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JOSEF RABL(1844-1923):

Zu Biographie und Werk eines bedeutenden österreichischen Alpinisten und Eisenbahnschriftstellers.

 

Josef Rabl kam am 19. Januar 1844 in der Wiener Vorstadt Wieden(Luisengasse) zur Welt und wuchs dort auf. Sein Vater war zunächst Berufssoldat und später k.k. Hofbuchhalter. Seine Mutter, die Wirtstochter Barbara Erler, war Hausfrau. Er hatte zwei Schwestern.(folgende Darstellung fußt auf RABL 1923)

Als alter Mann erinnert sich Rabl an die Szenerien seiner Kindheit wie folgt:

Josef Rabl(1844-1923):

Aus: J.Rabl, Meine Lebenserinnerungen, Wien 1923.

„In Alt-Wien gab es noch viele Häuser mit großen Höfen und baumreichen Gärten; das machte die Stadt lustiger und wohnlicher als den Steinhaufen von heute. Die Kinder spielten damals nicht auf der Straße, sondern in den Höfen, wo meist auch breitästige Bäume Schatten spendeten. Daran knüpfen sich meine ersten Erinnerungen und, merkwürdig genug, der Spielplatz meiner Kindheit besteht heute noch unverändert wie dazumalen, als die Kartätschen und Bomben des Fürsten Windischgrätz darüber hinflogen. Mein Wissen vom Leben begann nämlich mit den Ereignissen des Jahres 1848“(1923: 9 f.).

Und weiter:

„Nur die ältesten Wiener dürften sich die Zustände jener Zeit vorstellen können, jener Zeit, da es außer Südbahn und Nordbahn keine Bahnen und außer Stellwagen noch den Vororten keine Verkehrseinrichtungen gab … Mein Kinderparadies waren die Gestade des Alserbaches, der damals bis zum Linienwall offen und schmutzig dahinfloß. Hier sah es noch sehr ländlich aus; Weingärten, weitläufige Wiesen und Felsgründe wechselten. Vom Währinger Wasserturm der Kaiser Ferdinand-Wasserleitung … hatte man eine hübsche Aussicht auf die Stadt und den Prater sowie auf die Waldanlagen des im Bau begriffenen Irrenhauses. Dieser Wasserturm war der Mittelpunkt meiner Kinderfreuden. Von ihm aus sah ich zuerst einen Luftballon aufsteigen; der Unternehmer hieß Godard und seine Aufflüge waren damals eine Wiener Sensation. In der Nähe des Turmes befand sich das Edelmayr’sche Gasthaus, dessen Spezialität treffliche Gänsebraten waren, daher es im Volksmunde ‚Gänseburg‘ und die Höhe, auf der es lag, ‚Ganserlberg‘ genannt wurde. Ringsum und gegen den Linienwall zu grünten die besten Weinrieden. Wien war in diesen Tagen noch eine Weinstadt und seine Umgebung ein Weinland; die vornehmsten Weinrieden befanden sich längst der Linienwälle und geschätzte Weinsorten gingen einst unter den Namen der Wiener Vorstädte (Mariahilfer, Gumpendorfer, Meidlinger, Hundsturmer usw.). Zwischen dem Wasserturm und dem Alserbach erstreckte sich ein weites Ackerfeld, wo kampflustige Buben mit Fahnen, Trommeln und hölzernen Schwertern ihre Schlachten schlugen“(: 11).

Diese Schilderungen zeigen auf eindrucksvolle Weise, wie Josef Rabl seine Umwelt wahrnahm, was er für ein Mensch war – Er war nie Rationalist, sondern schon immer ein Sohn des Dionysos. Sein Vater konnte sich damit wohl nie abfinden.

Da Rabl senior als alter Soldat darauf bestand, seine Kinder zuhause selbst zu unterrichten, kam der kleine Josef erst mit zehn Jahren in die Volksschule; für den Übertritt ins Gymnasium benötigte er nämlich ein Zeugnis. Rabl:

„Mich erzog der Vater auf militärische Weise. Der Stock und die Mathematik haben dabei eine wesentliche Rolle gespielt. Nach seiner Methode brachte er es dahin, daß ich mit sechs Jahren als Wunderkind angestaunt wurde. Meine Wunder tat ich merkwürdiger Weise in Dingen, darin ich mein ganzes Leben hindurch schwach gewesen bin, in Mathematik und Rechnen“(: 10).

In der Volksschule war er sodann allen Mitschülern weit überlegen. Im Gymnasium jedoch soll er scheitern:

„Meine Laufbahn im Piaristengymnasium war bald zu Ende. Gegenüber dem Griechischen versagten alle Gewaltmaßregeln. Der Vater nahm mich aus der Schule und unterwarf mich seiner eigenen Lehrmethode. Des Freiherrn von Bega Mathematik, ein Werk, dessen Umfang schon Entsetzen einflößt, wurde mir zum Marterinstrument. Aus dem Griechischen war ich ins Mathematische gekommen, aus dem Regen in die Traufe“(: 13).

Schließlich erkrankte seine Mutter und wurde vom Vater für deren Pflege eingeteilt. Auch den Haushalt führte er; sogar noch über ihren Tod hinaus. In dieser Zeit reiften jene Eigenschaften heran, welche seine Persönlichkeit prägen sollen: Die Liebe zum geschriebenen Wort, zu Natur und Kultur. Rabl:

„Bald darauf erkrankte meine Mutter … Ich wurde gefirmt und eine Wallfahrt nach Maria Enzersdorf zur Kirche ‚Maria Heil der Kranken‘, war mein Firmungsgeschenk. Von Enzersdorf besuchte ich mit meiner Tante die Veste Lichtenstein, die, obwohl sie ganz Ruine war oder vielleicht gerade deswegen, auf mich großen Eindruck machte. Ich habe diese Partie einem meiner Feunde brieflich geschildert; das war mein erster Tourenbericht.(1857) Die Krankheit meiner Mutter war langwierig und fesselte sie mehr als ein halbes Jahr ans Bett. Da mein Vater sich und seine Familie mit jährlich 350 Gulden fortbringen mußte, war er nicht in der Lage, eine Wirtschafterin oder Krankenwärterin zu nehmen, und ich, ein vierzehnjähriger Knabe, hatte die Last der Krankenpflege und die Sorge für meine Schwestern zu tragen. Als die Mutter starb, entfiel die Krankenpflege, aber die Wirtschaft blieb mir noch mehrere Jahre. Bis zum Heranwachsen meiner älteren Schwester hatte ich das Hauswesen zu besorgen. Diese Zeit, in der ich den Kochlöffel handhaben mußte, habe ich benützt, um mich in meinem Sinne und nach meinen Neigungen weiter zu bilden. Es geschah dies ohne Wahl und ohne Plan durch Lesen: mit den Feuilletonromanen begann ich und als sechzehnjähriger Junge hatte ich sämtliche Werke von William Shakespeare verschlungen. Wenn ich halbe Tage frei hatte, unternahm ich Ausflüge in den Wienerwald; mein Lieblingspunkt war die Sophienalpe, wo ich von der Franz Karl-Aussicht sehnsüchtig nach dem Schneeberg blicken konnte. Häufig besuchte ich auch die Bildergalerie im Belvedere oder wanderte auf den Basteien um die innere Stadt herum. Diese Wanderung war einer der reizendsten Altwiener Spaziergänge. Von der baumbepflanzten Höhe der Bastei hatte man die Aussicht auf die Wienerwaldberge und auf die vielfach von Gärten umgebenen Vorstadthäuser. Näher heran lag der tiefe Stadtgraben und jenseits desselben die mit Pappeln und Obstbaumalleen durchkreuzte Wiesenfläche des Glacis, wo Drachen stiegen, weißröckige Soldaten mit hohen Bärenmützen exerzierten, trommelten und bliesen und dazwischen die Kinder spielten. Zu den größten Genüssen meiner damaligen Existenz gehörte der zeitweilige Theaterbesuch…“(: 13 f.).

In dieser Zeit begann er auch professionell zu schreiben; zunächst nur Erzählungen für Unterhaltungsjournale.

Sein Vater war gegen diese schriftstellerische Tätigkeit und drängte dem 18jährigen Sohn schließlich ein Studium der „Staatsrechnungswissenschaft“ auf. Zwei Jahre später trat er sodann ins Bankhaus Eduard Fürst ein.

1872 hörte Josef Rabl im Österreichischen Touristenklub einen Vortrag des Alpinisten Eduard Fischer von Röslerstamm über dessen Kärntenreise, in der auch eine Besteigung des Großglockners inkludiert war. Rabl lernte damals den alpinen Schriftsteller Gustav Jäger kennen. Im Jahr darauf unternahm er ebenfalls eine zweiwöchige Kärntenreise. Er bestieg den Großglockner. Angesichts der im selben Jahr(1873) ausgebrochenen Wirtschaftskrise kündigte er seine Stellung bei der Bank und begann sich völlig dem Reisen und Schreiben hinzugeben. Rabl dazu:

„Jene Kollegen, die bei der Branche blieben, sind materiell weit besser gefahren. Meine Schicksalswahl brachte mir nicht, was ich hoffte. Mein Leben war und blieb sorgenvoll und ein steter Kampf ums Dasein; aber es war Schönheit darin und das erhebende Gefühl, einer idealen Sache dienstbar zu sein“(: 17).

Zunächst arbeitete Josef Rabl als Redakteur für die Zeitschrift „Tourist“ von Gustav Jäger, legte nach dessen Tod diese Funktion aber nieder(„Mit der Witwe Jäger konnte ich mich nicht vertragen…“; a.a.O., S.18). Seine daraufhin gegründete eigene Zeitschrift „Touristische Blätter“ ging schon bald ein.

Schon Ende der 1870er Jahre publizierte Josef Rabl seine ersten Touristenführer. Im Zuge seiner Reisen lernte Rabl auch das osttirolerische Dölsach kennen: Es wurde zu seinem Lieblingsort. Dort baute er sich schließlich ein Haus und wurde darüberhinaus Ehrenbürger. Am Ende aber ging er nach Wien zurück.

Gegen Ende des Ersten Weltkrieges ging Rabl mit 73 Jahren in Pension, doch seine Einkünfte wurden angesichts der Entwertung der Krone nach 1918 nahezu wertlos. Auch weiterhin publizierte er. So erschien etwa die Reihe „Mit dem Rucksack“, eine Sammlung von Reiseerinnerungen.

Sein Auskommen sicherte schließlich der 1922 von Robert Walter gegründete „Rabl-Bund“. Er schrieb dazu 1923: „In meiner durch Alter und Krankheit bedingten Hilflosigkeit ist es mir ein Trost, zu wissen, daß gute Menschen sich vornehmen, meinen Lebensabend sorgenfreier zu gestalten“(: 32).

Josef Rabl starb am 29. August 1923 in Wien und wurde am dortigen Zentralfriedhof bestattet. Seine Grabstätte ist heute nicht mehr vorhanden.

 

Werke(Auswahl):

„Die Entwicklung der Hochtouristik in den österreichischen Alpen“(1890), „Nördliche Adria“(1907), „Alpenbahnen“(1907), „Böhmen“(1887), „An der neuen Dolomitenstrasse“(1909), „Glockner-Führer“(1881), „Führer durch Kärnten“(1898), „Niederösterreich“(1883), „Oberösterreich“(1886), „Pustertal und die Dolomiten“(1882), „Salzburg, Salzkammergut und Berchtesgadner Land“(1883), „Steiermark und Krain“(1885), „Tauernbahnführer“(1906), „Zwettl und das Kamptal“(1884), „Raxalpe“(1883), „Donauthal zwischen Krems und Melk“(1890), „Abbazia“(1890), „Die Raxalpe“(1877), „Semmering und Umgebung“(1883), „Wiener Ausflüge“(1888), „St. Gallen“(1879), „Golling und seine Naturschönheiten“(1878) u.v.a.m.

 

Quelle:

RABL Josef: Meine Lebenserinnerungen. –Wien 1923.

 

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