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ST. GALLEN UND BURG GALLENSTEIN:

Zur Geschichte einer bemerkenswerten Beziehung.

 

I: „Silva Nova“ – Das Stift Admont und die Kolonisationsbewegung in Richtung Nordost.

Im Jahre 1074 wurde von Salzburg aus das Stift Admont gegründet und dem Heiligen Blasius geweiht. Man hatte es in der Nähe der auf keltisch-römische Wurzeln zurückgehenden „Pyhrn-Strasse“(Wels/Ovilava-Liezen/Stiriate) angesiedelt.

Stift Admont heute:

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Solche Klostergründungen gingen keineswegs auf charismatisch-religiöse Ursprünge zurück, sondern auf streng wirtschaftlich-politische Überlegungen. Religion und Herrschaft waren damals quasi eins. Somit war die „Kolonisation“ eigentlich die Hauptaufgabe von Admont.

Erzbischof Gebhard v.Salzburg nannte in der Stiftungsurkunde die nordöstlich gelegene Gegend provisorisch „Silva Nova“, also schlicht „Neuer Wald“.

Man begann damit, diesen „Ur-Wald“ durch unerschrockene Männer erkunden zu lassen. Dass das neue Gebiet im Norden durch die Enns begrenzt wurde, dürfte man den antiken Landkarten bereits entnommen haben.

Somit ergab sich das „Kolonisations-Konzept“ fast ganz von selbst(s. Karte):

a)     Anlage eines Weges von Admont bis zur Enns mit Option auf späteren straßenmäßigen Ausbau.

b)    Das sozio-ökonomische Zentrum der Kolonisation sollte in der Nähe der Enns liegen, von wo aus man zunächst die durch die Rodung permanent anfallenden die Baumstämme leicht wegbringen konnte. Man band diese einfach zu Flößen zusammen und fuhr in Richtung Donau. Dort konnte das Holz dann weiterverkauft werden.

Festzuhalten in diesem Zusammenhang ist: Noch heute ist das Gebiet zwischen St. Gallen und der Enns dichter besiedelt als das Gebiet zwischen St. Gallen und Admont.

Generalkarte „St. Gallen, Stift Admont, Pyhrnstraße, Eisenerz und die Enns“:

Copyright: Elmar Oberegger

Das im Jahre 1952 eingeführte St. Gallener Wappen gibt eine Anspielung auf diese „Schwere Zeit der Rodung“ bzw. der „Kolonisation“

„Bärenkräfte“ mussten von den „St. Gallener Gründervätern“  in der Tat aufgewendet werden, um Das Große Werk zu vollbringen! Das Wappen zeigt einen Bären, der einen ausgerissenen Baum hält. Beim Marktbrunnen wird dieses Motiv in Form einer imposanten Statue wiedergegeben.

Das Wappen von St. Gallen:

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Symbol für „Zivilisation durch Rodung“.

Jeder, der heute mittels simpler Axt oder Gemeinschafts-Säge einen Baum fällen muss, erlebt die Beschwerlichkeit der Alten Zeit hautnah mit. Damals gab es nun einmal kein bequemeres Instrument für diesen Zweck, welches man heute einfach im Liezener Baumarkt kaufen kann.

Überhaupt darf man sich das Volksleben im alten St. Gallen wohl als sehr einfach vorstellen: Holzhütten, in denen einfachst gekleidete und grobschlächtige Menschen lebten. Genährt von einfachster Kost„Kolonisten-Kultur“ eben! So wie einst auch im „Wilden Westen“ oder in „Sibirien“

Der Bär besitzt im St. Gallener Volksleben allerdings noch eine andere Bedeutung: Um das Gebiet dauerhaft beherrschen zu können, war es nötig, ihn – den Herrn des alten Ur-Waldes möglichst auf ewig zu vertreiben. Der Bär stellt bekanntlich Schafen, Kühen u.ä. Tieren nach und ist nicht abgeneigt, den Imker zu schädigen. Unter Umständen kann er auch dem Menschen gefährlich werden. Darauf geht der alljährlich eifrig gepflegte St. Gallener Brauch des „Bären-Austreibens“ zurück.

86 Jahre nach der Gründung des Stiftes Admont – also 1152 – wurde in „Silva Nova“ eine Kirche errichtet. Der offizielle Name des Ortes war nun: „Polyandrium St. Galli in Silva Nova“. Daraus entwickelte sich schließlich die heutige Ortsbezeichnung „St. Gallen in der Obersteiermark“.

Blick auf St. Gallen von der Burg aus:

Copyright: Elmar Oberegger

Im Jahre 1160 wurde die Kirche zur „Pfarre“ erhoben und dem Stift Admont offiziell einverleibt. Schon bald kam es zur Gründung einer „Taverne“ für die Reisenden von Admont bis hinauf zur Enns, was darauf hindeutet, dass der entsprechende Verkehrsweg bereits gut ausgestaltet war und eifrig benutzt wurde.(s. Karte)

Eine „Enns-Überfuhr“ von Weissenbach gegen Altenmarkt(1106: „Frodniz“) an der „Eisenstraße Eisenerz-Oberösterreich“ dürfte schon früh existiert haben.(s. Karte) Erst mit dem Brückenbau von 1277 soll diese obsolet werden. Festzuhalten ist jedenfalls, dass man für den neuen Admonter Verkehrsweg zwei Anschlüsse suchte:

a)     Die Enns als „Wasserstraße“.

b)    Die „Eisenstraße“.

Die Enns-Brücke bei Weissenbach um 1910:

Ausschnitt aus einer alten Ansichtskarte.

 

Die Enns-Brücke bei Weissenbach heute:

Copyright: Elmar Oberegger

Direkt rechts neben der Eisenbahntrasse der alte Brückenkopf. Oben drüber die neue, wunderschöne Betonbrücke.

Für das Jahr 1296 – also ganze 136 Jahre nach der Erhebung von St. Gallen zur Pfarre – ist schließlich für diesen Ort die Existenz eines Arztes bzw. Heilers überliefert, welcher sich „Meister Ulrich“ nannte.

Dies lässt einerseits darauf schließen, dass sich die Bevölkerung vor Ort gut vermehrt hatte, andererseits darauf, dass es viele Durchreisende gab. Möglicherweise waren hier beide Momente bestimmend.

St. Gallen war also vielleicht auf bestem Wege, ein sogenanntes „Hospital“ zu werden. So ähnlich wie das „Hospital am Pyhrn“ an der Pyhrnstraße, heute „Spital am Pyhrn“ genannt.

Unter „Hospital“ verstand man in der alten Zeit kein Krankenhaus, sondern eine „Allgemeine Labestätte“. Man hatte in St. Gallen längst eine Taverne, auch einen Arzt

Doch es ist zumindest quellenmäßig nicht explizit überliefert, dass St. Gallen jemals eine solche Bedeutung gehabt hätte oder erlangen hätte können.

 

II: Die St. Gallener Gegend – Lange Zeit beherrscht vom „Dumpfen Dröhnen der Stahlhämmer…“. Vom Mittelalter bis ca. 1900.

Nachdem sich der Ort St. Gallen entwickelt hatte, war klar, dass man einen neuen Wirtschafts-Impuls brauchte: Wahrscheinlich exportierte man über die Enns neben Baumstämmen v.a. Tierfell, vielleicht auch Honig u.ä. Das war aber auf Dauer keine echte Existenzgrundlage.

Es existiert bis heute das Gerücht, dass in St. Gallen schon 1250 – also ca. 100 Jahre nach Errichtung der Kirche – in „Hammerwerken“ Stahl produziert wurde. Der Produktionsablauf: Import des Roheisens aus Eisenerz, Weiterverarbeitung desselben in St. Gallen, Export des Fertigproduktes in Richtung Donau über die Enns.

Quellenmäßig steht allerdings nur fest, dass ab ca. 1450 in der St. Gallener Gegend mehr als 10 Hammerwerke betrieben wurden. Die entsprechende Vorgeschichte ist noch nicht genau geklärt. Für die Zeit um 1500 ist für die Gegend bereits die Existenz von fast 15 Hammerwerken überliefert. In einer Quelle aus 1517 ist erstmals ein sogenannter „Eisen-Beschauer“ bezeugt.

Wie auch immer: Sicher ist, dass im Raum St. Gallen früher massiv Stahl produziert wurde, die Gegend also vom „Dumpfen Dröhnen der Stahlhämmer“ eingehüllt war. Und dieses bedeutete Wohlstand! Heute erinnern an die Existenz dieses „Mini-Ruhrgebietes“ nur noch mehr oder weniger gut erhaltene Häuser oder gar Ruinen…

Wie kam nun das Roheisen aus Eisenerz bis nach St. Gallen?

Zuerst wurde hierzu offenbar die Enns als Transportweg benutzt, später aber der Landweg. Es ist nämlich konkret überliefert, dass beim Bahnbau im Ennstal(= „Kronprinz Rudolf-Bahn“) – also so um 1870 herum – ein „Alter Schiffweg“ zwischen Hieflau – dem traditionellen Eisenerzer Ausfallstor – und Weissenbach entdeckt wurde. Schon lange musste dieser damals also schon außer Gebrauch gewesen sein, denn ansonsten hätte man ihn ja nicht „(quasi-)archäologisch entdecken“ können!

Die Ursache für die Aufgabe des Wasserweges Hieflau-Weissenbach war mit Sicherheit dessen Gefährlichkeit und Unberechenbarkeit. Seine Benutzung war ab einem gewissen Zeitpunkt sogar behördlich streng verboten.

Seit 1873 existierte dann der Direkte Schienenstrang „Eisenerz – Hieflau – Weissenbach-St.Gallen – Steyr – Donau“.

Für die „St. Gallener Stahlindustrie“ hatte dies aber gar keine Bedeutung mehr: Schon vor der Mitte des 17. Jahrhunderts war deren Verfall deutlich spürbar gewesen. Und dieser ging sukzessive weiter. Der ewige Grund: „Mangelnde Rentabilität“.

Um 1900 herum sollte dann auch noch der letzte Hammer im Gebiet verstummt sein.

 

III: Zu Errichtung(bis 1285) und Ersten Funktionen der „Burg Gallenstein“.

Schon ca. zweihundert Jahre nach seiner Gründung(1074) hatte es das Stift Admont zu ansehnlichem Wohlstand gebracht, und zwar nicht nur in territorialer, sondern auch in pekunärer Hinsicht.

Die „Gallensteiner Hofmark“ umfasste 10 Quadratmeilen und wies im 13. Jahrhundert bereits fast 150 stattliche Huben und Höfe auf –

All‘ das waren die Früchte der Anstrengungen Admonts, die „Zivilisation“ voranzutreiben.

Erstaunlich gewachsen war über die Jahre aber auch der Admonterische Klosterschatz.

Vor diesem Hintergrund entstand die Idee, zum Schutz dieses Wohlstandes in St. Gallen eine Burg zu errichten. Dorthin konnte man bei Gefahr den Klosterschatz verbringen, ferner von dort aus das St. Gallener Gebiet militärisch beschützen. Auch der Abt als politisch wichtigster Mann im Kloster könnte durch eine Flucht in die Burg sein Leben retten.

Im Jahre 1278 wurde dem Abt Heinrich II. von Rudolf I. von Habsburg die Genehmigung für diesen Burgbau erteilt. Schon 1285 war das große Werk vollendet.

Darstellung der Burg Gallenstein aus dem Jahre 1681:

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Es ist davon auszugehen, dass für die Bauarbeiten auch die Bevölkerung von St. Gallen massiv eingesetzt wurde – Erneut konnten also die Männer ihre „legendäre Bärenkraft“(s.o.) beweisen! Somit war der Burgbau also auch eine Einnahmensquelle für die Bevölkerung.

Obwohl zur Versorgung der Burg etwas unterhalb ein „Maierhof“ angelegt wurde, ist dennoch davon auszugehen, dass auch die St. Gallener Bauern mit der Herrschaft Geschäfte machen konnten. Gefragt dürften aber auch Professionisten – besonders zur Durchführung von gewissen Reparaturarbeiten – gewesen sein.

So bildeten also St. Gallen und Gallenstein damals wahrscheinlich eine glückliche Symbiose aus und noch niemand konnte erahnen, was einst geschehen soll…

Die Burg wurde ihren Schutzfunktionen im Lauf der Geschichte übrigens immer gerecht, heiß umkämpft war sie jedoch nie. Dennoch soll sie zur Ruine werden. P.J. Wichner dazu:

„Nicht Feindesmacht brach diese Mauern, sondern finanzielle Bedenken und Mangel an Pietät für die Großtaten unserer Vorfahren legten Gallenstein in Trümmer“.

Dazu später.

Schließlich wurde die Burg auch zum Sitz des „Gallensteiner Bezirkes“, welcher erst im Jahre 1868(Ges. v. 19. Mai) im BEZIRK LIEZEN(damals bestehend aus den vorm. Bezirken Aussee, Irdning, Liezen, Rottenmann, Schladming, Gröbming und St. Gallen) aufgehen soll.

In der Burg gab es auch einen grässlichen Kerker, der noch bis ins 19. Jahrhundert hinein(!) benutzt wurde, nämlich das sogenannte „Prälatenloch“. Josef Rabl hatte im Zuge der Recherchen für seinen St.Gallen-Führer(1879) noch Gelegenheit, mit einem Mann zu sprechen, der dort über ein Jahr einsaß.

Im Jahre 1831 zog die Bezirksverwaltung von der Burg in den Markt herunter…

Darstellung der Burg Gallenstein aus dem Jahre 1830:

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IV: St. Gallen und die „Stahlkrise“Tourismus und „Sommerfrische“ als neue Einnahme-Perspektiven. Die „k.k. priv. Kronprinz Rudolf-Bahn“(1. Konzession 1866) im unmittelbaren Hauptbahn-Kontext. Der Straßenbau(20. Jh.).

Schon in den frühen 1850er-Jahren wurde über die Errichtung einer neuen „Donau-Adria-Bahn“ abseits der – damals noch i.Bau befindlichen – „Erzherzog Johann-Bahn“(Wien-Semmering-Triest) nachgedacht, welche im Norden das Ennstal durchziehen sollte. Das St. Gallener Gebiet würde also auf jeden Fall erschlossen werden.

Deren Ausgangspunkt sollte irgendwo zwischen Wels(OÖ) und Haag(NÖ) liegen. Hierüber soll dann noch jahrelang viel diskutiert werden. Mehrere Orte waren diesbezüglich im Gespräch. Am Ende wurde St. Valentin(NÖ) der Anfangspunkt.

1864 legte ein Memorandum einen Direkten Schienenstrang „Bruck a.d. Mur-Eisenerz – Weissenbach-St. GallenSteyrHaag“ nahe. Das Wüllerstorf-Urbairsche Memo aus 1866 sah eine „Reichsbahn“ Enns – Steyr – Weissenbach-St.Gallen – Hieflau – Selzthal – Knoten Villach vor.

Noch im selben Jahr 1866 erfolgte die Konzessionierung der privaten „Kronprinz Rudolf-Bahn“. Hauptbahnmäßige Stammstrecke: St. Valentin-Steyr-Weissenbach-St. Gallen-Selzthal-Judenburg-Villach.

All‘ das konnte den Niedergang der St. Gallener Stahlhämmer wie gesagt nicht mehr aufhalten, eröffnete aber eine neue wirtschaftliche Perspektive, nämlich den Tourismus bzw. die „Bürgerliche Sommerfrische“ in Anlehnung an die „Kaiserliche Sommerfrische“(Bad Ischl).

Ab 1874 war der Bahnhof „Weissenbach-St.Gallen“ geradezu optimal in das Hauptbahnnetz der Zeit eingebunden(s. Karte).

Der Bahnhof „Weissenbach-St. Gallen“ im Hauptbahnkontext 1874:

Copyright: Elmar Oberegger

Die direkte Verbindung von St. Valentin gegen Budweis und Prag wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Auflassung der Strecke Gaisbach-Mauthausen gekappt. Auch die Strecke Jesenice-Tarvis existiert übrigens heute nicht mehr.

Im Reiseführer von Lorenzi(1875) wird das St. Gallener Gebiet wohl historisch zum ersten Mal ausgiebig touristisch beschrieben:

„Von Kleinreifling führt der Weg im reichsten Wechsel der seltsamsten Gebirgsformen längs der entgegenbrausenden Enns vorwärts. Die Felswände treten stets enger zusammen und die Bahn zieht sich bald am Stromufer selbst, bald über demselben, wo der Weg in kühnen Tracirungen dem Felsen abgetrotzt ist. In der Frenz überschreiten wir die Grenze zwischen Oesterreich und Steiermark, welche der Frenzbach für das jenseitige Ennsthal bildet. Tiefste Einsamkeit herrscht in der Gegend, links ziehen Waldungen mit mächtigen Weisstannen, rechts Gebäude und kleine Ortschaften, Wildbäche und pittoreske Waldschluchten unsere Blicke auf sich. Wir passiren zuerst den Schönau-Tunnel (219, 2m. lang), später den grossen (176,2 m. lang), dann den kleinen (25,1 m. langen) Laussa-Tunnel und auf einer interessanten Brücke den Laussabach, der diesseitigen Landesgrenze zwischen Oesterreich und Steiermark. Bald darauf erhebt sich links auf einem Berge der kleine Marktfleken Altenmarkt, rechts führt der Weg in die bedeutende Ortschaft St. Gallen(Gasthöfe: Post, Adler, zählt 700 Einwohner) mit der Burg Gallenstein, von den Aebten von Admont als Thalsperre erbaut. Die Station Weissenbach, nach der Gemeinde gleichen Namens benannt, kann als Mittelpunkt mehrerer Alpenpartien gelten. Besonders besucht ist die Esslingalpe, welche jedoch auch von der nächsten Station aus bestiegen werden kann. Von Altenmarkt und St. Gallen aus gelangt man auf der Tour durch die Vorder- und Hinterlaussa über den Hengst nach Windischgarsten und von da in den Stoder und das mächtige Alpengebiet des Priel. Ebenso führt ein Weg durch die Buchau über das ‚Wengerstückl‘ und Weng nach Admont“(S. 27 f.).

St. Gallen wird in diesem touristischen Zusammenhang also bereits als „Bedeutende Ortschaft“ bezeichnet und zwei Gasthöfe werden genannt.

Der erste Reiseführer, welcher sich direkt mit dem St. Gallener Gebiet beschäftigte, erschien 1879, stammte aus der Feder des gebürtigen Wieners Josef Rabl(1844-1923), und wurde von der Gemeinde St. Gallen verlegt.

Josef Rabl(1844-1923):

Aus: J.Rabl. Meine Lebenserinnerungen, Wien 1922.

Titelblatt des Rablschen Reiseführers(1879):

Rabl schreibt einleitend:

„Unter den vielen prächtigen Landschaften, deren Besuch die Kronprinz Rudolf-Bahn vermittelt, nimmt das Thal von St. Gallen eine hervorragende Stelle ein. Wenige Gegenden vereinigen die heitere Anmuth eines üppig grünenden Thalbodens so harmonisch mit der ernsten Größe des Hochgebirges, wie die Landschaft von St. Gallen. Dieselbe besitzt überdies in den auf bewaldeter Höhe thronenden Ruinen des Schlosses Gallenstein einen originellen Schmuck, der ihr einen romantischen Reiz verleiht und dieses Thal vor vielen anderen Alpenthälern auszeichnet“(S. 3).

Der Tourismus musste hier aber erst dauerhaft etabliert werden. Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Jahres 1879 schreibt Rabl:

„Haupterwerbszweige sind das Holzgeschäft und die Viehzucht. Am Spitzenbache liegt das Sensenwerk von Lechner’s Erben, welches sehr gesuchte Sensen in’s Ausland, insbesondere aber nach Rußland liefert. Der Ackerbau ist wenig ergiebig. Weizen, Korn und Gerste gedeihen nur ausnahmsweise und bringen dann höchstens fünffache Aussaat. Vielversprechend ist die Obstbaumzucht, besonders gedeihen Apfelbäume in guten Sorten; sehr schöne Erfolge wurden mit Pfirsichen, Marillen und Birnen als Spalierobst erzielt. Auch Kirschen und Nüssen ist der Boden günstig … Wein wird hie und da in Privatgärten gezogen, doch kommen die Trauben nicht immer zur Reife“(S. 6).

Rabls Reiseführer wurde übrigens zum kommerziellen Misserfolg, St. Gallen nie zu einem „Kitzbühel der Obersteiermark“. Tourismus und „Sommerfrische“ jedoch wurden zu dauerhaften Institutionen.

Der Straßenausbau(s. hier v.a. die A9!) soll später auch dem „Bahn-Feind“ den Zugang ins Gebiet erleichtern.

Doch auch der „Tourismus“ war und ist zuwenig:

In der St. Gallener Gegend war und ist man deshalb froh über jeden Industriebetrieb, der sich ansiedelt.

Beigegebene Statistik zeigt die wirtschaftliche Entwicklung von St. Gallen anhand der Einwohnerzahl.

Die Bevölkerungsentwicklung in St. Gallen(1890-2011):

Nach Wiki-Art „St. Gallen“.

Im Jahr 2010 wurde der Wert von 1951 unterschritten.

Seit 1971 stagniert St. Gallen also und es ist Aufgabe der Politik, hier einen nachhaltigen Rückwärtstrend herbeizuführen.

 

V: Die Burg als „Steinbruch“(1831 ff.). Erzherzog Johann höchstselbst interveniert. Der teilweise Wiederaufbau ab 1969. Die Burgruine als „Kultur-Kulisse“.

Josef Rabl schreibt 1879:

„Durch den hochstämmigen Wald zu dem Gemäuer der Ruine emporsteigend, erreichen wir eine Bresche in der Mauer und betreten durch diese von der Nordseite des Innere der Burg und zwar den Schloßhof. Gräuliche Zerstörung, Berge von Schutt, colossal aufragende Mauern umgeben uns; schlanke Bäumchen sind dazwischen emporgewachsen; unkenntlich sind die Räumlichkeiten; rechts von der Bresche war die Schloßzisterne, links die Räumlichkeiten des Dienstvolkes und der Küche…“(S. 17 f.).

Gallenstein als Ruine um 1900:

Aus einer alten Ansichtskarte.

Was war geschehen?

Als im Jahre 1831 die Bezirksverwaltung hinunter in den Markt gezogen war, wurde die Burg ohne irgendwelche Auflagen an den St. Gallener Nagelschmied Josef Langensteiner verkauft. Und dieser begann umgehend damit, die Burg materiell zu verwerten. Nach Entfernung der Metall- und Holzbestandteile war sie sodann vor allem ein „Steinbruch“ für die Bevölkerung.

Kräftige St. Gallener Hände hatten einst die Burg gebaut und lange lebte man mit ihr in glücklicher Symbiose(s.o.). Kräftige St. Gallener Hände begannen nun damit, sie zu zerstören.

Jeder, der hier Langensteiner oder den St. Gallenern „Banausentum“ oder gar „Bosheit“ unterstellen möchte, sei allerdings darüber belehrt, dass diese Art der Verwertung funktionslos gewordener Gebäude schon damals eine sehr alte Tradition besaß: Nicht anders war man etwa mit dem berühmten Colosseum in Rom verfahren. Kurz gesagt – Der Abbruch der Burg war im damaligen Kontext betrachtet etwas völlig Normales, hatte mit „Banausentum“ also überhaupt nichts zu tun.

In der alten Zeit – als es noch keine LKWs o.ä. gab – war die Heranbringung von hochwertigen baulichen Rohstoffen immer ein besonderes Problem. Der Transport machte die Ware nämlich teuer, wenn nicht gar unerschwinglich – Besonders für den Kleinen Mann. Somit war es immer wieder höchst günstig, vor Ort befindliche, alte Gebäude auseinanderzunehmen und die damit gewonnenen Bestandteile für neue Bauprojekte zu verwenden.

Erneut profitierte der St. Gallener also von der Burg. Rabl schreibt dazu:

„Einzelne Häuser der Umgebung sind fast ganz aus dem Materiale der Burg gebaut(z.B. das Templmaierhaus) und mit Bedauern sieht der Besucher von St. Gallen hie und da Säulen von dem Laubengange des Burghofes angebracht. Das alte Wappen, welches einst ober dem Hauptthor der Veste geprangt, soll irgendwo als Fußboden dienen“(S. 16).

Das „Templmaierhaus“ heute:

Copyright: Elmar Oberegger

Schon zu Zeiten Rabls ein Gasthaus. Später wurde dieses von der Familie Rappel gekauft und vorbildlich geführt. Heute beherbergt es „Angerers Heurigenstube“.

Die Glocken der Burg-Kapelle wurden übrigens für die Friedhofskapelle verwendet, die Paramente und der Hochaltar gingen in die Oberhofer Kapelle ein.

Erst der feinsinnige Erzherzog Johann bereitete dem Abbruch der Burg ein rasches Ende. Aus seiner Sicht war sie ein erhaltenswertes Kleinod!

Erzherzog Johann – Retter von Gallenstein!

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Um einen Wiederaufbau kümmerte er sich jedoch ebensowenig wie um die Konservierung der Ruine. Somit begannen Nässe und Frost am Gestein zu nagen. Ferner wuchsen – wie Rabl schreibt(s.o.) – über die Jahrzehnte innerhalb der Ruine Bäume, welche der Bausubstanz zusätzlichen Schaden zufügten.

Der einfache Tourist konnte diese Ruine in der Folge nur aus der Ferne betrachten, bestand doch aufgrund „Einsturzgefahr“ strengstes Betretungsverbot.

Erst im Jahre 1969 kam die Idee auf, etwas für den Erhalt der „Ruine Gallenstein“ als Monument der Vorfahren zu unternehmen. Auch touristisch ließe sich diese historische Stätte später nutzen.

Maßgebend war hierbei der „Burgverein“, welcher aus dem St. Gallener Männerchor hervorgegangen war. Die ersten Ziele waren:

a)     Beseitigung des Schutts.

b)    Abtragung der – teils über 100jährigen(!) – Bäume.

c)     Konservierung der Ruine.

Erneut waren die „St. Gallener Bärenkräfte“ gefordert. Zur Frage der Konservierung gab es verschiedene Meinungen und die Sache zog sich hin. Hierbei waren aber auch finanzielle Gründe maßgebend.

Die Ruine Gallenstein im Jahr 1975:

PA M.Oberegger

Schließlich gelangte man zur Überzeugung, dass diese Konservierung nur durch einen partiellen Wiederaufbau erreicht werden könnte. Insbesondere ging es hier um die Frage der Überdachung.

Die Burgruine in heutiger Zeit:

Copyright: Elmar Oberegger

Bald schon konnten auf der Burgruine erste Veranstaltungen abgehalten werden, eine Burgtaverne als Labstelle für Wanderer wurde ebenso eingerichtet.

Von ganz besonderer touristischer Bedeutung ist heute das seit August 1986 veranstaltete „Burg-Festival“.

Im Inneren der Burgruine(2013):

Copyright: Elmar Oberegger

Und wieder profitiert der St. Gallener von seiner Burg!

Aus einer „Schutzburg“ war eine „Bezirkshauptmannschaft“ geworden, aus dieser sodann ein „Steinbruch“ und aus diesem wiederum eine „Kultur-Kulisse“.

In der Tat:

Die Beziehung zwischen St. Gallen und Gallenstein ist historisch bemerkenswert und auf ihre Weise einzigartig!

 

VI: Quellen.

FORSTER Herwig: Die schwarzen Grafen von St. Gallen. –St. Gallen 2000.

HABERLEITNER Odilo/Hermann Brandauer: St. Gallen und das St. Gallener Tal – Ein Kleinod in der Obersteiermark. –St. Gallen 1952.(1977 von Brandauer neu aufgelegt!)

HASITSCHKA Josef: Sommerfrische in der Steirischen Eisenwurzen. Ansichtspostkarten um 1900 von St. Gallen bis Wildalpen. –St. Gallen 1997.

HISTORISCHE SCHAUTAFEL auf der Burg Gallenstein.

KONTA Jgnaz: Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs vom Jahre 1867 bis zur Gegenwart. In: GdÖU I/2, S. 1 ff.

LORENZI C.L.: Der Führer auf der Kronprinz Rudolf-Bahn von der Donau bis zur Save. –Steyr 1875.

OBEREGGER Elmar: Zur Geschichte der „Kronprinz Rudolf-Bahn“. Schärding/St. Valentin/Amstetten-Villach-Ljubljana. –Sattledt 2007.

OBEREGGER Elmar: Wien-Graz-Triest. Zur Geschichte der „Erzherzog Johann-Bahn“. –Sattledt 2007.

OBEREGGER Elmar: Wüllerstorf-Urbair und die Eisenbahn. Sein Memorandum aus dem Jahre 1866. –Sattledt 2008.

PICHLER Joseph: Ortskunde des Marktes St. Gallen in Steiermark. –Tamsweg 1912.

RABL Josef: St. Gallen und seine Umgebung. Ein Führer für Naturfreunde, Touristen und Sommergäste. –St. Gallen 1879.

STRACH Hermann: Geschichte der Eisenbahnen Oesterreich-Ungarns von den ersten Anfängen bis zum Jahre 1867. In: GdÖU I/1, S. 73 ff.

WICHNER P.J., s. HISTORISCHE SCHAUTAFEL.

Wiki-Art. „St. Gallen“ etc.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2013.