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III: DIE „ERSTE EISENBAHN“ VON BUDWEIS VIA TROJERN NACH URFAHR-LINZ – LETZTEN ENDES EINE TECHNISCHE MISSGEBURT!

1)    Allgemeine Vorgeschichte. Franz Josef v.Gerstner(1756-1832) und sein „Eisenbahn-Paradigma“ von 1808.

Den ökonomischen Hintergrund für die „Erste Eisenbahn Österreichs“ bildet der Umstand aus, dass das ansonsten mit Rohstoffen „gesegnete“ Böhmen ganz einfach des Salzes entbehrte.(1) Dieses musste somit einigermaßen umständlich vom „Salzkammergut“ heraufbefördert werden, vor allem per Schiff, im Bereich Donau-Moldau jedoch per Fuhrwerk.

Und gerade dieser letzte Abschnitt bereitete logistische Probleme: In Einsatz gelangten hier Bauern entlang dieser „Transport-Linie“, welche ihre Fuhrwerke jedoch nur saisonal zur Verfügung stellen konnten. Dies führte jedesmal naturgemäß zum „Großen Stau“ und sowohl im Donau-Terminal Mauthausen als auch in Budweis mussten Große Salzlager angelegt werden, um die Versorgung dauerhaft sicherzustellen. Doch damit lag das „Salz“, also das „Kapital“, dort wie da tot.

Ganz dem althergebrachten „Transportsystem Wasserstraße“ verhaftet, trachtete man schon früh zur Verflüssigung der Transportverhältnisse danach, im Abschnitt Donau-Moldau einen Kanal zu errichten. Dass hier aufgrund des beachtlichen Höhenrückens zwischen Moldau(Budweis) und Donau viele „Schleusen“ anzulegen gewesen wären, war von vorne herein klar. Und es gab vielerlei Studien zu diesem Problem.

Die „Böhmisch-Hydrotechnische Gesellschaft“ beauftragte schließlich den renommierten Prager Professor Franz Josef v.Gerstner, die „Günstigste Kanalvariante“ zu ermitteln.

Prof. Franz Josef v.Gerstner(1756-1832):

Aus: M.Stepan, Prehledne dejiny czeskoslovenskih zelesnic, Praha 1958, 16 ff.

Sein Befund, öffentlich am 31. März 1808 vor der Hauptversammlung der „Böhmisch-Hydrotechnischen Gesellschaft“ in Prag vorgetragen, war erstaunlich:

Gerstner verabschiedete sich in seiner Rede schließlich vom althergebrachten „Wasserstraßen-System“ und plädierte vielmehr für die Anlage einer „Moldau-Donau-Eisenbahn“ – Dieses „Englische System“ sei im Vergleich ganz einfach effizienter.

Die grundsätzlich der „Wasser-Straße“ verhaftete „Böhmisch-Hydrotechnische Gesellschaft“ wusste nicht viel mit Gerstners Befund anzufangen und löste sich schließlich ganz auf. Das Projekt verschwand vorerst in der Versenkung.

Aktuell wurde dieses Problem „Verbindung Donau-Moldau“ erst wieder im Zuge der „Dresdener Elb-Konferenz“(1819), auf welcher ein moderner Verkehrsweg „Donau-Moldau-Elbe-Nordseehafen Hamburg“ angestrebt wurde.

Die Problemstellung für die „Verbindung Donau-Moldau“ war dort sodann schlicht:

Kanal oder Eisenbahn?

Gerstners „Legendäre Prager Eisenbahn-Rede“ aus 1808 war also wichtig genug gewesen, um „notiert“ zu werden, wie man in „Internationalen Diplomatenkreisen“ so sagt…

Man erinnerte sich schließlich auch in Österreich(!) an „Diesen Professor Gerstner aus Prag“ und kontaktierte ihn.

 

2) Franz Anton v.Gerstner(1796-1840) und sein gescheitertes Baukonzept.

Franz Joseph v.Gerstner schickte – offiziell auf sein hohes Alter verweisend – seinen Sohn Franz Anton vor, damals schon Universitätsprofessor in Wien. Er soll es sich aber in der Folge nicht nehmen lassen, dessen „Bau-Konsulent“ zu sein.

Prof. Franz Anton v.Gerstner(1796-1840):

Aus: M.Stepan, Prehledne dejiny czeskoslovenskih zelesnic, Praha 1958, 16 ff.

Zunächst Professor in Wien, sodann „Bauführer“ auf der Budweiser-Bahn, dann – nach einem „Prager Intermezzo“(Herausgabe des mehrbändigen „Handbuchs der Mechanik“, zunächst gem. mit seinem Vater) - Erbauer der „Ersten Russischen Eisenbahn“(St.Petersburg-Pawlowsk, ca. 27km). Er starb 1840 im Zuge einer zunächst vom Zaren finanzierten Forschungsreise bezüglich der „Inneren Kommunikationen der USA“ in Philadelphia und liegt ebendort begraben. Er hat als erster die „Eisenbahngeschichte Österreichs von den Anfängen bis 1839“ fachmännisch geschildert.

Franz Anton v.Gerstner, welcher auch als der „Erste Eisenbahnhistoriker Österreichs“(s.o.) zu gelten hat(2) schreibt zur Sache aus seiner Sicht 1839:

„Die erste Eisenbahn, welche in Oesterreich für den Verkehr von Reisenden und Gütern angelegt wurde, ist jene zwischen der Moldau und Donau … die Veranlassung derselben lag in den Verhandlungen der Bevollmächtigten der zehn Elbeufer-Staaten, welche sich in Folge der Wiener Congressacte im Jahre 1819 in Dresden versammelten, und dort eine Convention wegen Regulirung der Elbe-Schiffahrt abschlossen. Die freie Schiffahrt auf der Elbe begann im Jahre 1821, und die Commission in Dresden hatte sich vor ihrer Auflösung an die österreichische Regierung mit dem Ersuchen verwendet, die Schiffahrt auf der Moldau bis Budweis zu reguliren, und von dort bis zur Donau einen Canal oder eine Eisenbahn anzulegen, damit auf diese Art Güter von Hamburg bis zur Donau, und umgekehrt befördert werden könnten. Im Jahre 1822 wurde ich von dem damaligen Präsidenten der Commerz-Hofstelle aufgefordert, mich an die Spitze der Unternehmung zu stellen, und nahm sofort die nöthigen Localuntersuchungen der Gegend vor“(3).

Doch es soll nicht bei diesen „Local-Untersuchungen“ in Böhmen und im Mühlviertel bleiben: Gerstner reiste in der Folge nach England, um dort für sein Projekt nützliche Erkenntnisse zu gewinnen.

Was folgte, war ein großer, bis heute wirksamer „Paradigmen-Wechsel“ im Eisenbahnwesen. Dieser bestand schlicht darin, dass Gerstner eine „Eisenbahn“ grundsätzlich als „Straße“ betrachtete. Die Engländer sahen das alles aber ganz anders. Gerstner 1839(Hervorhebungen d.Verf.):

„Ich ging sodann nach England, um mich dort über den besten Plan zu berathen, wie eine Eisenbahn über das Gebirge zwischen der Moldau und der Donau zu führen sei, welches von der einen Seite über 1000, und von der andern Seite über 1500 Fuss Höhe hatte. Die englischen Ingenieurs waren damals durchaus der Meinung, jede Eisenbahn in Gebirgsgegenden in horizontale oder beinahe horizontale Strecken abzutheilen, zwischen welchen steile schiefe Flächen angelegt, und mit Dampfmaschinen(Stationary Steam Engines) betrieben werden. Ich erklärte denselben, dass ich eine Eisenbahn sowohl in den Hauptgrundsätzen ihrer Anlage, als in ihrem Zwecke nur als eine sehr gute Kunststrasse betrachte, und daher in keinem Falle schiefe Flächen annehmen könne; allein meine Ansichten wurden von Niemandem in England gebilligt“(a.a.O., S. 56).

Obwohl Gerstner mit diesem Paradigma, dass nämlich eine „Eisenbahn“ kein „Duales System“(Schiefe Ebenen + Horizontale Strecken), sondern ein „Homogenes System“(Eisenbahn = Straße) sei, in England zunächst auf taube Ohren stieß, so setzte sich diese Methode historisch durch. Sie fand vor allem Anwendung am Semmering. Auch in England nahm man schließlich langsam Abschied von der „Schiefen Ebene“. Die letzte Eisenbahnlinie, welche gemäß dem „Gerstnerschen Eisenbahn-Paradigma“ errichtet wurde, war übrigens die Tibet-Bahn.

Das englische System der „Schiefen Ebene“(Inclined Planes): Zu umständlich für Gerstner!

Copyright: Elmar Oberegger

 

Paradigma „Eisenbahn als Strasse“(Gerstner): Von „A“ zum Hochpunkt, und von dort zu „B“.

Copyright: Elmar Oberegger

Die alte englische „Waggon-Way-Methode“ lehnte Gerstner jedoch nicht ab, sondern baute sie in sein Konzept ein. Diese funktioniert wie folgt: An erhöhter Stelle befindet sich eine Kohlengrube, welche die Schiffe am Fluss beschicken soll. Die Waggons werden beladen und rollen per Schwerkraft von selbst bis zum Fluss-Terminal. Das Pferd trabt unbeschwert hinterher. Erst am Rückweg muss es den Waggon ziehen, doch da ist dieser ja längst entleert.(4) Damit wurde Energie gespart! Siehe zu dieser Methode beigegebene Illustration.

Der englische „Waggon-Way“:

Int.Eisenbahnarchiv LKP

Dieses „Energiesparen“ besaß in alter Zeit keinerlei „ökologischen Hintergrund“, sondern war rein „ökonomisch“ bedingt. Die Erfinder dieser Waggon-Ways waren also keine „Grünen“, sondern vielmehr nüchterne Zahlenmenschen. Wenig Energie war verfügbar, und diese musste optimal ausgenutzt werden. Man kann sich die damalige Lage heute – die sogenannte „Energiewende“ beginnt ja erst – gar nicht mehr vorstellen.(5)

Bezüglich der Zukunft des Eisenbahnsektors wurden im 19. Jahrhundert in der Tat Diskussionen darüber geführt, ob – rein energiemäßig betrachtet – das haferfressende Pferd günstiger sei als die Holz oder Kohle fressende Dampf-Lokomotive.

Hafer war teuer und überhaupt musste man ja auch daran denken, genügend Anbauflächen zur Ernährung des Menschen zur Verfügung zu haben…

Je mehr Kohle gefördert werden konnte, desto billiger wurde sie; das stand fest. Wir kommen auf die Energiefrage sogleich zurück.

Gerstner stellte jedenfalls zu seinen Baugrundsätzen fest(Hervorhebungen d.Verf.):

„Die Grundsätze bei der Anlage dieser Bahnstrecke waren, keine grössere Steigung als 1:120, oder 44 Fuss per engl. Meile, dann keinen kleinern Krümmungshalbmesser als 600 österreichische oder 622 englische Fuss anzunehmen, ferner keine erstiegene Höhe wieder zu verlieren. Da die Bahn vorzüglich für den Salztransport berechnet war, so bestand der Oberbau aus Flachschienen(plate rails), die auf Holz genagelt waren, und das angenommene Maximum der Steigung gründete sich darauf, dass die Wagen nach damaliger Construction bei dieser Steigung auf Flachschienen von selbst herabzulaufen anfingen …“(a.a.O., S. 56).

„… so bestand der Oberbau aus Flachschienen(plate rails), die auf Holz genagelt waren…“ , in der Mitte befand sich die Lauffläche für das Pferd:

Copyright: Elmar Oberegger

In Kerschbaum(Pferdeeisenbahnmuseum) kann man eine solche Trasse noch besichtigen. Man spricht hier übrigens auch von einer „Holz- und Eisenbahn“. Die Spurweite der Budweiser Pferdeeisenbahn betrug 1106mm.

Am Hochpunkt(Kerschbaum) plante er einen großzügig bemessenen „Zugbildungs-Bahnhof“ von ca. 1,3 Kilometern Länge. Dorthin könnten kurze und schwere Züge hinaufbefördert werden, lange und schwere Züge könnten von dort quasi herabrollen. Beidemale würde sich die Belastung des Pferdes also in Grenzen halten.

Budweiser-Bahn: Das Konzept Gerstner.

Copyright: Elmar Oberegger

Ursprünglich war nicht Urfahr, sondern Mauthausen als Endpunkt an der Donau in Aussicht genommen.

Gerstner setzte aber gar nicht von vorn herein zu 100% auf das Pferd als Traktionsmittel. Schon im Zuge seiner ersten Englandreise(1822) war er mit „Dampfloks“ in Berührung gekommen, welche ihn faszinierten. Doch die Technologie an sich erschien ihm damals noch als ziemlich unausgegoren. Erst nach seiner zweiten Englandreise(1826/1827) war er offenbar völlig überzeugt und wollte somit ganz offiziell den Dampfbetrieb einführen.(6)

Wie ging es nun aber nach der „Ersten Englandreise“ konkret mit dem „Eisenbahnprojekt Moldau-Donau“ weiter. Gerstner schreibt:

„Ich kehrte im November 1822 von England zurück, liess während der folgenden zwei Jahre die nothwendigen Nivellirungen vornehmen, und erhielt am 7.September 1824 von weiland Sr. Majestät Kaiser Franz I. ein persönliches Privilegium zum Baue und zum Betriebe einer Eisenbahn zwischen der Moldau und Donau“(a.a.O., S. 56).

Als Endpunkt wurde damals Mauthausen bestimmt.

Die Privilegiums-Urkunde:

Aus: GDÖU I/1, 57.

Rein strukturgeschichtlich betrachtet beginnt bereits damit die Geschichte der „Ersten Eisenbahngesellschaft“ sowohl des „Deutschen Bundes“ als auch des „Deutschen Sprachraumes“.(7) Die juristische Gründung erfolgte allerdings etwas später. Gerstner:

„Im März 1825 bildete ich in Wien eine Actiengesellschaft, und leitete und beendigte bis Ende 1828 den Bau…“(a.a.O., S. 56).

Genauer gesagt: Gerstner trat sein Privilegium aus 1824 an die Gesellschaft ab und stellte sich ihr daraufhin als „Bauführer“ zur Verfügung. 1825 fand in Nettrowitz bei Kaplitz der Spatenstich statt. Kein Denkmal erinnert dort heute an diesen großen Moment!

Interessant ist, dass Gerstner dem Staat ursprünglich folgendes Konzept(8) vorgelegt hatte:

a)     Eisenbahn Budweis-Donau.

b)    Eisenbahn Donau-Salzkammergut.

c)     „Zweigbahnen“ zur Ausbeutung des Holzreichtums besonders der Mühlviertler Gegend.

Doch die Regierung stimmte schließlich nur Punkt a) zu. Nur dieser wurde Teil des offiziellen Privilegiumsgesuches. Die beiden anderen Fragen wären erst in Zukunft zu klären.

Vor obigem Hintergrund wäre Gerstner also in der Tat als „Vater der Budweiserbahn von Budweis bis Gmunden“ anzusehen, abgesehen davon, dass es schon 1818 einen Plan gab, Linz mit Gmunden zu verbinden(„Mayer-Bahn“).(9) Leider wurde dies im Zuge der „Großen Gmundener Jubiläumsfeier(2011)“ völlig ignoriert.(10)

Die frühe – also vor 1824 geäußerte – Idee Gerstners, die Wälder an der Bahn eisenbahnmäßig auszubeuten, bringt uns nun zur oben angesprochenen „Energie-Frage“ zurück.

Angesichts der quellenmäßig belegbaren Tatsache, dass Gerstner erst im Zuge seiner Zweiten Englandreise(1826/27)(s.o.) vom „Dampfbetrieb“ völlig überzeugt wurde, könnte man meinen, dass die Anlage dieser „Waldbahnen“ allein zur allgemeinen Erhöhung des Frachtaufkommens der Pferdeeisenbahn gedacht war.

Doch man könnte aufgrund des Tatbestandes auch folgern, dass Gerstner in Wahrheit schon vor 1824 den „Dampfbetrieb“ ernsthaft ins Auge gefasst hat. Sein offizielles Plädoyer jedenfalls hielt er – wie gesagt – erst nach seiner Zweiten Englandreise.

Die Situation war ja geradezu ideal:

Per „Waldbahnen“ würde der Treibstoff für die Lokomotiven permanent an die Budweiser Strecke heran-geführt, dort gleich entsprechend verarbeitet und diesen sodann zu-geführt. Ein (damals) teurer „Treibstoff-Import“ über hunderte Kilometer bliebe also erspart(!). Das, was vor Ort nun einmal vorhanden war, wäre ausgenutzt worden. Gerstner trug dies sodann auch der Baugesellschaft vor. Ohne Erfolg.

Dass die „Holzfeuerung“ allerdings selbst keineswegs ideal war(feuergefährlicher Funkenflug aus dem Schornstein der Lok!), musste man später leidvoll feststellen. Gerstner jedoch blieb dennoch – trotz seines massiven Rückschlages in Rußland(„Pawlowsker-Bahn“) – bis zu seinem Tod Anhänger der Holzfeuerung.(11)

Auf jeden Fall aber hat Gerstner letzten Endes als „(geistiger) Ur-Vater des Dampfbetriebes in Österreich“ zu gelten und es ist hierbei eigentlich egal, ob er schon im Zuge seiner ersten oder erst im Zuge seiner zweiten Englandreise von diesem System überzeugt worden ist.

Wie wir bereits gehört haben, schied Gerstner 1828 von der Baustelle der „Budweiser-Bahn“. Folgende Faktoren waren hierbei maßgebend:

a)     Die Herstellungszeit wurde überschritten, was die Geldgeber zutiefst irritierte.

b)    Eine „Inflation“ während des Baus, für die er nun einmal nichts konnte.

c)     Auch die Anbringung von „Gleismauern zur ewigen Stabilität der Bahn“, welche sich schließlich als völlig sinnlos erwiesen, trug zur Kostenüberschreitung bei.(12) Zu bemerken ist allerdings, dass diese nicht von Gerstner erfunden worden waren, sondern besonders von Wien aus forciert wurden. Auch sein Vater hatte übrigens als „Bau-Konsulent“ für deren Anbringung plädiert.

d)    Gerstner war längst an seine nervlichen Grenzen gelangt.

Überrest einer „Gerstnerschen Gleismauer“ im Mühlviertel: Heute offenbar so eine Art „Mini-Steinbruch“ der Bäuerlichen Anrainer!

Copyright: Elmar Oberegger

In England hatte man immer mit „Setzungen des Gleiskörpers“ gerechnet, sah eine Eisenbahntrasse also als „Dynamisches Moment“ an und führte immer wieder Reparaturen durch. Eine „Eisenbahn-Trasse von Ewiger Dauer“ gibt es übrigens bis heute nicht. Traurig am „Gerstner-Konzept“ war der Umstand, dass die „Setzungen“ nicht ausblieben. Deshalb war es letztlich völlig sinnlos.

1827 war allerdings die Eisenbahnstrecke „Budweis-Trojern“ offiziell(!) eröffnet worden(s.o.) – Die „Erste Eisenbahn der Donaumonarchie“! Und Gerstner war auf jeden Fall ihr Vater!

Ersetzt wurde Gerstner an der Baustelle schließlich durch Ing.Mathias Schönerer, seinen wohlgefälligen Schüler aus Wien, welchen er einst freiwillig auf die Budweiser Baustelle mitgenommen hatte. Schon früh hatte dieser – ob berechtigt oder unberechtigt – damit begonnen, gegen seinen Meister massiv zu intrigieren.

Ing.Mathias Schönerer(1807-1882):

Aus: B.Enderes, Die Holz- und Eisenbahn Budweis-Linz, Berlin 1926(2007), 11.

Die offizielle, schlichte Forderung der Baugesellschaft an Schönerer war schließlich:

Möglichst rasche und billige Beendigung der Bahn!

Das „Großartige Gerstner-Konzept“(s.o.) interessierte damals niemanden mehr.

Es ist übrigens davon auszugehen, dass der Intrigant diese Entscheidung der Baugesellschaft massiv mitbeeinflußt hat.

Auf den Intriganten Schönerer wirft das natürlich ein hervorragendes Licht - Ein höchst erfolgreicher Mann in dieser Beziehung! Der Ingenieur Schönerer steht allerdings in der heutigen Betrachtung weniger gut da.

In Schönerers Zeit fällt nun auch die Veränderung des Endpunktes der Bahn. Ursprünglich war diesbezüglich – wie gesagt – Mauthausen in Aussicht genommen worden, nun aber sollte – aufgrund verkehrsstrategischer Überlegungen – Urfahr der Endpunkt sein. Der dortige Bahnhof sollte gleichzeitig die Stadt Linz bedienen können, deshalb der offizielle Name „Urfahr-Linz“. Urfahr wurde ja erst nach 1918 ein Stadtteil von Linz.

Im Jahre 1832 wurde die Pferdeeisenbahn von Budweis bis „Urfahr-Linz“ schließlich eröffnet.

Die Eröffnungsfahrt von 1832:

Aus: F.Aschauer, Oberösterreichs Eisenbahnen, Wels 1964, Fotobeilage.

Sic: Im „Kaiserlichen Waggon“ hinten Ing.Schönerer – Der „Große Erbauer“ der Budweiserbahn!

Verlauf der Budweiser Pferdeeisenbahn:

Copyright: Elmar Oberegger

Der Bahnhof „Urfahr-Linz“:

Aus: Linzer Tagespost 21/1904

„Auf dem Stationsplatze in Urfahr steht ein hölzernes, vierzig Klafter langes, neun Klafter breites Magazin zur Einlagerung des Salzes, dann eine gut eingemauerte Schmiede-, Sattler- und Wagner-Werkstätte. Ferner befindet sich noch auf diesem Stationsplatze das Wohngebäude. Es umfaßt im Erdgeschosse das Einschreibzimmer für die nach Budweis reisenden Passagiere, dann die Wohnung des Werkmeisters mit zwei Zimmern und einer Küche. Im ersten Stockwerke befindet sich eine Beamtenwohnung von vier Zimmern und einer Küche. Der Bahnhof in Urfahr hat ein Areal von 4060 Quadratklaftern und ist von einer Planke umschlossen“(F.C. WEIDMANN, Schriftsteller).

Am Längenprofil kann man das klare Abrücken von Gerstners ursprünglichem Bauplan ganz klar erkennen. Nicht nur die erheblichen Steigungsabschnitte, sondern auch die engen Schönererschen Kurven verhinderten lange Zeit die Einführung des Dampfbetriebes. Und als diese sodann endlich möglich gewesen wäre, rentierte sie sich nicht mehr.(13) Die Strecke wurde in der Folge umgebaut(1869-1872/73, „k.k.priv. Kaiserin Elisabeth-Bahn“).

Das Längenprofil Budweis – Urfahr-Linz:

Aus: B.Enderes, Die Holz- und Eisenbahn Budweis-Linz, Berlin 1926(2007), 18.

Gerstner schreibt zu Schönerers Eingriff 1839(Hervorhebungen d.Verf.):

„So klar und deutlich die Grundsätze dieses Baues Jedermann erscheinen mussten, und so sehr auch der Erfolg der Fahrten allen Erwartungen entsprach, so wurden dennoch Vorschläge wegen Abänderung derselben gemacht, und von der Direction der Gesellschaft ohne weitere Untersuchung angenommen. Ich … machte … den Vorschlag, leichte Locomotiven zum Transporte zu gebrauchen, allein die Direction nahm auch hierauf keine Rücksicht, und liess nun den weitern Bau, an welchem ich keinen Antheil mehr hatte, vom Scheidungspunkte bis Linz nach einem Plane ausführen, wobei Steigungen von 1:46 oder 115 Fuss per engl. Meile in bedeutenden Strecken vorkamen, grosse erstiegene Höhen mehrmals verloren wurden, und häufig Krümmungen von 60 Fuss Halbmesser Statt hatten … Im Jahre 1832 wurde die ganze Bahn … eröffnet … und es gibt jetzt wohl keinen Menschen vom Ingenieur bis zum Fuhrmanne herab, welcher bei Bereisung oder Besichtigung der Bahn es nicht lebhaft bedauert, dass die Grundsätze, welchen ich bei der ersten Bahnhälfte verfolgte, nicht auch bei der zweiten Bahnhälfte angewendet wurden. Die Gesellschaft erleidet wenigstens einen Verlust von 5 Kreuzer per Centner, welches bei 500,000 Centner jährlich 41,666 Gulden beträgt, während die Mehrauslage, wenn man meinen Grundsätzen gefolgt hätte, nicht über 250,000 Gulden Conv.-Münze betragen hätte(!). Ueberdiess ist man jetzt in die Unmöglichkeit versetzt, Dampfkraft zu gebrauchen … Es gibt wohl keine Bahn … wo die Grundsätze des Baues bei ihren zwei Hälften so sehr verschieden sind … und es ist als Warnung für ähnliche Fälle nur zu wünschen, dass möglichst viele Personen die Bahn bereisen, und sich an Ort und Stelle von dem Erfolge des Baues nach beiden Grundsätzen überzeugen“(a.a.O., S. 56).

Mit höchst wohlfeilen Worten schildert uns Gerstner hier also schlicht eine nicht imitierenswerte „Technische Mißgeburt“.

Früher Salz-Zug auf der Budweiser-Bahn:

Aus: M.Stepan, Prehledne dejiny czeskoslovenskih zelesnic, Praha 1958, 48 ff.

Der „Gerstnersche Gebirgsübergang bei Edlbruck“ stellt übrigens ein besonderes Problem dar.

Augenfällig wurde die Sache allgemein erst im Zuge des Umbaus der Budweiser-Bahn für den Lokomotivbetrieb(1869-1872/73). Man weigerte sich aus gutem Grund, diesen Umweg zu gehen und stellte eine direkte Verbindung Zartlesdorf(Rybnik)-Summerau her.

Die Gerstner-Trasse im Vergleich zur heutigen Summerauer-Trasse:

Copyright: Elmar Oberegger

Auch wenn man Gerstners „Baugrundsätze“(s.o.) selbst beachtet, so leuchtet es nicht ein, warum er nicht schon damals die heute noch vorhandene „Summerauer Variante“ gewählt hat(14), welche doch schon vor der Eisenbahnzeit als „Kanaltrasse“ ins Auge gefasst worden, und damit also bekannt(!) war. Einen „Klassischen Hochpunkt“ hätte er damit freilich nicht erreicht, vielmehr eine relative Ebene von ca. 7 Kilometern. Der Weg bis Summerau wäre jedenfalls kürzer gewesen.

Sandgrubers Erklärung, Gerstner hätte sich schlicht „im Gelände vermessen“, erscheint jedenfalls als allzu einfach, als allzu naheliegend.(15)

Wollte Gerstner in Österreich nur ein „International geltendes Paradebeispiel für einen Gebirgsübergang ohne Englische Schiefe Ebene‘“  schaffen, quasi um England zu imponieren“?(16)

Wir werden es wohl nie erfahren…

Und sollte er dies auch bezweckt haben:

Seine große Leistung im Bereich „Überwindung von Gebirgen mittels Eisenbahn/Eisenbahn = Ununterbrochene Straße“ bliebe dabei ohnehin völlig unbestritten.

Dass heute Ghega in diesem Bereich allgemein viel höher bewertet wird, liegt wohl nur daran, dass er eine weitaus imposantere Szenerie(Semmering) zur Verfügung hatte, um Gerstners Konzept umzusetzen.

Und vor allem: Ghega wurde bei seinem Werk nicht gestört!

 

3)    Anmerkungen.

1)     Vgl. zum folgenden Abschnitt v.a. Elmar OBEREGGER: Der Eiserne Weg nach Böhmen. Von der Pferde-Eisenbahn zur Summerauer-Bahn. In: Kohle &. Dampf(Katalog der oö. Landesausstellung 06). –Linz 2006, S. 247 ff.

2)     Siehe Elmar OBEREGGER: Thema „Eisenbahngeschichte Österreichs“. Literaturbericht und Zukunftsperspektive. –Sattledt 2009

3)     Franz Anton v.GERSTNER: Eisenbahnen in Oesterreich. In: Zehnter USA-Bericht v. 29.Juli 1839(Berichte aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika, Leipzig 1839), S. 55 ff. Hier: S. 55 f.

4)     Siehe dazu etwa WEIGELT: Epochen der Eisenbahngeschichte. –Darmstadt 1985, S. 18.

5)     Siehe etwa zur Energielage im Österreich des 19. Jahrhunderts den instruktiven Aufsatz von Roman SANDGRUBER: Energiewirtschaft in Österreich. In: Ausstellungskatalog „Kohle &. Dampf“. –Linz 2006, S. 49 ff.

6)     Vgl. dazu Bruno ENDERES: Die „Holz- und Eisenbahn“ Budweis-Linz. Das erste Werk deutscher Eisenbahnbaukunst. –Berlin 1926.(Hier zitiert nach der Ausgabe 2007), S. 19.

7)     Vgl. dazu Elmar OBEREGGER: Die Erste (österreichische) Eisenbahngesellschaft und ihr Netz. 1824-1903. –Sattledt 2008, bes. S. 1.; Elmar OBEREGGER: Zum Problem „Erste Eisenbahn Deutschlands“. Einige Bemerkungen hinsichtlich der historischen Bedeutung des „175-Jahr-Jubiläums“ der Eröffnung der Linie Nürnberg-Fürth im Jahre 2010. In: Zum Problem „Erste Eisenbahn Deutschlands“. Und andere Beiträge zur Eisenbahngeschichte. –Sattledt 2010, S. 1 ff.

8)     Siehe ENDERES a.a.O., S. 12.

9)     K.k. Hofbaurat Ferdinand MAYER(1767-1832) plante 1815 eine Eisenbahn von Linz bis Lambach, 1818 erweiterte er diesen Plan bis Gmunden. Siehe dazu Franz ASCHAUER: Oberösterreichs Eisenbahnen. Geschichte des Schienenverkehrs im ältesten Eisenbahnland Österreichs. –Wels 1964, S. 23; Elmar OBEREGGER: Zur Vorgeschichte der „Westbahn“ von Wien nach Salzburg. 1815-1856. –Sattledt 2008, S. 4 ff.

10)            Siehe etwa Manfred REINGRUBER: Pferdeeisenbahn in Gmunden. –Gmunden 2011.

11)            Vgl. etwa Elmar OBEREGGER: Professor Franz Anton v.Gerstner(1796-1840). Seine Bedeutung im Kontext der (österreichischen) Eisenbahngeschichte. Eine Standortbestimmung. –Sattledt 2009.

12)            Siehe ENDERES a.a.O., S. 24 ff.

13)            Siehe dazu Hermann SAVERNIK: Der Dampfbetrieb auf der Pferdeeisenbahn (Budweis-)Linz-Gmunden. –Linz 2009.

14)            Elmar OBEREGGER: Zwotausendundzwölf. 180 Jahre Eisenbahn in Österreich? Kritischer Blick auf ein Jubiläum. In: Zur Eisenbahngeschichte des Alpen-Donau-Adria-Raumes. –Internet 2006 ff.

15)            Vgl. Roman SANDGRUBER Roman: Mythos Pferdeeisenbahn. In: OÖN 28-05-11, S. 4 f.

16)            Auch Techniker sind im Endeffekt nur Menschen und neigen somit zur Selbstdarstellung: So zeigte sich etwa, dass die „Großartige Ghegasche Semmeringbahn“ weitaus billiger anzulegen gewesen wäre(dazu später). Der völlig unnötige, von Mathias Schönerer hergestellte „Katzbühel-Tunnel“(Linie Wien-Gloggnitz) ragt jedoch weit heraus, wenn es um das Thema „Selbstdarstellung eines Technikers“ geht: Geschmückt ist er mit der großartigen Inschrift „Recta Sequi“ – Doch  auch mittels Einschnitt hätte er denselben Effekt erreichen können! Aber immerhin wurde dieser Tunnel(mit nur 165m Länge!) zum „Ersten Eisenbahntunnel Österreichs“. Eine besonders groteske, jämmerliche Angelegenheit…

 

Copyright: Elmar Oberegger 2011.