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INWIEFERN DIE „BUDWEISER PFERDEEISENBAHN“ EINE „EISENBAHN“ WAR – „175 JAHRE EISENBAHN IN ÖSTERREICH“(WIEN-DT.WAGRAM, 1837/2012) ALS EIN AN DEN HAAREN HERBEIGEZOGENES JUBILÄUM: |
Schon im Jahre 1987 wurde uns von Wien aus weiszumachen versucht, dass die „Dampf-Probefahrt“ auf der k.k. priv. Ferdinands-Nordbahn(= 19. November 1837, Floridsdorf-Dt.Wagram) den Anfang der „Eisenbahngeschichte Österreichs“ darstellt. Und man feierte damals dieses „150-Jahr-Jubiläum“ mit allem Klotz & Pomp und allen Neben-Erzeugnissen. Aufgrund der damaligen Medienlandschaft konnte man sich dagegen nicht so richtig wehren, war doch damals das InterNet noch nicht etabliert. Das „InterNet“: Eine wirklich hässliche Hure für all‘ jene, die um ihre „Alten (geistigen) Besitzstände“ fürchten. Für sie ist es mittlerweile zum „Sport“ geworden, gegen das InterNet zu schimpfen. Ob sie sich auf lange Sicht durchsetzen werden, das ist eine noch völlig offene Frage. Heute, im Jahr 2012, wird wieder – und mit größter Massivität - behauptet, dass die „EISENBAHNGESCHICHTE ÖSTERREICHS“ in Wien(Dampf-Probefahrt Floridsdorf-Dt.Wagram, s.o.) begonnen hat und wir das Jubiläum „175 Jahre Eisenbahn in der Republik Österreich“ zu feiern hätten. Die historische Wahrheit aber ist: Die EISENBAHNGESCHICHTE DER „REPUBLIK ÖSTERREICH“ begann in OBERÖSTERREICH, und zwar durch die ERÖFFNUNG DER PFERDE-EISENBAHN BUDWEIS – URFAHR-LINZ im Jahre 1832. Schon 1827 hatte diese Bahn übrigens die böhm.-oberösterr. Grenze(heute Staatsgrenze) überschritten. 2012 haben wir also das Jubiläum „180 Jahre Eisenbahn in Österreich(1832/2012)“ zu feiern. Die Gegner dieser These sind grundsätzlich nicht auf WIEN beschränkt, die gängigen Argumente sind dort und da gleich. So schreibt etwa der westdeutsche Eisenbahnhistoriker Horst Weigelt in seiner an sich faszinierenden Studie „Epochen der Eisenbahngeschichte“(S. 25): „So konnte Österreich zwar mit der Eröffnung der gesamten, 130km langen Strecke zwischen Budweis und Linz am 1. August 1832 die Ehre beanspruchen, die älteste Überlandbahn des europäischen Kontinents gebaut zu haben. Aber diese von Franz Josef von Gerstner 1807 initiierte und anfangs von seinem Sohn Franz Anton gebaute Bahn verdient noch nicht die Bezeichnung ‚Eisenbahn‘, weil sie mit dem hölzernen Gleis und Flacheisenauflage sowie der Pferdebespannung hinter dem englischen Prototyp Eisenbahn weit zurückblieb“. Das Problem ist, dass Weigelt hier streng „historisch-progressiv“ vorgeht und somit „Einzel-Phänomene“ nicht richtig einzuordnen weiß. Dafür gibt es wirklich überhaupt gar keinen Grund. Wir wollen Weigelts obige These nun in Einzel-Thesen zergliedern und den Nachweis führen, dass er falsch liegt. These 1: Die Pferdeeisenbahn war deshalb keine „Eisenbahn“, weil sie tatsächlich eine „Holz- und Eisenbahn“ war. Folgendes Foto zeigt die Struktur des Pferdeeisenbahn-Gleises klar. Struktur des „Pferdeeisenbahn-Gleises“ der Budweiser-Bahn(Museum Kerschbaum):
Copyright: Elmar Oberegger Da die modernen Schienen aus England noch nicht geliefert waren, fand die Dampf-Probefahrt auf der Ferdinands-Nordbahn(1837) auch noch auf einem solchen Gleis statt! In der Tat: Holzbalken wurden am Rand mit Eisenleisten beschlagen. Das historisch wirklich bedeutsame Grundmoment für eine „Eisen-Bahn“, nämlich die massive und nachhaltige Verringerung des Verschleißes während des Transportes(!) wurde aber dennoch 1:1 eingehalten. Und welche „Eisenbahn“ ist denn nicht noch heute von „Eisen“(eig. Stahl) und „Holz“ geprägt? Eigentlich gibt es noch heute sehr viele „Holz- und Eisenbahnen“. Das Pferdeeisenbahn-Gleis war also nichts Anderes als eine „Besondere historische Ausformung einer Holz- und Eisenbahn“, in dem Sinne: Ob Mops, Pudel oder Schäfer – alle sind sie Hunde! „Holz- und Eisenbahn“ in Wels-Lokalbahnhof:
Copyright: Elmar Oberegger Oder möchte man etwa behaupten, dass die „ÖSTERREICHISCHE EISENBAHNGESCHICHTE“ erst mit der Etablierung der „Beton-Schwellen“ beginnt? „Beton- und Eisenbahn“ bei Rohr(Pyhrnbahn):
Copyright: Elmar Oberegger Und es gäbe noch einige Sonderformen von Schwellen aufzuzählen. Würde man hier nun strikte „Sprachliche Konsequenzen“ ziehen, wo würde man da dann landen? Fest steht: Eisen-Bahn verringert Verschleiß. Und das ist das entscheidende Grundmoment des Systems! These 2: Die Pferdeeisenbahn war deshalb keine „Eisenbahn“, weil sie von „Pferden“ gezogen wurde. Auch hier ist im Grunde kein plausibles Argument zu erkennen. Wodurch die Züge gezogen werden, ist nicht grundsätzlich wichtig. Eine schöne „Spitzohr-Lokomotive“ in der Kremsmünsterer Herbstsonne(2011):
Copyright: Elmar Oberegger Oder sollen wir hier nun etwa die (kühne) These formulieren, dass die „ÖSTERREICHISCHE EISENBAHNGESCHICHTE“ erst mit den „ELEKTRO-LOKS“ beginnt? Dann könnten wir 2012 – v.a. auf die hauptbahnmäßig ausgeführte Mittenwaldbahn abstellend – „100 JAHRE EISENBAHN IN ÖSTERREICH“ feiern. Erprobt wurde der Elektrobetrieb jedoch zuerst im Wiener Prater und dann auf der „Hinterbrühler Bahn“ - einer Mischung aus Tram und Lokalbahn - erstmals eingeführt. Elektro-Lokomotive der Mittenwaldbahn(1912/13):
Aus: ÖBB-Journal 7/80, 15. Beginnt das Eisenbahnzeitalter in Österreich erst mit der elektrischen Traktion? Die These, dass das PFERD innerhalb der „(ÖSTERREICHISCHEN) EISENBAHNGESCHICHTE“ zu negieren ist, ist ebenso unsinnig wie die These, dass die Eisenbahngeschichte erst mit der ELEKTRIFIZIERUNG beginnt. Was nun die näheren Umstände dieser „Lokomotiv-Probefahrt Floridsdorf-Dt.Wagram“(1837) betrifft: a) Erst im Frühjahr 1838 wurde zwischen Floridsdorf und Dt.Wagram der reguläre Betrieb aufgenommen. Also sollte man in Wien erst 2013 genau diesen Moment feiern, und nichts Anderes. b) Man musste noch 1837 fahren, um die Konzession(1836) nicht zu verlieren. Der kluge Kaufmann wusste diesen Moment als Volksfest hochzustilisieren(„Marketing“). c) Man fuhr interessanterweise auf den oben dargestellten „Pferdeeisenbahn-Schienen“, da die „(Modernen)Englischen Schienen“ noch nicht geliefert waren. Man bediente sich also eines „Provisoriums“. Überhaupt stammte die gesamte technische Ausrüstung der Ferdinands-Nordbahn aus England. Alles mit Geld erkauft. Und die Eingeborenen standen fast wie die Affen daneben. Über Triest und den Semmering wurde alles herangeschafft. Sogar die Lokführer(!)… Allein die Waggons waren „Made in Austria“. Die neue Strecke Floridsdorf-Dt.Wagram war eine SIMPLE GERADE. Kein großer technischer Wurf also! Prof.Franz Anton v.Gerstner hatte mit seiner „Budweiser Pferdeeisenbahn“ immerhin einen stattlichen Bergrücken zu überwinden! Das war eine ganz andere technische Herausforderung als die Errichtung einer Geraden! Summa summarum eignet sich also diese „Lokomotiv-Probefahrt vom 19. November 1837“ nicht als „Jubiläums-Grund“. Eher handelt es sich hier um ein in vielerlei Hinsicht „Tragisches Spektakel“! Die erste Dampflokomotivfahrt in Österreich auf der Ferdinands-Nordbahn(1837):
Aus: GDÖU I/1, 149. Das Jubiläum „175 Jahre Eisenbahn in Österreich(1837/2012)“ ist also völlig an den Haaren herbeigezogen. 1987 war schon dasselbe passiert(s.o.).
Der historischen Wahrheit verpflichtet: Das Jubiläums-Logo des „Info-Büros f. österr. Eisenbahngeschichte“(2012).
Copyright: Elmar Oberegger
Quellen: Art. „Eisenbahn“, „Oberbau“. In: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Hrsg. v. Victor Röll. –Berlin/Wien 1912 ff. HORN Alfred: Die Kaiser Ferdinands-Nordbahn. –Wien 1971. OBEREGGER Elmar: Das Fach „Eisenbahngeschichte“. Spezifik und Methode(n) in Grundriss. –Sattledt 2009. OBEREGGER Elmar: Zur Geschichte der Elektrifizierung des österr. Eisenbahnnetzes. Ein Überblick. –Sattledt 2009. OBEREGGER Elmar: A brief history of the „Budweiser Pferdeeisenbahn“(= Horse-drawn-railway Budweis-Linz-Gmunden). –Sattledt 2010. OBEREGGER Elmar: Von der “Spitzohr-Lokomotive” zum “Dampfross” und die Anfänge der “Elektrifizierung”. Zur Frage der Eisenbahntraktion im alten Österreich. –Sattledt 2011. WEIGELT Horst: Epochen der Eisenbahngeschichte. –Darmstadt 1985.
Copyright: Elmar Oberegger 2012. |
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