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ZWEI OBERÖSTERREICHISCHE EISENBAHNGERÜCHTE. WELS-SIPBACHZELL-ROHR, SATTLEDT-RIED/T.-GRÜNAU/A.: Darstellung und Analyse. |
Sowohl in Sipbachzell als auch in Ried im Traunkreis kursieren unter der älteren Bevölkerung zwei bemerkenswerte Gerüchte: a) Die „Wels-Rohrer-Bahn“(Wels-Sattledt-Rohr; eröff. 1893) hätte ursprünglich via Sipbachzell angelegt werden sollen. b) Die „Almtal-Bahn“(Sattledt-Grünau i.A.; eröff. 1901) hätte ursprünglich via Ried im Traunkreis angelegt werden sollen. Es soll der Sinn des vorliegenden Beitrages sein, diese Gerüchte historisch zu analysieren, vor allem aber für die Nachwelt zu konservieren. Zur Sache ist zunächst zu bemerken: Im Welser Stadtarchiv, wo die noch vorhandenen Quellen zu beiden Bahnstrecken aufbewahrt werden, finden sich keinerlei Informationen, welche obige Aussagen untermauern könnten. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Errichtung einer Bahn Wels-Sipbachzell-Kremsmünster-Rohr aufgrund der ungünstigen Terrainverhältnisse besonders zwischen Sipbachzell und Wels höchst schwierig und damit teuer gewesen wäre. Im Zuge jeder Autofahrt kann dies sogar der technische Laie klar erkennen. Ein teurer Bahnbau war aber ganz und gar nicht im Sinne der „Welser Lokalbahngesellschaft“(vorm. „Lokalbahngesellschaft Wels-Aschach“). Wie entstand nun aber dieses Gerücht? Mit ziemlicher Sicherheit liegt der entsprechende Schlüssel im Lokalbahnprojekt „Wels-Steyrer-Bahn“, welches 1879 in Kremsmünster vorgestellt wurde. Es nahmen hierbei Vertreter aus Wels, Steyr, Kirchdorf, Bad Hall, Kremsmünster, Sierning, Sierninghofen und Neuzeug teil. 1880 wurde sodann eine Broschüre zum Thema publiziert. Die Funktionen der neuen Bahn(genauer Verlauf s. Karte) werden dort gleich zu Beginn wie folgt angegeben: Der Verlauf der geplanten Lokalbahn Wels-Steyr(nach dem Original im Welser Stadtarchiv):
Copyright: Elmar Oberegger a) Verbindung von Wels und Steyr mit der Kremstalbahn(damals noch i.Bau). b) Heranführung von bisher abgelegenen Ortschaften an den Weltverkehr. Bezüglich des zweiten Punktes ist darauf zu verweisen, dass man die Errichtung von „Terminals“ vorsah, wo straßenmäßige Güter auf die Schiene gebracht werden sollten. In ost-westlicher Richtung betrachtet, war in Sierning der erste Terminal geplant. Dazu wird in obgenannter Broschüre ausgeführt: Sierning sei deshalb angesteuert worden, um „…der Verkehrsader aus dem Steyrthale, der Grünburger Landesstraße, nahe zu rücken und von derselben die ganz bedeutenden Verkehrs-Objecte aufnehmen zu können…“(S. 4). Eine solche „unmittelbare Berührung“(S. 6) strebte man aber auch bezüglich der Pyhrnstraße an. In Maydorf(Sattledt) sollte der entsprechende Terminal errichtet werden. Er wäre ungefähr dort angelegt worden, wo sich heute die „Alte Schule“ in Sattledt befindet. Betrachtet man nun den im Stadtarchiv Wels einsehbaren Originalplan der Strecke, so fällt auf, dass per Hand eine Änderung eingezeichnet wurde.(s. dazu obige Karte) Der Urheber ist unbekannt. Ebenso unbekannt ist, wie die Züge vom Raum Kirchberg auf direktem Wege(!) bis hinunter zum Bahnhof Kremsmünster Markt befördert hätten werden sollen… Wichtig in unserem Zusammenhang ist allein, dass man im Falle dieser Variante auf die Errichtung des „Terminal Maydorf“ verzichtet hätte. Für die Bahngesellschaft wäre dieser ja insofern nicht gerade günstig gewesen, als Pyhrnstraße und geplante Bahn bis zu dessen Erreichung relativ parallel verlaufen wären.(s. Karte) Die „Terminal-Pläne“ im Raum Sattledt/Ried i. Traunkreis(Hypothese):
Copyright: Elmar Oberegger Offenbar vor diesem Hintergrund korrigierte irgendjemand den ursprünglichen Plan und rückte Sipbachzell näher, um auch dort die Ansiedlung von Industriebetrieben zu fördern bzw. den Verkehr des existierenden Fuhrwerkskurses Sipbachzell-Leombach-Wels(= „Welser Bote“) in Richtung Sattledt abzulenken und damit auf die Bahn zu bringen. Hervorzuheben ist: Die Terminal-Funktion bezüglich des Kirchdorfer Verkehres hätte dadurch keineswegs aufgegeben werden müssen. Dieser Terminal - beschickt von zwei Seiten(Raum Sipbachzell und Raum Kirchdorf) – wäre wohl ungefähr dort errichtet worden, wo in Sattledt die Straße nach Giering und Sipbachzell(in östl. Richtung betrachtet nach dem heutigen Bahnübergang) abzweigt.(s. Karte) Dieser „Terminal“ bzw. „Bahnhof“ wäre wohl „Sipbachzell“ genannt worden. Sattledt – bekanntlich erst seit 1939 eigenständige Gemeinde - war damals offenbar noch allzu unbedeutend. Ansonsten wäre ja auch nie der Name „Maydorf“(= heute „Maidorf“, ein Vorort von Sattledt) für den ersten geplanten Terminal verwendet worden.(s.o.) Die Wels-Steyrer-Bahn wurde schließlich nie als geschlossenes Projekt errichtet; ab 1893 existierte lediglich eine Normalspur(Wels-Sattledt-Rohr-Bad Hall)/Schmalspur(Bad Hall-Steyr)-Verbindung, welche inzwischen (leider) untergegangen ist.(s.d. ausführlich Oberegger 2007) Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit entstand das Gerücht a) also vor dem Hintergrund der oben dargelegten Vorgänge. Nun noch ein paar Bemerkungen zu Gerücht b), demzufolge die Almtalbahn via Ried im Traunkreis angelegt hätte werden sollen. Auch ein Grund für die Nicht-Errichtung wird hier angeführt: Das „Stinkend-pfauchende Dampf-Ross“ sei von der Bevölkerung als Bedrohung empfunden worden und gegen dessen Einführung habe man sich eben erfolgreich gewehrt. Das Welser Stadtarchiv weiß darüber gar nichts. Bautechnisch betrachtet wäre es ferners völlig unsinnig gewesen, die Almtalbahn vom Aiterbachtal bis nach Ried hinaufzuführen, um sie sodann wieder bis dorthin hinunterzuführen. Das wäre sozusagen reiner Luxus gewesen, auf den sich keine Lokalbahngesellschaft eingelassen hätte. Wie könnte dieses Gerücht nun erklärt werden? Beginnen wir mit der lapidaren Feststellung, dass Gerüchte immer einen wahren Kern haben. Man weiß dies besonders aus der Altertumswissenschaft, wo die Quellenlage generell schlecht ist. Im vorliegenden Fall wäre die Hypothese zu wagen, dass die geistigen Väter der Wels-Steyrer-Bahn auch einmal den Plan gehabt haben, bei Ried i.T. den „Kirchdorfer Terminal“ zu errichten. Dies wäre wohl östlich der Weigersdorfer Kirche geschehen. Und der neue Bahnhof wäre wohl „Ried im Traunkreis“ genannt worden. Auch für Kremsmünster wäre dieser nicht uninteressant gewesen.(s.o. Karte) Die Straßentransporte wären also von der Pyhrnstraße abgelenkt worden, nach Ried hineingeführt und sodann zum neuen Bahnhof gebracht worden. Bis Wels hätte somit die „Wels-Steyrer-Bahngesellschaft“ die „Kirchdorfer Ware“(v.a. Sensen und Kohle) auf einer weitaus längeren Strecke transportieren können, als von „Maydorf“ aus.(s. Karte) Dies hätte eine Erhöhung der Einnahmen(Tarifkilometer) bedeutet. Sicherlich hätten die Bewohner von Ried das „teuflische Dampfross“ sodann auch – wenngleich aus der Ferne – gehört und bei entsprechender Windrichtung wohl auch gerochen. Und was man nicht vergessen darf: Einen Umschwung der traditionellen Verkehrsverhältnisse(Fuhrwerk) hätte die Einrichtung eines „Terminal Ried im Traunkreis“ ebenfalls mit sich gebracht. Alte Interessen wären also auf dem Spiel gestanden. Während es jedoch für den „Terminal Sipbachzell“ zumindest einen quellenmäßigen Anhaltspunkt(s.o. - Korrektur des Originalplanes Wels-Steyr!) gibt, so bleibt uns in diesem Fall nur das Gerücht selbst. Man verlangt vom Historiker ganz allgemein „Harte Fakten“. Nach Meinung des Autors ist es aber ebenso wichtig, „Gerüchte“ analytisch-kritisch zu prüfen und vor allem für die Nachwelt zu konservieren. Dies wurde hier vollzogen.
Quellen: Der vorliegende Artikel stellt einen leicht bearbeiteten Auszug aus Oberegger 2010(s.u.) dar. Das Project einer normalspurigen Vicinal-Bahn von Steyr über Sierninghofen, Sierning, Hall nach Rohr und von da über Kremsmünster, Maydorf nach Wels. –Steyr 1880. OBEREGGER Elmar: Die Eisenbahnlinie(n). In: Heimatbuch Sattledt. Hrsg. v. Walter Brummer. –Leoben 2000, S. 216 ff. OBEREGGER Elmar: Eisenbahnproblem Wels-Steyr. Ein Memorandum. –Sattledt 2007. OBEREGGER Elmar: Eisenbahnproblem „Wels-Kirchdorf an der Krems(-Selzthal)“. –Sattledt 2010.
Copyright: Elmar Oberegger 2010. |
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