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IX: Der Versager und der Verrückte – Die misslungene „Restauratio Germaniae Romanae“ des Germanicus(14-16 AD) und der „Germanien-Krieg“ des Kaisers Caligula(39-ca. 41 AD). Galba. Den Schilderungen von Tacitus und Sueton folgend. Kaiser Augustus drehte sich wohl viele Male in seinem Grab um!

Nach dem Tod des Augustus im Jahre 14 AD wurde Tiberius neuer Kaiser des Römischen Reiches.(1)

Dieser hatte viel von einem „Finsterling“ an sich. Folgende Episode ist durch Sueton(Tib. 11) aus seiner Zeit auf Rhodos überliefert:

„Er besuchte … häufig die Schulen und Hörsäle der Professoren, und als einmal ein ziemlich heftiger Streit zwischen verschiedenen Sophisten ausgebrochen war, und er selbst zu vermitteln suchte, da beschimpfte ihn einer, der glaubte, er wolle die eine Partei bestärken. Tiberius ging darauf ruhig nach Hause, erschien aber plötzlich wieder mit seinen Amtsdienern und ließ durch Heroldsruf den, der ihn beleidigt hatte, vor sein Gericht rufen und sodann einsperren“.

Augustus, dessen Wunsch-Nachfolger der Reihe nach gestorben waren, hatte zu ihm stets ein gespanntes Verhältnis.(s.o.) Besonders aber bedrückte ihn dessen „Finstere Seite“. Sueton berichtet(Tib. 21):

„Auch ich weiß wohl, dass einige berichtet haben, Augustus habe öffentlich und ohne Hehl das finstere Gemüt des Tiberius verurteilt, manchmal sei er sogar so weit gegangen, bei seinem persönlichen Erscheinen unbeschwerte und heitere Gespräche plötzlich abzubrechen“.

Das alles nur „Höfischer Tratsch“? Sueton gegenüber wird ja traditionell der Vorwurf gemacht, er sei sozusagen Vorsteher der „Höfischen Waschzentrale“ gewesen, sein Werk besitze damit nur das Niveau der heutigen Boulevard-Presse.

„Germanicus“, immerhin Sohn seines Bruders Drusus Avidus, hat Tiberius – wie wir hier sehen werden – jedenfalls nicht mit Haut und Haaren verteidigt, als dieser sich anschickte, das „Testament des Augustus“ zu erfüllen, d.h. die „Abtrünnige Germania Romana“ ins Imperium heimzuholen, um damit gleichzeitig eine Art von „Drusus-Imitatio“ durchzuführen.(2) Eher das Gegenteil war der Fall.

Germanicus war schon von Augustus(!) zum über-nächsten Kaiser bestimmt worden und das war der Grund dafür, warum der Finstere Tiberius vor ihm grundsätzlich Angst hatte und ihm somit sehr reserviert gegenüberstand. Im Orient soll Germanicus einst durch einen Giftanschlag sterben, welcher bis heute nicht lückenlos aufgeklärt ist…

Germanicus:

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Den „Mythos von der Germanenfrau an der Elbe“(9 BC, s.o.) offenbar ernstnehmend, enthielt sich Germanicus also der Verfolgung des Väterlichen Ziels(s.o.), die Weichsel zu erreichen. Vielmehr sollte sein Zug an der Elbe zum Stillstand kommen. Somit war – wie oben angedeutet – seine „Drusus-Imitatio“ von vorn herein unvollständig. Doch wie unvollständig(!) diese einst tatsächlich sein soll, wusste zum Zeitpunkt des Angriffs noch niemand!

„Germanicus“ – diesen Ehrennamen hatte er von seinem Vater Drusus Avidus einst schlicht geerbt(s.o.) – soll sich in Germanien als (Unglücklicher) Versager“ entpuppen: Seine Operationen beschränkten sich eigentlich nur auf das Gebiet zwischen Rhein und Weser.

Die militärischen Operationen des „Germanicus“ in der seit 9 AD abtrünnigen „Germania Romana“(14-16 AD):

Copyright: Elmar Oberegger

„Blut möge fließen! Je mehr, desto besser…“ – Das war offenbar die erste und grundlegende Devise der „Drusus-Imitatio“ des Germanicus. Denn bereits Drusus erwies sich – wie oben erwähnt – bei seinem Zug als höchst blutrünstig.

Germanicus eröffnete seinen Ersten Feldzug(14 AD) mit dem Völkermord an den Marsern und vernichtete sodann noch deren Nachbarstämme, welche ihn angegriffen hatten.(s. Tac. Ann. 1, 52 ff.) Das war’s schon.

Den Zweiten Feldzug(s. Tac. Ann. 1, 55 ff.) begann er schon im Frühling des Folgejahres mit einem höchst brutalen Überraschungs-Angriff auf den Stamm der Chatten. Tacitus schreibt:

„Den Chatten kam seine Ankunft derart unerwartet, dass alles, was Alter und Geschlecht wehrunfähig machte, sogleich gefangen oder niedergemacht wurde. Die junge Mannschaft war über die Adrana geschwommen und versuchte, den Bau einer Brücke, den die Römer begannen, zu verhindern. Durch Geschütze und Pfeilschüsse zurückgetrieben, machten sie vergebliche Versuche, Friedensverhandlungen anzuknüpfen. Als einige zu Germanicus übergelaufen waren, ließen die übrigen ihre Gaue und Dörfer im Stich und zerstreuten sich in die Wälder. Der Caesar ließ Mattium – so heißt der Hauptort des Stammes – in Brand stecken, verwüstete das offene Land und zog sich dann wieder an den Rhein zurück, ohne dass die Feinde es wagten, die Abziehenden im Rücken anzugreifen. Sonst pflegen sie das zu tun, wenn sie mehr aus List als aus Furcht zurückgewichen sind. Die Cherusker hatten beabsichtigt, den Chatten beizustehen. Doch Caecina, der bald hier, bald dort seine Waffen zeigte, schreckte sie ab und hielt die Marsen, die einen Kampf wagten, durch ein glückliches Treffen im Zaum“.

Kurze Zeit später traf bei Germanicus eine Gesandtschaft des römerfreundlichen Germanenführers Segestes ein, welcher von Arminius belagert wurde. Er, Segestes, war es gewesen, welcher Varus einst vor Arminius offen und mit Nachdruck gewarnt hatte.(s.o.) Tacitus:

„… Segestes … hatte Varus schon oft und noch beim letzten Festmahl, nach welchem man zu den Waffen griff, darauf hingewiesen, dass ein Aufruhr vorbereitet werde, und den Rat gegeben, ihn selbst, den Arminius und die übrigen Häuptlinge zu verhaften. Nach Entfernung der Fürsten werde das Volk nichts wagen und er selbst Zeit gewinnen, um Schuldige und Unschuldige zu unterscheiden. Doch Varus fiel von des Schicksals und des Arminius Hand. Obwohl Segestes durch die einmütige Erhebung des Volkes in den Krieg hineingezogen wurde, stand er ihm doch innerlich auch weiterhin fern. Sein Hass wuchs noch aus persönlichen Gründen, weil Arminius seine mit einem anderen verlobte Tochter entführt hatte. Arminius war also der verhasste Schwiegersohn eines politisch feindlich eingestellten Schwiegervaters, und was bei Einträchtigen ein Band der Liebe ist, das wurde zum Stachel des Zornes bei den politischen Gegnern“.

Segestes war es aber schließlich gelungen, seine Tochter – welche übrigens den schönen Namen „Thusnelda“ trug – wieder heimzuholen. Sie befand sich nun gemeinsam mit ihrem Vater im Belagerungszustand.

Thusnelda, die Frau des Arminius:

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Sie wurde von Germanicus nach Italien entführt, wo sie sodann einen Knaben namens „Thumelicus“ zur Welt brachte. Dieser kam später auf ungeklärte Weise um.

Teilnehmer der obgenannten Gesandtschaft war übrigens auch ein gewisser Segimundus, Sohn des Segestes. Dieser hatte – wie oben schon erwähnt – dem Imperium einst klar die Politische Absage erteilt und war zu Arminius übergegangen. Die Verhältnisse waren längst verworren. Tacitus:

„Segestes hatte den Gesandten seinen Sohn Segimundus beigegeben. Aber der Jüngling war aus Schuldbewusstsein noch unschlüssig. Er war nämlich in dem Jahr, als Germanien abfiel, zum Priester am Augustus-Altar der Ubier erwählt worden, hatte aber seine Priesterbinden zerrissen und war zu den Rebellen geflohen. Dennoch ließ er sich durch die Hoffnung auf die Milde Roms bestimmen und überbrachte seines Vaters Aufträge. Er wurde wohlwollend aufgenommen…“.

Nun schritt Germanicus zur Befreiungs-Aktion. Sie gelang. Tacitus:

„Es kam zu einem Kampf mit den Belagerern, und Segestes wurde mit einer großen Schar von Verwandten und Hörigen befreit. Auch vornehme Frauen waren dabei, unter ihnen die Gattin des Arminius, Segestes‘ Tochter. Mehr im Geist ihres Gatten als ihres Vaters, vergoss sie bei der Gefangennahme keine Träne, aus ihrem Mund kam keine Bitte. Die Hände unter dem Bausch ihres Gewandes gefaltet, blickte sie auf ihren schwangeren Leib nieder“.

Segestes hielt sodann vor Germanicus eine Rede. Folgende Worte legt ihm Tacitus in den Mund:

„Für die jugendliche Verirrung meines Sohnes bitte ich um Nachsicht. Meine Tochter, ich gestehe es, musste allerdings mit Gewalt hierher gebracht werden. Es wird an Dir sein zu erwägen, was schwerer wiegt – Dass sie von Arminius empfangen hat oder dass sie von mir gezeugt wurde“.

Allen Beteiligten wurde „Sicherheit“ versprochen. Thusnelda wurde nach Italien entführt, wo sie später einen Knaben zur Welt brachte, welchen sie Thumelicus nannte. Er bekam seinen Vater nie zu Gesicht, wuchs in Ravenna auf und kam letzten Endes auf ungeklärte Weise um.

Arminius verfiel besonders angesichts der Entführung seiner schwangeren Frau zunächst in ohnmächtige Raserei, war doch seine „Macht im Land“ – wie oben bereits gesagt wurde – höchst eingeschränkt.

Schließlich begann er damit, mehrere Stämme mittels Brand-Reden aufzuwiegeln:

Germanicus und Segestes seien doch nichts als feige Hunde, die sich an Schwangeren Frauen vergreifen! Er dagegen habe schon immer wie ein Mann gekämpft! Den letzten Tiberius-Feldzug(s.o.) spielte er gezielt in seiner Bedeutung herab. Die Stunde des Kampfes sei nun gekommen!

So gewann er gegen Germanicus schließlich eine stattliche Streitmacht. Es gelang ihm sogar, einen „Alten Freund der Römer“ von seinem Vorhaben zu überzeugen, nämlich seinen Onkel Inguiomerus.

Germanicus bekam es nun in der Tat mit der Angst und reagierte nach Tacitus wie folgt:

„Damit der Krieg nicht auf einmal mit aller Kraft losbreche, schickt er Caecina mit vierzig römischen Kohorten, um die Feindesmacht zu spalten, durchs Bruktererland bis an die Amisia. Der Präfekt Pedo führt die Reiterei durchs Gebiet der Friesen. Er selbst schiffte die vier Legionen ein und fuhr über die Seen. Gleichzeitig trafen dann Fußvolk, Reiterei und Flotte bei dem genannten Fluss ein. Die Chauken wurden, da sie Hilfe versprachen, in die Heeresgemeinschaft aufgenommen. Die Brukterer, die ihr eigenes Land verheerten, schlug L. Stertinius mit seinen leichten Truppen in Germanicus‘ Auftrag in die Flucht. Beim Morden und Plündern fand er den Adler der neunzehnten Legion wieder, der mit Varus verloren gegangen war. Weiterhin wurde der Heereszug bis in die entlegensten Teile des Bruktererlandes geleitet und alles Land zwischen Amisia(= Ems, Anm. d. Verf.) und Lupia(= Lippe, Anm. d. Verf.) verwüstet…“.

Nun wurde Germanicus hinterbracht, dass in der Nähe dieses „Landes zwischen Amisia und Lupia“ die Reste des Varusheeres noch immer unter freiem Himmel liegen würden. Und es packte ihn, den Blutrünstigen Feldherrn, plötzlich eine „Eigenartige Sehnsucht“. Tacitus schreibt:

„So ergreift denn den Caesar die Sehnsucht, den Kriegern und ihrem Führer die letzten Ehren zu erweisen. Auch das ganze anwesende Heer war wehmütig gestimmt ob der toten Verwandten und Freunde, ob der Wechselfälle des Krieges und des Menschenschicksals. Caecina wurde vorausgeschickt, um die verborgenen Waldschluchten zu durchforschen und Brücken sowie Damme über die feuchten Sümpfe und trügerischen Moorwiesen zu bauen. Dann betreten sie die Stätte der Trauer, für den Anblick wie für die Erinnerung grauenvoll … Mitten auf dem Feld lagen bleichende Knochen, bald zerstreut, bald haufenweise, je nachdem die Soldaten geflohen waren oder Widerstand geleistet hatten. Daneben fanden sich zerbrochene Waffen und Pferdegerippe, auch vorn an den Bäumen befestigte Menschenschädel. In den benachbarten Hainen standen die Altäre der Barbaren, an denen sie die Tribunen und Centurionen ersten Ranges geschlachtet hatten“.

Umgehend führte man in diesem gefährlichen Gelände die Bestattung durch. Ein – rein militärisch betrachtet – völlig unnötiger Akt, wie auch Kaiser Tiberius in der Folge betonen soll. Germanicus sollte ja immerhin zur Elbe vormarschieren!

Arminius lag mit seiner Streitmacht schon auf der Lauer. Germanicus begann ihn zu verfolgen, während dieser immer mehr in unwegsame Gebiete zurückwich. Er versuchte also, Germanicus auf dieselbe Weise zu vernichten wie einst Varus. Das folgende Treffen endete jedoch unentschieden.

Germanicus führte sein Heer nun zur Ems zurück und ließ es per Schiff zurückbefördern. Caecina und seiner Truppe aber gab er einen anderen Befehl. Tacitus:

„Caecina … wurde angewiesen, obwohl er auf bekannten Wegen heimkehrte, die ‚langen Brücken‘ möglichst zeitig zu überschreiten. Diese bildeten einen schmalen Fußsteig zwischen unabsehbaren Sümpfen und waren einst von L. Domitius(Ahenobarbus, s.o., Anm.d.Verf.) angelegt worden. Alles andere war Moorboden, entweder zähes, schlammiges Erdreich oder schwer passierbare Bäche. Zu beiden Seiten lagen allmählich ansteigende Waldstücke, die jetzt Arminius besetzt hielt, da er auf Richtwegen und in beschleunigtem Marsch unseren mit Gepäck und Waffen beladenen Soldaten zuvorgekommen war“.

Zum weiteren Gang der Ereignisse heißt es:

„Caecina war im Zweifel, wie er die altersschwachen Knüppeldämme ausbessern und zugleich die Feinde abwehren sollte. Deshalb fasste er den Entschluss, an Ort und Stelle ein befestigtes Lager abzustecken, damit die einen die Brückenarbeiten, die anderen den Kampf aufnehmen könnten. Die Barbaren strengten sich an, die Postenketten zu durchbrechen und an die Schanzarbeiter heranzukommen. Sie reizen sie, machen Umgehungsversuche und offene Angriffe. Arbeits- und Kampfeslärm schallt durcheinander. Für die Römer war alles gleichermaßen ungünstig: Das grundlos morastige Gelände war ebenso unhaltbar, wenn sie darauf fußten, wie schlüpfrig, wenn sie vorwärtsschreiten wollten; sie selbst waren mit Kettenpanzern beschwert und konnten nicht einmal ihre Speere mitten im Wasser schwingen. Dagegen waren die Cherusker an den Kampf in Sümpfen längst gewöhnt, ihre hochgewachsenen Leiber und mächtigen Lanzen vermochten den Gegner aus noch so weiter Ferne zu verwunden. Erst die Nacht befreite die schon wankenden Legionen von dem unglücklichen Kampf. Aber die Germanen, unermüdlich ob ihrer Erfolge, gönnen sich auch jetzt keine Ruhe, sondern leiten alle Wasserläufe, die rings auf den Höhen entsprangen, in die Niederungen ab. Da so die aufgeworfene Erde wieder abgeschwemmt wurde und, was von Verschanzungen fertig war, nachstürzte, hatten die Soldaten doppelte Arbeit. Caecina, der jetzt vierzig Dienstjahre teils in niedrigen, teils in höheren Stellen hinter sich hatte, war mit Glück und Missgeschick vertraut und blieb deshalb unerschüttert. Als er überlegte, was zu tun sei, fand er keinen anderen Ausweg, als den Feind in den Wäldern zurückzuhalten, bis die Verwundeten und die schwer beweglichen Teile des Heereszuges einen Vorsprung gewonnen hätten. Zwischen den Bergen und Sümpfen zog sich nämlich eine Ebene hin, die die Entfaltung einer schmalen Kampflinie zuließ. Danach werden die Legionen ausgewählt: Der fünften Legion wird der rechte Flügel zugewiesen, der neunzehnten der linke; die erste sollte den Zug eröffnen, die zwanzigste sich gegen die Verfolger wenden. Diese Nacht war aus verschiedenen Gründen unruhig. Die Barbaren erfüllten bei festlichen Mahlen die Täler in der Tiefe und die widerhallenden Waldhöhen mit Freudengesang oder wildem Lärm. Bei den Römern brannten nur schwache Feuer, nur abgebrochene Laute waren zu vernehmen. Die Soldaten lagen bald hier, bald da am Lagerwall, irrten zwischen den Zelten umher, mehr schlaflos als wachsam“.

Der Feldherr selbst wurde in dieser Nacht übrigens vom „Geist des Varus“ heimgesucht:

„Er sah im Traum, wie Quintilius Varus blutbefleckt aus dem Sumpf emportauchte, und hörte seinen Zuruf. Doch folgte er ihm nicht und stieß die Hand, die er ihm entgegenstreckte, zurück“.

Als dann am nächsten Tag der Troß im Sumpf steckenblieb und die Truppe in totale Verwirrung geriet setzte Arminius mit dem Ruf „Seht da! Varus und seine noch einmal vom gleichen Schicksal geschlagenen Legionen“! zum Hauptangriff an. Germanicus schien in der Falle zu sitzen, alles war an der Kippe.

Tacitus zum weiteren Verlauf: Arminius durchbricht

„…mit einer auserlesenen Schar den Heereszug und verwundet dabei hauptsächlich die Pferde. Diese gleiten in ihrem eigenen Blut und auf dem schlüpfrigen Sumpfboden aus, werfen ihre Reiter ab, sprengen die ihnen Begegnenden auseinander und zertreten, was am Boden liegt. Die größte Not gab es bei den Adlern, die weder den andringenden Geschossen entgegengetragen noch im schlammigen Boden aufgepflanzt werden konnten. Während Caecina die Front zu halten bemüht war, glitt er von seinem von unten durchbohrten Pferd herab und wäre umzingelt worden, hätte sich nicht die erste Legion dem Feind entgegengeworfen. Zustatten kam uns die Habgier der Feinde, die vom Morden abließen und sich über die Beute hermachten. So arbeiteten sich die Legionen gegen Abend ins Freie und auf festen Boden heraus. Aber auch damit waren die Leiden noch nicht zu Ende: Ein Wall musste aufgeführt und Schanzmaterial herbeigeschafft werden. Doch waren die Gerätschaften größtenteils verloren, mit denen die Erde aufgegraben und der Rasen ausgestochen wird. Die Mannschaften hatten keine Zelte, die Verwundeten kein Verbandszeug. Mit Schmutz oder Blut besudelte Speisen wurden verteilt. Alles klagte über die unheilvolle Finsternis und jammerte, dass so vielen tausend Soldaten nur noch ein Tag zu leben vergönnt sei“.

Guerilla: Germanicus gegen Arminius.

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Bild eines unbekannten Künstlers um 1900.

Auf der Seite des Arminius wurden nun die zukünftige Vorgangsweise diskutiert. Er selbst trat als Anhänger der „Guerilla-Strategie“ dafür ein, die Römer ganz langsam ausbluten zu lassen. Sein mächtiger Onkel Inguiomerus jedoch hatte eine andere Idee: Frontal-Angriff auf das feindliche Lager!

Da die Römer unter diesen Rahmenbedingungen wieder in „Ihrem Element“ waren, kamen die Germanen umgehend in ärgste Bedrängnis und gingen schließlich unter. Tacitus:

„Ihre Scharen wurden niedergemacht, solange Erbitterung und Tageslicht ausreichte. Erst mit Einbruch der Nacht zogen sich die Legionen zurück. Obgleich es jetzt noch mehr Wunden gab, obgleich derselbe Mangel an Lebensmitteln und dieselbe Erschöpfung herrschte wie gestern, im Siege fanden sie doch alles – Kraft, Gesundheit und Überfluss“.

Arminius kam mit heiler Haut davon, sein Onkel wurde allerdings schwer verwundet.

Die Gefährlichkeit der Römischen Kriegsmaschine war erneut eindrucksvoll unter Beweis gestellt worden. Dasselbe gilt für die prinzipielle Richtigkeit der Strategie des Arminius.

Die Römer zogen sich nach diesem gefährlichen, verlustreichen und eigentlich militärisch unfruchtbaren Kampf erschöpft hinter die Rheinlinie zurück. Sie waren Arminius, dem „Herrn der Wälder und Sümpfe“ gerade noch entkommen.

Und Kaiser Augustus, der nach 9 AD immer für „Vorsicht“ plädiert hatte(s.o.), hat sich damals wohl zum Ersten Mal im Grabe umgedreht

Was unternahm Germanicus nun?

Tacitus: Er

„… übergab … zwei von den zu Schiff beförderten Legionen, die zweite und die vierzehnte, dem P. Vitellius, um sie auf dem Landweg weiterführen zu lassen. Die Flotte sollte, dadurch möglichst entlastet, auf dem seichten Wattenmeer fahren und bei Ebbe auf Grund gehen. Vitellius hatte anfangs auf trockenem Boden oder bei nur mäßig anschwellender Flut einen ruhigen Marsch“.

Doch:

„Bald aber wurde der Heereszug durch den Ansturm des Nordwindes – es war die Zeit der Herbsttagundnachtgleiche, wo der Ozean am stärksten anschwillt – auseinandergerissen und hin- und hergeworfen. Das Land war überschwemmt. Meer, Strand und Feld, alles war ein Anblick. Nicht zu unterscheiden waren unsichere Stellen von festen, seichte von tiefen. Die Soldaten werden von den Wellen umgeworfen, von den Strudeln verschlungen. Vieh, Gepäck und Leichen schwimmen einher und treiben ihnen entgegen. Die Abteilungen kommen durcheinander, die Leute ragen bald mit der Brust, bald nur mit dem Gesicht heraus und werden bisweilen, wenn der Boden unter ihren Füßen weicht, auseinandergeworfen oder überflutet. Kein Ruf, kein gegenseitiger Zuspruch half gegen die andringenden Wogen. Nichts hatte der Entschlossene vor dem Zaghaften, der Erfahrene vor dem Unerfahrenen voraus, nichts die Überlegung vor dem Zufall. Alles wurde mit dem gleichen Ungestüm in die Wogen hineingerissen. Endlich gelang es Vitellius, eine höher gelegene Stelle zu gewinnen und den Zug ebendahin zu leiten. Sie brachten die ganze Nacht ohne Lebensmittel und ohne Feuer zu, ein großer Teil war nackt oder übel zugerichtet. Ihr Zustand war nicht weniger beklagenswert, als wenn sie vom Feind belagert gewesen wären. Denn denen ist ja noch ein ehrenvoller Tod vergönnt, ihrer harrte nur ein ruhmloser Untergang. Doch der Tag brachte das feste Land wieder. Man drang bis zur Visurgis(Weser, Anm. d. Verf.) vor, wohin der Caesar mit der Flotte gesteuert war. Darauf wurden die Legionen eingeschifft, während das Gerücht ging, sie seien ertrunken“.

Das war das letzte Groß-Ereignis des Zweiten Feldzuges des Germanicus. In der Tat war er kein „Sohn des Glücks“

Die Schadenfreude des Arminius mag grenzenlos gewesen sein.

Und Kaiser Augustus drehte sich wohl zum Zweiten Male im Grabe um

Germanicus hatte bisher militärisch eigentlich gar nichts erreicht. Seine bisherigen Unternehmungen waren nur verlustreich gewesen, was Kaiser Tiberius natürlich gar nicht gefallen konnte…

„Doch Germanicus“ – schreibt Tacitus – „strebte, je leidenschaftlicher ihm seine Soldaten zugetan waren und je mehr sich die Abneigung seines Oheims vertiefte, desto mehr danach, den Sieg über die Germanen zu beschleunigen“.

Also begann er seinen Dritten Zug(s. Tac. Ann. 2, 5 ff.) mit tiefschürfenden militärstrategischen Überlegungen. Er gelangte schließlich zu folgenden, ganz Großartigen Erkenntnissen:

a)     Man könne die Germanen nur außerhalb der Wälder und der Sümpfe effektiv bekämpfen.(Ja, welchen Gegner denn nicht?!)

b)    Die Märsche im Land seien lang und würden den Soldaten und Zugtieren zuviel Energie kosten. Der Troß sei ferner vom Feind allzu leicht zu überfallen.(Auch so eine Binsenweisheit. Julius Caesar jedenfalls hat dies in seinen Berichten zum Gallischen Krieg nie problematisiert.)

Nota bene:

Von „Schlechten Straßen“ oder „Straßenlosigkeit“ ist hier keinerlei Rede! Bezüglich des „Transport-Problems“ kommt Germanicus – trotz seiner jüngst zurückliegenden Erfahrung mit den Tücken der Nordsee – nach Tacitus letzten Endes zu folgendem Schluss:

„Wenn man … den Seeweg einschlage, so sei man ohne weiteres Herr des Meeres, das den Feinden unbekannt sei, zudem könne man den Krieg zeitiger beginnen und die Legionen zusammen mit dem Proviant befördern. Ross und Reiter könnten durch die Mündungen und Läufe der Flüsse hinaufgefahren werden und stünden dann mit noch frischen Kräften mitten in Germanien …“.

Diesem Plan folgte umgehend die Tat:

„Tausend Schiffe schienen ausreichend und wurden beschleunigt fertiggestellt … Die Insel der Bataver war zum Sammelplatz bestimmt, weil sie leichte Landungsmöglichkeiten bot und besonders geeignet war, um die Truppen aufzunehmen und den Krieg hinüberzuspielen“.

Die Militäroperation begann. Über die Emsmündung begann man ins Feindesland einzudringen. Doch Germanicus konnte offenbar „LINKS“ von „RECHTS“ nicht unterscheiden. Tacitus:

„Die Flotte ließ er am linken Ufer der Amisiamündung zurück und beging dabei den Fehler, das Heer, das doch in die rechts gelegenen Gebiete einmarschieren sollte, nicht weiter aufwärts fahren zu lassen: So gingen einige Tage durch Brückenbau verloren“.

An der Visurgis, also der Weser, traf man sodann auf Arminius und seine Streitmacht. Zunächst einmal zeigte sich erneut, wie sehr die „Römische Frage“ die „Germanische Wirklichkeit“ gespalten, um nicht zu sagen zerrissen hat. Wir haben dieses Problem oben bereits erwähnt.

Arminius wollte zunächst seinen Bruder „Flavus“ sprechen, welcher mit ihm zusammen einst im kindlichen Alter als Geisel nach Rom gebracht worden war(s.o.) und nun auf der Seite des Feindes stand.

Das Zusammentreffen endete im Wildesten Streit. Am Ende schrie Arminius noch in Richtung Germanicus, dass er endlich eine „Entscheidungs-Schlacht“ wolle. Hierbei benutzte er offenbar die „Lingua Romana“. Dann gab er seinem Pferd die Sporen.

Arminius erteilte nun also – trotz der erst kurz zurückliegenden Negativ-Erfahrung(s.o.) – der „Guerilla-Strategie“ den Abschied und unterlag schließlich nach höchst Blutigen Kämpfen.

Germanicus soll es aber weder gelingen, ihn zu töten, noch ihn gefangenzunehmen.

Zuvor hatte Germanicus seine Soldaten – nach Tacitus – übrigens noch wie folgt instruiert:

„Nicht nur die Ebenen seien für römische Soldaten ein geeignetes Schlachtfeld, auch Wälder und Höhen seien es, wenn man mit Vernunft zu Werke gehe. Denn die riesigen Schilde der Barbaren und ihre überlangen Lanzen seien zwischen den Baumstämmen und dem dichten Unterholz nicht so leicht zu handhaben wie unsere Wurfspieße, Schwerter und dem Körper eng anliegenden Rüstungen. Sie sollten nur die Hiebe dicht aufeinander folgen lassen und mit den Schwertspitzen nach den Gesichtern zielen“!

Grausamkeit kennt im Krieg bekanntlich keine Grenzen

Nach diesem letzten Endes Unergiebigen Sieg trat man sodann den Rückmarsch an, war es doch schon Spätsommer. Der größere Teil der Truppe fuhr auf der Ems in Richtung Nordsee.

Und so wie Arminius in diesem Krieg mit der Methode der „Offenen Feldschlacht“ – welche zuerst von seinem Onkel Inguiomerus durchgesetzt worden war(s.o.) – nur schlechte Erfahrungen gemacht hatte, so machte Germanicus nun erneut eine höchst schlechte Erfahrung mit den „Tücken der Nordsee“.

Zunächst verlief die Rückverlegung noch planmäßig, doch dann begann sich das „Große Unglück“ schon anzubahnen. Tacitus schreibt:

„Anfangs rauschte die stille See vom Ruderschlag der tausend Schiffe oder wallte unter der Macht der Segel. Bald aber türmte sich schwarzes Gewölk zusammen, aus dem Hagelschauer niedergingen. Zugleich benahmen die unter wechselnden Stürmen regellos wogenden Fluten jede Aussicht und behinderten die Lenkung. Die erschreckten und mit den Gefahren des Meeres unbekannten Soldaten machten, weil sie die Seeleute störten oder zur Unzeit zu unterstützen suchten, die Bemühungen der Leute vom Fach zunichte. Bald wurden Himmel und Meer ganz dem Süd zur Beute. Dieser Wind wurde durch die feuchten Länder Germaniens, durch dessen tiefe Ströme und gewaltigen Wolkenzug noch verstärkt, durch die Kälte des nahen Nordens noch furchtbarer. So ergriff er die Schiffe und zerstreute sie auf den offenen Ozean oder nach den Inseln hin, die mit schroffen Klippen oder verborgenen Untiefen Verderben drohten. War man diesen mit Mühe entgangen, so konnte man, da sich die Meeresströmung änderte und mit dem Wind in gleicher Richtung trieb, weder die Schiffe mit den Ankern festhalten noch die eindringenden Wassermassen ausschöpfen. Pferde, Vieh, Gepäckstücke, sogar Waffen wurden über Bord geworfen, um die Schiffsrümpfe zu entlasten, die von den teils durch (leck gewordene) Planken, teils von oben hereinschlagenden Wogen trieften. Wieviel der Ozean stürmischer ist als andere Meere, wieviel das Klima Germaniens rauher als anderswo, um soviel übertraf auch jenes Unheil durch Neuheit und Größe alle Vorstellung. Ringsum feindliche Gestade oder ein so unabsehbares und tiefes Meer, dass man glauben konnte, es sei das allerletzte, hinter dem kein Land mehr liege. Ein Teil der Schiffe ging unter, mehrere strandeten an weit entlegenen Inseln, wo die Mannschaften, weil von menschlichem Anbau nichts zu finden war, durch Hunger aufgerieben wurden, falls sie sich nicht von Pferdekadavern genährt hatten, die eben dort angetrieben wurden. Nur der Dreiruderer des Germanicus landete an der Küste des Chaukenlandes. All die Tage und Nächte saß der Caesar auf den Klippen und Ufervorsprüngen und warf sich selbst laut die Schuld an der furchtbaren Katastrophe vor. Mit Mühe hielten ihn seine Freunde davon ab, in den gleichen Fluten den Tod zu suchen. Als sich endlich die Strömung wieder rückwärts wandte und der Wind günstig war, kamen schwer beschädigte Schiffe zurück, die nur noch spärliche Ruder hatten oder mit aufgespannten Kleidungsstücken segelten, manche auch im Schlepptau kräftigerer Schiffe. Diese ließ er in aller Eile wiederherstellen und schickte sie aus, um die Inseln abzusuchen. Durch diese Maßregel wurden die meisten Schiffbrüchigen wieder zusammengebracht. Die jüngst unterworfenen Angrivarier kauften den im Binnenland wohnenden Stämmen viele ab und gaben sie zurück. Einige waren nach Britannien verschlagen worden und wurden von den Häuptlingen dieses Landes wieder heimgeschickt. Jeder, der aus der Ferne zurückgekommen war, wusste Wunderdinge zu erzählen von furchtbaren Wirbelstürmen, von unbekannten Vögeln, von Meeresungeheuern, von Zwittergestalten, halb Tier, halb Mensch, die sie gesehen hatten oder in der Angst gesehen zu haben glaubten“.

Sowas nennt man eben Pech. Wurde Germanicus von einer „Höheren Macht“ verfolgt?

Die Kunde von diesem Fiasko brachte den Feind nun dazu, den Krieg zu erneuern. Und Germanicus – welcher noch kurz zuvor an Selbstmord(!) gedacht hatte(s.o.) – antwortete nicht zuletzt mit der Grotesken Methode des „Völkermordes“ – Erneut dürfte sich Kaiser Augustus im Grabe umgedreht haben!

Nun brach man ins Winterquartier auf.

Germanicus plante sodann einen Vierten Zug gegen Germanien, von dem er sich alles versprach.

Doch Tiberius stand nicht zu ihm, er gab ihm keine weitere Chance mehr. Und wenn wir die Traurigen Fakten betrachten, dann hätte ihn in der Tat nur „Größte Liebe“ dazu bewegen können, ihn weiter zu unterstützen. Doch diese brachte der „Finsterling“ nun einmal nicht auf. Er ließ den Sohn des Drusus Avidus also bezüglich „Germanien“ als „Versager“ hängen. Bereits Drusus hatte er – wie Sueton schreibt – eigentlich gehasst.(s. Tib. 50)

Germanicus – so Tiberius – sei ganz offensichtlich der völlig falsche Mann, um das „Testament des Augustus“ zu erfüllen. Er teilte ihm sodann in größtenteils diplomatischer Rede grundsätzlich mit, dass er hinsichtlich des „Problems Germanien“ doch noch andere zum Zug kommen lassen solle. Immerhin habe auch er, Tiberius, das Kommando einst an ihn weitergegeben.(s.o.) „Germanien“, so Tiberius, solle zukünftig Germanicus‘ Bruder Tiberius Drusus gehören:

„Da es jetzt keinen anderen Feind gebe außer in Germanien, so könne sich Drusus den Imperatortitel und den Lorbeerkranz nur dort holen“, überliefert uns Tacitus.

Undiplomatisch in dieser Rede des Tiberius war lediglich folgende Bemerkung: „Er selbst sei neunmal vom verewigten Augustus nach Germanien geschickt worden und habe dort mehr durch Klugheit als durch Gewalt erreicht“.

Trotzdem wurde Germanicus letzten Endes „weg-gelobt“(einen „Triumph“ bekam er auch noch!) und nicht mit Schimpf und Schande davongejagt.

Schließlich hat man ihn aber dann doch noch gründlich diskreditiert, und zwar nach seinem Tod im Jahre 19 AD.(3) Sein Kommando in Germanien wurde nun schlicht reduziert auf:

a) Sicherung der Rheingrenze, somit Sicherung Galliens.

b) Durchführung von Rache-Aktionen bzgl. der „Varus-Niederlage“.

Von der „Elbgrenze“ war also gar keine Rede mehr. Und ferner war die von ihm durchgeführte Bestattung von Soldaten im Teutoburger Waldgebirge längst ins Gerede gekommen, war er doch dazu amtlich gar nicht befugt gewesen – Auch so ein fragwürdiger Anwurf

Indem Kaiser Tiberius die Germanische Frage sozusagen mit dem Vermerk „Eilt nicht“ versehen hatte und dieses an Tiberius Drusus weiter-geben wollte, hat er dem „Testament des Augustus“ keineswegs eine grundsätzliche Absage erteilt. Tiberius Drusus sollte sich sodann aber eines „Germanien-Feldzuges“ enthalten. Man brauchte Germanien nun einmal nicht bzw. nicht dringend. Eine Münze mit der Aufschrift „WIR RÖMER VERZICHTEN AUF GERMANIEN“ wurde aber auch nicht geprägt…

Nach dem Tod des Tiberius wurde im Jahre 37 AD der Sohn des Germanicus Römischer Kaiser: Er ist landläufig unter dem Namen „Caligula“(= Soldatenstiefelchen) bekannt(4), war er doch einst als Kind bei den Germanien-Feldzügen seines Vaters(s.o.) dabeigewesen und hatte stets eine entsprechende Uniform an. Er galt und gilt als nicht ganz dicht. Sueton berichtet uns über diesen Menschen(50 f.):

„Caligula war hochgewachsen, sein Teint sehr bleich, sein Leib außergewöhnlich dick, Hals und Schenkel dagegen sehr dünn, Auge und Schläfen eingefallen, die Stirn breit und finster; Haare hatte er wenig, auf dem Scheitel gar keine, die übrigen Körperteile waren stark behaart. Deshalb galt es auch als todeswürdiges Verbrechen, von oben auf ihn herabzusehen, wenn er vorüberging, oder überhaupt aus irgendeinem Grunde nur das Wort ‚Ziege‘ auszusprechen. Sein Gesicht, das schon von Natur aus abschreckend und hässlich war, suchte er noch absichtlich zu entstellen, indem er vor dem Spiegel alle möglichen schreckliche und furchterregende Grimassen einstudierte. Caligulas körperliche und seelische Gesundheit war schwankend. Als Knabe litt er an Epilepsie, als junger Mann vermochte er ziemliche Strapazen zu ertragen, konnte aber dennoch bisweilen wegen einer plötzlichen Schwäche kaum gehen, stehen, oder sich soweit zusammennehmen, dass er sich aufrecht zu halten vermochte. Seine geistige Verwirrtheit hatte er auch selbst bemerkt, und mehrmals dachte er daran, sich zurückzuziehen und eine Kur gegen seine Geisteskrankheit zu gebrauchen. Man nimmt an, dass seine Gattin Caesonia ihm einen Liebestrank gegeben, der ihn aber wahnsinnig gemacht habe. Besonders litt er unter Schlaflosigkeit – Er konnte nämlich nicht länger als drei Stunden schlafen und genoss auch während dieser keinen ruhigen Schlaf, sondern wurde durch merkwürdige Traumgesichte beunruhigt. So soll er unter anderem auch einmal geträumt haben, der Geist des Meeres spreche mit ihm. Deshalb pflegte er einen großen Teil der Nacht auf seinem Bette sitzend oder durch die langen Säulenhallen irrend zu verbringen, da ihm die Schlaflosigkeit und das Wachliegen zusetzten. Immer wieder rief er dann laut den Tag herbei und ersehnte den Morgen“.

Caligula:

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Dieser Mann – Enkel des Drusus Avidus(!) – nahm sich nun ebenfalls des „Germanien-Problems“ an. Reinhard Wolters stellt dazu fest: Ob er „… die Eroberungspolitik seines Vaters wirklich wieder aufnehmen, oder ob er sich der Öffentlichkeit mit einer solchen Vorstellung nur empfehlen wollte, kann kaum geklärt werden“(5).

Hatte Kaiser Augustus schon während der Feldzüge des Germanicus genügend Gelegenheit gehabt, sich im Grabe umzudrehen, so brach das „Echte Germanische Affentheater“ erst unter Kaiser Caligula aus.

Wahrscheinlich begann ursprünglich alles damit, dass die Chatten im Jahre 39 AD den Rhein überschritten und schließlich sogar in der Lage waren – über den „Germanischen Heeresbezirk“(s.o.) hinweg – bis Gallien vorzumarschieren. Es war vor allem der spätere Kaiser Galba(68-69 AD), welcher sie zurückdrängte und sodann auch den Rhein überschritt.

Sueton weiß davon aber nichts, wenn er in Kapitel 43 seiner Caligula-Biographie schreibt:

„Nur einmal machte er sich an eine kriegerische Unternehmung, und zwar nicht einmal nach einem zuvor gefassten Plan. Als er … nach Mevania gekommen war, begann er auf die Anregung hin, seine Batavische Leibgarde, die er immer um sich hatte, zu ergänzen, die Vorbereitungen zu einem Feldzug gegen Germanien. Ohne Aufschub wurden von überallher Legionen und Hilfstruppen zusammengezogen, allenthalben strengste Aushebungen gemacht, ungeheure Kriegsvorräte, wie man sie in solcher Menge vorher noch nie gesehen, zusammengebracht und der Marsch begonnen … Sowie er das Feldlager erreicht hatte, wollte er sich als tüchtiger und strenger Feldherr zeigen und entließ die Offiziere, die die Hilfstruppen zu spät von den verschiedenen Plätzen herangebracht hatten, mit Schimpf und Schande. Darauf musterte er das Heer und enthob viele schon ältere Centurionen – einigen fehlten sogar nur noch ganz wenige Tage bis zu ihrer Entlassung aus der Armee – ihrer Stellung als Primipilare, und zwar unter dem Vorwand, sie seien zu alt und schwach. Den übrigen hielt er ihre Geldgier vor und setzte die Belohnungen für die Ausgedienten auf sechstausend Sesterzen herab“.

Der Kaiser war also offenbar ins Krisengebiet gelangt und Galba joggte sodann – offenbar Anerkennung heischend ungefähr 30 Kilometer neben dem Wagen des Kaisers her(s. Suet. Galba 6) – Welch‘ völlig verrückte Szene!

Und der Kaiser wollte „kämpfen“. Sueton schreibt(44):

„Da sich keine Gelegenheit zum Kriegführen bot, befahl er einigen wenigen Germanen seiner Leibwache, über den Rhein zu setzen, sich dort verborgen zu halten und ihm dann nach der Mittagsmahlzeit in großer Aufregung zu melden, der Feind sei da. Nachdem dies auch geschehen war, stürzte er sich mit seinen Freunden und einem Teil der Prätorianer-Kavallerie in den nächsten Wald, ließ Bäume umhauen und diese nach Art eines Siegeszeichens aufschichten. Darauf kehrte er bei Fackelschein ins Lager zurück, schalt die Furchtsamkeit und Feigheit derer, die ihm nicht gefolgt waren, beschenkte aber seine Gefährten und Teilhaber des ‚Sieges‘ mit einer neuen Art von Kronen, die auch einen neuen Namen erhielten. Er nannte diese nämlich ‚Späherkronen‘, und sie waren mit den Bildern von Sonne, Mond und Sternen verziert“.

Doch dem nicht genug. Sueton:

„Ein anderes Mal ließ er einige Schüler als Geiseln aus der Schule holen und schickte sie heimlich eine Strecke Wegs voraus. Plötzlich stürzte er dann vom Essen weg, verfolgte sie mit der Reiterei und führte sie in Ketten, wie wiedereingebrachte Flüchtlinge, zurück. Auch bei dieser Komödie verlor er jedes Maß und Ziel - Er begab sich nämlich wieder zum Mahl und forderte die Offiziere, die ihm die Rückkehr der Truppen meldeten, so wie sie waren, in ihren Panzern, auf, mit ihm zu speisen. Ja er ermahnte sie auch mit dem bekannten Verse Vergils, auszuharren und sich für bessere Tage zu schonen. Während er solche Possen trieb, tadelte er Senat und Volk in einem sehr ungehaltenen Edikt, weil sie, während der Kaiser kämpfe und größten Gefahren ausgesetzt sei, die Gelage bis tief in die Nacht hinein zögen, den Zirkus, die Theater und ihre hübschen Landhäuser aufsuchten“.

Caligula dachte daraufhin, dass es nun an der Zeit wäre, über seinen „Triumph-Zug“ nachzudenken. Dazu Sueton:

„… außer Gefangenen und Überläufern der Barbaren suchte er sich die größten Leute ganz Galliens und, wie er selbst mit einem griechischen Ausdruck sagte, die ‚triumphwürdigsten‘, unter ihnen auch einige Fürsten, für den Festzug aus. Er zwang sie, nicht nur ihr Haar rot zu färben und lang wachsen zu lassen, sondern auch Germanisch zu lernen und barbarische Namen anzunehmen“.

Von Sueton(51) erfahren wir auch, dass Caligula im Grunde vor den Germanen nur Angst hatte:

„Gegen die Barbaren stieß er zwar heftigste Drohungen aus, als er aber jenseits des Rheins im Wagen einen Engpass, der voll von Truppen war, passierte, und jemand sagte, dass die Verwirrung nicht klein sein würde, wenn jetzt plötzlich der Feind auftauchte, bestieg er auf der Stelle ein Pferd, eilte zu den Rheinbrücken zurück und ließ sich, da er sie durch Troßknechte und Bagage verstopft fand und diese Verzögerung nicht ertragen konnte, auf den Händen der Leute über ihre Köpfe hinweg hinübertragen. Später, als er von einem Aufstand in Germanien hörte, bereitete er seine Flucht vor und hielt dazu Schiffe bereit. Sein einziger Trost war der Gedanke, dass ihm wenigstens die überseeischen Provinzen übrigbleiben würden, wenn die Sieger die Alpengipfel zu besetzen vermöchten, wie einst die Kimbern, oder gar Rom, wie die Senonen“.

Im Jahre 40 AD schlugen die Chatten dann zurück, es folgte ein Gegenangriff des Galba, welcher ihn wieder über den Rhein führte. Er drang nun in deren – übrigens nördlich von Mainz gelegenes – Stammesgebiet ein. Bis an die Elbe wollte er nicht gelangen.

Nach der Ermordung Caligulas wurde im Jahr 41 AD Claudius zum Kaiser des Imperiums ernannt. Hierbei handelt es sich um den Bruder des Germanicus und damit um einen Sohn des Drusus Avidus.(6)

Claudius:

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Claudius war ein im Grunde vernünftiger Mann. Und er musste somit wissen, dass auch noch auf ihm das „Testament des Augustus“ grundsätzlich lastete. Gut 30 Jahre(!) waren seit der „Schlacht im Teutoburger Waldgebirge“ mittlerweile vergangen. Arminius war schon seit 20 Jahren tot. Gut 50 Jahre(!) lag der „Erste Angriff“ des Drusus Avidus auf die Germanen zurück. Dasselbe galt für dessen Erreichung des Elb-Strandes bei Magdeburg

Und als dann sein Feldherr Corbulo vor dem Hintergrund von Militärischen Konflikten am Rhein offenbar eine „Drusus-Imitatio“ anstrebte, war er plötzlich in höchstem Maße alarmiert…!

 

Anmerkungen:

1)    Siehe zu Tiberius NICKBAKHT, Tiberius’ Adoption durch Augustus.; SCHRÖMBGES, Tiberius und die Res Publica Romana.; SEAGER, Tiberius.; LEVICK, Tiberius, the Politician.; SHOTTER, Tiberius Caesar.; HAEHLING, Tiberius.; YAVETZ, Tiberius.

2)    Siehe zu Germanicus BONAMENTE(Hrsg.), Germanico.; CHRIST, Drusus und Germanicus.; KEHNE, Germanicus.; MUTH, Germanicus.; TIMPE, Der Triumph des Germanicus. Siehe zur Frage der Elbgrenze v.a. WOLTERS, Römer in Germanien, S. 57.

3)    Vgl. WOLTERS, Römer in Germanien, S. 59 f.

4)    Siehe zu Caligula etwa BARRETT, Caligula.; FERRILL, Caligula.; QUIDDE, Caligula.; WINTERLING, Caligula.

5)    WOLTERS, Römer in Germanien, S. 64.

6)    Zu Claudius siehe KIERDORF, Claudius.; LEVICK, Claudius.; MOMIGLIANO, Claudius.

 

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