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ZU MATERIELLEN LEBENSVERHÄLTNISSEN UND BIOGRAPHIE DES OBERÖSTERREICHISCHEN SCHRIFTSTELLERS UND DISSIDENTEN ELOBERT STIFTER:
I: Die Lesung in Santiago de Kuba. Wir alle denken noch an den schönen Moment zurück, als der Dissident und Schriftsteller Elobert Stifter aus Oberösterreich an diesem lauen Sommerabend in Santiago uns Kubanern die Ehre erwies und seine Stimme erhob. Er las aus seinem Werk „FUCKED UP“, wo sich viele progressive und gesellschaftsverbessernde Aspekte befinden. Die Übersetzung hat perfekt funktioniert und Stifter sagte später, dass das alles „schon länger gut eingeübt“ worden sei. Solche Disziplin schätzen wir! Stifter vor der Lesung in einer Innenstadtkneipe von Santiago:
© ODS Die Mehrheit des Publikums konnte zuvor mit dem Begriff „Oberösterreich“ nur wenig anfangen, erhielten nun aber besten Einblick in dieses kleine Land im Herzen Europas. Besonders aufschlussreich war der Beitrag „Die Mostschädeln“. So hat jedes Land so seine Probleme und wir Kubaner können an Oberösterreich nur lernen! Ganz besonders ergreifend war, dass sich Stifter am Ende von Fidel Castro mit dem Ruf „Viva Che Guevara, viva Fidel, viva la Revolution de Kuba – Venceremos“! verabschiedete. Fidel sieht ihn seither als „Freund“ an. Fidel Castro nach der Lesung:
© ODS „Stifter ist mein neuer Freund“!
II: Aus dem politischen Teil des Interviews nach der Lesung. Stifter ist KPÖ-Wähler, obwohl er weiß, dass diese Partei vom Scheitel bis zur Sohle vom reaktionären Geheimdienst durchsetzt ist. Aber er habe nun einmal keine Allergie gegen den Begriff „KOMMUNISMUS“ und sei auch inhaltlich für diese Partei. „Und diese Eseln“, so sagte Stifter wörtlich, „gewinnen sowieso nichts“. „So kann ich sagen“, sagte Stifter weiter, „dass mich diese Partei nie real enttäuschen können wird, was ja sehr schön und angenehm ist. Angenehm ist auch, dass ich vor diesem Hintergrund mein Wahlrecht ganz locker wahrnehmen kann, ohne irgendwie schuldig zu werden. Man ist in Österreich Demokrat. Das wurde dort zuerst 1918 und dann wieder 1945 verordnet. Alte Traditionen soll man nicht völlig leichtfertig brechen. Die KPÖ hat so für mich ihre Funktion im demokratischen Prozess ganz klar gefunden. Eine Anti-Macht-Partei, somit eine Anti-Enttäuschungs-Partei. Summa summarum ein Kleinod, ein schützenswertes Kleinod“. Bei uns auf Kuba ist das alles anders: Hier enttäuschte die Partei nie, hier hielt sie immer Wort und ist bis heute immer aktiv, wenn es um die Verbesserung der Lebensverhältnisse des Proletariers und des Bauern geht. Geradezu ergreifend war die Sympathie für unseren Che Guevara beim Interview: „Der hat halt gewusst, dass bei einer Revolution wirklich alle Machtinsignien des Feindes grundlegend zerstört gehören. Alle hat er sie umgelegt. Vor allem die Geheimdienst-Leute, ehemals treue Offiziere, sonstige gefährliche Figuren. Eine Revolution gehört radikal durchgeführt oder man lässt es gleich. Und heute wird er von manchen Leuten als Massenmörder bezeichnet. Wenn ich mir den Bildungs- und Sozialstandard auf Kuba heute anschaue, wenn ich mir die übrigen Leistungen der ehrwürdigen Revolution anschaue, wenn ich heute in die glücklichen Augen der Kinder blicke, dann denke ich mir, dass das alles halt sein musste. Es hat sich ausgezahlt. Allende allerdings hat nichts geschnallt. So hat er sich, dieser im Prinzip ehrwürdige Mann, eben am Ende selber die Kugel gegeben. Sie wissen – Dieses Jubiläum…“. Unser Che:
WG-Archiv Ein „geistiger Freund“ Stifters. Stifter meint, dass die Revolution auf Kuba unbedingt weiter fortgeführt werden müsse: „Ich bin für die Fortführung der Revolution. Alles andere wäre nichts als Zerstörung und Unheil. Solange die Dominikaner noch auf die Kubaner neidig sind, ist alles in Ordnung. Und die Polemiken des Westens und der USA kennen wir ja eh. Ich bin völlig dagegen, dass Kuba einmal zu einer Dominikanischen Republik wird“. Dem kann man nur mit ganzem Herzen beipflichten! Bravo Stifter! Venceremos!
III: Zur Biographie des Elobert Stifter. Stifter erzählte, dass er im Jahre 1993, „als der Kommunismus leider bereits am Boden lag“ in Wels als Sohn eines einfachen Gastwirtes geboren wurde. Das Gasthaus hieß „Zum Blauen Sonnenrad“ und befand sich im Stadtteil Liechtenegg, direkt an der dortigen Hauptstraße. Mütterlicherseits sei er verwandt mit Adam Altreiter, welcher später als „Adalbert Stifter“ zum berühmten und allseits anerkannten österreichischen Schriftsteller wurde. Herr Adam Altreiter alias Adalbert Stifter:
WG-Archiv Mütterlicherseits verwandt mit Elobert Stifter. Sein eigentlicher Vater sei jedoch ein italienischer Regisseur namens Eisner gewesen, welchen seine Mutter einmal in Paris getroffen hätte. Am Totenbett hätte sie dieses ihr Geheimnis vor der ganzen Familie und vor dem Priester preisgegeben. „Als geistig wache und offene Frau, vor allem aber als Wirtin liebte sie vor allem Eisners berühmten Film ‚Über die Kunst des Fressens‘, gedreht 1971/72. Und dann ist sie eben einmal zum Eisner hingefahren. Daheim gab es damals Streit“. „Mein Welser Vater hat mich erst zum Marxisten gemacht“, sagte Stifter im Interview. „Er war ein grausamer Unterdrücker. Immer musste ich in der Wirtschaft helfen, während andere Kinder spielen durften. Mein Zimmer wurde aus Spargründen nie richtig geheizt, nur eine Matratze hatte ich. Als es zwischen uns 1:1 stand, gingen wir dann auseinander. Das ist akzeptabel. Und da war dann vor allem unser besoffener Philosoph in der Gaststube. Ein Mann der 1970er-Jahre! Muss eine sehr schöne und interessante Zeit gewesen sein. War auch sicher so! Der Fidel zeigte damals in Angola, was Kuba ist! Bravo! Mein Philosoph – genannt ‚Der Iwan‘ – strahlte vor allem menschliche Wärme aus und führte mich in das marxistische Denken ein. Sogar Bücher hat er hin- und wieder mitgebracht und daraus vorgelesen. Als er dann 1999 starb, da zählte ich dann ganz schnell 1 und 1 zusammen und ging als überzeugter Marxist fort. ‚Das Handeln‘ war zu meiner Maxime geworden! Ich ging nach Frankreich, wo ich noch heute gern lebe. Dort erfuhr ich dann bei einem guten Freund auch eine gute Ausbildung zum Kynologen, was ja kein leichtes Handwerk ist“. Wann er zum Schriftsteller wurde, weiß Stifter nicht mehr: „Geschrieben habe ich wohl schon immer. Dort und da. Viel Scheiß. Aber es geht immer um den direkten Stil. Bis heute bin ich Kämpfer. Eher Guerillero. Denn das Schreiben ist schwierig. Ich schreibe heute nach starren mythologischen Bildern und mein Trick ist, dass das niemand sofort durchschaut. Interessant auf jeden Fall. Kein Mangel also. In der Schule bekam ich zumeist einen Fünfer auf meine Arbeiten. Und wohl wurde ich Schriftsteller dadurch, dass ich mir irgendwann sagte: ‚Tu’s trotzdem‘! Worte kann man ja ebensowenig zurückhalten wie Pisse oder Scheiße. Auch ein Kind muss irgendwann aus dem fremden Bauch raus. Ansonsten kommt der Tod. Schneller, als man es sich oft vorstellen kann.“ Aus seinem Erbteil kaufte Stifter schließlich eine Finka in Sattledt bei Wels, welche wir besuchen durften.
IV: Die materiellen Lebensverhältnisse des Stifters in Oberösterreich. „Ich bin Kynologe, eigentlich ‚Hunde-Psychiater‘ in Frankreich. Also im Raum Besancon. Ich bin in der Lage, die ‚Sprache der Hunde‘ zu verstehen und auch zu sprechen. Wenngleich gebrochen. Aber man versteht mich. Schwierig ist vor allem das, was der Hund nicht ausspricht. Unmöglich ist es, mit einem Hund zu sprechen, wenn man gerade aus der Dusche kommt. Der Geruch ist wichtig, dann kommt erst das Sprechen an sich. Konkret in der Situation ist der Blick wichtig. Man sendet mit den Augen ja Energie aus. Da kann ein Hund noch so bissig sein, ich greife hin. Und noch nie wurde ich gebissen. Da sind dann alle erstaunt und empfehlen mich weiter. Vor allem nach der gelungenen Therapie. Ich habe auch den unglücklichsten Hunden suggeriert, wie schön das Leben ist. Bezahlt werde ich sehr gut. Doch ich übertreibe das mit der Arbeit nicht. Wie sagte Marx sinngemäß? Jeder so wie er kann. Und ich sage hinzu: Jeder so, wie er will. Ich sitze gern in Besancon am zäh dahinfließenden Fluss und trinke Rotwein. Das ist meine Therapie. Daheim dann schreibe ich vielleicht. Das geht dann immer die ganze Nacht. Wenn mir unerwartet der Schnaps in die Quere gekommen ist, dann kotze ich natürlich nur und leide. Oft die ganze Nacht. Wenn ich will, dann fahre ich spontan wieder einmal nach Sattledt“. Besancon:
WG-Archiv Spartanisch wirkt der Sattledter Schlaf-Bereich des Elobert Stifter! Er bewohnt ihn sowohl im Sommer als auch im Winter. Man sieht also, wie rationell und glücklich der Mensch leben kann! Der Schlafbereich des Stifters in Sattledt:
© ODS Am Mount Everest hätte man auch oft nichts Anderes, es gehe immer nur um die „konkrete Ausrüstung“, meint Stifter. Seine Wohnung sei im Prinzip „die ganze Welt“. Genosse Timoteo Rienzo Capellari – Mitbewohner und einziger Freund des Stifters in Sattledt:
© ODS Und gerade daran sieht man, wie sehr unser Volk von Stifter lernen kann! Stifter ist ein echter kubanischer Avantgardist! Um das Sattledter Volksempfinden nicht zu stören, hat Stifter den Empfangsbereich mit Trophäen aus dem nahegelegenen Gebirge versehen. Der Empfangs- und Beratungsbereich des Stifters in Sattledt:
© ODS Hier entstehen auch bereits die ersten Entwürfe für seinen Roman „Nachtmeerfahrt“, welcher für 500 Seiten geplant ist. Stifter dazu: „Ja, das ist dieses Columbus-Thema, nur dass es auf See heute viel zu viel Wind gibt. Er droht das Schiff zu zerstören. Man muss höchst vorsichtig navigieren. Und wo man landet, weiß man nicht so genau. Früher war wohl alles besser, klarer. Kein Mensch hätte jemals so ein Schiff bestiegen! Heute aber…“. Wo Stifter auch landet, eines steht fest: Kommt dieser große und bedeutende Mann aus Oberösterreich einmal in irgendwelche Probleme, so steht fest, dass er bei uns jederzeit höchst herzlich aufgenommen werden wird! Er ist einer von uns, er ist ein echter Kubaner!
Übersetzung aus: ODS(= „Observador de Santiago“) 7 (2013), S. 17 ff. Autor©: Jorge Fabbrio. |
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