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DAS LOKALBAHNWESEN IN GALIZIEN – URSPRUNG UND GRUNDSTRUKTUR:

 
 
 

Es ist unverzichtbar, sich hier kurz allgemein mit dem Begriff „Lokalbahn“ zu beschäftigen.

Grundsätzlich existiert bis heute keine wirklich exakte historische Definition.

Fest steht jedenfalls, daß es sich im Falle einer Lokalbahn nicht einfach nur um eine „Zweigbahn“ handelt, da diese ja wie die Stammstrecke hauptbahnmäßig ausgeführt sein kann(z.B. Zweig Bruck a.d. Mur-Leoben der „Südbahngesellschaft“).

Wäre eine „Lokalbahn“ einfach nur eine „Zweigbahn“, dann könnte der Zizlauer Zweig(eröffnet 1834) der Budweiser Pferdeeisenbahn für sich in Anspruch nehmen, die „Erste Lokalbahn Österreichs“ dargestellt zu haben.

Schwierig ist auch die Abgrenzung gegenüber den „Überland-Trams“(s. z.B. Lovraner-Bahn, Pressburger-Bahn), deren Funktion zwar lokalbahnmäßig ist, jedoch aber nicht unbedingt ihr technischer Charakter.

Ebenso problematisch ist das Verhältnis zu den sogenannten „Schlepp-Bahnen“: Deren Funktion ist es, (industrielle) Massengüter zu befördern. Besonders in der Bukowina existierten jedoch Schleppbahnen, welche auch Personen beförderten und somit eigentlich „Lokalbahnen“ waren.

Im Jahre 1880 wurde das „Erste Lokalbahngesetz“ erlassen. Damit kam es also zumindest in juristischer Hinsicht zu einer Spezifizierung. Eine tiefergehende Definition des Phänomens wurde allerdings nicht geliefert. Dazu kam es erst in einer Überarbeitung dieses Gesetzes(RGBl 149, Ges. v. 8.August 1910). Dort heißt es nun:

„Lokalbahnen sind jene Bahnen, welche bezüglich der technischen Anlage und Leistungsfähigkeit hinter den Hauptbahnen zurückstehen, jedoch den Verkehr in weiterem Umkreise, insbesondere die Zufuhr zu den Hauptbahnen vermitteln und in der Konzessionsurkunde als Lokalbahnen bezeichnet sind“.

Folgende Momente werden hier also als maßgebend erachtet:

a)     Die technische Unterlegenheit gegenüber der Hauptstrecke(Spur, Kurvenradien, Betriebstechnik etc.).

b)    Zubringerfunktion zur Hauptbahn. Somit direkte Gleisverbindung bzw. im Falle unterschiedlicher Spurweite „Terminal-Institution“ von Vorteil bzw. notwendig.

c)    Vorhandensein einer Lokalbahn-Konzession im Sinne des(in der Folge überarbeiteten) Spezialgesetzes von 1880.

Vor diesem allgemeinen Hintergrund soll die folgende Analyse erfolgen.

Bereits die „Westgalizische Staatsbahn“(Krakau-Dembica, 1856) besaß bei Krakau zwei Zweigbahnen(nach Wieliczka und Niepolomice), doch diese waren eben keine „Lokalbahnen“. Dasselbe gilt für die Zweiglinie Zagorzany-Gorlice(1884) an der zweiten galizischen Ostwestbahn. Sie war nicht als Lokalbahn konzessioniert und auch nie so bezeichnet worden.

Zur Frage der „Ersten Lokalbahn“ Galiziens:

Copyright: Elmar Oberegger

Im Jahre 1881 wurde die fast 150 Kilometer umfassende Linie Jaroslau-Rawaruska-Sokal per „Lokalbahngesetz 1880“ konzessioniert, jedoch erst 1884 eröffnet. Schon 1883 war die im selben Jahr konzessionierte, Mini-Linie Dolyna-Wygoda eröffnet worden. Das Problem besteht hier darin, daß diese Bahn zwar per 1880er-Gesetz konzessioniert worden ist, jedoch aber nur eine „Schlepp-Bahn“(s.o.) darstellte.

Vor diesem Hintergrund kommen wir eindeutig zum Schluß, daß die bereits 1881 konzessionierte und 1884 eröffnete Strecke Jaroslau-Rawaruska-Sokal(ca. 146 km) die „Erste Lokalbahn Galiziens“ dargestellt hat.

Das Lokalbahnwesen in Galizien nahm in der Folge einen großen Aufschwung. Dabei ist aber nicht zu vergessen, daß hierbei stets der Staat eine große Rolle spielte. 1893 umfaßte das Lokalbahnnetz ca. 393 Kilometer, das Verhältnis Staatsbahn:Privatbahn gestaltete sich ca. 2:1.

Das Netz der privaten „Ostgalizischen Lokalbahnen“(gegr. 1895) verdankt seine Existenz staatlicher Initiative. Die 1887 gegründeten „Kolomeaer Lokalbahnen“ jedoch besaßen rein private Wurzeln.

Das großartige Wachstum des galizischen Netzes zwischen 1890 und 1914 war in erster Linie auf den Lokalbahnsektor zurückzuführen.

Statistik zum Netzwachstum in Galizien(1850-1914):

Copyright: Elmar Oberegger

 

Quelle:

OBEREGGER Elmar: Kurze Eisenbahngeschichte Galiziens. Von den Anfängen bis 1914. –Sattledt 2010.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2010.