht von Bitola(Monastir)“ erkannte Serbien die Chance, Nordalbanien und Durres militärisch zu besetzen, um sich damit einen Zugang zum Meer zu verschaffen. Am 28. November 1912 erfolgte der Einmarsch in Durres, welches in der Folge in „Drac“ umbenannt wurde.

Die Donaumonarchie und Deutschland fanden jedoch keinen Gefallen an diesem Zustand: Wenn Serbien dauerhaft im Besitz eines Adriahafens sei, dann besäße es fortan die Möglichkeit, sich dem übermächtigen wirtschaftlichen Einfluß Österreich-Ungarns zu entziehen. Ferner befürchtete man, daß ein „serbisches Durres“ zum russischen Flottenstützpunkt werden könnte.

Die strategische Lage des Hafens Durres:

Copyright: Elmar Oberegger

Vor diesem Hintergrund entstand schließlich 1912 der „Kunststaat Albanien“. Dieser Begriff ist insofern legitim, als die „Albanische Nationalbewegung“ von den politischen Verhandlungen völlig ausgeschlossen war. Als Staats-Oberhaupt wurde übrigens der deutsche Offizier Prinz Wilhelm zu Wied erkoren, welcher jedoch vom Volk niemals akzeptiert wurde. Im September 1914 verließ er das Land.

Angesichts der Errichtung Albaniens wurde Serbien bereits Mitte April 1913 die Räumung des nordalbanischen Gebietes befohlen. Durchgeführt wurde diese jedoch erst im Oktober, und zwar auf österreichisch-ungarischen Druck hin.

Der nach dem Zweiten Weltkrieg unternommene Versuch, Albanien in das politische Projekt „Tito-Jugoslawien“ zu integrieren, schlug ebenfalls fehl.

Italien erkannte die Hafenstadt Durres, ja, ganz Albanien als Schlüssel für die Beherrschung der Adria. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg wurde großer politischer Einfluß ausgeübt, welcher schließlich die Besetzung des Landes im Jahr 1939 zur Folge hatte.

Im Jahr 1928 ging Italien daran, in Durres seinen Bedürfnissen entsprechende Hafenanlagen zu errichten. Dieser Ausbau dauerte bis 1934. Die Herstellung einer Eisenbahnlinie ins Landesinnere blieb allerdings aus.

Dieses Werk wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem komunistischen Führer Enver Hoxha(1908-1985) vollbracht: Bereits im Jahre 1947 wurde die Linie Durres-Pequin fertiggestellt. Deren Verlängerung bis Elbasan konnte 1950 eröffnet werden. Mit diesem Eisenbahnbau ging auch ein Ausbau der Hafenanlagen einher. Im Jahre 1952 konnte der neue Eisenbahnhafen Durres seiner Bestimmung übergeben werden. 

Der Bahnhof von Durres, im Hintergrund die Hafenanlagen(um 1976):

Int.Eisenbahnarchiv L.K. Pernegger

Das Hinterland des Hafens blieb allerdings über die Jahrzehnte national beschränkt.

Wie es heute scheint, hat der Hafen Durres eine positive Zukunft vor sich: Seit kurzem stellt er den Freihafen Mazedoniens dar und wird unter Heranziehung europäischer Geldmittel weiter ausgebaut werden. An der Herstellung der Eisenbahnverbindung Durres-Tirana-Skopje(via Kicevo) wird bereits provisorisch gearbeitet.

 

Quellen:

Art. „Albanische Eisenbahnen“. In: Zur Eisenbahngeschichte des Alpen-Donau-Adria-Raumes. Hrsg. v. Elmar Oberegger. -Internet 2006 ff.

BOECKH Katrin: Von den Balkankriegen zum Ersten Weltkrieg. Kleinstaatenpolitik und ethnische Selbstbestimmung auf dem Balkan. -München 1996, bes. S. 36.

GARASANIN Ilija: Nacertanije/Programmentwurf. In: Die Slawischen Sprachen 31 (1993), S. 44 ff. Hier: S. 81 f.

GÜRSCH Gerhard: Mit Bus und Bahn durchs Land der Skipetaren. -München 1987.

SUNDHAUSSEN Holm: Geschichte Jugoslawiens. -Stuttgart u.a. 1982, S. 150 f.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2006.