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DAS FACH „EISENBAHNGESCHICHTE“:

Spezifik und Methode(n) im Grundriss

 
 
 

I: Vorbemerkungen.

„Durch die Eisenbahnen

verschwinden die Distanzen,

die materiellen Interessen

werden gefördert,

die Kultur wird gehoben

und verbreitet“.

(KARL RITTER V.GHEGA, 1802-1860)

 

Das Fach „Eisenbahngeschichte“ wird eigentlich schon sehr lange betrieben.(1)

Zu verweisen wäre besonders auf die ehrgeizige, allerdings leider unvollendet gebliebene Studie des Österreichers Franz Anton v.Gerstner aus 1839, in der er es anstrebte, die Entwicklung des Eisenbahnwesens der USA mit derjenigen in anderen Staaten(Belgien, Österreich, Dt. Staaten, Frankreich, Holland, England und Russland) zu vergleichen.(3) Aufgrund seines frühen Todes(1840, Philadelphia/USA) konnte er diese leider nicht mehr vollenden.

Gerstner war aber eigentlich Naturwissenschaftler, also kein „Historiker“.

Schon immer wurde dem Fach „Eisenbahngeschichte“ vorgeworfen, daß es nur von „Laien“ bzw. „Autodidakten“ betrieben werde.

Damit betreten wir ein weites wissenschafts-theoretisches bzw. macht-politisches Feld und stellen hier nun die Frage:

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, daß aus einem „Laien“ bzw. „Autodidakten“ ein „Fachmann“ wird?

Die Antwort ist für den „Erkenntnistheoretischen Anarchisten“(Feyerabend) relativ einfach:

Es bedarf eines „Großen Meisters“ und dessen „Schule“. Diese Schule lebt auch nach dem Tod des Meisters fort. So gibt es etwa noch heute Anhänger Poppers.

Die „Erschaffung eines Meisters“ erfolgt wohl auf „autopoetische Weise“(Luhmann), wenngleich der Einfluß einer „Mafia“ nie abzustreiten ist. Aber auch diese wurde in der Regel vom Meister selbst erschaffen.

Hat ein Mensch eine „Schule“ durchlaufen, so ist er erstens kein „Autodidakt“ und zweitens kein „Laie“ mehr.

Diese – eigentlich nur macht-theoretische – Erklärung besitzt für das Fach „Eisenbahngeschichte“ größte Relevanz.

Es gibt so viele, ja, fast unzählige sogenannte „Laien“, welche innerhalb der Eisenbahngeschichte höchst wichtige und produktive Beiträge geliefert haben. Oft besaßen diese nicht einmal die Matura(Abitur).

Vor diesem Hintergrund muß man nun überhaupt einmal die allgemeine Frage stellen, ob es ohne die „Laien“ und „Autodidakten“(bzw. „Universal-Dilletanten“) des sogenannten „Cinquecento“ überhaupt die heutige „Westliche Zivilisation“ gäbe.

Friedrich Engels schreibt zu dieser Epoche - welche landläufig „Renaissance“ genannt wird - höchst eindrucksvoll und gelungen:

„Es war die größte progressive Umwälzung, die die Menscheit bis dahin erlebt hatte, eine Zeit, die Riesen brauchte und Riesen zeugte, Riesen an Denkkraft, Leidenschaft und Charakter, an Vielseitigkeit und Gelehrsamkeit. Die Männer, die die moderne Herrschaft der Bourgeoisie begründeten, waren alles, nur nicht bürgerlich beschränkt. Im Gegenteil, der abenteuerliche Charakter der Zeit hat sie mehr oder weniger angehaucht. Fast kein bedeutender Mann lebte damals, der nicht weite Reisen gemacht, der nicht vier bis fünf Sprachen sprach, der nicht in mehreren Fächern glänzte. Leonardo da Vinci war nicht nur ein großer Maler, sondern auch ein großer Mathematiker, Mechaniker und Ingenieur, dem die verschiedensten Zweige der Physik wichtige Entdeckungen verdanken; Albrecht Dürer war Maler, Kupferstecher, Bildhauer, Architekt und erfand außerdem ein System der Fortifikation, das schon manche der weit später durch Montalembert und die neuere deutsche Befestigung wiederaufgenommenen Ideen enthält. Machiavelli war Staatsmann, Geschichtsschreiber, Dichter und zugleich der erste nennenswerte Militärschriftsteller der neueren Zeit. Luther fegte nicht nur den Augiasstall der Kirche, sondern auch den der deutschen Sprache aus, schuf die moderne deutsche Prosa und dichtete Text und Melodie jenes siegesgewissen Chorals, der die Marseillaise des 16. Jahrhunderts wurde. Die Heroen jener Zeit waren eben noch nicht unter die Teilung der Arbeit geknechtet, deren beschränkende, einseitig machende Wirkungen wir so oft an ihren Nachfolgern verspüren“(3).

Zu erinnern wäre in diesem Zusammenhang auch daran, daß es immerhin der Autodidakt(!) George Stephenson war, welcher einen höchst wichtigen, um nicht zu sagen entscheidenden Beitrag für die Entwicklung des Eisenbahnwesens geleistet hat.(4)

Wer ist es also nun, der diese oben genannten höchst wertvollen Eisenbahn-Forscher(!) als „Laien“ bzw. „Autodidakten“ tituliert?

Nein, es ist nicht der „Große Meister der Eisenbahngeschichte“, dem dies ja sicherlich zustehen würde.(So wie dem „Tischler-Meister“ eine gewisse Rüge gegenüber dem Lehrbub auf jeden Fall erlaubt wäre.) Diesen „Großen Meister der Eisenbahngeschichte“ gibt es bis heute nicht.

Vielmehr sind es „(Nervös) Kläffende Schäfer-Hunde“, welche die sogenannten „Laien“ anklagen, während sie selbst längst irgendwo ihr Auskommen als „Schlichter Historiker“ gefunden haben und sich in der „Eisenbahngeschichte“ letzten Endes überhaupt nicht auskennen.(5)

Dieser Zustand ist traurig und bedenklich. Ebenso der Umstand, daß die „Eisenbahngeschichte“ heute in der Regel als Teil der „Technikgeschichte“ betrachtet wird. Dies ist – wie hier ausreichend gezeigt werden wird - völlig falsch.

Die „Eisenbahngeschichte“ ist bis heute eine „Nation ohne Hymne“, d.h. ohne eigenständige, „Allgemeine Methode“.

Im vorliegenden Beitrag soll nun in Form eines Entwurfes eine solche erarbeitet und damit ein Beitrag zur allgemeinen Entwicklung dieses Faches geleistet werden.

Zuvor soll jedoch dessen Spezifik innerhalb der Transportgeschichte und damit der „Geschichts-Wissenschaft“ herausgearbeitet werden.

 

II: Zur Spezifik des „Systems Eisenbahn“ innerhalb der allgemeinen Transportgeschichte.

Die Spezifik der „Eisenbahn-Geschichte“ innerhalb der „Allgemeinen Transportgeschichte“(6) liegt darin, daß hier ein System vorliegt, in dem „Rad“ und „Untergrund“ erstmals „harmonisiert“ wurden.(s. Illustrationen) Dies löste schließlich im Landverkehr eine „Revolution“ aus.

Rad und Untergrund vor und nach der Einführung des Eisenbahnsystems:

Copyright: Elmar Oberegger

Die Anlage eines Kopfstein-Pflasters(Römerzeit bzw. Straßen des 18. Jahrhunderts) verbesserte das Verhältnis „Rad-Untergrund“ nur wenig.

Die Transporte wurden also im Vergleich zu früher stabiler und damit berechenbarer - auch bei ungünstigen Witterungsverhältnissen! Ebenso bürgerten sich regelmäßige „Nacht-Fahrten“ relativ rasch ein.

Vor diesem Hintergrund konnte zum ersten Mal in der Geschichte ein „Fahr-Plan“ erstellt werden bzw. man konnte sich zumindest ernsthaft um einen solchen bemühen.

Thema „Stabile, sichere Fahrt auf Schienen“ – ÖBB-Werbung aus 1973:

Int.Eisenbahnarchiv LKP

Die „Verspätungen“ betrugen nicht mehr – wie im Falle des alten Fuhrwerksverkehrs – „Tage“, sondern schon zu Anfang maximal „Stunden“, was ja ein beachtlicher Fortschritt war.

Wir begegnen hier also den historischen Anfängen der „Pünktlichkeits-Produktion“, welche mit der Einführung moderner Methoden immer mehr verbessert worden ist. Heute messen wir die Verspätung der Eisenbahn im Bereich des Personenverkehrs bereits in der Regel in „Minuten“.

Wir wollen uns nun zwei Fragen zuwenden, nämlich:

Wo wurde dieses System entwickelt?

Warum wurde dieses System entwickelt?

Die Ur-Form des Systems finden wir bereits in den alten Bergwerken vor: Man hatte erkannt, daß Räder von Wagen auf Holzbalken besser rollen als auf ungleichmäßigem Untergrund. Erst viel später kam man auf die Idee, sowohl Balken als auch Räder mit Eisenleisten zu beschlagen, um Reibung und somit Verschleiß hintanzuhalten. Erst unter dieser Voraussetzung verließ dieses technische System schließlich das Bergwerk und breitete sich auf dem Land aus. Dazu später genauer.

Ganz ohne Zweifel ist dieses System im Grunde relativ simpel, also für jeden Laien im Prinzip leicht zu durchschauen und dieser mag schließlich die Frage stellen:

Warum besaß eigentlich nicht schon das „Römische Reich“ ein Eisenbahnnetz?

In der Tat hätten die Römer bereits alle technischen und materiellen Bestandteile zur Verfügung gehabt, um eine Eisenbahn in alter Form herzustellen:

-Die Römer waren in der Lage, aus Baumstämmen Balken zu gewinnen.

-Sie waren in der Lage, „Eisen-Leisten“ herzustellen, um damit sowohl Balken als auch Räder zu beschlagen.(s. dazu Illustrationen)

Grundprinzip eines frühen Eisenbahngleises:

Angewendet z.B. auf der Budweiser Pferdeeisenbahn.

Copyright: Elmar Oberegger

 

Ein mit Eisenleisten beschlagenes Rad:

Copyright: Elmar Oberegger

Der Spurkranz hielt das Rad in der Spur. In den Kurven wurde dieser stark abgenutzt. Da es teurer war, den Spurkranz zu erneuern, verstärkte man in der Folge diesen und nicht die Schiene. Im Falle der Budweiser Pferdeeisenbahn fand hierbei ein sogenannter „Schalen-Guß“ Anwendung.(siehe dazu B.Enderes, Die Holz- und Eisenbahn Budweis-Linz. –Berlin 1926/hier: Nachdruck 07, S. 35 ff.)

-Vor allem aber waren sie dazu in der Lage, große Viadukte und Brücken herzustellen: Denn wer in der Lage ist, derart imposante „Aquädukte“ hervorzubringen, der ist ebenso dazu in der Lage „Viadukte“ bzw. „Große Brücken“ zu bauen.(7) Welche technische Sorgfalt man hierbei aufwandte, zeigen die – oft nur sehr gering bemessenen – „Gefälle-Verhältnisse“ dieser Aquädukte.(s. Illustration)

Darstellung eines altrömischen Aquäduktes:

Copyright: Elmar Oberegger

Wie groß das Gefälle war, war eigentlich zweitrangig. Aber es mußte bestehen, damit das Wasser fließen konnte. Die römische Genauigkeit, mit der man hier vorging, ist bemerkenswert. Derartige Bauwerke werden erst wieder in der Zeit des „Dampfeisenbahn-Betriebes“ relevant, wo die Steigungs- bzw. Gefälleverhältnisse von größter Bedeutung waren. Die alten, gängigen Dampfloks vertrugen keine großen Steigungen und begannen zu rutschen.(= „Rad auf Schiene-Struktur“) Eine „Semmeringbahn-Lokomotive“ mußte somit erst neu „erfunden“ werden.(s. Ghegas „Lokomotiv-Wettbewerb“) Im Falle des Pferdebetriebes jedoch(= „Step by step-Struktur“) waren die Steigungsverhältnisse weniger wichtig.

-Die großen römischen „Wasser-Linien“ – über die das begehrte Naß über hunderte Kilometer transportiert wurde - besaßen aber nicht nur diese „Aquädukte“, sondern auch kurze Tunnels.

Insofern besaß man also alle wesentlichen technischen Bestandteile zur Errichtung von „Eisen-Bahn-Linien“.

Doch warum kamen die alten Römer gar nicht auf die Idee, das „Eisenbahn-System“ einzuführen?

Diese Frage führt uns nun zur wirtschaftlichen Struktur des „Römischen Reiches“.

Um diese zu erhellen, ziehen wir ein einfaches „Lager-Haus“ als Focus heran.(s. Illustration)

Errichteten die Römer ein Lagerhaus, so fielen vorwiegend Material-, aber keine Lohn-Kosten an. Man besaß ja Sklaven. Somit konnte das Lagerhaus auf billige Weise groß errichtet werden. Je größer es ausfiel, desto mehr Vorräte konnten dort gelagert werden. Je größer dieser Vorrat ausfiel, desto mehr wurde die Regelmäßigkeit des Nachschubs(Import, s. Illustration) zur vernachlässigenden Größe. Daraus ergibt sich, daß die Einführung eines verlässlichen und pünktlichen Transportmittels(= Eisenbahn) überflüssig war; dies wäre reiner Luxus gewesen. So vertraute man immerzu auf die „Fuhrwerks-Karawanen“, welche das gesamte Reich mit gemächlichem Schritt durchzogen und oft für Stunden etwa im Schlamm festhingen. Von seinem Aufbau her war das römische Straßennetz bekanntlich hervorragend strukturiert(s. Karte), besaß aber eben auch seine Problemzonen. So war etwa die Pyhrnstraße(s. Karte) lange Zeit nicht befriedigend ausgebaut.(8)

Für den Reisenden war aber auch die Fahrt auf den vermeintlich „gut ausgebauten Strecken“ ziemlich beschwerlich:

Der römische Dichter Horaz hätte sicherlich gern auf den Luxus einer Eisenbahn zurückgegriffen, als er 37 v.Chr. von Rom nach Brundisium(immerhin über 500 km Luftlinie!) reiste. Folgende Schilderung aus seiner Feder(s. „Tagebücher“) zeigt uns die Beschwerlichkeit und Langsamkeit des damaligen Reisens:

„Hinter mir lagen die Tore der Großstadt; Aricia bot bescheidenes Quartier … Dann ging’s nach Forum Appi … Die Strecke bis hierher hatten wir … als bequeme Leute, uns eingeteilt; dem Hochgeschürzten, der es eiliger hat als wir, ist sie eintägig: minder beschwerlich wird die Appia, wenn man sie langsam reist“.

Die Transporte wiesen also keine bequeme „Stabilität“(s.o.) auf, sondern der Fahrgast wurde – besonders bei rascherer Fahrt - durchgerüttelt. Dieses Phänomen wurde überhaupt bis zur Etablierung des Eisenbahnsystems generell beklagt.

Das römische Straßennetz im bayerisch-westösterreichischen Raum und der Adria-Terminal Aquileia(= Vorläufer von Venedig und Triest):

Copyright: Elmar Oberegger

Ganz anders funktioniert die Errichtung eines Lagerhauses im Kontext des Kapitalismus bzw. eines industriellen Systems.

Dort gibt es keine Sklaven, d.h. es entstehen somit grundsätzlich hohe Kosten. Der Bauherr nimmt in der Regel für das Projekt einen Kredit auf, den er samt Zinsen zurückzahlen muß. Somit verursacht das Lagerhaus nach seiner Fertigstellung ständig Kosten. Je größer es gebaut wurde, desto mehr Kosten verursacht es und desto teurer werden somit (theoretisch) die gelagerten Waren. Somit muß der Bauherr danach trachten, schon vor Baubeginn die optimale Größe zu ermitteln. Je länger die Waren im Lagerhaus liegen, desto teurer werden sie. Deshalb müssen sie möglichst schnell weiterverkauft werden. Dies ist v.a. zur Tilgung des Kredites(s.o.) notwendig. Um nun „Stauungen“ im Export und im Import(s. Illustration) zu vermeiden, benötigt man ein pünktliches und zuverlässiges Transportsystem im Hintergrund – dies war (bzw. ist) die Eisenbahn, welche nach „Fahr-Plan“ funktioniert. Je mehr Aufträge die Eisenbahngesellschaft innerhalb des oben skizzierten Systems ergattert, desto billiger kann es Betrieb und Tarife gestalten. Billige Tarife sodann sind in der Lage, das wirtschaftliche Geschehen weiter zu dynamisieren.

Schematisches Modell eines Lagerhauses:

Copyright: Elmar Oberegger

Vor dem Industriezeitalter war ein Lagerhaus noch ein „Lagerhaus“. In heutiger Zeit jedoch ist es bereits eher mit einem „Durchhaus“ zu vergleichen. In Österreich befand man sich bezüglich des Salztransportes „Salzkammergut-Mauthausen-Budweis“ übrigens noch bis ins 19. Jahrhundert auf alt-römischer Linie. Um aufgrund der mangelhaften Transportstrukturen keinen Versorgungsengpaß eintreten zu lassen, errichtete man in Mauthausen und Budweis riesige Lagerhäuser, wo das Kapital in Form von Salz sozusagen tot lag. Erst die Pferdeeisenbahn – welche das ganze Jahr fahren konnte – brachte das Salz auf den Weg und dynamisierte somit die Verhältnisse. Zuvor waren die Verkehrsverhältnisse wie gesagt sehr schlecht: Die Salz-Fuhrwerke Mauthausen-Budweis wurden von Bauern betrieben, welche ihre Pferde in der Regel für die Feldarbeit verwendeten. Freigegeben wurden diese also nur, wenn keine Feldarbeit zu leisten war(Frühjahr nach Schneeschmelze/Herbst bis zum ersten Schnee). Und genau in diesen, knapp bemessenen Zeiträumen kam es sodann naturgemäß zu schweren Stauungen auf der Strecke.

Ein solches System kannten die Römer gar nicht. Wenn sie sich bereichern wollten, dann führten sie eben Krieg oder beuteten gnadenlos ihre Bergwerke aus. Ihr Hauptkapital war nicht der „Geschäfts-Geist“, sondern die Armee.

Im „Fall Dacien“ passierte beides:

Zunächst wurde es wegen seiner Goldbergwerke erobert(107 n.Chr., Kaiser Trajan) und dieselben sodann mittels Sklaven ausgebeutet.

Auch die griechischen Spezialisten(Architekten etc.) - welche in ihrer Heimat einst vor dem Hintergrund von „Geldwirtschaft“ und „Arbeitsteilung“ entstanden waren - wurden einfach versklavt. Damit entstand also die „Arbeitsteilung“ i.e.S. nicht im Reich, sondern wurde ebenfalls gestohlen.

Die Römer waren vorwiegend Krieger und eben weniger kluge Geschäftsleute oder gar Wirtschaftsexperten. Ihre Ideologie war der schlichte Raubbau. Dazu schreibt Karl Walker in seinem faszinierenden Buch zur „Geschichte des Geldes“:

„Wenn die Entwicklung Roms … einen fast treibhausartigen Fortschritt nahm, so lag das wesentlich daran, daß der Krieg rascher als der friedliche Handel die Zaubermacht des Geldes ins Land brachte“(9).

An anderer Stelle stellt er fest:

„Rom war wohl imstande, die Edelmetallbestände seiner Provinzen(= zuvor gewaltsam gestohlen, Anm.d.Verf.) zu mobilisieren – in den Silberbergwerken Spaniens waren zeitweise bis 40.000 Menschen beschäftigt, und in ähnlichem Umfang wurde in Siebenbürgen(= Dacien, Anm.d.Verf.) Gold geschürft -, aber der Abfluß war dennoch größer“(10).

Die Römer konnten also – wie man heute sagen würde – mit dem Geld überhaupt nicht umgehen.

Ganz anders war die Lage im vergleichsweise kleinen, aber vom „Industriellen Geist“ erfüllten England:

Und genau hier soll nun das Eisenbahnsystem entstehen. Die zentrale Figur stellt hier ein gewisser Herr Reynolds dar – ein glänzendes Musterbeispiel für „Englische Industriosität“. Alfred Birk schreibt dazu in seinem Artikel „Eisenbahn“ der Röllschen Enzyklopädie(1912):

„Ein Preissturz des Eisens i.J. 1767 veranlaßte den Mitbesitzer der Colebrook Dale-Werke, Mr. Reynolds, das im Vorrat erzeugte Eisen in starke, oben konkave Platten zu gießen und mit diesen die Holzbohlen der Spurbahnen zu belegen, um so bei dem starken Verkehre die rasche Abnutzung der Bohlen(= soviel wie „Balken“, Anm.d.Verf.) auf seiner Kohlenbahn zu verhindern. Die Anordnung bewährte sich so vorzüglich, daß Reynolds die Absicht, bei höheren Eisenpreisen die Platten wieder abzunehmen, nicht verwirklichte…“.

Im ganz allgemeinen Sinn betrachtet begegnen wir hier also zum ersten Mal in der Geschichte dem System „Eisen-Bahn“.(s. Illustration)

Struktur der „Reynoldschen Barren-Schiene“(1767):

Copyright: Elmar Oberegger

Erst später soll es zur Anwendung des „Spur-Kranzes“(s.o.) kommen. Dessen Struktur geht bereits auf das 16. Jahrhundert zurück(Bergwerke).

Reynolds Strategie ist höchst bemerkenswert und hätte in der Tat jeden alten Römer in höchstem Maße verwundert. Auch im Österreich des 18. Jahrhunderts wäre Reynolds wohl schlicht als Spinner hingestellt worden. Aufgeschlüsselt betrachtet sah seine Strategie wie folgt aus:

-Reynolds wollte grundsätzlich billig Eisen ein-kaufen, um es später wieder teurer zu ver-kaufen.

-Er wollte mit diesem Eisen aber nicht sein „Lager-Haus“ belasten(s.o.), sondern es sozusagen für ihn arbeiten lassen.

-Zu diesem Zweck wurde das Eisen in Schienen verwandelt, mit denen er die Balken seiner Kohlenbahn belegte.

-Damit waren diese Balken eigentlich keinem Verschleiß i.e.S. mehr ausgesetzt.

-Dieser Umstand führte nun dazu, daß diese Balken eigentlich nicht mehr gewechselt werden mußten. Es mußten also – detailliert betrachtet – erstens keine neuen Balken mehr angekauft werden(= Ersparnis I), und es entfiel zweitens die Notwendigkeit, diese einbauen zu müssen(= Ersparnis II). „Betriebs-Einschränkungen“ aufgrund von „Erhaltungs-Arbeiten“ gehörten somit der Vergangenheit an(= Ersparnis III). Der Betrieb wurde also effizienter, vor allem aber auf Dauer billiger. Der finanzielle Vorteil kam schließlich dem Unternehmen zugute. Frisches Kapital fiel an, welches neu investiert werden konnte.

Damit war also der „Rentable Eisenweg“ erfunden, welcher alsbald Verbreitung fand.

Schon 34 Jahre später, also 1801, wurde in England die erste „Eisenbahn-Konzession“ vergeben:

Es handelte sich hier um das (übrigens zweigleisige) Projekt „Wandworth a.d. Themse-Croydon(= südl. v. London). Am 26. Juli 1803 wurde diese Strecke für Personen- und Güterverkehr freigegeben.(11)

Wie gezeigt werden konnte, entsprang das „Eisenbahn-System“ also einem genialen Gedanken, der im Kontext „Englischer Industriosität“ geboren wurde. Und alsbald eroberte dieses System, welches sich durch eine „Harmonisierung zwischen Rad und Untergrund“(s.o.) auszeichnet, und gerade dadurch so rentabel ist, den Landverkehr.

Der römische Dichter Horaz hätte sich wohl wirklich sehr gefreut, wenn er von Rom nach Brundisium per Bahn hätte reisen können.(s.o.)

Genußreich und schön wäre die Fahrt gewesen – Er hätte lesen, schlafen oder in Ruhe eine kleine Mahlzeit einnehmen können, ohne die Reise unterbrechen zu müssen! Auch auf die vorbeiziehende Landschaft hätte er sich (als Dichter) ganz anders konzentrieren können. Und: Angesichts dessen hätte er diese Reise gern wieder einmal gemacht…

Vor diesem Hintergrund wollen wir nun abschließend einen kurzen Blick auf die Bedeutung der Eisenbahn für den allgemeinen „Personen-Verkehr“ werfen.

Mit Sicherheit hat das „Eisenbahn-System“ - welches „Menschen-Massen“ planmäßig und billig bewegen konnte - die allgemeine Mentalitätsstruktur verändert – doch überschätzen darf man es in dieser Hinsicht nicht, gab es doch schon länger auch etwa den Postverkehr. Die Eisenbahn half aber mit, das „Ferne“(= „Das Andere“) mit dem „Nahen“(= „Das Eigene“) zu verschmelzen. Die „Erfahrung“ wurde also mit der Einführung des Eisenbahnsystems zum billigen, also allgemein konsumierbaren Gut.

In der Tat stammt „erfahren“ etymologisch vom „Fahren“ ab:

Als „Erfahrener Mensch“ wurde schon im 15. Jahrhundert derjenige bezeichnet, welcher weite Reisen unternommen hatte und damit einen großen geistigen Horizont besaß.(12) Alte Bezugssysteme wie „Stadt“, „Dorf“, „Talschaft“, „Groß-Familie“ etc. begannen sich also nicht zuletzt aufgrund der „Kraft der Eisenbahn“ langsam aufzulösen.

Auch neue „Be-Ziehungen“ konnten geknüpft werden – So trug die „Kaiser Ferdinands-Nordbahn“ im Verein mit der „Nördlichen Staatsbahn“ mit Sicherheit maßgeblich zum Umstand bei, daß heute jeder „Echte Wiener“ Vorfahren in Böhmen und Mähren hat.

Über beide Bahnen wurde bis 1851 auch der nahtlose Schienenstrang Wien-Hamburg hergestellt. Schon im 19. Jahrhundert kamen auch - auf Eis gebettete – „Nordsee-Fische“ nach Wien, welche dort natürlich sofort filetiert, paniert und schließlich als sogenannte „See-Fische“ massenhaft(13) ausgespeist wurden.(14)

 

III: Der Begriff „Eisenbahngeschichte“ in der Röllschen Enzyklopädie(1912 ff.).

Wenn man die gängigen Lexika zur „Geschichts-Wissenschaft“ nach dem Begriff „Eisenbahngeschichte“ durchsieht, so kommt man zum Ergebnis, daß dieser dort nicht existiert.

Angesichts der spezifischen historischen Bedeutung dieses Faches - welche oben einigermaßen eindrücklich herausgearbeitet wurde - ist dies natürlich verwunderlich.

In Rölls „Enzyklopädie des Eisenbahnwesens“(Berlin/Wien 1912 ff.) jedoch taucht der Begriff sehr wohl auf. Da dessen Inhalt etwas abstrakt gehalten ist, wollen wir hier die einzelnen Thesen aufgliedern und kurz kommentieren.

Bei Röll heißt es also:

Eisenbahngeschichte(= Darstellung der Entstehung und Entwicklung der Eisenbahnen)

These 1a:

„Die Eisenbahngeschichte trifft keine sachliche Einteilung, sondern behandelt ihren Stoff in zeitlicher Reihenfolge, gleichviel, ob dieser der Politik, Ökonomie, Technik oder sonst einem Zweig des Eisenbahnwesens angehört;“

Kommentar: Röll stellt hier also offenbar auf eine „interdisziplinär gestaltete Chronologie“ ab. Damit zeigt sich eindeutig: Die „Eisenbahngeschichte“ ist nicht ausschließlich als Teil der „Technikgeschichte“ zu betrachten!(s. o.)

 

These 1b:

„sie scheidet ihn(den Stoff, s.o., Anm.d.Verf.) nach bestimmten, aus dem Entwicklungsgang sich ergebenden Zeitperioden und vielfach auch nach Staaten oder Staatengruppen“.

Kommentar: Röll meint hier also einerseits etwa „Privatbahn-Epochen“/„Staatsbahn-Epochen“ etc. und andererseits diverse „Nationale Eisenbahngeschichten“(England, Frankreich, USA etc.).

 

These 2:

„Die Darstellung der Entstehung und Entwicklung der einzelnen Eisenbahnunternehmungen fällt nur insoweit in den Rahmen der allgemeinen Eisenbahngeschichte, als diese Darstellung zur Beleuchtung des allgemeinen Entwicklungsganges der Eisenbahnen nötig erscheint“.

Kommentar: Röll meint hier also, daß die jeweilige „Geschichte“ von privaten Unternehmungen(international gesehen: „Kaiser Ferdinands-Nordbahn“, „Baltimore &. Ohio-Railroad“, „Bayerische Ostbahn“ etc., etc.) analysiert und eingearbeitet werden muß, sofern dies für den Gesamtzusammenhang nötig erscheint.

 

These 3:

„Die Eisenbahngeschichte hat übrigens die einzelnen Begebenheiten auf dem Gebiet des Eisenbahnwesens nicht einfach aufzuzählen, sondern sie hat jedes einzelne hierhergehörige Ereignis mit vorhergegangenen und gleichzeitigen Ereignissen in organisatorische Verbindung zu bringen und geschichtlich zu begründen“.

Kommentar: Hier plädiert Röll nun für das – in der Methodik der Geschichtswissenschaft eigentlich übliche – „Zwei-Säulen-Modell“; Synthese von Chronologie und Analytik.

 

These 4:

„Die Eisenbahngeschichte hat auszugehen von der älteren Verkehrsgeschichte, von den wirtschaftlichen, politischen und sonstigen Verhältnissen, unter denen sich das Eisenbahnwesen entwickelt hat, sie hat anderseits unter Zuhilfenahme von statistischen Belegen zu zeigen, wie sich diese Verhältnisse durch die Eisenbahnen gestaltet haben, welche Umwälzung das neue Verkehrsmittel in bezug auf Handel und Verkehr, Industrie, gesellschaftliches Leben, Kriegführung und Politik hervorgerufen hat“.

Kommentar: Hier gibt Röll nun die Umrisse eines „Analyse-Modells“ und damit liefert er einen weiteren Baustein für eine „Allgemeine Methode“. Der exakte Nachweis, daß gewisse „Sozio-ökonomische Entwicklungen“ ausschließlich durch das Eisenbahnsystem hervorgerufen wurden, dürfte jedoch – je spezieller die Analyse wird – sehr schwierig werden. Dies gilt insbesondere für den allgemeinen Aspekt „Gesellschaftliches Leben“(s.o.), welcher ja bis in die Teilbereiche „Kultur“, „Sprache“ etc. hineinreicht.

 

Rölls Artikel ist nun in der Tat keine Meisterleistung – weder in sprachlicher noch in intellektueller Hinsicht. Dennoch ist zu vermerken, daß derselbe Artikel bereits in der ersten Auflage seiner „Enzyklopädie“(Wien, 1890 ff.) aufscheint. Daraus ist zu folgern, daß es sich hier nicht um einen „Verlegenheits-Artikel“ handelt, welcher nur der Vollständigkeit halber verfaßt worden ist. Für Röll selbst erscheinen seine Ausführungen also als befriedigend, was man ganz einfach zur Kenntnis zu nehmen hat.

Letzten Endes stellt sein Artikel aber eine gute Grundlage für eine Weiterentwicklung dar. Diese soll in dieser Abhandlung auch durchgeführt werden. Rölls Artikel ist ganz ohne Zweifel ein „Untergrund“, auf dem man „bauen“ kann.

 

IV: „Eisenbahn“ und „Industrialisierung“ – Interdependenz oder nur Affinität?

Das Verhältnis „Eisenbahn-Industrie(-Eisenbahn)“ ist höchst problematisch:

Oben haben wir davon gehört, daß das „System Eisenbahn“ dem Schoß der „Industriosität“ bzw. der „Industrialisierung“ entsprungen ist(s. „Reynold-Strategie“). Doch die Äußerung der Hypothese von der „Absoluten Interdependenz Eisenbahnsystem-Industrialisierung“(= „Wenn es in einem Staat ein dichtes Eisenbahnnetz gibt, wird automatisch ein ‚Industrialisierungs-Prozess‘ in Gang gesetzt“) wäre falsch. Dies soll hier nun anhand von Beispielen gezeigt werden.

Schon vor Jahren kontaktierte mich ein gewisser US-Universitäts-Professor aus Kalifornien mit dem Anliegen, ich solle doch für den Alpen-Donau-Adria-Raum „Statistische Beweise“ für die obengenannte „Interdependenz-Hypothese“ herbeischaffen – natürlich nur gegen „Gute Bezahlung“.

Das allein - also die Anwendung einer „Flat Method“ seinerseits - war ja noch nicht anrüchig. Anrüchig war vielmehr, daß er behauptet hatte, meine Arbeit zur „Eisenbahngeschichte der Länder des Alpen-Donau-Adria-Raumes“ genau zu kennen.(15) Er nannte dieses Werk übrigens schlicht „Expertise“.

Meine Antwort war damals knapp und kurz. Sie lautete wie folgt:

„Hochverehrter Herr Professor! Wenn sie meine ‚Expertise‘ genauer studiert hätten, dann wären Sie gar nicht auf eine solche abwegige Hypothese gekommen“.

Offenbar kannte er meine Arbeit in der Tat überhaupt nicht.

Eine Antwort - welche ja einen „Klärenden Dialog“ einleiten hätte können - blieb aus. Ich hatte ihn offenbar beleidigt; oder besser: Ich hatte seine simple „Straight &. Flat-Weltsicht“ beleidigt. So verblieb ich weiter bei der „Lessing-Partei“frei wie ein Vogel, jedoch hungrig und einsam.

Vielleicht hatte dieser US-Professor aber auch nur „zuviel zu tun“ - Damit schmücken sich heute leider viel zu viele Gelehrte! Man vermißt in der Tat das „Freie, wissenschaftliche Duell“!

Aus meiner Arbeit geht immerhin eindeutig hervor, daß obige Hypothese nicht stimmen kann, wenngleich diese nicht darauf abzielte, diese zu widerlegen oder zu bestätigen. Das Ziel war einfach nur ein allgemeiner, möglichst faktenreicher, handbuchmäßiger Überblick.

Betrachtet man etwa den Aufsatz „Technische und wirtschaftliche Aspekte der Zusammenarbeit von Eisenbahn und Industrie(1970)“ von Josef Dultinger(16), so ist die kritiklose Übernahme der obgenannten „Interdependenz-Hypothese“ zweifellos verlockend:

Der Autor schildert uns hier – naturgemäß in höchst abstrakter Form – den Aufstieg und den Niedergang der Kooperation zwischen „Eisenbahn“ und „Industrie“. Dazu entwirft er noch eine „Zukunfts-Perspektive“ für das Eisenbahnsystem, welches sich schon seit den 1950er Jahren mit dem Automobil-System im Kampf befindet.

Für die (politischen) Bestrebungen Dultingers mag die obengenannte „Interdependenz-Hypothese“ ja praktikabel gewesen sein; und sie ist in der Öffentlichkeit auch in größtem Maß verbreitet.(s.o.) Dennoch aber ist sie unzutreffend.

Daß die „Interdependenz-Hypothese“ in der Geschichte zwar in den Köpfen, jedoch nicht in der Realität vorherrschte, das zeigt der österreichische Historiker Karl Bachinger am Beispiel der „Habsburgermonarchie“ mit eindrucksvollen Worten auf. Er bemüht hierbei in der Tat den – übrigens höchst treffenden Begriff - der „Imitaton“:

„Als Gründe für das Zurückbleiben der österreichischen Verkehrsentwicklung werden … häufig die Ungunst der geographischen Verhältnisse und die hohen Anlagekosten im Eisenbahnbau verantwortlich gemacht … Beide Aspekte liefern jedenfalls nur eine unzureichende Erklärung; die eigentlichen Ursachen liegen tiefer. Man muß sich vor allem vor Augen halten, daß der Ansatz der Eisenbahnentwicklung in der Donaumonarchie ganz anders akzentuiert war als z.B. der Englands. Während England zum Beginn des Eisenbahnbaus die erste, von der Baumwollindustrie getragene Periode der Industrialisierung hinter sich hatte, die Eisenbahn also die Antwort auf die Erfordernisse der Wirtschaft nach einem höherwertigen Verkehrssystem darstellte, begann der Bahnbau in Österreich noch durchaus auf der Basis einer traditionellen, durch wenige Fortschritte gekennzeichneten Wirtschaftsstruktur. Im Grunde genommen bedeutet die Verkehrsausweitung(wie überhaupt der gesamte Industrialisierungsprozeß) auf dem Kontinent in der Anfangsphase nichts anderes als eine Imitation der autonomen englischen Entwicklung. Es war also entscheidend, inwieweit hier ähnliche strukturelle Voraussetzungen vorhanden waren bzw. ob diese Bedingungen geschaffen werden konnten, damit der Imitationsprozeß zum Tragen kam. Das war in Deutschland und den westeuropäischen Staaten viel eher der Fall als in der Habsburgermonarchie. Hier bestand zwar (vor allem in der Verkehrspolitik) der Imitationswille, die Imitationsmöglichkeit jedoch nur begrenzt“(17).

Betrachtet man nun speziell die konkreten „Industriellen Effekte“ des Vorhandenseins eines Eisenbahnnetzes in einer bestimmten Region des „Alpen-Donau-Adria-Raumes“ im Zuge der sogenannten „Zwischenkriegszeit“, so kommt man in der Tat zum Schluß, daß die „Interdependenz-Hypothese“ unrichtig sein muß:

Während etwa die Schweiz – trotz ihres im Norden und v.a. im Süden eher schütteren Netzes - als „Industrieland ersten Ranges“ erwähnt wird, so hinkte etwa Rumänien schon damals mit seinem vergleichsweise dichten Netz arg hinterher.(s. Links)

Zum schweizerischen Netz siehe:
http://www.oberegger2.org/enzyklopaedie/schweiz.htm

Zum rumänischen Netz siehe:
http://www.oberegger2.org/enzyklopaedie/rumaenien.htm

Genauso verhielt es sich auch mit Ungarn, Bulgarien u.ä. Staaten, welche sich immerzu um das „Eisenbahnnetz“ bemüht hatten, d.h. realiter eine „Imitation“(s.Bachinger) durchführten. Die Kooperation zwischen Industrie und Eisenbahnsystem funktionierte eigentlich nur im Westteil der Tschecho-Slowakei. Dieser erfreuliche Zustand reicht bereits bis in die alte Monarchie zurück.(18)

Zum (alten und neuen) ungarischen Netz siehe:
http://www.oberegger2.org/enzyklopaedie/ub.htm

Zum (alten und neuen) österreichischen Netz siehe:
http://www.oberegger2.org/enzyklopaedie/oeb.htm

Zum albanischen Netz siehe:
http://www.oberegger2.org/enzyklopaedie/albanien.htm

Albanien ist wohl das deutlichste Beispiel dafür, daß ein „Eisenbahnnetz“ allein nicht ausreicht, um „Allgemeinen Wohlstand“ zu gewinnen.(19)

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dort der Eisenbahnbau forciert. Die Mittel waren in jeder Hinsicht höchst gering, der Aufbau des Netzes aber gerade angesichts dieser mangelnden Mittel höchst erfolgreich und damit bemerkenswert. Der industrielle Nutzen jedoch war schließlich höchst gering, was letzten Endes an der höchst eigenwilligen internationalen Politik Enver Hoxhas lag: Ist ein Land isoliert, dann nützt ihm auch das dichteste Eisenbahnnetz nichts. Heute befindet sich das Eisenbahnwesen Albaniens übrigens innerhalb einer Krise schwersten Ausmaßes.

Die Gründe dafür, daß ein Land in der Tat zum „Industrie-Land“ wird, liegen also tiefer. Ein Eisenbahnnetz kann bezüglich der Etablierung eines „Industrie-Systems“ nur unterstützend wirken, weshalb also nicht von einer „Interdepenzenz-Hypothese“, sondern vielmehr von einer „Affinitäts-Hypothese“ auszugehen ist.

Diese Sicht der Dinge soll nun im nächsten Abschnitt anhand des Focus „Sozio-ökonomischer Raum Triest-Stadt &. Land“ detailliert und praktisch illustriert werden.

 

V: „Eisenbahn“ und „Industrialisierung“ – Fallbeispiel „Triest-Stadt &. Land“.

Der Salzburger Historiker Hanns Haas schreibt in einem Aufsatz zum Thema:

„Glänzend schien die Zukunft Triests, als 1857 die Südbahnlinie fertiggestellt war“(20).

Mit dieser Beschreibung trifft er in der Tat genau den Punkt: Nur der „Schöne Schein“ war 1857 maßgebend.(21)

Was er nicht erwähnt, ist der Umstand, daß der damals errichtete „Triester Eisenbahnhafen“ von höchst jämmerlichen Ausmaßen war, man sich also gar nicht sehr viel von Triest erwartete.

Vom Staat wurde damals vielmehr eine „Wien-Mailänder-Bahn“ – sozusagen als „Sichelschnitt Wien-Mailand“ angestrebt, über welche – man hatte aus „1848“ die entsprechende Lehre gezogen – schnell loyale Truppen ins „Potentiell krisenhafte Oberitalienische Gebiet“ gebracht werden sollten. Dieses Konzept ging übrigens nie auf.

Teil dieses „Großen Sichel-Planes“ waren jedenfalls Zweigbahnen zum Meer – Triest bot sich hier geradezu an, hatte das Großprojekt doch bereits „Opcina(V.Opicina)“ erreicht. Und so wurde noch vor Vollendung des Gesamtprojektes dorthin eine „Zweigbahn“ verlegt. Später kamen noch andere Bahnen dieser Art hinzu, so z.B. die Linie von Divaca nach Pula.

Man machte aus obigem Sachverhalt einen „Großen Pomp“ und damit ein „Politikum“:

Die „Allertreueste Stadt Triest“(„Urbs fidelissima“) – welche während der Revolution von 1848 standhaft zur „Politischen Reaktion“(= Kaiser Franz Joseph I.) gehalten hatte – sei nun ans „Hochgejubelte Eisenbahnnetz“(= „Imitations-Komplex“) angebunden und habe damit eine „Große Zukunft“(s.o.) vor sich. Der (Zauber-)Name „Suez-Kanal“ wurde in den entsprechenden „Jubel-Reden“ gleich mehrmals erwähnt. Man täuschte die Öffentlichkeit. Schon die jämmerlichen Ausmaße des Eisenbahnhafens zeigen dies klar.(22)

In der Folge ging es in Triest - trotz Eisenbahnanschluß - nicht steil aufwärts, sondern eher nur schleppend voran. Dies kann man etwa am Zugaufkommen(Güterzüge à 280 t) von 1857 bis 1860 klar ablesen:

1857: ca. 0,3 Züge.

1858: ca. 2 Züge.

1859: ca. 2 Züge.

1860: ca. 2,5 Züge.(23)

1879 wurde Triest bereits vom Hafen Venedig um 219.193 Tonnen überholt.(24) Dieser war 1866 Italien zugefallen und erst seit 1867 besaß er durch die Vollendung der „Brenner-Bahn“ ein weitläufiges Hinterland.

Dort war man eben innovativer und besser organisiert. Der Einflußbereich Venedigs reichte sogar bis Prag, Salzburg und Linz. Sicherlich war hierbei auch das nationale Prestige mit im Spiel: Man wollte von italienischer Seite Triest, dem „Kranken, habsburgischen Mann an der Adria“ eine „Junge, dynamische Lady“ gegenüberstellen.

Das Zauberwort in der Analyse des langsamen Triester Niederganges war im öffentlichen Diskurs stets „Eisenbahn“:

Der Hafen sei eben nicht optimal ins Netz integriert – Eine Behauptung, die spätestens seit 1874 nicht mehr stimmen konnte.(s. Karte)

Die Integration Triests ins Eisenbahnnetz 1874:

Copyright: Elmar Oberegger

Allerdings bemühte man sich ab 1867 auch darum, einen „Porto Nuovo“ zu errichten, welcher mehr Kapazität besitzen sollte. Vor diesem Hintergrund wurde der alte Eisenbahnhafen überbaut. Vollendet wurde der neue Hafen jedoch erst 1882/83. Um ein Projekt höchster Dringlichkeit handelte es sich also offenbar nicht.

Und genau vor obigem Hintergrund muß man nun folgende Beobachtung von Prof. Dr. Franz X. Neumann-Spallart zur Kenntnis nehmen, welcher einst selbst in Triest war, um die dortigen Zustände genau zu analysieren. Er schreibt über die mangelnde Akzeptanz des „Porto Nuovo“ 1882:

„Mit betrübter Miene blicken wir auf die drei mächtigen Bassins; statt sie mit einem Walde von Masten bedeckt zu sehen, sind an den Moli regelmässig nicht mehr als drei bis vier grosse Seeschiffe, die langsam und gemächlich geladen oder gelöscht werden, und daneben eine Anzahl kleiner Fahrzeuge für Cabotage und Fischerei, Trabakeln, Barken und wie sie sonst noch benannt werden, von denen man sich unwillkürlich sagen muss, dass für solche Schiffe doch offenbar nicht die Bassins mit 8 bis 13 Metern Tiefe und die aus Quadern kostspielig erbauten Molis und Quais bestimmt waren … So macht der neue Hafen zusammt Hangars und Lagerhäusern den ernüchternden Eindruck, als wäre er keine Nothwendigkeit für Triest, sondern eine überflüssige Kapitals-Vergeudung“(25). 

Im selben Jahr erschien sodann eine Broschüre mit dem vernichtenden Titel „Hilfe für Triest“(26).

Den Hintergrund bildete die Feier „Triest – 500 Jahre bei Österreich (1382-1882)“. Zu diesem Anlaß hatte der Kaiser gesagt:

„Es muß etwas für Triest geschehen“.

Und wieder wurde die „Eisenbahn“ als Wundermittel schlechthin erkannt.

Schon kurze Zeit nach dieser kaiserlichen Äußerung begann die Errichtung der Linie Triest-Hrpelje, welche 1887 eröffnet werden konnte.(27) Damit war eine zweite Einfahrt nach Triest geschaffen worden.

Hergestellt wurde die Bahn vom Staat selbst: Es hatte ja immer geheißen, daß der Anschluß aus 1857(s.o.) Triest nichts bringe, da dieser immerhin im Besitz der privaten „Südbahn-Gesellschaft“ sei. Und diese sei nur darauf bedacht, Stadt und Hafen zu erpressen, ja, zu strangulieren(!).

Doch weder „Porto Nuovo“ noch „Hrpelje-Bahn“ lösten einen echten Aufschwung in Triest aus:

1877: 909.959 t

1883: Eröffnung „Porto Nuovo“.

1887: 1,146.781 t (Venedig: 1,583.984 t)

1887: Eröffnung „Hrpelje-Bahn“.

1897: 1,415.922 t (Venedig: 2,122.458 t)

Um diese Schieflage zu beenden, entschloß man sich zur Errichtung des neuen „Franz Joseph-Hafen“ an der Muggia-Bucht, vor allem aber dazu, auf Kosten des Staates höchst teure „Neue Alpenbahnen“(auch bezeichnet mit „Zweite Eisenbahnverbindung mit Triest“) zu errichten. Es sollte die Eisenbahn-Struktur Tauern/Pyhrn-Wochein-Karst-Triest(= „Transalpina“) entstehen. In diesem Zusammenhang war auch eine neue eisenbahnmäßige Einfahrt nach Triest geplant(Karstbahn). 1909 war die erste Ausbaustufe des neuen Hafens vollendet, ebenso alle neuen Eisenbahnverbindungen. Doch wenn man die enormen Kosten zum Nutzen in Bezug setzt, so war das Ergebnis dennoch eher bescheiden:

1901: 1,891.000 t

1910: 2,855.000 t (Venedig 1897: 2,122.458 t)

1913: 3,449.000 t

Hanns Haas stellt somit in seinem Aufsatz völlig zutreffend fest: „Ein selbstwirkendes Zaubermittel zur Behebung des Triester Marasmus … war die zweite Bahnverbindung(= „Neue Alpenbahnen“, Anm. d. Verf.) nicht“(28).

Alle diese Vorgänge zeigen uns deutlich, daß es zur „Industriellen Entwicklung“ mehr bedarf, als nur die „Eisenbahn“.

Das Eisenbahnsystem in Triest um 1914:

Copyright: Elmar Oberegger

 

Triest und die „Neuen Alpenbahnen“:

Copyright: Elmar Oberegger

Sie zeigen aber auch, daß es gar nichts nützt, bestimmte Strukturen in einen Kontext einzubringen, der diese zwar performativ verlangt, am Ende aber dennoch mit diesen nicht adäquat umzugehen weiß.

Im rückständigen Triest rühmte man lange Zeit den „Mastenwald am Hafen“, welcher ein sicheres Indiz für „Wohlstand“ sei – diese Sicht war in der Tat mittelalterlich und wurde bereits durch die Statistiken der Zeit widerlegt. Man erkannte nämlich lange Zeit nicht, daß sich die Schiffe nur gegenseitig im Weg standen. In Hamburg, wo der Hafenbetrieb schon früh auf moderne Weise betrieben wurde, dauerte im 19. Jahrhundert die Be- und Entladung eines großen Hochseeschiffes ca. 36 Stunden, in Triest jedoch zwei bis drei Wochen.

Einfache „Imitation“(Bachinger) nützt also nichts. Die Stagnation von „Triest Stadt &. Land“ läßt sich übrigens auch an der Bevölkerungsentwicklung klar ablesen.(s. Statistik)

Bevölkerungszunahme in „Triest Stadt &. Land“ im österr. Vergleich von 1869 bis 1880:

Nach: NEUMANN-SPALLART a.a.O., S. 36.

Es ist zu behaupten, daß es letzten Endes der höchst mangelhafte Triestiner „Geschäfts-Geist“ war, welcher der Krise stets neue Nahrung verschafft hat. Das dortige Establishment war eben zum überwiegenden Teil „habsburgisch-katholisch“ und damit beschränkt. Einen „Reynoldschen Geist“, eine „Reynoldsche Denkweise“(s.o.) vermissen wir.

Der oben bereits erwähnte Professor Dr. Franz X. Neumann-Spallart, welcher einst die Wirklichkeit in Triest ungeschminkt ans Tageslicht brachte, schreibt zu dieser Gesinnung 1882:

„Der Nervenzustand eines Handelsplatzes äussert sich im commerciellen Geiste desselben … das Nervensystem von Triest ist erschüttert“(29).

Konservativismus und Erfolglosigkeit enden schließlich irgendwann tatsächlich in einer „Schweren Depression“.

Interessant ist, daß noch im Jahr 1917 derselbe Zusammenhang bemüht wurde. Alfred Escher schlug damals für Triest u.a. vor:

„… die Heranziehung arbeitsfreudiger, tüchtiger kommerzieller Elemente(Hervorhebung d. Verf.) … “(30).

Und er setzte unmittelbar hinzu:

„Die wichtigste Voraussetzung für das Gedeihen des Handels ist jedoch die entsprechende Wertung des Eigenhandels und die Rücksichtnahme auf seine Bedeutung als eines so wichtigen Gliedes in der Volkswirtschaft aller kulturreichen Länder“.

Mit dem oben detailliert abgehandelten Beispiel wurde also gezeigt, daß die „Eisenbahn“ in der Tat kein „Zaubermittel“ für die Einleitung eines „Industrialisierungs-Prozesses“ ist.(= „Interdependenz-Hypothese“) Die Eisenbahn kann einen solchen nur unterstützen.(= „Affinitäts-Hypothese“)

 

VI: Konkrete analytische Perspektiven bzw. Methodologie.

Bereits die Ausführungen Rölls(s.o.) zeigen uns klar und deutlich, daß man in der Erforschung der „Eisenbahngeschichte“ nicht mit einer einzigen Methode auskommen kann.

Die „Technikgeschichte“ ist also nur als Nachbar-Wissenschaft(!) zu begreifen. 

Vielmehr ist mit einer vielschichtigen Methode zu rechnen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich übrigens unser Begriff „Methodologie“.(31)

Im Prinzip wird auch das Fach „Eisenbahngeschichte“ dem alten, und schon so oft auf verschiedene Weise beweinten, theoretischen Dilemma „Methodologischer Individualismus vs. Systemtheorie“ nicht entrinnen können. Entsprechend gestaltet sich also die methodische Praxis(Quellenarbeit, Oral History, Statistik u.a.m.).

Bevor wir uns nun der Frage der „Analytischen Perspektiven“ zuwenden, sei erwähnt, daß ich mich als Eisenbahnforscher und Eisenbahnhistoriker der Girtlerschen Methode des „Ero-Epischen-Gespräches“(32) in höchstem Maße verbunden fühle.

So hatte ich z.B. im Zuge meiner Forschungen zur „Geschichte der Steyrtalbahn“(2007) Gelegenheit, mit Herrn Johann Schedlberger zu sprechen, welcher über die selbst noch erlebte(!) „Alte Eisenbahn-Zeit“ höchst wertvolle Auskünfte geben konnte. Damals befand er sich bereits im 100. Lebensjahr.

Allgemein sei bezüglich einer „Methode der Eisenbahngeschichte“ ebenso festgestellt, daß der Forscher imstande sein muß, „Karten“, vielmehr aber „Illustrationen“ herzustellen.

Dies ist übrigens längst auch ein großes Bedürfnis der sogenannten „Traditionellen Historiker“ Österreichs - So sagte o.Univ.- Prof. Dr. Heinz Dopsch(Salzburg) einst in einem Seminar:

„Geschichtsstudium ohne historische Karte - Das geht nicht“.

Dopsch selbst hat sich ja – obwohl Absolvent des legendären IÖG – als großer Kartograph bezüglich der Ausdehnung des „Karantaner-Reiches“ hervorgetan.

„Karten“ oder „Illustrationen“ herzustellen geht im Prinzip ganz einfach. Wir betreten hier nun die wohl niedrigste methodische Stufe der Eisenbahnforschung, deren „Aufklärungs-Effekt“ jedoch ganz groß zu veranschlagen ist.

Man benötigt eigentlich nur einen „Sinn für Beobachtung“, ein Stück Backpapier, ein scharfes Auge, einen Bleistift und schließlich einen simplen Kopier-Apparat. Man hinterlege das bezeichnete Backpapier vor der Kopie mit einem weißen Blatt – und schon haben wir eine gute Vorlage, welche allerdings weiter zu bearbeiten(Einfügung Ortsnamen etc.) ist.

Auch Fotographien sind für die Eisenbahnforschung sehr wichtig. In diesem Zusammenhang ist besonders die großartige Reihe „Bahn im Bild“ vom Verlag Pospischil(Wien) hervorzuheben. 

Vor dem Hintergrund der Röllschen Ausführungen(s.o.) wollen wir nun aber konkrete „Analyse-Perspektiven“ vorlegen, welche dem „Zukünftigen Eisenbahnforscher“ als „Grundsätzliche Leitlinie“ dienen sollen. Eine „Allgemeine Dienstvorschrift für Eisenbahn-Geschichtsschreibung“ soll aber nicht entworfen werden.

 

Perspektive 1: „Entstehungs-Zusammenhang“.

-Woher kommt eigentlich die Motivation, eine „Eisen-Bahn“ zu errichten d.h. sich in Richtung „Modernisierung“ zu bewegen?

-Wie sieht die geographische Lage aus, in der eine Eisenbahn errichtet werden soll?

-Wie gestaltet sich die Struktur des vorherrschenden Transportsystems(Schiffahrt, Straße)?

-Wie sieht die Baugeschichte der Eisenbahn aus?

-Wie wird der Betrieb der Eisenbahn aussehen?

 

Perspektive 2: „Entfaltungs-Zusammenhang I(quantitativ)“.

-Chronologie Streckeneröffnungen.

-Statistik zu den Streckeneröffnungen.

-Karte mit Jahreszahlen der jew. Streckeneröffnung.

-Gesondert: Probleme „Verdieselung“/“Elektrifizierung“.

 

Perspektive 3: „Entfaltungs-Zusammenhang II(qualitativ)“.

-Erörterung der Motivation für die weitere Ausdehnung des Eisenbshnnetzes.

-Welche geographischen Barrieren wurden nun in Kauf genommen(evtl. Vgl. mit Perspektive 1)?

-Wie wurde der Betrieb gestaltet? Lokomotive oder Pferd?

 

Perspektive 4: „Wirkungs-Zusammenhang“.

-Erörterung der sozio-ökonomischen(u. kulturellen) Wirkung des „Eisenbahn-Systems“.

-Besondere Einbeziehung der konkurrenzierenden „Transport-Systeme“.(Fuhrwerk, LKW etc., Radio etc.)

 

Perspektive 5: „Niedergangs-Zusammenhang“.

-Wann und warum beginnt der Niedergang des Eisenbahn-Systems?

-Welche Bereiche des Systems betrifft der Niedergang vorwiegend?

-Welche Konkurrenten sind von Bedeutung? Woher beziehen diese ihre „Attraktivität“?

-Analyse des vorherrschenden Verkehrs-Bedürfnisses. Heute etwa sind Schnelligkeit und Flexibilität gefragt.

-Welche Überreste sind von aufgelassenen Eisenbahnen heute noch vorhanden?

 

Im Gegensatz zu Röll(s.o.) müssen wir in heutiger Zeit also auch bereits die „Eisenbahn-Archäologie“ in die allgemeine „Methoden-Lehre“ hereinnehmen, was den „Eisenbahnfreund“ natürlich traurig stimmt.

Für die „Archäologische Erforschung“ von ehemaligen Eisenbahntrassen sollen die „Allgemeinen Gesetze“ der „Traditionellen Archäologie“ gelten.

Auch in der Erforschung von diversen Einzelphänomenen(z.B. Geschichte einer Lokalbahn, Biographie eines Eisenbahnbauers, Eisenbahn und Sprache etc.) sollte obiger Rahmen als grundsätzlicher Hintergrund dienen.

 

VII: Anmerkungen.

1.     Vgl. bzgl. England etwa John FRANCIS: A history of the English Railways. 1824-1845. –London 1847.; Frederick S. WILLIAM: Our Iron Roads. –London 1852. Diese Publikation fußt auf der Arbeit Elmar OBEREGGER: Das Fach „Eisenbahngeschichte“. Spezifik und Methode(n) im Grundriss. –Sattledt 2009.

2.     Vgl. Franz Anton v.GERSTNER: Berichte aus den Vereinigten Staaten von Nordamerica. –Leipzig 1839, S. 46 ff.

3.     Friedrich ENGELS: Dialektik der Natur. –Ostberlin 1975(vollendet bereits 1886), S. 10 f.

4.     Siehe dazu bes. Samuel SMILES: The story of the life of George Stephenson. –London 1867.

5.     Siehe zur Kritik dieser höchst üblen Art von Kritik besonders Paul FEYERABEND: Über Erkenntnis. Zwei Dialoge. –Frankfurt/M. 1992, S. 30 ff.

6.     Auch dieses Fach, welches sich auch mit „Autoverkehr“, „Luftfahrt“ u.ä. beschäftigt, will sich nicht so recht etablieren. Vgl. dazu Georg SCHMID: Transportgeschichte. Die materiellen Grundlagen der Mobilität. In: Zeitgeschichte 7 (1979/80), S. 218 ff.; ferner Georg SCHMID: Postskriptum nach einem vierteljahrhundert(2003). In: Zur Eisenbahngeschichte des Alpen-Donau-Adria-Raumes. –Internet 2006 ff.

7.     Siehe dazu Peter J. AICHER: Guide to the aqueducts of ancient Rome. –Wauconda 1995.

8.     Vgl. zur Pyhrnstraße allgemein Kurt HOLTER: Die Pyhrnpaß-Linie in der Frühgeschichte bis zur Gründung des Hospitals am Pyhrn. In: Dorf im Gebirge. Spital am Pyhrn 1190-1990. Hrsg. v. Hans Krawarik. –Spital am Pyhrn 1990, S. 103 ff.

9.     Karl WALKER: Das Geld in der Geschichte. –Lauf 1959(hier: Ausg. Zürich 1999), S. 17.

10. WALKER a.a.O., S. 24.

11. Ursprünglich war eine Bahn von Wandworth bis ans Meer bei Portsmouth geplant gewesen. Dieses Projekt blieb aber unrealisiert. Vgl. Zur Frühzeit des englischen Eisenbahnwesens  allgemein Charles LEE: The Evolution of Railways. –London 1937.

12. Vgl. Friedrich KLUGE: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. –Berlin/New York 1989(22). Das „Idiotentum“ konnte die Eisenbahn jedoch leider – wie wir leider zur Kenntnis nehmen müssen - nicht vollständig auflösen.

13. Natürlich ist dies relativ zu sehen. Fest steht aber, daß der „Nordsee-Fisch“ in Wien bis heute gängiger ist als die „Adria-Fische“. Triest besaß im Gegensatz zu Hamburg keine „Fisch-Industrie“, weshalb die „Adria-Fische“ in Wien stets als Kostbarkeit galten und somit für den „Kleinen Mann“ im Prinzip unerreichbar waren. Der Name „Triester Fisch“ ist im Wiener Dialekt unbekannt.

14. Wir erinnern uns in diesem Zusammenhang auch an Karl HRUSCHKAs Sketch „Sternsingen“(1964), wo der Satz „Oiso des Kind hot aus’gschaut‘, ois wia a panierter Seefisch…“ vorkommt, also die „Alte Sprache“ verwendet wurde. Heute, in der sog. „Globalisierten Zeit“ ist der Name „Seefisch“ zugegebenermaßen etwas wässrig geworden.

15. Vgl. Elmar OBEREGGER: Die einzelnen Länder. –Sattledt 2007(Zur Eisenbahngeschichte des Alpen-Donau-Adria-Raumes I).

16. Siehe Josef DULTINGER: Technische und wirtschaftliche Aspekte der Zusammenarbeit von Eisenbahn und Industrie(1970). –Sattledt 2008.

17. Karl BACHINGER:  Das Verkehrswesen. In: Die wirtschaftliche Entwicklung. Hrsg. v. Alois Brusatti. –Wien 1973(Die Habsburgermonarchie 1848-1918 I), S. 279 ff. Hier: S. 320.

18. Vgl. dazu etwa die entsprechenden Angaben in „Knaurs Welt-Atlas“(Hrsg. Johannes RIEDEL), Berlin 1928. Konkret betrachtet wurden hier: Schweiz, Österreich, Italien, Jugoslawien, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Tschecho-Slowakei.

19. Vgl. zur allgemeinen Eisenbahngeschichte Albaniens OBEREGGER, Länder a.a.O., S. 71 ff.

20. Hanns HAAS: Triest im altösterreichischen Verkehrssystem. Ein eisenbahngeschichtlicher Versuch. In: Festschrift Felix Kreissler. Hrsg. v. Rudolf Altmüller u.a. –München u.a. 1985, S. 91 ff. Hier: S. 91.

21. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Elmar OBEREGGER: Die wichtigsten Eisenbahnhäfen. –Sattledt 2007(Zur Eisenbahngeschichte des Alpen-Donau-Adria-Raumes II), S. 6.; DERS.: Eisenbahngeschichte des österr. Küstenlandes. Ein Grundriß. –Sattledt 2007, S. 7 ff.

22. Vgl. zur allgemeinen Geschichte des Eisenbahnhafens Triest Elmar OBEREGGER: Die wichtigsten Eisenbahnhäfen. –Sattledt 2007(Zur Eisenbahngeschichte des Alpen-Donau-Adria-Raumes II), S. 6 ff.; Zur Entwicklung von Venedig siehe ebendort S. 3 ff.

23. Vgl. Elmar OBEREGGER: Wien-Graz-Triest. Zur Geschichte der „Erzherzog Johann-Bahn“. –Sattledt 2007, S. 3.

24. Vgl. OBEREGGER, Eisenbahnhäfen a.a.O., S. 4 ff.

25. Franz X. NEUMANN-SPALLART: Oesterreichs maritime Entwicklung und die Hebung von Triest. Eine volkswirthschaftliche Studie. –Stuttgart 1882, S.44 f.

26. Siehe Josef PIZZALA: Hilfe für Triest. –Wien 1882.

27. Vgl. zur Geschichte dieser Bahn den Art. „Hrpelje-Bahn“. In: Enzyklopädie zur Eisenbahngeschichte des Alpen-Donau-Adria-Raumes. –Internet 2006 ff.

28. HAAS a.a.O., S. 101 f.

29. NEUMANN-SPALLART a.a.O., S.41.

30. Alfred ESCHER: Triest und seine Aufgaben im Rahmen der österreichischen Volkswirtschaft. –Wien 1917, S. 107.

31. Vgl. Werner FUCHS-HEINRITZ u.a.: Lexikon zur Soziologie. –Opladen 1995, S. 436.

32. Diese Methode unterscheidet sich vom „Klassischen  Interview“ insofern, als sie den „Interview-Partner“ unbefangen als „Menschen“ zur Kenntnis nimmt, im Gespräch entsprechend achtet und damit auf bestimmte Weise liebt. Daraus entsteht erst das entscheidende Moment der „Girtlerschen Ero-Epik“ . Siehe dazu Roland GIRTLER: 10 Gebote der Feldforschung. –Wien 2004. Um als „Eisenbahn-Feldforscher“ bestehen zu können, sind diese „10 Gebote“ übrigens strikt zu beachten! 

 

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