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>> BREGENZERWALD-BAHN. |
I: Der Bregenzerwald. Die Region Bregenzerwald liegt im Nordwesten Vorarlbergs und umfasst das Gebiet im Einzugsbereich der Bregenzerache, die etwas oberhalb von Schröcken – der letzten Gemeinde des Bregenzerwaldes – entspringt und in den Bodensee mündet. Das Gebiet selbst wird in den Vorderen und Hinteren Bregenzerwald eingeteilt. Im so genannten Vorderwald fließt die Bregenzerache in einer früher unzugänglichen Schlucht. Bereits weniger hundert Meter oberhalb gehen die Steilhänge in eine mittelgebirgsartige Hochfläche über. Hausformen und auch die Mundart weisen Ähnlichkeiten zum benachbarten Allgäu auf. Im Hinterwald wird der Talboden von einer immer höher werdenden Bergkette umschlossen. Ursprünglich waren die Orte hier als Haufensiedlungen angelegt, im Gegensatz zum Vorderwald, wo bereits traditionell Streusiedlungen vorhanden waren. Durch die immer größer werdende Zersiedelung ist dieser Unterschied heute aber nicht mehr spürbar. Heute leben in dieser Region rund 29.500 Einwohner, was einem Anteil von lediglich 8 % der Vorarlberger Bevölkerung entspricht. Mit einer Größe von rund 500 km2 hat der Bregenzerwald flächenmäßig einen Anteil von etwa 20 % an der Vorarlberger Gesamtfläche. Wirtschaftlich handelt es sich um ein strukturschwaches Gebiet, Arbeitsplätze finden sich hauptsächlich im Fremdenverkehr sowie in der Land- und Forstwirtschaft (holzverarbeitende Betriebe). Bis in die 1920er Jahre mussten sich zahlreiche Kinder des Bregenzerwaldes im grenznahen Ausland als so genannte „Schwabenkinder“ verdingen. Heute pendeln viele Erwerbstätige ins vorarlberger Rheintal aus.(1)
II: Erste Ideen zu einer Bregenzerwaldbahn. Bereits im Jahr 1864 kam erstmals die Idee eines Schienenweges in den Bregenzerwald auf. Johann Koderle, k.k. Bezirksförster in Bezau, regte den Bau einer Pferdeeisenbahn durch das Tal der Bregenzerache von Bregenz bis nach Au an. 1871 stellte er in einer akribischen Aufstellung sämtliche Daten zusammen, die sich sowohl mit den Baukosten als auch mit der Angabe sämtlicher Fahrgast- und Frachtpotentiale dieser angedachten Bahnstrecke beschäftigte.(2) Der Zeitpunkt dieser Idee verwundert etwas, denn erst am 1. Juli 1872 wurde in Vorarlberg mit der Strecke von Bludenz über Feldkirch und Bregenz nach Lindau in Bayern die erste Eisenbahnstrecke überhaupt eröffnet. Schließlich wurde dieses Projekt jedoch nicht realisiert. Im Jahr 1891 ersuchte ein Konsortium, das aus lokalen Honoratioren bestand, beim k.k. Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten um die Bewilligung an, technische Vorarbeiten für eine schmalspurige Lokalbahn von Bregenz nach Bezau, dem damaligen und heutigen Sitz des Bezirksgerichtes, vornehmen zu dürfen. Diese Bewilligung wurde erteilt. Mit dem Bau der Bahn sollten Industrie und Gewerbe belebt werden, außerdem galt es, das bislang nicht Verkehrswege angeschlossene Gebiet des Bregenzerwaldes zu erschließen. In den folgenden Jahren waren mannigfaltige Bedenken der äußerst konservativen Bevölkerung zu zerstreuen. Während freisinnige Politiker mit der Bahn Weltoffenheit und Zivilisation erwarteten, witterten Konservative die „sozialdemokratische Gefahr“. Im Jahr 1895 wurde folgendes Spottgedicht veröffentlicht: (3)
„Bebel und die Wälderbahn(4) Im Jahr 1897 fand einer erste Trassenrevision (politische Begehung) der Bahnstrecke statt. Für die Endstation in Bezau wurden mehrere Varianten erarbeitet. Am 11. August 1899 wurde die Konzession zum Bau und Betrieb der schmalspurigen Lokalbahn von Bregenz nach Bezau erteilt (Reichsgesetzblatt Nr. 172 vom 11. August 1899).
III: Die Bregenzerwaldbahn im Vollbetrieb. Von Bregenz nach Bezau hatte die in einer Spurweite von 760 mm gebaute Bahn eine Gesamtlänge von 35,501 km. Am Bahnhof Bregenz begann die Bahnlinie auf einer Höhe von 399 Höhenmeter und endete in Bezau bei 642 Höhenmeter. Bei der Bregenzerwaldbahn handelte es sich um die westlichste Eisenbahn der österreichisch-ungarischen Monarchie, die in der Bosnischen Spurweite von 760 mm gebaut wurde. – Die etwas westlicher liegende Werkbahn der Internationalen Rheinregulierung weist eine Spurweite von 750 mm auf. Der alte Verlauf:
Copyright: Elmar Oberegger Die Bahn führte vom Bahnhof Bregenz ausgehend durch die Vororte der Stadt (Bahnhof Vorkloster und Haltestelle Rieden) und erreichte den Bahnhof Kennelbach. Ab hier folgte die Bahn auf den folgenden 19 Kilometern der Bregenzerache. Teilweise musste der Fluss von den Fahrgästen auf abenteuerlicher Seilbrücken überquert werden, um von den Dörfern zu den Stationen zu gelangen. Im abgelegenen Tal folgten die Haltestellen Fluh und Langen-Buch. In Doren-Sulzberg wurde in der Abgeschiedenheit des Achtales ein richtiger Bahnhof angelegt, hier existiert auch heute noch eine Seilbrücke auf die gegenüber liegende Seite. Nach kurzer Fahrt folgte die Haltestelle Weißachbrücke, der Bahnhof Langenegg-Krumbach und in weiterer Folge der Bahnhof Lingenau-Hittisau. Hier wurde auch eine Bahnhofsrestauration gebaut und es gab in den Zeiten des Dampfbetriebes einen Wasserkran. Von dieser Station aus stieg die Bahn bis zum Bahnhof Egg an. Kurz vor Egg verließ die Bahn die Achschlucht und die Bahnhöfe waren in der Folge (abgesehen von Schwarzenberg) wirklich im Zentrum der Dörfer. Über die Haltestelle Unterbach wurde der Bahnhof Andelsbuch erreicht, dann folgten die Haltestellen Bezegg und Bersbuch sowie der nahe gelegene Bahnhof Schwarzenberg. Von hier fiel die Trasse erstmals auf einer Länge von rund 2 km ab und erreichte nach einem nochmaligen Neigungsbruch die Haltestelle Reuthe und die Endstation Bezau. Die einstige Ausfahrt in Bregenz:
Copyright: Elmar Oberegger Vom Höhenniveau her wurde die Bahn optimal entlang der Bregenzerache gebaut. Bei der Führung über die Dörfer Langen und Doren wären mehrmalige Steigungs- und Gefällestrecken nötig gewesen. Allerdings führte die Bahn aufgrund dieser Trassenwahl zwischen Kennelbach und Egg durch ein völlig unbesiedeltes Gebiet. Die Dörfer waren von den zugehörigen Bahnhöfen mehrere Kilometer entfernt und es mussten beim Bahnbau eigene Zufahrtsstraßen zu den Stationen Doren-Sulzberg, Langenegg-Krumbach und Lingenau-Hittisau angelegt werden. Die Geologie des Achtales lieferte den Verantwortlichen schließlich auch den Vorwand, die Bahn aus Sicherheitsgründen stilllegen zu können. Im Jahr 1901 zerstörte ein Hochwasser die meisten Bauten im Achtal, die Baufirma musste als direkter Folge davon im Jänner 1902 Konkurs anmelden. Das Vorarlberger Volksblatt brachte die lapidare Bemerkung „Die bisherige Baugeschichte der Bregenzerwaldbahn, wenn sie in ihren Einzelheiten eingehend geprüft wird, gibt ein lehrreiches Beispiel für Gemeinden, für Arbeiter, für Unternehmer, für Land und Staat, wie man es bei Bahnbauten nicht machen soll.“ Der Bahnbau wurde ab April 1902 unter staatlicher Leitung fortgeführt und beendet. Die Eröffnung der Bahnstrecke fand am 15. September 1902 statt. Eine Woche später, am 21. und 22. September wurde die Bahneröffnung mit dem bislang größten Volksfest des Bregenzerwaldes gefeiert. Der Bahnbetrieb wurde im Sinne der Konzessionsurkunde von der Staatsbahndirektion Innsbruck auf Kosten der Bregenzerwaldbahn Aktiengesellschaft durchgeführt. Im Bereich des Stadtgebietes von Bregenz und im Achtal wurden insgesamt drei Tunnel gebaut, neben zwei Brücken über die Bregenzerache wurden auch die Weißach und die Subersach im Verlaufe der Strecke gequert. Als größere Bauwerke mussten auch zwei Viadukte errichtet werden. Lokomotiven, Personen- und Güterwagen waren nach den damaligen Normalien für Schmalspurbahnen der Bosnischen Spurweite gebaut. Zu Betriebsbeginn standen drei Lokomotiven der Reihe U zur Verfügung (1903 folgte eine weitere und im Jahr 1907 nochmals eine Lokomotive dieser Serie), weiters zwei Personenwagen 2. und 3. Klasse, sechs Personenwagen 2. Klasse, zwei Dienstwagen, zehn gedeckte Güterwagen sowie 30 offene Güterwagen. Im Jahr 1903 wurde auch der Wagenpark komplettiert. Im selben Jahr wurden auf der Strecke drei neue Haltestellen eröffnet, im Jahr 1904 folgte eine weitere. Im Jahr 1910 zerstörte ein Hochwasser die Trasse im Tal der Bregenzerache, die Bahnstrecke war dadurch vier Monate lang unterbrochen. Das Verkehrsaufkommen entwickelte sich seit der Eröffnung der Bregenzerwaldbahn positiv. Um auch die Gemeinden des hinteren Bregenzerwaldes besser zu erschließen, entstand im Jahr 1910 das Projekt der Bahnverlängerung von Bezau bis Schoppernau. Für diese Verlängerung wurde durch das k.k. Eisenbahnministerium bereits eine Trassenrevision und Stationskommission angeordnet. Die Verlängerungsstrecke hätte eine Gesamtlänge von 16,2 km umfasst, der Bau zweier Tunnel wäre zur Realisierung nötig gewesen. Über dieses Projekt wurde in der Folge diskutiert, zur Realisierung der Verlängerung kam es jedoch nicht. Ab dem Jahr 1916 wiesen die Betriebsergebnisse der Bregenzerwaldbahn immer Verluste auf. Bemühungen um eine Übernahme der Bahn in den Eigenbetrieb der Aktiengesellschaft oder durch andere Bahnbetreiber blieben erfolglos. Schließlich wurde die Konzession am 31. Dezember 1931 für erloschen erklärt und die Bregenzerwaldbahn ging in das Eigentum des Bundes (bzw. der Österreichischen Bundesbahnen) über. Ab 1937 wurden die ersten Diesellokomotiven auf der Bregenzerwaldbahn eingesetzt. Mit einer Leistung von lediglich 210 PS waren die Lokomotiven der Reihe 2091 jedoch im Stande, die Dampftraktion völlig zu ersetzen. Nach dem Anschluss Österreich an das Deutsche Reich wurde die Bregenzerwaldbahn der Verwaltung der Deutschen Reichsbahn unterstellt. Nach Auflassung der Reichsbahndirektion Innsbruck gingen die Agenden auf die Reichsbahndirektion Augsburg über. Ab 1961 wurden die damals neuen Diesellokomotiven der Reihe 2095 auf der Bregenzerwaldbahn stationiert. Mit diesen 600 PS starken Maschinen konnte der Gesamtverkehr auf Dieselbetrieb umgestellt werden.
IV: Die letzten Betriebsjahre. Ab 1974 wurden für touristische Zwecke Dampfbummelzüge geführt. Diese erfreuten sich steigender Beliebtheit, im Jahr 1979 wurden rund 30.000 Fahrgäste in diesen Dampfsonderzügen gezählt. Trotzdem konnte diese an sich erfreuliche Initiative nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bregenzerwaldbahn immer unbedeutender wurde. Am Fahrplangefüge änderte sich seit der Inbetriebnahme der leistungsfähigen Diesellokomotiven nichts mehr. Es blieb bei lediglich fünf Verbindungen je Richtung, die Fahrtdauer für die 35 km lange Strecke betrug etwa 1 Stunde 20 Minuten. Trotzdem benutzten in den letzten Betriebsjahren jährlich rund 300.000 Fahrgäste die „normalen“ Züge dieser Bahn. Im Güterverkehr war die Bahn nahezu bedeutungslos. Nachdem keine Normalspurwagen befördert werden konnten, mussten sämtliche Güter umgeladen werden. Dies erfolgte größtenteils händisch und die Transportdauer von Gütern erreichte dadurch eine unvorstellbare Länge. In den letzten Jahren erreichte die Bregenzerwaldbahn ein Transportaufkommen von lediglich 10.000 Tonnen pro Jahr.
V: Die Einstellung So führte ein Erdrutsch am 3. Juli 1980 die „vorläufige“ Betriebseinstellung zwischen Kennelbach und Egg. Somit konnten auch die beliebten Dampfzüge nicht mehr verkehren. Zwischen diesen beiden Bahnhöfen wurde ein Schienenersatzverkehr eingerichtet. Obwohl mit den Arbeiten zur Beseitigung dieses Erdrutsches noch begonnen wurde, erfolgte bald deren Einstellung. Die Bahn wurde nie mehr in der gesamten Länge in Betrieb genommen. Ab 20. Oktober 1980 wurde die Betriebssperre auch auf die Strecke Egg – Bezau ausgeweitet. Somit war nur mehr der rund fünf Kilometer lange Abschnitt von Bregenz nach Kennelbach wirklich in Betrieb. Im Jahr 1981 ereignete sich ein weiterer Erdrutsch, der die Bahntrasse unter sich begrub. Allerdings waren zu diesem Zeitpunkt auch sämtliche Erhaltungsarbeiten (wie z. B. das Räumen der Entwässerungsgräben) eingestellt worden. Der Rumpfverkehr Bregenz – Kennelbach konnte sich bis 9. Jänner 1983 halten, ab 10. Jänner wurde die Gesamtstrecke im Schienenersatzverkehr befahren. Am 29. Jänner 1985 erteilte der Vorarlberger Landeshauptmann den Österreichischen Bundesbahnen die Bewilligung zur dauernden Einstellung des Gesamtverkehrs auf der Strecke Bregenz – Bezau. In den Folgejahren konnte sich auf dem kurzem Abschnitt von Bezau nach Schwarzenberg eine Museumsbahn etablieren.
Die U 25, noch mit der ÖBB-Nummer 298.25
beschriftet mit einem Zug der Museumsbahn
Copyright: Markus Rabanser
VI: Anmerkungen: 1) Weitere Angaben über den Bregenzerwald: http://www.vorarlberg.at/pdf/bregenzerwaldniederstaett.pdf 2) Johann Koderle, Denkschrift über die Bevölkerungs-, Besitz- und Verkehrsverhältnisse, Bregenz 1871. 3) Reinhard Johler, Beitrag zur Geschichte der Arbeiterbewegung im Bregenzerwald (masch.), Alberschwende 1984. 4) August Bebel gründete im Jahr 1866 zusammen mit Wilhelm Liebknecht die Sächsische Volkspartei, die 1869 in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschlands aufging.
VII: Literatur: Lothar Beer, Bahnen in Vorarlberg, Bände 1 bis 3, Hard 1994 – 1999. Markus Rabanser, Martin Hebenstreit, Die Bregenzerwaldbahn, Hard 1989.
Copyright: Markus Rabanser 2008. |
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