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>> BULGARISCHE EISENBAHNEN.

 

Der Verfasser dankt Herrn Mag. Markus RABANSER für seine wertvollen Hilfestellungen bei der Erstellung dieses Artikels.

 

I: Allgemeines.

Das Eisenbahnnetz Bulgariens besaß im Jahr 2002 eine Ausdehnung von 4.294 Kilometern. Der Elektrifizierungsgrad betrug ca. 63 %.

Das Netz:

Copyright: Elmar Oberegger

Die bisher größte Auflassungswelle fand im Jahr 2002 statt, betraf aber in erster Linie den Bereich des Personenverkehrs. Insgesamt stillgelegt wurden bisher nur folgende Strecken:

1) Pazardzik-Varvara (76 cm).

2) Chervenbreg-Orjachovo (76 cm).

3) Sindel-S.Orjahovo.

Die Bulgarischen Eisenbahnen(BDZ) befinden sich also inmitten einer Stagnationsphase. Auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht waren in den letzten Jahren schwere Einbrüche zu verzeichnen. Ferner halten sich die strukturellen Verbesserungen in Grenzen: Bis 2003 konnte in der Relation Sofia-Plovdiv-Burgas die Höchstgeschwindigkeit auf lediglich 160 km/h hinaufgesetzt werden, die Modernisierung des Fahrparks geht höchst schleppend vor sich.

Für die Zukunft ist die Herstellung einer „Zweiten Eisenbahnverbindung mit Saloniki“ via Gjurgevo und Skopje geplant. Dieses Projekt ist durchaus im Sinne Brüssels und wird offiziell mit „Europäischer Korridor 8“ bezeichnet. Dennoch zieht sich die konkrete Umsetzung hin.

Hinsichtlich des Verkehrs mit Rumänien wird einst das neue Projekt einer Straßen/Schienen-Brücke von Calafat(RO) nach Vidin(BG) von großer Bedeutung sein.

Für das bulgarische Netz wird sich möglicherweise der Tunnel durch den Bosporus positiv auswirken. Anfang 2008 will man mit dessen Errichtung beginnen. Die alte Funktion Bulgariens, einen Vermittler zwischen Orient und Okzident darzustellen, könnte mit der Umsetzung dieses Projektes einen neuen Aufschwung erleben.

 

II: Geographie und Eisenbahnbau.

Der heutige bulgarische Staat läßt sich geographisch wie folgt gliedern:

1) Ober-Bulgarien (= Gebiet zwischen Donau und Balkangebirge).

2) Mittel-Bulgarien (= Gebiet zwischen Balkan und Rhodopengebirge).

3) Unter-Bulgarien (= Rhodopen/Pirin/Rila-Region).

Angesichts der oben genannten Gebirgsbarrieren war die Errichtung von Eisenbahnen in Nord-Süd-Richtung nicht unproblematisch. Heute existieren nur drei Linien, welche das Balkangebiet durchqueren:

1) Vidin-Sofia, entlang des Isker-Flusses.

2) G.Orjahovica-S.Zagora, Überwindung des Mittelbalkan in der Nähe des Schipka-Passes(1334 m).

3) Kardam-Burgas. Der Ostbalkan ist relativ niedrig und war deshalb leicht zu überschreiten.

In der Überschreitung des Balkan war es also möglich, den Weg des geringsten Widerstandes zu beschreiten. Die Errichtung eines Basis-Tunnels war nicht nötig.

Das Rhodopengebiet wurde nur mangelhaft erschlossen. Nur eine Linie führt via Kulata entlang des Struma-Flusses nach Griechenland hinein und erschließt damit die nördliche Küste der Ägäis.

Der Nord-Süd-Verkehr leidet ferner unter dem Umstand, daß ihm die Donau ein größeres nördliches Einzugsgebiet versperrt. Es existiert nur eine einzige, erst bis 1954 hergestellte Eisenbahnbrücke zwischen Ruse und Giurgiu(Rumänien). Eine neue Brücke(Calafat-Vidin) ist erst im Bau.(s.o.) Daraus ergibt sich, daß der Nord-Süd-Verkehr in erster Linie auf die Donauhäfen bezogen bzw. vor allem von nationaler Bedeutung ist.

Die West-Ost-West-Linien waren relativ leicht zu errichten(Maritza- und Tundschatal) und sind auch im Bereich des internationalen Transits von großer Bedeutung: Sie weisen einerseits den Weg zu den Schwarzmeerhäfen Burgas und Varna, andererseits den Weg nach Istanbul.

 

III: Die Frage der Verkehrsbedürfnisse im historischen Rückblick.

Auch die politische Geschichte Bulgariens ist von den beiden klassischen Problemfeldern Definition des Territoriums und Staatswerdung gekennzeichnet. Und diese hängen engstens mit der Frage der Entwicklung eines Eisenbahnwesens zusammen. Wie gezeigt werden wird, verlief die politische Entwicklung in Bulgarien im Unterschied zu manchem Nachbarstaat komplizierter und turbulenter ab. Als „Bulgarien“ - um 1778 als nationale Idee entstanden - im Jahre 1878 die Bühne der internationalen Politik betrat, stand nicht einmal dessen Territorium genau fest und somit waren auch seine konkreten Verkehrsbedürfnisse nicht klar zu erkennen.

Im Zuge des „Friedens von San Stefano“(März 1878) einigte sich das untergehende Osmanische Reich mit dem Zarenreich u.a. darauf, einen „Großbulgarischen Staat“ zu errichten.

Die territoriale Frage (1878-1885):

Copyright: Elmar Oberegger

Wenn dieses „Großbulgarien“ tatsächlich hergestellt worden wäre, dann hätte es gegolten, ein weites Verkehrsgebiet eisenbahnmäßig zu erschließen. Mazedonien hätte einerseits mit der Hauptstadt, andererseits mit Donau, Schwarzmeerküste und Ägäis verbunden werden müssen. In Form des geplanten „Europäischen Korridors 8“(Sofia-Skopje-Saloniki) erlebt dieses Konzept gewissermaßen eine großartige Renaissance.(s.o.)

Dieses Projekt „Großbulgarien“ war jedoch letzten Endes ein russisches Konstrukt und zog sofort den Widerstand Österreich-Ungarns und Großbritanniens auf sich. Zu nahe war das Zarenreich den strategisch wichtigen Meerengen gekommen.

Aufgrund dieser und anderer ungeklärter Balkan-Fragen trat im Sommer 1878 unter der Ägide Bismarcks der „Berliner Kongreß“ zusammen. Dort wurden viele Lösungen gefunden und viele Akteure konnten zufriedengestellt werden. Bulgarien jedoch nicht: Nachdem das Konzept „Großbulgarien“ fallengelassen worden war, gestand man der stolzen Nation nur ein kleines Territorium zu, welches darüber hinaus nur den politischen Status eines „tributären Fürstentums“ innehatte.(s. obige Karte) Das Staatsoberhaupt befand sich also nach wie vor in Istanbul. Natürlich wurde dies von der nationalen Intelligenz Bulgariens als Schmach erlebt. Immerhin aber war es gelungen, sich zumindest teilweise von der osmanischen Fremdherrschaft zu befreien. Erst 1908 soll Bulgarien zum offiziell anerkannten, unabhängigen Staat werden. Regiert wurde es ab diesem Moment sogar von einem Kaiser(= Zar).

Die territoriale Enge des 1878 geschaffenen Fürstentums Bulgarien konnte bereits im Jahre 1885 gesprengt werden. Damals wurde ein stattliches Gebiet im Süden erobert.(s. Karte) Damit vergrößerte sich auch das Verkehrsgebiet. Nach der Unabhängigkeit folgten die Balkankriege von 1912/13, welche letzten Endes neue territoriale Gewinne brachten.

Interessant ist in unserem Zusammenhang, daß Bulgarien im Jahr 1913 bei Dedeagatsch(Alexandroupolis) einen Zugang zur Ägäis erlangte. Damit war das Land zum Mittelmeer-Anrainer-Staat geworden und es galt, diesen Hafen ins eigene Eisenbahnnetz zu integrieren. Diesbezüglich gab es nur zwei Möglichkeiten:

1) Errichtung einer neuen, die südöstlichen Ausläufer der Rhodopen durchquerenden Bahn.

2) Inbesitznahme der vorhandenen, sich auf osmanischem Territorium befindenden Eisenbahnverbindung nach Dedeagatsch. Insgesamt betrachtet ging es hier also um die Herstellung der lückenlosen Verbindung Svilengrad - Edirne - Küleli-Burgas - Demotika - Dedeagatsch.

Nach dem Ersten Weltkrieg ging jedoch der gesamte Mittelmeer-Zugang wieder verloren. Seither ist Bulgarien im Transitbereich gewissermaßen auf den Ost-West-Verkehr fixiert. Verstärkt wurde dieser Zustand noch durch den nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen „Eisernen Vorhang“.

Der Ägäis-Zugang von 1915 bis 1918/19:

Copyright: Elmar Oberegger

Zur oben geschilderten, territorialen Problematik tritt aber hinsichtlich des Problems der Verkehrsbedürfnisse auch die Frage der wirtschaftlichen Verhältnisse.

Bulgarien besaß und besitzt eigentlich keine wirklich interessanten Rohstoffe und stellte bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges ein Agrarland dar. Europaweit berühmt war in der Zwischenkriegszeit neben dem Tabak vor allem das bulgarische Rosenöl.

Da man also auf keinen bedeutenden Bodenschatz(Steinkohle o.ä.) eisenbahnmäßig re-agieren konnte, um diesen hernach gewinnbringend auszubeuten(siehe Rothschilds „Nordbahn“ in Österreich!), mußte man vielmehr agieren, um damit zumindest eine günstige Infrastruktur für die Zukunft zu schaffen.

Somit war es stets sehr schwierig, den Eisenbahnbau zu finanzieren. Erst unter kommunistischer Herrschaft erlebte das bulgarische Eisenbahnwesen einen grandiosen Aufschwung. Damit ging auch der Umbau in einen Industriestaat einher. Bulgarien wäre heute als Industriestaat mit bedeutendem Agrarsektor zu begreifen. Wie oben bereits bemerkt wurde, ist das Bedürfnis nach eisenbahnmäßiger Beförderung seit dem Ende des Kommunismus stark zurückgegangen. LKW und Automobil sind auf dem Vormarsch.

 

IV: Die erste Eisenbahn auf bulgarischem Boden.

Bulgarien war bekanntlich bis zum Jahre 1908 ein Teil des Osmanischen Reiches, seit 1878 allerdings nur noch in Form eines „tributären Fürstentums“. Je mehr also die Zentralmacht verfiel, desto selbständiger wurde das Land.

Der oben umrissene Zusammenhang machte sich natürlich auch im Bereich des Eisenbahnwesens bemerkbar: Zwischen 1888 und 1899 wuchs das Netz von 384 Kilometer auf 1044 an.(s. dazu die Gesamtstatistik am Schluß des Artikels) Ferner erfolgte der Eisenbahnbau zunehmend vor dem Hintergrund eines etatistischen Schemas. Der Eisenbahnbau orientierte sich also zunehmend daran, das Zentrum Sofia mit den wichtigsten Regionen und Städten des Landes zu verbinden.

Von einer solchen Strategie war natürlich zu Beginn des Jahres 1857, als Bulgarien noch eine osmanische Provinz war, überhaupt keine Rede. Damals erwog die oberste Heeresleitung in Istanbul den Plan, folgende Eisenbahnlinien zu errichten:

1) Istanbul-Edirne(Adrianopel)-Jambol-Ruse(Rustschuk). (Hauptstrecke)

2) Zweiglinien nach Burgas und Varna.

Die Funktion der Hauptlinie bestand darin, eine leichte Verteidigung der nordwestlichen Territorien zu ermöglichen.

Doch schon im Jahr 1861 zeigte sich deutlich, daß dieses Konzept nur höchst unvollständig umgesetzt werden würde: Nun sprach man offiziell von der Errichtung einer 223 Kilometer langen Bahn vom Schwarzmeerhafen Varna nach Ruse an der Donau. Militärisch war dies nicht gerade günstig, da die Verbindung zum Zentrum des Staates fehlte. Um von Istanbul aus Truppen und militärisches Gerät bis nach Varna zu bringen, mußte man sich immerhin aufs Meer hinauswagen.

Im Oktober des Jahres 1863 wurde der Bahnbau der englischen Firma „The Danube and Black Sea Railway and Küstendje Harbour Company Ltd.“ übertragen. Dieselbe Gesellschaft war übrigens auch im Gebiet des späteren Rumänien aktiv - „Küstendje“ ist der türkische Name für die rumänische Hafenstadt Constanta.

Der Bau begann im Jahre 1864, am 7. November 1866 konnte die neue Bahn dem Verkehr übergeben werden. 1873 wurde sie Teil der privaten „Orient-Bahn“. Von größerer militärischer Bedeutung war die Linie in der Folge nicht. Dafür stellte sie eine künstliche Fortsetzung der Donau in Richtung Schwarzmeerküste dar. Als um 1878 die Regulierung der Donaumündungen abgeschlossen war, und damit auch Übersee-Schiffe direkt in den Strom einfahren konnten, fiel diese Funktion weitgehend weg.

Von Ruse nach Varna: Die erste Eisenbahn auf bulgarischem Boden.

Copyright: Elmar Oberegger

Ab 1883 war die Bahn Teil der ersten, noch kläglich ausgebildeten „Orient-Expreß-Relation“ Paris-Istanbul: Per Eisenbahn kam man bis zum rumänischen Giurgiu a.d. Donau. Dort bestieg man die Fähre nach Ruse(Rustschuk). Von dort ging die Fahrt bis Varna per Eisenbahn weiter. Das Reiseziel Istanbul erreichte der Passagier schließlich per Schiff. Ab 1888 verkehrte der „Orient-Expreß“ jedoch via Beograd/Sofia und die „Ruse-Varna-Bahn“ lag erneut am Rande. Noch im selben Jahr übernahm Bulgarien aus rein nationalen Gründen die Linie von der Orientbahn.

Konkrete und dauerhafte Bedeutung erlangte die „Erste Eisenbahn Bulgariens“ erst nach ihrer Integration in das Gesamtnetz. Wichtig war auch die 1954 erfolgte Eröffnung der Donaubrücke zwischen Ruse und Giurgiu.

 

V: Zur allgemeinen Geschichte.

Da ein enger Zusammenhang zwischen der bulgarischen und der osmanischen Eisenbahngeschichte besteht, soll zunächst ein kurzer Blick auf zweitere geworfen werden.

Erst ca. 10 Jahre nach dem Auftauchen des Projektes Istanbul-Ruse(s.o.) entschloß man sich innerhalb des Osmanischen Reiches dazu, ein umfassendes Eisenbahnnetz zu errichten. Hinsichtlich der Verbindung mit Südost- und Mitteleuropa sah man ursprünglich die Herstellung folgender Linien vor:

1) Istanbul - Edirne - Bosnien-Herzegowina - Save. (Hauptlinie)

2) Zweig zur serbischen Grenze, Option auf Verbindung mit der Save.

3) Zweig nach Saloniki.

4) Linie Varna-Edirne-Enos(Enez).

Die Verhandlungen mit einem französisch-belgischen Unternehmen führten jedoch zu keinem Erfolg. Im Jahre 1869 erhielt schließlich der Finanzmann Baron Hirsch die Konzession für den Bau und Betrieb folgender Linien:

1) Istanbul - Edirne - Bosnien-Herzegowina - Dobrljin. (Hauptlinie, Anschluß an das österr.-ung. Netz vorgesehen)

2) Zweig in die Gegend von Nis.

3) Zweig nach Saloniki.

4) Linie Plovdiv-Jambol-Burgas.

5) Linie Jambol-Edirne-Enos oder Dedeagatsch.

Doch aufgrund des inneren Niederganges des Osmanischen Reiches konnte auch dieses Konzept nicht umgesetzt werden, zumindest nicht vollständig. Im Jahre 1872 war nur noch von folgenden Linien die Rede:

1) Istanbul-Edirne-Bellovo oder Septemvri.

2) Zweig nach Dedeagatsch.

3) Zweig nach Jambol.

4) Zweig nach Saloniki.

5) Dobrljin-Banja Luka.

Für unseren Zusammenhang reicht der Hinweis darauf, daß die europäischen Eisenbahnbestrebungen des Osmanischen Reiches vor allem unter dem Titel „Orient-Bahn“ in die Geschichte eingingen.

Im Jahre 1872 wurde der Ägäis-Hafen Dedeagatsch per Schienenstrang erschlossen. Ein Jahr darauf konnte die Linie Istanbul-Plovdiv-Bellovo dem Verkehr übergeben werden. 1874 wurde Jambol erreicht. Alle diese Projekte waren aber wohlgemerkt auf die Bedürfnisse des Osmanischen Reiches und nicht auf jene Bulgariens ausgerichtet.

Auch weiterhin war das bulgarische Gebiet nur Schauplatz der Transit-Gelüste anderer Staaten(Linie London/Paris-Istanbul). Dies heißt natürlich keineswegs, daß es davon nicht auch profitiert hätte. Gemäß des am „Berliner Kongreß“(1878) gefaßten Beschlusses, daß eine kompetente Kommission zur Regelung der Eisenbahnfrage am Balkan einzusetzen sei, kam es im Jahre 1883 zwischen Österreich-Ungarn, Serbien, Bulgarien und dem Osmanischen Reich zur sogenannten „Vierer-Konvention“. Darin einigte man sich auf die Herstellung der Transitlinie Wien-Budapest-Beograd-Sofia-Istanbul. Der alte osmanische Plan, Sarajevo zum Sprungbrett nach Mitteleuropa zu machen, wurde also fallengelassen. Bis 1888 war die neue europäische Transitverbindung hergestellt.

Für Bulgarien selbst war aber besonders die „Dezember-Konferenz“ von 1888 wichtig, mit welcher die nationale Eisenbahnfrage erstmals konkrete Formen annahm. Bereits ein Jahr zuvor war eine Eisenbahnverbindung zwischen dem Bahnhof Jambol(Orientbahn) und dem Schwarzmeerhafen Burgas beschlossen worden. Dies war gemäß der damaligen Ausdehnung Bulgariens durchaus vernünftig. Noch existierte ja kein Zugang zur Ägäis.(s.o.) Gerade dieser Beschluß zeigt uns klar, daß Bulgarien bereits damals mit Nachdruck in Richtung Selbständigkeit tendierte. Es war ein Beschluß, der dem aktuellen Verkehrsbedürfnis des nationalen Raumes gerecht wurde.

Auf der obengenannten „Dezember-Konferenz“ wurde erstmals ein eigenständiges bulgarisches Netz, abseits anderer Interessen entworfen. Folgende Linien wurden damals geplant:

1) Zentral-Bahn I: Osman. Grenze bei Küstendil-Radomir-Pernik-SOFIA-Mezdra-Plewna-G.Orjahovica-Popovo-Anschluß an die „Varna-Ruse-Bahn“.(s.o.)

2) Trans-Balkan-Bahn: Ruse-G.Orjahovica-S.Zagora-N.Zagora.

3) „Parallel-Bahn“(zur Orient-Bahn): Hier ging es - gemäß der damaligen politischen Ausdehnung Bulgariens - vor allem darum, den Schwarzmeer-Hafen Burgas zu heben. Die südbulgarischen Güter, welche bisher auf der Orientbahn über den osmanischen Hafen Dedeagatsch(Alexandroupolis) exportiert wurden, sollten zukünftig via Burgas ausgeführt werden.

Das Problem „Parallel-Bahn“:

Copyright: E.Oberegger

Umgesetzt wurde bis 1890 die für das damalige Bulgarien hochwichtige Linie Jambol-Burgas. Bis 1893 wurde die Strecke Sofia-Pernik der „Zentralbahn I“ vollendet. Damit wurde das Braunkohle-Revier von Pernik erschlossen und stellte damit eine wichtige Säule des bulgarischen Eisenbahnwesens dar. Besonders hochwertig war die gewonnene Kohle jedoch leider nicht.

Während das Projekt „Zentralbahn I“ gute Fortschritte machte(Pernik-Radomir; Kaspican-Sumen 1895), wurde das Projekt „Parallelbahn“ von der politisch einflußreichen Orient-Bahn erfolgreich behindert. Am Schluß wurden die bereits errichteten Strecken sogar unter ihre Ägide gestellt. Das war natürlich ein herber Schlag gegen das bulgarische Nationalgefühl. Die Macht der Orient-Bahn konnte erst im Jahre 1908, als Bulgarien Kaiserreich wurde, erfolgreich gebrochen werden. Allerdings nur per finanzieller Entschädigung.

Vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges ergänzte man in Sofia den Plan der „Dezember-Konferenz(1888)“ um das Projekt einer „Neuen bulgarischen Zentralbahn“(= Zentralbahn II), welche von Sofia aus via Karlovo und Kazanlik bis nach Varna und Burgas reichen sollte. Folgende Strecken bestanden bereits:

1) Varna-Sindel (1866).

2) Burgas-Zimnitza (1890).

3) Zimnitza-Sliven (1907).

Diese „Zentralbahn II“ wurde erst 1952, also bereits unter kommunistischer Herrschaft, vollendet. In diese Zeit fällt auch die Herstellung einer normalspurigen Eisenbahnverbindung zum griechischen Seehafen Saloniki(1965). In diesem Zusammenhang wurde die bestehende Kulata-Schmalspurbahn(60 cm) umgebaut.

Schnellzug-Lokomotive in Sofia(1976):

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Hinsichtlich des „Lokalbahn-Sektors“ trachtete man in Bulgarien stets danach, die finanziell günstigste Variante zu wählen. Somit kam es auch zur Anlage von Schmalspurbahnen in verschiedenen Spurweiten. Seit der oben bereits erwähnten „Auflassungswelle“ ist heute nur noch eine übrig, nämlich jene von Septemvri nach Dobriniste.

Abschließend zwei Statistiken zur quantitativen Entwicklung des bulgarischen Eisenbahnnetzes:

1866-1907 (Osmanische Oberhoheit):

Copyright: Elmar Oberegger

1909-2002:

Copyright: Elmar Oberegger

 

Quellen:

Art. „Bosporus-Bahn“. In: Zur Eisenbahngeschichte des Alpen-Donau-Adria-Raumes. Hrsg. v. Elmar Oberegger. -Internet 2006 ff.

Art. „Bulgarische Staatseisenbahnen“. In: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Hrsg. v. Victor RÖLL. -Berlin/Wien 1912 ff.

Art. „Orientalische Eisenbahnen“. In: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Hrsg. v. Victor RÖLL. -Berlin/Wien 1912 ff.

Art. „Türkische Eisenbahnen“. In: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Hrsg. v. Victor RÖLL. -Berlin/Wien 1912 ff.

RABANSER Markus: Eisenbahnen in Bulgarien. -Wien 2003(Bahn im Bild 115).

DERS.: Grundzüge der Eisenbahngeschichte Bulgariens. In: Zur Eisenbahngeschichte des Alpen-Donau-Adria-Raumes. Hrsg. v. Elmar Oberegger. -Internet 2006 ff.

DERS.: Die bulgarische Schmalspurstrecke Cherven Brjag-Orjachovo. In: Lok Report 1 (2007), S. 10 ff.

STÖCKL Fritz: Eisenbahnen in Südosteuropa. -Wien 1975.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2007.