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WAS MAN AUS ALTEN EISENBAHN-SCHIENEN SO ALLES MACHEN KANN – FALLBEISPIEL „HAUS ALTSTADT NO. 60 IN LOVRAN“(= EHEM. ÖSTERR. KÜSTENLAND, DZT. REPUBLIK KROATIEN): |
Alte, vom System Eisenbahn nicht mehr gebrauchte Schienen kann man verschiedenen Zwecken zuführen; der Phantasie sind hier keinerlei Grenzen gesetzt: Man kann sie etwa in kleinere Stücke zerschneiden, diese dann jeweils oben mit einem Loch versehen und sodann in einer Reihe senkrecht in den Boden rammen. Wird dies mit einem stabilen, jeweils durch die einzelnen Löcher durchgeführten Seil durchzogen, dann gelangt man zu einer wirklich respektablen Wegbegrenzung. Man könnte hier noch fortfahren. Fest steht jedoch, dass die roheste und phantasieloseste Methode zur Verwertung von alten Eisenbahnschienen darin besteht, diese einfach einzuschmelzen. Wir haben hier ein Gebiet von größter kultur-wissenschaftlicher Bedeutung betreten: Nämlich das Problem der Verwendung von Überresten, welche aus einem Alten Kontext stammen, für einen Neuen Kontext - In der „Alten Zeit“ gab es eben noch keine „Bau-Märkte“, wo man alles mittels „Geld“ erwerben konnte; in der alten, von Armut geprägten Zeit triumphierte im Bereich des „Bauens“ noch die Phantasie! „Not“ macht bekanntlich „erfinderisch“! Und schön und angenehm ist es, die menschliche Schöpferkraft vor diesem Hintergrund zu bestaunen! Schon das Römische Kolosseum - einst eine Barbarische Mordbühne - wurde bekanntlich in späterer Zeit als Steinbruch gebraucht(- ob ge-braucht oder miß-braucht hängt schlicht von der Perspektive ab!). Dasselbe Szenario gegenwärtigen wir in St.Gallen in der Obersteiermark: Auch die dortige Burg(immerhin bis 1831 bewohnt!) wurde als Steinbruch gebraucht. Josef Rabl weiß darüber in seiner Schrift „St. Gallen und seine Umgebung“(1879) u.a. zu berichten: „Das alte Wappen, welches einst ober dem Hauptthor der Veste geprangt, soll irgendwo als Fußboden dienen“(S. 16). Erzherzog Johann selbst rettete schließlich das Bauwerk vor dem völligen Verfall. Und nicht zu vergessen: Der St.Gallener Burgverein tat sodann im 20. Jahrhundert sehr, sehr viel, um die Burg endgültig zu retten. Heute ist sie Veranstaltungszentrum und beliebter Ausflugsort. Als letztes allgemeines Beispiel für den oben genannten Zusammenhang wollen wir den „Kärntner Fürstenstein“ anführen, welcher im Grunde nur ein Bruchstück einer altrömischen Säule ist, jedoch aber bekanntlich größte historisch-politische Bedeutung besitzt. In Lovran an der Kvarner-Bucht finden wir ein Artefakt vor, welches den eigentlichen Gegenstand der vorliegenden Ausführungen darstellt: Im dortigen Haus „Starigrad No. 60“ wurden auf höchst effiziente Weise zwei Eisenbahnschienen eingearbeitet. Sie stützen maßgeblich ein Zimmer vor dem darunterliegenden Eingang. Dazu folgende Fotos: Haus „Starigrad No. 60“ in Lovran(HR) von der Gasse aus aufgenommen(Foto 1):
Copyright: Elmar Oberegger Detail(Foto 2):
Copyright: Elmar Oberegger Jene Eisenbahnschiene, welche auf Foto 1 direkt zu sehen ist, trägt die Aufschrift „Hermannstadt 1873“. Leider ist diese nur noch sehr schwer zu erkennen. Man würde aber nur ein Blatt Papier und einen Bleistift benötigen, um diese klar zu visualisieren. Hermannstadt liegt in Siebenbürgen, welches früher in der „Ungarischen Reichshälfte“ lag. Heute heißt es Sibiu und liegt in Rumänien. Doch wie kommt diese Schiene nach Lovran? Den Schlüssel liefert hier besonders die Jahreszahl „1873“: Damals wurde der Seehafen Rijeka(Fiume) - welcher grundsätzlich in der ungarischen Reichshälfte lag - vom Schienenstrang erschlossen, und zwar von österreichischer(Pivka) als auch von ungarischer Seite(Karlovac) aus. Und die nationalbewussten Ungarn ließen ihre Schienen offenbar im eigenen Territorium, also u.a. in Hermannstadt herstellen. Schienen müssen aber nach einer bestimmten Zeit ausgewechselt werden und vor diesem Hintergrund gelangte offenbar der damalige private Bauherr in der Lovraner Altstadt irgendwie z.T. in deren Besitz. Historisch sind diese hochbedeutend: Es waren die „Ersten Schienen“, welche die Hafenstadt Rijeka mit Zagreb und Budapest verbanden! Es ist davon auszugehen, dass der Einbau noch vor 1900 passiert ist. So lebt also in der Lovraner Altstadt ein wichtiges Stück Eisenbahngeschichte der Monarchie weiter. Dieser bemerkenswerte Umstand hat bis heute leider kein größeres Interesse auf sich gezogen.
Schrifttum: EKL Vanda: Lovran. –Opatija 1987. OBEREGGER Elmar: Zur Eisenbahngeschichte des „Alpen-Donau-Adria-Raumes“ III. –Sattledt 2007.
Copyright: Elmar Oberegger 2010. |
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