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APPENDIX:

1)    Ein Kuriosum der österreichischen Eisenbahngeschichte zum Thema „Eisenbahn und Widerstand“ – Zu Bau und fragwürdiger Renovierung der „Weingartshofkapelle“ an der Pyhrnbahn.

Die sogenannte „Weingartshofkapelle“ befindet sich im Gemeindegebiet von Wartberg an der Krems, und zwar – ausgehend von der Fahrtrichtung Linz-Selzthal – rechts der Pyhrnbahntrasse, gleich nach den großen Öltanks der RAG.

Um diese Kapelle rankt sich ein interessanter Mythos, welcher vielleicht sogar der Wahrheit entspricht:

Der Seniorbauer des Weingartshofes hätte diese 1878/79 errichten lassen, um gegen den Bau der Lokalbahn Linz-Kremsmünster-Kirchdorf/Krems(= „Kremstalbahn“, später bis Selzthal verlängert und in „Pyhrnbahn“ umbenannt) zu protestieren. Denn diese sollte durch den Grund seines Bauerngutes angelegt werden. Der Weingartshof befindet sich übrigens gleich gegenüber der Kapelle auf einer Anhöhe. Dort soll früher einmal Wein angebaut worden sein.

Das Zusammentreffen zwischen Bauer und Eisenbahn-Trasseuren muss sehr unangenehm verlaufen sein: Dieser beharrte auf seinem uralten Recht, die anderen auf dem „Neuen Recht“, welches aus dem im Februar 1878 erlassenen „Eisenbahn-Enteignungsgesetz“ abzuleiten war.

Solche „Trassierungen“ waren grundsätzlich unverbindlich; man wollte nur geländemäßige Daten für den später eventuell stattfindenden Bahnbau sammeln. U.a. diese Daten mussten dem Konzessionsgesuch beigelegt werden. Erst wenn der Staat die Konzession erteilte, dann durfte mit dem Bau begonnen werden.

Doch so lange wartete der Bauer gar nicht: Ursprünglich wollte er eine Mahnkapelle mit der klaren Aufschrift „DU SOLLST NICHT STEHLEN“ errichten. Auf geistlichen Rat hin kam es jedoch zu einer Modifikation dieses Planes. Nun sollte ein Bildnis hergestellt werden, welches Moses zeigt, wie er auf das 7. Gebot(= „Du sollst nicht stehlen“) hindeutet. Damit wurde der bäuerlichen Botschaft, dass die „Kremstalbahn-Gesellschaft“ sozusagen eine „Räuberbande“ sei, etwas die Schärfe genommen. Dennoch aber war diese 1879 vollendete Kapelle letzten Endes eine Freak-Kapelle. Dieses Artefakt war und ist wohl einzigartig in Österreich!

Der Bahnbau im Bereich der Kapelle begann übrigens erst Jahre später: Erst 1883 war die Strecke Linz-Kirchdorf/Krems-Micheldorf vollendet.

Die tragikomische Vorgeschichte dieser sonderbaren Kapelle setzte sich offenbar im Volk zunächst tief fest. Später wurde das prekäre Bildnis mit einer Tafel verdeckt, welche ihrerseits ein Bild aufwies. Irgendwann fiel diese sodann herunter und das ursprüngliche Bildnis kam wieder zum Vorschein. Im Zuge der Renovierungsarbeiten(„Verein Weingartshofkapelle“ 2009) fand man übrigens diese alte Tafel hinter der Kapelle. Doch das Bildnis war aufgrund von Verwitterung nicht mehr erkennbar. Auch das ursprüngliche Bild war 2009 bereits stark verwittert.

Das verwitterte Bildnis auf der Kapelle 2009:

Copyright: Elmar Oberegger

Historisch konserviert wurde der oben dargestellte Gründungsmythos der Kapelle u.a. vom bereits 1982 verstorbenen P.Altman Kellner(OSB, Kremsmünster). Er erzählte diesen seinen Schülern sozusagen als „Bon Mot“. Doch historisch untersucht wurde die Angelegenheit offenbar nie. Nicht einmal Exkursionen zur Kapelle wurden veranstaltet. Dies hatte zur Folge, dass zwei ehemalige Schüler Pater Kellners 2009 gegenüber dem Verfasser zugeben mussten, dass sie nie gewusst hätten, wo sich die Kapelle genau(!) befände. Es wäre immer nur von „südlich von Kremsmünster“ die Rede gewesen.

Obwohl hier ohnehin immer nur eine Kapelle, nämlich die Weingartshofkapelle, in Frage kam, so ist dennoch darauf hinzuweisen, dass die Verdeckung des ursprünglichen Bildnisses(s.o.) die Identifizierung zumindest längere Zeit erschwerte.

Traurig verlief schließlich die Renovierung der Kapelle:

Niemand wollte sich – trotz Information durch den Autor der vorliegenden Studie – auf den oben dargestellten Gründungsmythos beziehen. Im Hintergrund waren hier sicher auch wieder diese Linzer Vertreter der „Austrian Blockhead-Society“(= Wiener Schule) am Werk. Heraus kam schließlich ein Bildnis, unter das man auch schreiben hätte können:

„Mutter, wenn Dich das nächste Mal der Hl. Geist heimsucht, dann nehmt‘ den. Ich dulde keine Konkurrenz“.(Kapelle „Maria Verhütung“)

Das renovierte Bildnis seit 2009:

Copyright: Elmar Oberegger

Zum Abschluss der Rekonstruktionsversuch nach Oberegger, welcher mit dem Gründungsmythos(s.o.) in Einklang steht.

Verfallenes Bild und Rekonstruktionsversuch nach Oberegger(2009):


Copyright: Elmar Oberegger

Links Moses, in der Mitte die „Gesetzestafel“, wo die einzelnen Gebote aus Platzgründen nur als Nummern erscheinen(diese Darstellung war üblich!), rechts die „Göttliche Weisheit“, dargestellt als feminine Engelsfigur.

Der geneigte Leser möge sich nun sein eigenes Bild von der gesamten Sachlage „Renovierung der Weingartshofkapelle“ machen.

Literatur:

OBEREGGER Elmar: Die „Weingartshofkapelle“ an der Pyhrnbahn. Symbol bäuerlichen Widerstandes gegen das österreichische „Eisenbahn-Enteignungsgesetz“ vom 18. Februar 1878. –Sattledt 2009.

 

2)    Zur Poesie der Eisenbahnreise… (Josef Rabl).

Reisen ist stets Poesie, wenn das Herz voll Freude und Erwartung schlägt, wenn, mit einem Worte die Poesie in uns ist. Zwar wollen viele das Eisenbahnreisen nicht als poetisch gelten lassen; sie haben aber unrecht.

Josef Rabl(1844-1923):

Quelle: ÖTK

Freilich ist bisher vorzugsweise das Wandern in tausenden Liedern besungen worden, das Wandern, von welchem Paracelsus sagt, es gleiche dem Lesen eines schönen Buches, in dem man die Blätter mit den Füßen umschlägt; aber das Wandern hat auch seine Schattenseiten und das Umschlagen der Blätter dieses schönen Buches ist, je nach dem Wetter, entweder eine staubige oder eine schmutzige Beschäftigung.

Fahren ist viel reinlicher und daher ästhetischer; es wurde daher schon zur Zeit der Postkutschen vom Fahren gesungen, und auch die Eisenbahn hat ihre Dichter gefunden; von einem Franzosen ist ein ganzes Buch Eisenbahnlieder erschienen und im deutschen Dichterwald sproßte um die neunziger Jahre eine Eisenbahnlyrik; eine Automobil- und Luftballonlyrik wird nicht ausbleiben.

Die Klage ist allgemein, daß mit den Eisenbahnen die Poesie des Reisens geschwunden ist. Aber man befürchtet deshalb nicht, daß die Bahnen ihre Schalter schließen müssen, und daß Gras auf der Strecke wächst. Es ist allerdings auch wahr und sehr tadelnswert, daß die Eisenbahngesellschaften gar nichts für die Poesie tun. Wenn sich schon die Trockenheit der Fahrpläne und Tarife nicht poetisch beleben läßt, so könnten die Gesellschaften doch durch Ausschreibung von Preisen für Eisenbahnlieder, Eisenbahnromane und Eisenbahndramen zur Bereicherung der Literatur beitragen und zugleich der Klage über den Poesiemangel ein Ende bereiten.

Personenzug im Gelände:

Aus: Die ÖBB in Wort und Bild 1/74, 30.

Der sentimentale Jammer gehört übrigens mit zu den mannigfachen Äußerungen jenes vielverbreiteten reaktionären Heimwehs nach der Vergangenheit, welches dem Fortschritt feindlich ist, dem Fortschritt, welcher nicht bloß Prosa, sondern auch großartige Poesie ist; es gibt, besonders unter den Deutschen noch Leute, die sich im Zeitalter des Automobils mit der Sehnsucht nach der seligen Postkutsche blamieren.

Es ist auch nicht wahr, daß Eisenbahnen die Landschaften verschandeln, wie viele behaupten. Die Pferdeschinderei der Postwagenlenker auf steilen Straßenstrecken könnte einem weit eher den Naturgenuß verleiden. Die Dämme und Einschnitte sind freilich häßliche Flecke im Leibe der Mutter Erde, aber die fleißige Natur bedeckt gar bald alles wieder mit fröhlichem Grün.

„Das dröhnende Vorüberrasen eines Schnellzuges ist mindestens so schön wie das Rasseln der vergangenen Postwagen“, sagt Rosegger. Ein Schnellzug, der mit Blitzeseile durch die Wälder hinsaust, der bald verschwindet und bald wieder auftaucht, der seine Rauch- und Dampfwölkchen in die Luft sendet, wo sie bald im Himmelsblau, bald im Waldesgrün zerfließen, ist in der Tat eine wunderbare und auch poetische Erscheinung, wunderbar und wunderverheißend durch die Ausblicke, welche sie der vorahnenden Phantasie in die Zukunft eröffnet; schrankenlos mögen sich hier die Gedanken ergehen, denn wie vor fünfzig Jahren nicht der kühnste Phantasieflug die heutige Verkehrsentwicklung sich hätte vorstellen können, so werden wir auch mit unseren Vermutungen über das was in fünfzig Jahren sein wird, noch weit hinter der Wirklichkeit zurückbleiben; gewiß ist nur, daß die verbindende und umwälzende Kraft des Verkehrs, die wie eine Naturgewalt tötet und schafft, das Menschengeschlecht einer völlig neuen, in seiner Geschichte noch nicht dagewesenen Gestaltung entgegenführt, einer Entwicklung, vor welcher vieles versinken wird, was die Gegenwart mit leidenschaftlichem Geräusch und tobendem Kampf erfüllt und die, wenn irgend möglich, der entzweiten Menschheit die Versöhnung bringen kann. 

Aus Josef RABL: Illustrierter Führer auf der Tauernbahn und ihren Zugangslinien. Ein Führer auf den neuen Alpenbahnen. –Wien/Leipzig(A.Hartleben) 1906, S. 156 ff.

 

3)    Zur Frage der Überreste der „Wels-Rohrer-Bahn“ im Bereich Sattledt-Kremsmünster-Rohr.

Die Lokalbahn Wels-Unterrohr wurde im Jahre 1893 dem Verkehr übergeben.

Der Verlauf:

Copyright: Elmar Oberegger

Errichtet wurde sie von der privaten Lokalbahn-Gesellschaft „Wels-Aschach“, welche 1894 in „Welser Lokalbahngesellschaft“ umbenannt wurde.

Elmar Oberegger – Der Eisenbahnarchäologe.

Copyright: Elmar Oberegger

Die neue Linie sollte einerseits den Verkehr Wels-Rohr-Steyr, andererseits den Verkehr Wels-Rohr-Kirchdorf a.d. Krems-Klaus gewährleisten. Doch diese Verbindungen waren im Besitz mehrerer Privatgesellschaften, deren Kooperationsbereitschaft gering war:

1) Wels-Rohr: „Welser Lokalbahngesellschaft“.

2) Rohr-Klaus: „Kremstalbahn-Gesellschaft“.

3) Rohr-Bad Hall: „Kremstalbahn-Gesellschaft“.

4) Bad Hall-Steyr: „Steyrtalbahn-Gesellschaft“.

Angesichts dessen konnten sich die oben genannten Verbindungen nur in äußerst beschränktem Maß entfalten und der österreichischen Volkswirtschaft von Nutzen sein. Die wesentlichen Abschnitte wurden bereits abgebaut.

Wolmersgraben-Viadukt in Kremsmünster-Kirchberg: Das imposanteste Bauwerk der Wels-Rohrer-Bahn im Abschnitt Sattledt-Rohr.

Privatarchiv Rudolf Oberegger, Hörsching

Heute sind nur noch Teile der Widerlager übrig.

Im Jahr 1965 kam es zur Auflassung des Streckenabschnitts Sattledt-Rohr. Ab 1971 wurde er sodann offiziell abgetragen. Dennoch gibt es in diesem Bereich noch eindrucksvolle Überreste der Bahn, welche bisher öffentlich kaum beachtet wurden. Die bedeutendsten sollen hier kurz vorgestellt werden.

Dem Leser sei eine Wanderung entlang der alten Trasse wärmstens empfohlen. Ein historischer Lehrpfad wurde bisher allerdings leider nicht errichtet.

Ehemalige Trasse am Sipbach(Sattledt)

Copyright: Elmar Oberegger

Die steinerne Brücke ist vom Bundesheer gesprengt und sodann abgetragen worden.

 

Dammschüttung in Pochendorf:

Copyright: Elmar Oberegger

 

Der ehemalige Bahndamm unterhalb des Hauses Pochendorf 63:

Copyright: Elmar Oberegger

 

Durchlaß unterhalb des Hauses Kremsmünster, Welserstraße 51:

Copyright: Elmar Oberegger

 

Bahnhofsgebäude Kremsmünster-Stift: Vorbildlich renoviert!

Copyright: Elmar Oberegger

 

Dammschüttung an der Krems:

Copyright: Elmar Oberegger

Die eiserne Kremsbrücke wurde längst abgetragen.

 

Die Aubach-Brücke:

Copyright: Elmar Oberegger

Der ehemalige Bahn-Anrainer Hoffelner erzählte dem Verfasser im März 07: „Als Buben sind wir da immer hineingekrochen, wenn ein Zug gekommen ist. Das war so eine gängige Mutprobe damals“.

 

Literatur:

NEUDHART Heinrich u.a.: Die Lokalbahn Wels-Sattledt-Kremsmünster Stift-Rohr. In: 150. Jahresbericht des Stiftsgymnasiums Kremsmünster. -Kremsmünster 2007, S. 75 ff.

OBEREGGER Elmar: Kurze Geschichte der Wels-Rohrer-Bahn. -Sattledt 2007.

OBEREGGER Elmar: Die Kremstalbahn. 1880-1906. -Sattledt 2007.

OBEREGGER Elmar: Die Steyrtalbahn. Garsten-Steyr Lokalbahnhof-Pergern-Bad Hall/Klaus. -Sattledt 2007.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2011.