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DER LETZTE MANN TITOS: Über die politische Karriere des Ante Markovic(1924-2011). Essai.
Gegen Ende Juni 1991 saß Premierminister Ante Markovic fast wie ein begossener Pudel in einer Pressekonferenz, welche die „Militärintervention der Jugoslawischen Volksarmee in Slowenien“ zum Thema hatte. Sein einst landesweit (und international) bekanntes, optimistisches Lächeln war längst versiegt. Sowohl für weite Teile des Volkes als auch für den Westen war er der „Hoffnungsträger“ schlechthin gewesen. Mit seinen fast siebzig Jahren(!) hatte er noch immer höchst jung und dynamisch gewirkt… Nun aber wirkte er alt und versteinert: Dem oberflächlichen Blick so mancher Zeitgenossen im In- und Ausland erschien er wie so ein „Alter Kommunist“, der seiner Umwelt hinsichtlich „Demokratisierung“ und „Wohlstand“ nur „Zukunfts-Optimismus“ vorgespielt habe, in Wirklichkeit aber letzten Endes(!) immer nur auf die „Militär-Gewalt“ vertraute. Die internationalen Medien reagierten auf die Intervention entsprechend: Schon zu Beginn wurden fatale Anklänge an „Prag 1968“ oder „Budapest 1956“ laut. Dies nützte natürlich in erster Linie seinen politischen Gegnern, also den „Sezessionisten“(Kucan, Tudjman und Milosevics), welche hinsichtlich der Zukunft Jugoslawiens ihre jeweils eigenen Projekte verfolgten. Die Vorgeschichte dieser „Slowenien-Intervention“ ist bis heute nicht zu 100% geklärt. Markovic selbst hat sich bis zu seinem Tod zu dieser Frage öffentlich ausgeschwiegen, vielleicht sogar deshalb, weil er selbst viel zu wenig darüber wusste(!). Es existieren allein Gerüchte darüber, was er gesagt hätte, oder was z.B. US-Außenminister James Baker beim „Belgrader Treffen“ vom 21. Juni 1991 zu ihm gesagt habe. Fest steht, dass der wirtschaftlich-infrastrukturelle Aufbau Jugoslawiens – trotz aller Krisen – seit 1945 großartig war: Man schaffte endlich den Sprung vom „Entwicklungsland“ zum „Übergangsland“ und stand auf jeden Fall viel besser da als so mancher „Ostblock-Staat“. Ein weiterer Auf- oder Umbau sei aber letzten Endes vom „Kredit“ abhängig, welchen „Der Westen“ auf jeden Fall zu geben geneigt war, wenn nur die staatliche Integrität Jugoslawiens erhalten bliebe. Und so hätte Baker zu Markovic am 21. Juni 1991(s.o.) eben gesagt, Markovic solle den in Richtung „Sezession“ neigenden Slowenen bei Bedarf sanft auf die Finger klopfen(= ?!), um damit die Staatliche Integrität zu erhalten. Sollte dem so gewesen sein, dann wäre es unwahrscheinlich, dass Markovic dieses Konzept a priori unsympathisch gewesen wäre. Denn er war einerseits – sowohl im titoistischen als auch im allgemeinen Sinne – „Jugoslawist“, andererseits wollte er den vom Westen in Aussicht gestellten Kredit nicht verspielen. Beides bildete in seinem Denken überhaupt eine Einheit. Am 25. Juni 1991 schufen die Slowenen schließlich Fakten: Sie erklärten ihre staatliche Unabhängigkeit und „entfernten“ die „jugoslawischen Grenzbeamten“ von ihrem jeweiligen Dienstort. Offiziell war damals von einer „Großen Verjagungs-Aktion“ bzw. „Großen Vertreibung“ die Rede. Heute jedoch wissen wir, dass es sich hierbei in der Regel nur um eine „Große Umkleide-Aktion“ handelte: Denn die Grenzer waren zum größten Teil Slowenen, welche einfach eine neue Uniform anlegten. Die „Gewaltsamkeit“ des Konfliktes Slowenien-Jugoslawien wurde also schon an dieser Stelle hoch-gespielt. Markovic war nun also konkret mit der Abspaltung Sloweniens konfrontiert, das „Erbe Titos“, also das „teure, vielbeschworene Vaterland“ – schon spätestens seit Mitte der 1980er Jahre massiv gefährdet – war zwar noch nicht „auseinandergefallen“, dafür aber „beschädigt“. Der westliche Kredit geriet ferner ins Wanken.(s.o.) Das konnte er als Politiker nicht hinnehmen, und schon gar nicht in seiner Funktion als jugoslawischer Premierminister. Aber er war nun einmal nicht der „Starke Mann Jugoslawiens“: Tito hatte für das „Jugoslawien nach seinem Tod“ kein „Führer-Prinzip“ vorgesehen, sondern einen von „totaler Gerechtigkeit“ gekennzeichneten „Institutionen-Staat“, in dem jedes (Spezial-)Interesse diskutiert werden konnte (und sollte). Doch die Steigerung von „schlecht“ ist bekanntlich „gut gemeint“: Politische „Entscheidungs-Prozesse“ wurden damit entweder immens verlangsamt oder gar verunmöglicht und gerade diesen Umstand warfen sich die handelnden Akteure gegenseitig immer wieder vor. Vor diesem Hintergrund verfiel der Belgrader Philosophieprofessor Svetozar Stojanovic im Jahr 1988 gegenüber der Zeitschrift „Danas“(15. November) schließlich in eine regelrechte „Führer-Nostalgie“, wenn er sagte: „Damals hatten wir einen Führer, einen starken charismatischen Führer und ein Politbüro um ihn herum, wo die politischen Entscheidungen getroffen wurden. Die übrigen Organe aber – ob nun auf Bundesebene oder in den Republiken und Provinzen – waren schlicht gesagt Exekutivorgane dieses politischen Zentrums“. Schon seit 1980 litt Jugoslawien an dieser oberwähnten Titoschen „Institutionen-Maschinerie“. Einen echten „Armee-Einsatz“(z.B. gegen Slowenien) konnte somit nur das „Staats-Präsidium“ veranlassen, in dem alle Republiken vertreten waren. Dass Markovic übrigens nie in die „Gewalt“ verliebt war, zeigt seine gesamte Biographie: Er war zwar in seiner Jugend Tito-Partisan, dabei aber blieb es. Vielmehr war er Pragmatiker und somit erschien ihm wohl ein „Großer Armee-Einsatz“ gegen Slowenien von vorne herein als unangemessen. Und so heißt es heute, dass er über die Involvierung des „Bundes-Exekutivrates“ eine „Kleine Grenz-Aktion“ durchführen lassen wollte: Die slowenischen Grenzer hätten sich also im Angesicht von Polizei-Einheiten einfach wieder umgezogen und die Sache wäre erledigt gewesen. Doch die Sache ging nicht unter dem Titel „Als die slowenischen Grenzhäuschen zu Umkleidekabinen wurden…“ in die Geschichte ein, sondern als „Blutiger 10-Tage-Krieg“: Nicht „Leichte Kräfte“ gingen nach Slowenien, sondern es rollten Panzer ein – Längst waren diese zum verhassten Symbol des Kommunismus geworden! Und die bewaffneten Kräfte in Slowenien fuhren sofort in die Höhe wie die Springteufel. Auch Zivilisten beteiligten sich am Abwehr-Kampf. Und die ausländischen Politiker und Medien hatten angesichts der Geschichte(Prag 1968 etc.) natürlich sofort größtes Verständnis dafür. So aber hatte sich Markovic das alles naturgemäß(!) nicht vorgestellt und gab sich öffentlich zunächst überrascht und war schließlich ziemlich niedergeschlagen. Die Grund-Idee, die slowenischen Grenzstationen wieder in jugoslawische Hand zurückzuführen, war immerhin von ihm gekommen und er stützte sich hierbei möglicherweise sogar auf eine Aussage des US-Außenministers(!) im Zuge des „Belgrader Treffens“ vom 21. Juni 1991.(s.o.) Sein „Guter Ruf“ als Politiker war angeschlagen, um nicht zu sagen ruiniert. Um so mehr, als der Konflikt Tag für Tag blutiger wurde: Die Armeeführung hatte keine „Fach-Kräfte“ nach Slowenien geschickt, sondern halbausgebildete Wehrpflichtige, denen zum Teil erzählt wurde, es gehe gegen Österreich, nicht gegen Slowenien. Die politisch hochmotivierten(!) Haudegen der „Slowenischen Territorialverteidigung“ unter Janez Slapar hatten somit relativ leichtes Spiel. Und als dann schließlich aus dieser Not(!) die Durchführung eines „Massiven Militäreinsatzes mit Fachkräften“ im Raum stand, da fiel Serbien Markovic vollends in den Rücken: Im Staatspräsidium entschied man sich gegen diesen Militärschlag. Serbien – dazu nota bene eigentlich gar nicht befugt(!) – konnte dies nun gegenüber dem Ausland als „Großzügigen Titoismus“ verkaufen und die Armee zog sich im Juli 1991 an die slowenisch-kroatische Grenze zurück. Das Ausland jubelte, da „Der Böse Kommunismus“ in Slowenien immerhin besiegt worden sei. Und irgendwie war man denn doch auf ganz seltsame Weise „überrascht“ – So etwas hatte sich eigentlich überhaupt niemand erwartet! Die serbische Seite betonte damals aber gleichzeitig, dass Kroatien(s. Unabhängigkeitserklärung am 25. Juni 1991) nicht so einfach ausscheiden dürfe: Dort gäbe es nämlich ca. 600.000 Serben, welche mit Tudjmans Regierung ganz offensichtlich(s. „Kniner Aufstand“ seit 25. Juli 1990) völlig unzufrieden seien und „bei Jugoslawien“(!) bleiben wollten. Obiger Vorgang ist historisch höchst bemerkenswert, vollzog doch Milosevics damit endgültig den Sprung von „Tito-Jugoslawien“ zu „Groß-Serbien“. Allein die völkerrechtliche Begrifflichkeit war noch relativ unsauber, was sich auch in den späteren „Verhandlungen“ mit dem Ausland deutlich niederschlagen soll. Offenbar verstand man zu Beginn nicht zu 100%, worum es Milosevics ging und er sah als höchst raffinierter Politiker überhaupt keinen Bedarf, seine politische Strategie in ihrer ganzen Breite offenzulegen. Sein Gegner Markovic, der „Echte Titoist“ und „Jugoslawist“, war jedenfalls politisch eliminiert. Angesichts der oben dargestellten historischen Entwicklung wäre nun die historische Frage in den Raum zu stellen: Wer hat nun eigentlich den „Einsatz der Volksarmee in Slowenien“(und zwar in jener konkreten Form, in der er stattfand!) in die Wege geleitet? Genützt hat er jedenfalls letzten Endes der „Serbischen Sache“(Milosevics), nicht der „Jugoslawischen Sache“(Markovic). Wurde Markovics am Ende das Opfer eines politischen Komplotts? Vielleicht wusste er das bis zu seinem Tod selbst nicht so genau… Bei Kriegsende(1945) war die (politische) Zukunft von Ante Markovic noch als höchst glänzend erschienen: Nachdem er – mit ungefähr 20 Jahren – als überzeugter Tito-Partisan abgerüstet hatte, begann er in der Folge in Zagreb ein Studium der Elektrotechnik. Geboren wurde Markovic als „Kroate“ in Bosnien-Herzegowina, und zwar im nord-herzegowinischen Konijc an der „Neretva-Bahn“(Sarajevo-Adria) wo auch Serben und Muslime leben. Man sagt, dass aus diesem Gebiet immer nur „Nationalisten“ oder „Jugoslawisten“ hervorgehen. Und er war ganz ohne Zweifel „Jugoslawist“, obwohl er bis zu seinem Tod(!) auf sein Kroatentum stolz war und dieses niemals fallenließ: Als er nach dem Ende seiner politischen Karriere als Geschäftsmann nach Graz ging, und der österreichische Bundeskanzler ihm dort im Zuge eines „Freundschafts-Besuches“ die „Österreichische Staatsbürgerschaft“ anbot, lehnte er ab. Er sei als „Kroate“ geboren und werde als „Kroate“ sterben. Mit Kroatien verband ihn nicht zuletzt sein geliebtes Sommerhaus auf der Insel Krk in der Kvarnerbucht. Als loyaler Titoist hatte er nach dem Studium keinerlei Probleme gehabt, seine zweifellos hervorragenden Fähigkeiten in der Wirtschaftswelt unter Beweis zu stellen: Von 1961 bis 1986 fungierte er höchst erfolgreich als Generaldirektor im Zagreber Elektro-Großkonzern „Rade Koncar“(benannt nach einem gefallenen Partisan). Die Mitarbeiterzahl stieg während seiner Zeit von 2000 auf 25.000 Mitarbeiter(darunter 4500 Ingenieure). Glanzvoll auch sein Einstieg in die konkrete Politik, welchen er mit ungefähr 56 Jahren durchführte: Im Juli 1980 wurde er Premierminister Kroatiens, im Mai 1986 sodann Präsident. Damals war die „Jugoslawische Krise“ aber längst ausgebrochen. Premierminister Jugoslawiens wurde er schließlich am 16. März des Jahres 1989, also ungefähr ein Jahr(!) nachdem sein Vorgänger, der unflexible kommunistische Hardliner Branko Mikulic zurückgetreten war(Dez. 1987). In der Zwischenzeit war dieser Posten aufgrund der politischen Krise verwaist gewesen. Serbien hatte ihn unterstützt, jedoch nicht aufgrund seiner Kompetenz und seiner guten Auslandsbeziehungen(besonders zum Westen), sondern weil man die Republik Kroatien beschwichtigen wollte, um v.a. im Kosovo freie Hand zu haben. Und genau diese Vorbedingung soll sich einst als unheilvoll erweisen, zunehmend zogen sich Dunkle Wolken über dem Haupt von Markovic zusammen. Doch noch schien die Sonne und Markovic – immerhin schon Mitte 60(!) – war der „Sunnyboy Jugoslawiens“: Der „Fortschritt“ bestehe – ganz im Sinne des Westens(!) – im Umbau Jugoslawiens in einen „Demokratischen Wohlfahrtsstaat“. Was das allerdings ganz konkret(!) bedeuten sollte, war noch relativ unklar. Fest stand allein die klare Meinung Markovics, dass man „Nationale Würde“ nun einmal nicht „essen“ könne: Mit steigendem Lebensstandard würde sich also das „Nationale Problem“ ganz von selbst erledigen. Mit dieser Meinung bringt man übrigens bis heute die Nationalisten des südslawischen Raumes auf die vielzitierte Palme. Eine reizvolle Frage ist übrigens, wie Tito eigentlich auf die Regierung Gorbatschow reagiert hätte und insbesondere auf das, was dieser in seinem Buch „Perestroika“(1987) niedergeschrieben hatte: Ende der Militärblöcke, Verwendung von deren bisheriger Rüstungsausgaben für den Aufbau der „Dritten Welt“. Schon 1987 zeigte sich also grundsätzlich, dass die „Welt“, in der Jugoslawien eingebettet war, bald grundlegend anders(!) aussehen würde. Wie anders, konnte man aber 1987 noch nicht ermessen. War der Kommunist Markovic als „Hoffnungsträger“ und „Alliierter“ des „Westens“ ein Verräter? Oder hätte sich Tito genauso verhalten, um die schwere wirtschaftlich-politische Krise in Jugoslawien zu beheben? Wir können es nicht wissen. Hinreichend bekannt ist jedoch, dass Tito als Politiker stets „höchst wandelbar“ war. Wir können übrigens auch nicht wissen, wie Tito etwa auf das „Serbische Memorandum“ von 1985 reagiert hätte. Wären deren Verfasser – die dem jugoslawischen Geheimdienst mit Sicherheit von Beginn an namentlich bekannt waren – ins Gefängnis geworfen worden, so wie einst 1971 die Aktivisten des „Kroatischen Frühlings“? Wie wäre Tito mit Milosevics umgegangen? Hätte es unter Tito einen Milosevics, wie wir ihn kennengelernt haben, überhaupt jemals gegeben? Was Markovic und Tito jedenfalls geistig mit Sicherheit verband, war der (implizite) Appell an das Volk(bzw. die Völker) „Glaubt an dieses Jugoslawien“(= „Bratinstvo i Jedinstvo“)! Denn nur dann könne der Gesamtstaat nach dem Tod des Großen Führers weiterexistieren. Grundlage für diesen „Glauben“ aber seien letzten Endes geordnete ökonomische Verhältnisse. Man war sich völlig klar darüber, dass eine „Krise der Wirtschaft“ auch eine „Krise der Gesellschaft“ und eine „Krise der Nationalen Psyche“ sei. Und wie sehr die „Jugoslawische Psyche“ bereits erschüttert war, zeigten die Gewalt-Ausbrüche des folgenden „Bürgerkrieges“(bzw. der „Sezessionskriege“). Dass „Sein“ und „Bewusstsein“ – gerade in einem „Kommunistischen Staatswesen“(!) – eng zusammengehören(müssen), wurde auch auf der Sitzung des Präsidiums des Zentralkomitees des „Bundes der Kommunisten Jugoslawiens“ vom 22./23. August 1989 in aller Klarheit betont. Über diese wurde damals in der Zeitung „Borba“ ausführlich berichtet. Vor der Hand gehe es um die „Bekämpfung der Inflation“, welche höchst schädliche Wirkung auf Wirtschaft und Gesellschaft besitze und mittlerweile zur „Hyper-Inflation“ geworden sei. Man richtete einen entsprechenden Appell an das Bundesparlament, dieses Problem rasch und vor allem nachhaltig zu beseitigen. Premierminister Markovic wusste, dass das Land kurz vor dem Staatsbankrott stand, und umso wichtiger erschien es ihm offenbar, grenzenlosen Optimismus auszustrahlen. Das war sozusagen sein „Psychologischer Krieg des Lächelns“. Ende 1989 war seine erste Maßnahme der allseits längst heiß herbeigesehnte „Krieg gegen die Inflation“, den er ganz hervorragend zu gewinnen schien: Der Dinar wurde im Verhältnis 7:1 an die Deutsche Mark gekoppelt und die Löhne stiegen kräftig an. Durch diesen „Kunstgriff“ wurde er im ganzen Land höchst populär und völlig inkompetente Politiker glaubten schon, dass bereits damit das „Ökonomische Problem“ Jugoslawiens endgültig beseitigt sei. Doch dieser populäre „Kunstgriff“, welcher nur eine langandauernde Reform des ökonomischen Systems hätte einleiten, und später zum Teil wieder kontrolliert(!) zurückgenommen hätte werden sollen, war schließlich zuviel für die jugoslawische Wirtschaft: Denn bald zeigte sich deutlich, dass die „Deutsche Mark“ mit dem damaligen „Dinar“ nichts mehr zu tun hatte. Eine Konkurswelle wogte durchs Land und die Sezessionisten(besonders Serbien) warfen Markovic vor, dem „Jugoslawischen Wirtschaftssystem“ nun endgültig den Todesstoß versetzt zu haben. Tatsächlich aber befand sich Jugoslawien – trotz der hochtraurigen(!) Fakten – grundsätzlich innerhalb seiner „Ökonomischen Stabilisierung“. Damals kamen sogar die reicheren Republiken Slowenien und Kroatien in Schwierigkeiten und stellten schließlich 1990 die Zahlungen an den Bund vollständig ein. Serbien hatte angesichts der hohen Löhne rasch ein Liquiditätsproblem, Markovic untersagte aber die Aufnahme billiger Kredite und so wurden diese eben hinter seinem Rücken besorgt – Der Premierminister war nicht mächtig genug, all‘ dies zu verhindern. Schließlich begannen die Sparer – von den vorherrschenden Verhältnissen völlig erschüttert – ihr Geld von den Devisenkonten abzuziehen. Allein im Oktober 1990 flossen ca. 3 Milliarden Dollar ins Ausland. Erneut stand man vor dem Staatsbankrott. Markovic ließ nun alle Devisenkonten sperren, wodurch alle Sparer, welche ihr Geld noch nicht in Sicherheit gebracht hatten, gewissermaßen „enteignet“ wurden. In diesem Jahr 1990 wurde Markovic seine eigentliche Ohnmacht so richtig bewusst und er setzte wichtige Schritte zur Vermehrung seiner Machtbasis im Land: Im Juli 1990 gründete er eine eigene Partei namens „Bund der Reformkräfte Jugoslawiens“, im Oktober sodann den TV-Sender „YU-TEL“, dessen Name bereits Programm war. Auf diesen beiden Säulen sollte seine zukünftige „Hausmacht“ ruhen. Der Umstand, dass der „Bund der Kommunisten Jugoslawiens“, dessen Mitglied er ja war, zu Beginn des Jahres 1990 zerbrach, bildet hier eigentlich nur eine Nebenerscheinung aus. Die serbische Seite stellte Markovic übrigens angesichts seiner oberwähnten Schritte nun überhaupt als „Verräter“ und „Westlichen Agenten“ dar und bedauerte nachdrücklich, dass man einst seine Ernennung zum Premierminister unterstützt habe.(s.o.) Markovics Versuch, eine „Eigene Hausmacht“ aufzubauen, erfolgte aber ohnehin viel zu spät: Weite Teile des Volkes glaubten längst nicht mehr an „Dieses Jugoslawien“ und als Alternative zum vorherrschenden Staat erschien um so mehr der gänzliche politische Neubeginn in Form von „National-Staaten“. Dass dies aufgrund der nationalen Struktur Jugoslawiens möglicherweise Krieg bedeutete, war allen Beteiligten klar. Mit „Völkermord“ rechnete aber noch niemand. Markovic hatte immer und offenbar bis zuletzt daran geglaubt, den „Nebel der Nationalismen“ durch frischen ökonomischen Wind aus dem Land fegen zu können. Für ihn war die „Krise von 1990“ eine verlorene Schlacht, aber kein verlorener Krieg. Seine Machtmittel(= Partei und TV-Sender) waren aber im Vergleich zu jenen von Milosevics(= Volksarmee und Geheimdienst) allzu schwach und noch zuwenig ausgereift, um Jugoslawien retten zu können. Der politische Todesstoß gegen Markovic erfolgte sodann im Zusammenhang mit der oben bereits erwähnten Intervention der Volksarmee in Slowenien(Sommer 1991, s.o.). Im Dezember 1991 trat Markovic zurück, seine „Reformpartei“ wurde aufgelöst, 1992 musste YU-TEL den Sendebetrieb einstellen. Der Krieg war längst im Gang. Markovics politische Karriere hatte also glänzend begonnen und endete höchst tragisch. „Jugoslawien“ – sein so heiß geliebtes Vaterland – ging in Trümmer und erstickte in einem Meer von Blut. Die Beantwortung der Frage, ob sich die „Jugoslawischen Kriege“ mit all‘ ihren Begleiterscheinungen ausgezahlt haben, soll hier jedem Leser selbst überlassen bleiben. In der Zeit nach seinem politischen Abgang wurde Ante Markovic wieder Geschäftsmann: Zunächst ging er – wie oben bereits erwähnt – nach Graz, wo er eine Firma für „Wirtschafts-Engineering“ gründete und leitete. Graz erschien ihm in dieser Zeit besonders deshalb als optimaler Stützpunkt, da es zwischen der österreichischen Hauptstadt Wien und Zagreb lag, wo nach wie vor seine Familie wohnte. Danach ging er nach Sarajevo, wo er das Unternehmen „TEHEL-Wasserkraftanlagen“ gründete. In den frühen 2000er-Jahren tauchte er dann als „Wirtschaftsberater“ beim mazedonischen Präsidenten, seinem alten Freund und Kampfgenossen Kiro Gligorov auf. Markovic starb am 28. November 2011 in Zagreb nach kurzer und schwerer Krankheit. Es bleibt die Erinnerung an einen Mann, der zwar viel politische Schläue und auch großes Charisma besaß, für die damaligen Steilvorgaben der jugoslawischen Politik aber viel zu aufrichtig war. Vor allem schreckte er letzten Endes – streng das „Testament Titos“ befolgend – immer davor zurück, der „Starke Mann Jugoslawiens“ zu werden. Ob übrigens am Ende der – westlich beeinflussten(!) – Markovic-Reformen in der Tat ein „Demokratischer Wohlfahrtsstaat“ gestanden hätte, bleibt ungewiss: Auch Rumänien und Bulgarien wurde im Falle eines EU-Beitrittes immerhin dasselbe versprochen. Doch beide Länder sind bis heute arm und von „Blühender Demokratie“ kann keinerlei Rede sein. Darf man daraus also folgern, dass im Grunde das stimmt, was einst der Che gesagt haben soll? – „Man darf dem Kapitalismus nicht vertrauen! Niemals!“
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