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VIII: Die „Germania Romana“ von 9 bis 21 AD – Das „Reich des Arminius“? Über die Motivation des Aufstandes im Jahre 9 AD. Innere und äußere Probleme. Der jämmerliche Tod des Arminius.

Hier soll nun zunächst einmal die Frage behandelt werden, welche Faktoren Arminius zu seinem Aufstand motivierten.

War er ein aus tiefstem Herzen heraus agierender Rächer gegenüber dem jahrelangen Römischen Unrecht, welches seinem Volk widerfahren war? Sah er sich als dessen „Erlöser“?

9 AD: Arminius Victor(Bildnis aus 1894).

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Und was nun?

Dazu muss man wissen, dass Arminius grundsätzlich Germanischer Adeliger war und darüberhinaus noch Römischer Ritter. Er gehörte also ganz zweifellos zur Oberschicht und fühlte sich mit dem einfachen Volk emotional wahrscheinlich wenig bis gar nicht verbunden. Das waren wohl auch für ihn grundsätzlich Untertanen, welche man für den einen oder anderen Zweck gut gebrauchen konnte. So wurde – wie oben dargestellt – das einfache Volk unter Varus dem Römischen Recht ausgeliefert, nur um es für einen Aufstand aufzustacheln. Eiskalte Berechnung war hier also maßgebend. Wie es demjenigen erging, der mit römischer Methode bestraft wurde, ignorierte man. Diese Gesinnung hielt den listigen Arminius aber keineswegs davon ab, in seinen Reden heuchlerisch „Volksverbundenheit“ zu demonstrieren.

Welche historischen Verdienste Arminius für sich in Anspruch nahm, referiert Tacitus einmal in seinen Annalen(1, 59):

„Vor ihm seien drei Legionen und ebensoviele Legaten niedergesunken … Noch heute könne man in Germanenhainen die römischen Feldzeichen sehen, die er den heimischen Göttern geweiht. Möge Segestes das unterworfene Rheinufer bewohnen … die echten Germanen würden es niemals verzeihen, dass sie zwischen Elbe und Rhein Ruten, Beile und Togen erlebten. Andere Völker hätten nichts von Hinrichtungen erfahren, sie wüssten nichts von Tributen, weil sie die Römerherrschaft nicht kennengelernt hätten“.

Er stellt sich hier also selbst als einen mit dem „Volk“ verbundenen(sic!), „Großen Krieger“ dar. Dass sein Sieg über Varus vor allem auf List und Tücke fußte jedoch verschweigt er. Aber wahrscheinlich war er tatsächlich ein tüchtiger Soldat, hätte er doch ansonsten niemals die Position eines Römischen Ritters erlangen können.

Seine Truppe aber war unorganisiert und – wie sich später auch deutlich zeigen soll – nicht in der Lage, eine Offene Feldschlacht gegen die Römer zu gewinnen. Sie zerfiel organisatorisch in einzelne, höchst selbstbewusste Heerführer, welche naturgemäß nur sehr schwer und vor allem nicht in kurzer Zeit in eine neue übergeordnete Struktur zu pressen waren. Wie sehr sich Arminius dieses Umstandes bewusst war, zeigen schon die Strukturen der „Varus-Schlacht“, welche direkt auf das Wissen um die eigene Schwäche zurückzuführen sind.

Der Sachverhalt, dass nur eine „Politische Lösung“ seinem Regime im eigentlichen Sinne „Bestand“ geben könne, dürfte Arminius schon früh aufgegangen sein. Mit anderen Worten: Er brauchte möglichst bald einen möglichst mächtigen Verbündeten bzw. Schutzherrn. Erst dann könnte er zukünftig seinen Machtbereich adäquat verteidigen und beschützen.

Eine Welt-Macht, welche ein Arminius-Regime hätte schützen können, gab es aber neben Germanien nicht. Im Orient, da waren die Verhältnisse anders: Dort existierte das mächtige Parther-Reich, welches durchaus in der Lage war, grundsätzlich eine „Schutzfunktion“ auszuüben. Doch die Römer brachten – wie wir wissen – immer wieder alle abtrünnigen Gebiete ins Reich zurück. Besonders umstritten war bekanntlich Armenien.

Der einzige Schutzherr, der für Arminius in Frage kam, war König Marbod. Dessen Reich war zwar keine „Weltmacht“, aber im Vergleich zum wilden Haufen des Arminius stand es militärisch in der Tat nicht schlecht da. Velleius Paterculus – selbst Offizier – schreibt(Hist., 2, 105, 5):

„Die Masse derer, die sein Reich schützten, die durch beständige Übung beinahe das feste Gefüge römischer Manneszucht gewonnen hatten, brachte er in kurzer Zeit auf eine hervorragende und auch für unser Reich besorgniserregende Höhe … Er rüstete sein Heer, das er auf 70.000 Mann Fußvolk und 4000 Reiter gebracht hatte, indem er es durch beständige Kriege gegen die Nachbarn übte, für ein größeres Ziel als das, was er bereits erreicht hatte“.

Wann genau Arminius seinen Plan zum Aufstand entwarf, ist ungewiss. Sollte er dies allerdings bereits während des „Pannonischen Aufstandes“ getan haben(s.o.), dann wäre es zumindest denkbar, dass er auf dem Rückweg nach Germanien(8 AD, s.o.) König Marbod besucht, diesen in sein Vorhaben eingeweiht und um späteren militärischen Schutz gebeten hat.

Von Pannonien zu den Cheruskern via Marobudum? Skizze zur Route der „Heimkehr“ des Arminius im Jahre 8 AD:

Copyright: Elmar Oberegger

Historisch steht lediglich fest, dass Arminius dem Marbod nach erfolgreicher Schlacht den Kopf des Varus übersandte, was heute allgemein nur als simples Zeichen der „Verbundenheit“ und des „Kooperations-Willens“ gedeutet wird.

Steckte hier aber nicht doch viel mehr dahinter? Hatten beide schon im Jahre 8 AD verabredet, dass mit der Zusendung dieses Kopfes der „Bündnisfall“ eintritt? Wir wissen es nicht.

Hätte es sich jedenfalls so verhalten, dann wäre König Marbod mit Sicherheit völlig überrascht gewesen, dass der kühne Plan des Arminius in der Tat aufgegangen war. Angesichts der – ihm hinlänglich bekannten(s.o.) – Größe und Stärke der Römischen Kriegsmaschine hätte er damit aber wohl nicht gerechnet. Das Resultat wäre gewesen: Das Bewusstsein, dass es nun „ernst“ wird. Möglicherweise sogar Angst

Wie auch immer: König Marbod – gerade erst im Jahre 6 AD konkret von einem Krieg mit dem Imperium bedroht(s.o.) – schickte den „Kopf des Varus“ jedenfalls mit freundschaftlichem Gestus an Kaiser Augustus weiter, welcher diesen sodann endlich der Erde zuführte.

Hätte es ein Politisches Abkommen mit Arminius gegeben, dann wäre Marbod diesem in der Tat arg in den Rücken gefallen.

So oder so steht aber fest:

Was hätte denn ein „König“ überhaupt mit so einem hergelaufenen Guerillero, der ihm möglicherweise selbst irgendwann gefährlich hätte werden können(!), anfangen sollen? Wer hätte am Ende regiert? Der Altehrwürdige König oder der „Große Held“ quasi als „Homo Novus“? Betrachtet man das Selbstbewusstsein des Arminius, so hätte ein „Master and Servant-System“ nie funktionieren können.

Arminius verstand König Marbod jedenfalls – nach Tacitus(Ann. 2, 45) – später nur als „… feigen Flüchtling, der nichts von Schlachten verstehe, der sich in den Schlupfwinkeln des … Waldes versteckt und später mit Geschenken und Gesandtschaften um ein Bündnis gebeten habe“.(1) Ferner nannte er ihn in derselben Rede noch „Vaterlandsverräter“ und „Nützlicher Idiot“ des Kaisers.

Das „Marbod-Bild“ Roms wurde übrigens selbst durch die oberwähnte, freundschaftliche Rückgabe(!) des Varus-Kopfes nicht korrigiert. Aus der „Historia Romana“ des Velleius Paterculus geht hervor, dass man in ihm auch weiterhin eine „tief in der Erde versteckte Schlange“(2, 129, 3) erkannte.

Sollte Arminius im Jahre 8 AD keinen Pakt mit Marbod geschlossen haben, dann wäre er ganz einfach dumm gewesen. So oder so wurde er aber zum „Politischen Opfer des Marbod“. Höchst unklug ist es, in der Politik alles auf nur eine Karte zu setzen…

So stand Arminius plötzlich völlig allein mit seinem unorganisierten Haufen da und war mit zwei gravierenden Problemen konfrontiert:

a)     Die Pro-römische Partei unter Segestes war nach wie vor aktiv. Es herrschte sozusagen Bürgerkrieg. Dazu noch später.

b)    Jederzeit war mit einem Gegenschlag der militärisch schnell wiedererstarkten Römer(s.o.) zu rechnen. Diese könnte er in Offener Feldschlacht nicht besiegen und müsste somit zusehen, wie sie an Land und Volk Rache nehmen. Dies würde natürlich seinem „Öffentlichen Ansehen“ schaden. Der Einfache Mann würde plötzlich behaupten, dass das Römische Joch noch besser (gewesen) sei als Zerstörung, Verletzung oder Tod.

In solch‘ trauriger Lage befand sich also jener Mann, welchen Tacitus in seinen Annalen leichtfertig als „Befreier Germaniens“(2, 88) bezeichnet.

Es stimmt zwar, dass Germanien ab 9 AD nie wieder von den Römern besetzt wurde, doch das lag letzten Endes weniger an Arminius als vielmehr am Umstand, dass das Reich – wie schon Agrippa klar erkannt hatte(s.o.) – „Germanien“ in der Tat nicht unbedingt brauchte.

Wie schon an anderer Stelle gesagt: Ganz anders hätte es sich verhalten, wenn etwa die wichtigen Kornkammern Ägypten und/oder Africa abgefallen wären.

Was hat Arminius also trotz der oben genannten Faktoren, welche – wenigstens zum Teil vorhersehbar gewesen wären, zum Aufstand motiviert?

Offenbar war hier nur völlig leichtsinnige Macht-Gier im Spiel, wobei es den Anschein hat, dass der Leichtsinn überwog.

Sicherlich wollte er ein „Reich“ und auch den „Königs-Titel“, doch beides fällt nun einmal nicht einfach so vom Himmel. Um politisch etwas erreichen zu können, muss man bekanntlich vor allem ein sorgfältiger Planer sein, erst an zweiter Stelle steht hier die Gewaltanwendung. Vor allem Julius Caesar hat uns das vorgeführt.

Die erste Konfrontation mit den Römischen Macht ergab aber nicht durch eine Intervention von außen, sondern spielte sich im Land selbst ab. Im Jahre 10 AD kam es in Aliso zum Ausbruch!

Velleius Paterculus schreibt dazu(Hist. 2, 119):

„Anerkennung verdient … die Tüchtigkeit des Lagerkommandanten L. Caedicius und derer, die, mit ihm zusammen in Aliso eingeschlossen, durch riesige Massen von Germanen belagert wurden. Unter Überwindung aller Schwierigkeiten, die der Mangel an Lebensmitteln unerträglich und der Ansturm der Feinde unüberwindlich machte, fassten sie weder übereilte Entschlüsse noch begnügten sie sich mit tatenloser Vorsicht. Sie warteten den geeigneten Moment ab, dann bahnten sie sich mit dem Schwert die Rückkehr zu den Ihrigen“.

Sollte Aliso mit Paderborn-Elsen identisch sein – wovon offenbar nicht auszugehen ist – dann hätten die Römer bis zur Rheingrenze einen Marsch von ca. 200 Kilometern vor sich gehabt. Dies hätte konkret bedeutet:

a)     Bei Zurücklegung von 15 Kilometern pro Tag eine Marschdauer von ca. zwei Wochen.

b)    Bei Zurücklegung von 30 Kilometern pro Tag eine Marschdauer von ca. einer Woche.

Wie auch immer: Es ist nicht überliefert, dass Arminius hartnäckig das Ziel der Vernichtung dieses Zuges verfolgt hätte. Er wollte keine Offene Feldschlacht riskieren, sondern lieber seine Kräfte sparen. Wenn die Römische Kriegsmaschine nämlich in ihrem Element war, dann war sie bekanntlich – auch bei zahlenmäßiger Unterlegenheithochgefährlich. Schon im nächsten Abschnitt wird dies deutlich werden.

Im Jahr 11 AD brach die Römische Kriegsmaschine sodann von außen ins Land ein(2), und zwar unter Tiberius, dem die ursprünglich von Drusus produzierte „Germanische Affäre“ wohl schon längst lästig war.

Kaiser Augustus stellte mit Entschiedenheit klar, dass bei diesem Feldzug die „Vorsicht“ an oberster Stelle zu stehen habe: Wälder und Sümpfe sollten gemieden werden. Doch genau dort saß Arminius. Schon von vorne herein war also klar, dass diese Militäraktion nicht zu 100% auf eine Gefangennahme oder Tötung des Arminius abzielte. Hätte sich dieser aber einer Offenen Feldschlacht gestellt, dann wäre man diesbezüglich natürlich keineswegs abgeneigt gewesen…

Für Tiberius war neben der gebotenen Vorsicht nicht zuletzt strenge Disziplin das Fundament für diesen Feldzug. Sueton schreibt in den Kapiteln 18 und 19 seiner Biographie: Er ging

„… wieder nach Germanien, und überzeugt, dass die Niederlage des Varus auf überstürztes Handeln und Nachlässigkeit zurückzuführen sei, unternahm er nichts, ohne vorher die Meinung eines Kriegsrates angehört zu haben. In den anderen Kriegen hatte er immer alles selbst bestimmt und sich nur auf sein Urteil verlassen, jetzt aber beriet er sich gegen seine Gewohnheit mit mehreren Ratgebern über die Kriegführung. Auch ging er noch sorgfältiger als gewöhnlich vor. Bei der Überquerung des Rheins ließ er den ganzen Troß, dessen Umfang er genau vorgeschrieben hatte, nicht vorher hinüber, als bis er selbst am Ufer stehend die Beladung der Wagen daraufhin kontrolliert hatte, ob nichts anderes als Erlaubtes und Notwendiges mitgeführt werde … alle Befehle für den folgenden Tag, auch wenn etwas plötzlich anzuordnen war, gab er nur schriftlich, wobei er die Mahnung hinzufügte, man solle sich, wenn etwas unklar sei, nur an ihn allein und niemand anderen wenden, gleich zu welcher Zeit, ja selbst bei Nacht. Er hielt auf strengste Disziplin und führte auch alte Züchtigungsarten und Ehrenstrafen wieder ein … Trotzdem er sehr wenig dem Glück und dem Zufall überließ, so entschloss er sich doch mit größerer Zuversicht zum Beginn einer Schlacht, wenn während der nächtlichen Arbeit das Licht plötzlich, ohne dass jemand daran gestoßen wäre, herabfiel und auslöschte; dieses Vorzeichen habe nämlich, wie er selbst sagte, ihn und seine Vorfahren noch in keinem Feldzug betrogen, und er setze großes Vertrauen darein“.

Diese Vorsicht des Tiberius wurde in der Folge derart legendär, dass der byzantinische Geschichtsschreiber Johannes Zonaras im 12. nachchristlichen Jahrhundert gar behauptete, er hätte den Rhein gar nicht überschritten.(s. Ep. Hist. 10, 37, 18)

Nach Cassius Dio(s. Hist. 56, 25, 2 f.) begnügte sich Tiberius auf seinem Feldzug in erster Linie damit, Teile des Feindeslandes zu „verwüsten“. Bedeutende Schlachten seien nicht geschlagen worden. Da es vor dem Hintergrund dieser Verwüstungen mit ziemlicher Sicherheit auch zu Tötungs-Aktionen kam, können wir wohl von einem „Völkermord-Feldzug“ sprechen. Dessen Ausmaß dürfte – so der Archäologe - übrigens relativ gering gewesen sein.

Gesichter eines „Völkermordes“: Germanische Gefangene werden von Römischen Henkersknechten brutal enthauptet.

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Links und rechts unten zwei abgeschlagene Köpfe und zwei kopflose Körper, in der Bildmitte zwei Germanen im Augenblick ihres Todes. Dieses Bild stellt zwar ein Detail aus „Marcus-Säule“(um 180 AD) dar, unter Tiberius &. Co wird man aber sicherlich nicht viel anders verfahren sein.

Mit seiner Vorgangsweise verfolgte Tiberius ganz offensichtlich vorwiegend den Zweck, dem Volk die Römische Macht einerseits und die Ohnmacht des Arminius andererseits klar zu demonstrieren. Arminius, der die Offene Feldschlacht fürchtete, saß also mit seinen Genossen im Wald und war sozusagen gezwungen, diese Vergewaltigung seiner Heimat mitanzusehen. Dabei hatte der Einfache Mann wohl auf den Schutz durch Arminius vertraut. Und in der Tat muss er gerade damals den Eindruck gehabt haben, dass das Römische Joch noch immer besser sei als Zerstörung und Tod. Somit bewegte er sich also innerlich von Arminius weg und dessen Image als „Held“ und „Befreier“ begann massiv zu bröckeln

Zu vermuten ist lediglich, dass Arminius ein Attentat auf Tiberius in Auftrag gegeben hat. Sueton schreibt in der obgenannten Biographie in Kapitel 19:

„Nach einer glücklich verlaufenen Schlacht wäre er allerdings von einem Brukterer um ein Haar ermordet worden; dieser hatte sich unter seine Umgebung gemischt, machte sich aber durch sein unruhiges Wesen verdächtig und gestand dann auf der Folter, diese Untat vorgehabt zu haben“.

Dass Arminius der Auftraggeber gewesen sei, schreibt Sueton jedoch nicht.

Kaiser Augustus konnte mit diesem „Terror-„ bzw. „Völkermord-Feldzug“ des Tiberius jedenfalls zufrieden sein:

Der Feldherr war - wie vereinbart(!) - „vorsichtig“, brachte die Truppe heil zurück, das Ansehen des Arminius als politisch-militärischer Führer wurde beschädigt und langsam aber sicher würden in Germanien nach der „Großen Rebellion“ die Dinge wieder ins Lot kommen. Mit diesem Bewusstsein starb Augustus im Jahre 14 AD.

Die Aussage des Velleius Paterculus, Tiberius habe „Germanien zu Boden geworfen“(Hist. 2, 122, 2) erscheint jedenfalls in der Tat als völlig übertrieben.

Nach dem Tod des Augustus(14 AD) wurde Tiberius Kaiser und ließ bald darauf „Germanicus“, den Sohn des Drusus, in Germanien einrücken.(3) Die Strategie des „Vernichtungs-Krieges“ wurde hier umgehend fortgesetzt. Tacitus schreibt dazu in den Annalen(1, 50 f.):

„Kundschafter hatten … berichtet, dass diese Nacht bei den Germanen alljährlich gefeiert werde und zu heiterem Festmahl bestimmt sei. Caecina erhielt den Befehl, mit den leichten Kohorten vorauszumarschieren und durch das hinderliche Walddickicht den Weg zu bahnen; die Legionen folgen in mäßigem Abstand. Eine sternhelle Nacht kam uns zustatten; man gelangte zu den Dörfern der Marsen, die man mit Truppenabteilungen umstellte, während die Einwohner auch jetzt noch in ihren Schlafkammern oder neben den Tischen herumlagen, ohne jede Besorgnis und ohne Wachtposten ausgestellt zu haben. So sehr ließen sich alle völlig arglos gehen; man befürchtete keinen Krieg, und auch ihres Friedens Ruhe war schlaff und gelöst, wie das bei Trunkenen natürlich ist. Der Caesar teilt die kampfbegierigen Legionen in vier Keile, um die Verheerung möglichst weit auszudehnen; ein Raum von 50 Meilen wird mit Feuer und Schwert verwüstet. Kein Geschlecht, kein Lebensalter findet Erbarmen. Menschliche wie göttliche Stätten, darunter auch das bei jenen Stämmen hochberühmte sogenannte Heiligtum der Tanfana, werden dem Erdboden gleichgemacht. Die Soldaten, die nur Halbschlafende, Waffenlose und Herumirrende erschlagen hatten, blieben unverwundet“.

Von der Heeresmacht des Arminius war wieder einmal keine Spur. Als die Nachbarstämme von diesem Völkermord an den Marsen hörten, griffen sie sozusagen zur Selbsthilfe, attackierten die Römer auf altbewährte, germanische Weise und gingen sodann erwartungsgemäß militärisch unter.

Arminius und Germanicus sollen aber – wie sogleich ausführlich berichtet werden wird – im weiteren Verlauf dieses Feldzuges doch noch militärisch aneinandergeraten, doch für keine der beiden Seiten war letztlich ein wirklich großartiger Erfolg zu verbuchen: Der eine konnte den anderen militärisch nicht besiegen, der andere den einen weder gefangennehmen noch töten

Im Jahr 17 AD musste Arminius dann noch einem weiteren äußeren Feind entgegentreten, nämlich König Marbod.(s.o.)(4)

Er gewann die Schlacht zwar, konnte Marbod aber aufgrund militärischer Schwäche letzten Endes nicht vernichten und sich somit nicht seines „Reiches“ bemächtigen. Überhaupt wäre es fraglich gewesen, ob er allgemein als „Neuer König“ anerkannt worden wäre.

Arminius war also ein politischer Führer, welcher es nicht schaffte, „Sein Volk“ zu schützen, es nicht schaffte, eine wirklich „Geordnete Heeresmacht“ aufzubauen und somit es nicht schaffte, „Durchschlagende militärische Erfolge“ zu erringen. Verkürzt ausgedrückt schaffte er es vor allem nicht, sein durch die erfolgreich geschlagene Varusschlacht entstandenes „Prestige“ in Reale Macht umzuwandeln.

Sein „Reich“ war also nie von dieser Welt. Und dies führte schließlich dazu, dass er sich in einem Haifisch-Becken innerer Feinde wiederfand. Wahrscheinlich hat es damals auch nicht wenige gegeben, welche sowohl gegen Arminius als auch gegen die Römer waren.

Auszugehen ist davon, dass Arminius bis zu seinem Tod in zunehmender Angst lebte: Umgeben von einer loyalen Leibwache und Vor-Kostern

Einmal wurde – so Tacitus in seinen Annalen – von einem seiner Feinde in Rom sogar um Gift nachgesucht. Da es in Germanien wohl genügend herkömmliches Gift gab, muss es sich hier um ein hochentwickeltes „Spezial-Gift“ gehandelt haben, welches seine Wirkung erst längere Zeit nach der Einnahme entfaltet. Tacitus schreibt zur Sache(2, 88):

„Bei den Geschichtsschreibern, die in jener Zeit schrieben und zugleich Senatoren waren, finde ich die Nachricht, dass im Senat ein Brief des Chattenfürsten Adgandestrius verlesen wurde, worin dieser den Tod des Arminius versprach, falls man ihm zur Ausführung des Mordes Gift schicken wolle. Die Antwort sei gewesen, das römische Volk nehme an seinen Feinden nicht hinterrücks und heimlich Rache, sondern nur offen und in ehrlichem Waffengang“.

Arminius – weniger „Befreier Germaniens“ als vielmehr „Trauriger Rebell“ – starb schließlich – wie auch Drusus, Alexander und Caesar(s.o.) – auf höchst jämmerliche Weise:

Er wurde von seinen eigenen Verwandten heimtückisch ermordet

 

Anmerkungen:

1)    „… ac mox per dona et legationes petivisse foedus…“. Auf wen exakt sich diese angebliche „Bündnis-Bitte“ bezogen hat, bleibt im Urtext grundsätzlich offen. Landläufig wird diese jedenfalls – in der Regel per nachträglichem Einschub(!) – mit dem Imperium Romanum in Verbindung gebracht. In Arminius‘ Beschimpfung werden die Tatsachen aber derart verdreht, dass hier auch ein Bündnis Arminius-Marbod(8 AD ?) angesprochen worden sein könnte. Doch das ist reine Spekulation.

2)    Siehe WOLTERS, Römer in Germanien, S. 56.

3)    Siehe zu Germanicus BONAMENTE(Hrsg.), Germanico.; CHRIST, Drusus und Germanicus.; KEHNE, Germanicus.; MUTH, Germanicus.; TIMPE, Der Triumph des Germanicus.

4)    Die diesbezügliche Überlieferung des Tacitus(s. Ann. 2, 44 ff.) ist inkohärent, um nicht zu sagen wirr. Soviel sei gesagt: Der Kriegsgrund der Sueben wird eingangs so angegeben, im weiteren Verlauf dann so. Der Grund für den Übertritt des Inguiomerus zu Marbod reimt sich überhaupt nicht auf den Umstand, dass Arminius und er noch ein paar Jahre vorher(!) gegen Germanicus gekämpft hatten. In naiver Weise drückt er Arminius erneut in die historische Rolle des „Befreiers“. Und dass die beiden Heere auf „römische Weise“ miteinander kämpften, ist relativ unglaubwürdig, denn noch beim Feldzug des Germanicus war das Arminius-Heer ein Guerilla-Haufen, keine disziplinierte Armee.(s.o.) Überhaupt ist es höchst sonderbar, dass im Zusammenhang mit diesem Konflikt kein einziges Wort(!) zum Thema „Kopf des Varus“(s.o.) verloren wird.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2016.