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>> BUDWEISER PFERDEEISENBAHN.

 

I: Grundsätzliches.

Die Pferdeeisenbahn von Budweis nach Gmunden-Bürgerl. Salzaufschütt(Rathausplatz) wurde von 1825 bis 1836 im Schmalspurmaß 1106mm errichtet und umfaßte in ihrer Hauptlinie ca. 200 Kilometer.

Ihr ursprünglicher Zweck bestand darin, das Salz aus dem „Salzkammergut“ nach Böhmen zu befördern, welches zwar mit Bodenschätzen gesegnet war, jedoch aber eben des Salzes entbehrte. Schon früh wurden aber auch andere Güter bedeutend.(s.u. Statistik)

Zwischen 1869 und 1872/73 wurde sie zum größten Teil in eine normalspurige Lokomotivbahn umgestaltet, allein der Abschnitt Lambach-Gmunden blieb(bis 1903) schmalspurig. Weite Teile der alten Trasse wurden durch diesem Umbau obsolet.(s. Karte)

Die Hauptlinie(Budweis-Linz-Gmunden) und ihre Umgestaltung:

Copyright: Elmar Oberegger

Die alte Bahn wies auch noch einen „Zizlauer-Zweig“ auf.

 

II: Planungs- und Baugeschichtliches.

Die erste Idee, zumindest zwischen Budweis(Moldau) und Donau eine Eisenbahn zu errichten, wurde 1807 von Prof. Franz Joseph v.Gerstner(Prag) geäußert. Diese verschwand sodann aufgrund der Ungunst der Zeitverhältnisse über lange Jahre in der Versenkung.

Erst Prof. Franz Anton v.Gerstner, der Sohn des Franz Joseph(s.o.),  konnte 1824 ein entsprechendes Eisenbahn-Privilegium erlangen und gründete bereits damit – strukturgeschichtlich betrachtet – die „k.k. priv. Erste Eisenbahngesellschaft“(1825), die erste Eisenbahngesellschaft des deutschen Sprachraumes.

Hervorzuheben ist, daß Gerstner jun. schon vor 1824 ernsthaft an die Errichtung einer „Gmundener Südlinie“ dachte und dieses Konzept auch gegenüber der Regierung vorbrachte. Teil des „Privilegiums“(s.o.) wurde dieses Projekt jedoch nicht. Man ließ diese Sache vorerst offen.(s. Enderes, S. 12) Schon 1818 hatte übrigens der k.k. Hofbaurat Ferdinand Mayer(Linz) ein derartiges Konzept vorgelegt.

Das Privilegium lautete ursprünglich auf die Errichtung einer Pferdeeisenbahn von Budweis(Moldau) bis Mauthausen(Donau). Die Bauführung hatte Franz Anton v.Gerstner inne.

Finanzielle und interne Probleme führten schließlich 1828 zum Abgang Gerstners. Der Bau wurde unter Ing. Mathias Schönerer fortgesetzt, der gegen seinen Chef fortlaufend intrigiert hatte. In seine Zeit fällt auch der Entschluß der Eisenbahn-Gesellschaft, die Bahn aus verkehrs-strategischen Gründen nicht bis Mauthausen(s.o.), sondern vielmehr bis Urfahr-Linz(Donau) zu führen. 1832 wurde dieser Abschnitt dem Verkehr übergeben, 1836 sodann der Abschnitt „Urfahr(Linz)“-„Linz Südbf.“-„Gmunden Bürgerl. Salzaufschütt“. Auch diesen errichtete Schönerer.

 

III: Zur Bedeutungsgeschichte.

Gerstner jun. hatte in der Überwindung der Donau/Moldau-Wasserscheide im böhm./oö. Grenzgebiet eine völlig neue technische Methode angewendet:

Anstatt die Züge nach englischem Vorbild über „Schiefe Ebenen“(„Inclined Planes“) auf eine Anhöhe hinaufzuziehen(mittels einer „Stationary Steam Engine“), entschied er sich dazu, über Einschnitte, Dämme und beachtliche Brückenbauwerke die Bahn verlaufen zu lassen.

Sein revolutionäres technisches Paradigma war somit:

Eine Eisenbahn ist kein dualistisches System(= engl. Struktur!), sondern ein homogenes - eine Eisenbahn ist nichts anderes als eine Straße. Damit wurde er zum eigentlichen Vater der „(Österreichischen) Gebirgseisenbahn-Technik“, welche sodann am Semmering ihre erste Hochblüte erfuhr(1854).

Festzuhalten ist: Seine im oö./böhm. Grenzgebiet(Donau/Moldau-Wasserscheide) hergestellte Strecke ist als „Erste Gebirgseisenbahn der Welt“(i.S. von gebirgs-querend) zu betrachten.

Das althergebrachte englische System der „Schiefen Ebene“:

Copyright: Elmar Oberegger

Die Züge wurden hier also über „Stationäre Dampfmaschinen“ emporgezogen, und dann mittels „Lokomotiver Dampfmaschinen“(davon: „Lokomotive“) in der Ebene weiterbefördert.

Übrigens stieg man in der Folge auch in England, ja sogar weltweit(!), auf Gerstners System um. Auch die unlängst eröffnete „Tibet-Bahn“ fußt grundsätzlich auf den technischen Grundsätzen Gerstners.

Die Überreste der großen Gerstnerschen Pionierleistung - seit dem Umbau der Bahn(s.o.) ist dieser Streckenteil außer Gebrauch - befinden sich im Gebiet des österreichischen Bundeslandes Oberösterreich:

Doch diesen wird sehr wenig Augenmerk zuteil. Sie verfallen immer mehr. Auch im Zuge des jüngst abgehaltenen Symposions „Technikland Oberösterreich“(22.-23. Januar 2010, Schlossmuseum Linz) war Gerstners Pionierleistung kein Thema.

Auch die sonstigen Bedeutungen der Budweiser Pferdeeisenbahn werden allgemein vernachlässigt:

a)Indem die Bahn zwischen Urfahr und Linz die (bereits vorhandene) Donaubrücke überschritt, wurde dieselbe zur „Ersten Eisenbahnbrücke über die österreichische Donau“.

b)Hofbaurat Mayer(s.o.) hatte 1818 das Eisenbahn-Konzept Linz-Zizlau – Gmunden vorgelegt. Doch schon 1815 hatte er das Projekt Linz-Zizlau – Lambach vorgestellt. Dies war der erste Eisenbahnplan, welcher in Oberösterreich selbst und damit innerhalb des Territoriums der „Republik Österreich“ entstand.

c)Die Strecke Urfahr-Linz Südbf. ist als als „Erstes Linzer Stadt-Gleis“ zu sehen, und damit als „Ur-Mutter“ des heute dort vorhandenen Tramway-Systems.

d)Die „Relation Linz-Lambach“, welche im Besitz der „Ersten Eisenbahngesellschaft“ war, spielte in der Errichtung einer „Westbahn“ von Wien nach Salzburg über lange Jahre die Rolle eines entscheidenden Hemmschuhs.(s. dazu Oberegger, Vorgeschichte der Westbahn)

e)Bis 1856 wurde die Strecke Linz Südbf.-Gmunden Annastr. auf Dampfbetrieb umgestellt. Hierbei handelt es sich um die „Erste Dampfbahn Oberösterreichs“. Ferner um die „Erste per Dampf betriebene Schmalspurbahn im deutschen Sprachraum“. Die erste per Dampf betriebene Schmalspurbahn auf dem Kontinent war übrigens die Strecke Antwerpen-Gent(1845). Immerhin fällt damit aber der Linie Linz-Gmunden die Bedeutung zu, die „Zweite schmalspurige Dampfbahn des Kontinents“ dargestellt zu haben.

f)Im Zuge der Errichtung der neuen, normalspurigen „Westbahn Wien-Linz-Lambach-Salzburg“ blieb im Süden der schmalspurige Abschnitt Lambach-Gmunden übrig. Dieser wäre – rein strukturell gesehen(!) – als „Erste Lokalbahn Österreichs“ zu betrachten.

Angesichts dieser Bedeutungen allein des Südabschnitts ist es wirklich höchst verwunderlich, daß sich das Offizielle Oberösterreich nicht genügend um dieses große historische Erbe bemüht.

Einsame und bisher relativ erfolglose Vorkämpfer für die „Geschichte der Südstrecke“ sind Herr Dr. Heinz Schludermann(„Pferdeeisenbahn-Museum“, Wels-Maxlhaid) und Herr Manfred Reingruber(„Eisenbahn-Freilichtmuseum“, Gmunden).

Vielleicht kann der vorliegende Artikel dazu beitragen, die heute vorherrschende, traurige Lage zu ändern.

 

IV: Anschauungsmaterial.

Modell eines sog. „Bezugs“ der Pferdeeisenbahn(Südstrecke, um 1836):

Copyright: Elmar Oberegger

Sechs solcher Einheiten hintereinander bildeten einen sog. „Last-Train“. Ein solcher polterte regelmäßig über den Welser „Kaiser Joseph-Platz“. Die heutigen historischen Hinweise auf diesen Sachverhalt sind dort höchst bescheiden ausgeprägt. Bisher konnte zum Ereignis dieser „Durchfahrt“ auch kein schriftlicher Bericht aus der alten Zeit aufgefunden werden. Im Nordabschnitt mußten die Züge aufgrund der ungünstigen Steigungsverhältnisse – welche von Schönerer entgegen des technischen Grund-Konzeptes seines Meisters eingefügt wurden - geteilt werden.

Modell eines Dampfzugs auf der Südstrecke:

Copyright: Elmar Oberegger

 

Statistiken zum Personen- und Güterverkehr(= ohne Bauholz, Ziegel, Steine und Fische) auf der Budweiser-Bahn(1834-1857):

Copyright: Elmar Oberegger

Copyright: Elmar Oberegger

 

V: Quellen.

Die (Entstehungs-)Geschichte der Budweiser Pferdeeisenbahn wurde in dieser Enzyklopädie bereits anderswo abgehandelt. Siehe dazu die Art. „Österreichische Pferdeeisenbahnen“, „Budweiser-Bahn“, „Gmundener-Bahn“. 

ENDERES Bruno: Die „Holz- und Eisenbahn“ Budweis-Linz. –Berlin 1926.(Hier: Nachdruck 2007)

OBEREGGER Elmar: Professor Franz Anton Ritter v.Gerstner(1796-1840). Seine Bedeutung im Kontext der (österreichischen) Eisenbahngeschichte. –Sattledt 2009.

OBEREGGER Elmar: Die „Erste (österreichische) Eisenbahngesellschaft“ und ihr Netz. –Sattledt 2008.

OBEREGGER Elmar: Zur Vorgeschichte der „Westbahn“ von Wien nach Salzburg. –Sattledt 2008.

OBEREGGER Elmar: Grundlinien der Eisenbahngeschichte Oberösterreichs. –Sattledt 2008.

SAVERNIK Hermann: Der Dampfbetrieb auf der Pferdeeisenbahn (Budweis-)Linz-Gmunden. -Linz 2009.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2010.