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ZUM PROBLEM "OCHSEN-EISENBAHN":

 

Über die Versuchsfahrten mit Ochsen auf der Pferde-Eisenbahn Budweis-Linz(-Gmunden) im Jahre 1846.

 

Der zurecht berühmte österreichische Eisenbahnpionier Franz Anton Ritter von Gerstner(1796-1840) hat dem Problem der „Pferde-Bespannung“ im Grunde wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Ihm ging es vor allem um die Strukturen des neuen „Transport-Weges“: Die „Eisenbahn“ versprach eine Harmonisierung zwischen Rad und Untergrund, was bereits sein Vater klar erkannt hatte. Darin bestand für ihn also die eigentliche „Revolution“.

So versprach er den Wirtschaftsleuten, daß nach der endgültigen Einführung des „Neuen Systems“ die Güter-Transport-Zeit zwischen Moldau und Donau von drei auf einen Tag verkürzt werden könne.

Heute herrscht Einigkeit darüber, daß diese Zeit-Reduktion vor allem zu Lasten der Pferde gegangen wäre. Jedoch aber schwebte Gerstner schon frühzeitig der Einsatz von „Dampf-Lokomotiven“ vor, welche er wegen seiner England-Aufenthalte sowohl in der Theorie als auch sodann in der Praxis kennenlernen durfte.

Gerstner mußte schließlich aufgrund von Intrigen das Feld räumen. Im Jahre 1840 verstarb dieser bedeutende Österreicher in den USA. Die dortige Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung hat er übrigens in akribischer Weise für die Nachwelt aufgezeichnet.

Der Ober-Intrigant gegen Gerstner war während des Bahnbaus sein vorheriger Günstling Schönerer. Ihm wurde schließlich die Bauleitung über die „Rest-Strecke“ von Lest nach Linz übertragen.

Er vervollständigte das Werk seines ehemaligen Meisters auf geradezu barbarische Weise; gerade derart, daß die modernen Lokomotiven aufgrund der Steigungs- und Neigungsverhältnisse nicht zum Einsatz kommen konnten.

Obwohl Schönerer die transport-technischen Pläne seines Chefs stets als „Visionen“ belächelt hat, so wurde auch er schließlich vom ökonomischen Nutzen des „Dampf-Betriebs“ überzeugt. In diesem Zusammenhang ist vor allem auf sein entsprechendes Engagement hinsichtlich der Errichtung der „Kaiser Ferdinands-Nordbahn“ zu verweisen.

Schönerer baute auch den Verlängerungs-Abschnitt Linz-Wels-Gmunden(1836), welcher im Vergleich zur Nordstrecke technisch eher unproblematisch war. Dort wurde 1855 der Dampf-Betrieb eingeführt.

Den zentralen Gegenstand dieses Aufsatzes stellt jedoch der Umstand dar, daß um 1846 die Idee aufgekommen ist, zur „Ökonomisierung“ des Betriebes auf der „Pferde-Bahn“, im Güter-Verkehr Ochsen einzusetzen.

Darüber berichtet uns der bedeutende Eisenbahn-Historiker Bruno Enderes, dessen Studie zur Pferde-Eisenbahn Linz-Budweis(1926) wohl als die beste, weil vielschichtigste zu gelten hat.

Grundsätzlich versprach man sich vom Umstieg auf den Ochsen „schöne Vortheile“; will heißen: Der Ochse wäre billiger zu ernähren(Heu anstatt Hafer bzw. Mais) und im Schritt beharrlich und zielstrebig. Bereits in der Kelten- bzw. Römerzeit wurde dieses Tier auch zur Bewältigung längerer Strecken herangezogen. Es folgten also entsprechende Experimente.

Die „Ochsen-Bahn“:

Detail aus: GDÖU I/1, 103.

Doch die „Große Hoffnung“ in den Ochsen soll herb enttäuscht werden. Kritisiert wurde zunächst vor allem der Ochse selbst. Aus kritisch-historischer Perspektive wäre aber auch auf die negativen Rand-Bedingungen während des Experimentes hinzuweisen.

Im entsprechenden Bericht(1846) wird zunächst einmal der Ochse als Zug-Tier grundlegend kritisiert:

„Der Ochs ist nach seiner natürlichen Beschaffenheit wenig gelehrig, auch nicht so empfindlich wie edlere Thiere, daher sein Gang unsicher, unbehülflich und unlenksam, er erschreckt öfters über unbedeutende Gegenstände, vorübergehende Personen, Regenschirme etc. und geht daher öfters aus der Bahn, weshalb besondere Aufmerksamkeit der Knechte nöthig wird“.

Bereits hier spiegelt sich in Ansätzen ein gewisses „Sprach-Problem“ wider(s. „wenig gelehrig“). Die „Versuchs-Ochsen“ waren aus dem weitab liegenden „Ratsch-Thale“ herangebracht worden, ihre „Führer“ waren jedoch Tschechen. Im Bericht heißt es weiters:

„Da unsere Knechte der deutschen Sprache ganz unkundig sind, so versteht es sich von selbst, daß sie auch jene Ausdrücke des Gebirgsvolkes, welche diese Ochsen gewöhnt sind, nicht aussprechen können und auch gar nicht wissen“.

Daneben bereitete auch die Versorgung mit Wasser Probleme:

„Die Bergfahrt ging ... mit oftem aufhalten und vieler Mühe sehr langsam, in Entfernung von 3 bis 4 Klaftern ... blieben die Ochsen stehen, schlugen die Zunge heraus, leckten Schnee und suchten sogar beim Stehen in den Gräben neben der Bahn das Wasser auf“.

Angesichts dieser Zustände drängt sich natürlich die Frage auf, ob der Einsatz von Ochsen wirklich erwünscht war. Zu erkennen ist nämlich mit ziemlicher Eindeutigkeit, daß die Schuld nicht allein beim Ochsen als Tier liegt.

Enderes geht auf diese zweifellos wichtige Frage leider nicht ein, sondern reiht das Problem „Versuche mit Ochsen“ in seiner Darstellung unter der Rubrik „Humor“ ein.

Der erfolgreiche Einsatz von Ochsen wäre auf jeden Fall auf Kosten jener Leute gegangen, welche mit dem Last-Pferd damals ihr Geld verdienten.

 

   
   
 

Quellen:

 

Art. „Pferdebahnen“/“Pferdeeisenbahnen“, sowohl in der 1. als auch in der 2. Aufl. der „Enzyklopädie des (gesamten) Eisenbahnwesens. Hrsg. v. Victor RÖLL. - Wien(1. Aufl.) 1890 ff. ; Berlin/Wien(2. Aufl.) 1912 ff.

ENDERES Bruno: Die Holz- und Eisenbahn Budweis-Linz, das erste Werk deutscher Eisenbahnbaukunst. -Berlin 1926.

GERSTNER Franz A.: Ueber die Vortheile einer Anlage einer Eisenbahn zwischen Moldau und Donau. - Wien 1824.

OBEREGGER Elmar: Der Eiserne Weg nach Böhmen. In: Mit Kohle und Dampf. Red. Julius Stieber. -Linz 2006(Ausstellungs-Katalog), S. 247 ff.

   
   
   
  Copyright: Elmar Oberegger 2006.