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ZUM PROBLEM „ERSTE EISENBAHN DEUTSCHLANDS“:

Einige Bemerkungen hinsichtlich der historischen Bedeutung des „175-Jahr-Jubiläums“ der Eröffnung der Linie Nürnberg-Fürth im Jahre 2010.

 

 

Am 28. Mai 2010 wurde im Bayerischen Rundfunk von 19:45 Uhr bis 21:15 Uhr ein großartiges Jubiläums-Live-Open-Air zum Thema „175 Jahre Eisenbahn in Bayern(Nürnberg-Fürth)“ ausgestrahlt.

Diese 1835 eröffnete, nur ca. 6 Kilometer umfassende Bahn wird landläufig auch als „Erste Eisenbahn Deutschlands“ betrachtet. Vergessen wird hierbei darauf, dass schon 1831 die ausschließlich mittels Pferden betriebene, ca. 8 Kilometer lange „Deilthaler-Bahn“(Hinsbeck/R.-Nierenhof) in Betrieb gegangen ist. Hierbei handelte es sich aber in der Tat nur um eine „Kohlenbahn“ ohne Personenverkehr.

Auf der Fürtherbahn war hingegen von Beginn an auch der Personenverkehr üblich. Es wäre jedoch nicht korrekt, wenn man sie als „Erste Dampflokomotivbahn des Kontinents“ bezeichnen würde, da noch bis 1862 der „Mischbetrieb“(Pferde und Lokomotiven) üblich war. Erst die „Kaiser Ferdinands-Nordbahn“(1836 ff.) wurde als reine Dampfbahn konzipiert und errichtet.

1922 wurde die Fürtherbahn schließlich aufgelassen, die Bahngesellschaft selbst wurde jedoch erst in den 1970er Jahren liquidiert.

Um zu überprüfen, ob es korrekt ist, diese Bahn als „Erste Eisenbahn Deutschlands“ zu betrachten, müssen wir uns zunächst zwei schwierigen Begriffen annähern:

1)    Was bedeutet „Deutschland“?

2)    Was ist eine „Eisenbahn“?

Nur ein absoluter Dummkopf könnte behaupten, dass der Begriff „Deutschland“ leicht zu klären ist. Die Geschichte dieses Raumes ist allzu facettenreich.

Heute versteht man unter dem Begriff jedenfalls die alte BRD inklusive der vor 20 Jahren angegliederten DDR. Die Aussage, dass die Fürtherbahn die Erste Eisenbahn der BRD sei, wäre völlig korrekt. Allerdings bleibt die (hochpolitische) Frage, ob man nicht zum Zwecke der Festigung der „Neuen Deutschen Einheit“ im Jahr 2012 das Jubiläum „175 Jahre Erste Eisenbahn der ehemaligen DDR“ medienwirksam feiern sollte. 1837 wurde jedenfalls die Linie Leipzig-Althen dem Verkehr übergeben.

Wenn wir uns vergegenwärtigen, in welcher Zeit die Fürtherbahn gebaut wurde, so müssen wir die Existenz des sogenannten „Deutschen Bundes“ zur Kenntnis nehmen, welcher auch „Österreich“ umfasste. Dieses in vielerlei Hinsicht uneinheitliche Gebilde könnte man auch mit „Deutscher Sprachraum“ bezeichnen, müsste jedoch dabei v.a. auf die besondere nationale Situation der Deutsch-Schweizer(und der Deutsch-Elsässer) und auf die Existenz der anderssprachigen Völker(Tschechen, Slowenen etc.) im Bund klar hinweisen.

Fragt man nun nach der „Ersten Eisenbahn des deutschen Bundes“, so kommt man zum Schluss, dass diese im ethnisch gemischten, jedoch aber in alter Zeit stark deutsch geprägten Böhmen entstand und schließlich bis zur oberösterreichischen Donau herabreichte: 1827 – also sogar noch vor der „Deilthaler-Bahn“(s.o.) - wurde der Abschnitt Budweis-Trojern(Trojany) eröffnet, 1832 sodann die Gesamtstrecke Budweis-Trojern-Urfahr(Linz) dem Verkehr übergeben. Die Hauptfunktion der Bahn bestand im Salztransport, schon früh wurden aber auch andere Güter befördert. Bereits 1833 wurde der Personenverkehr eingeführt. Die Spurweite betrug 1106mm.

War aber diese Strecke - ungefähr zwanzigmal(!) so lang wie die Fürtherbahn und technisch höchst anspruchsvoll(Gebirgsquerung) - überhaupt eine „Eisen-Bahn“? Hier sind die Meinungen geteilt.

Die Eisenbahn Nürnberg-Fürth:

Copyright: Elmar Oberegger

Nur eine ca. 6 Kilometer lange, gerade Linie. In der Tat kein großartiger technischer Wurf!

Dies führt uns nun zur Frage, was eine „Eisenbahn“ eigentlich ist.

Horst Weigelt publizierte im Jahr 1985 eine sehr instruktive Arbeit mit dem Titel „Epochen der Eisenbahngeschichte“. Dort schreibt er einleitend:

„Die Eisenbahnvorgeschichte ist wegen einer Fülle oft zeitgleicher Ereignisse und vieler Irrwege sehr unübersichtlich … Die Darstellung in einer Synchronopse, geordnet nach Entwicklungslinien der wichtigsten Komponenten des Systems Eisenbahn, vermittelt einen umfassenden Überblick“(S. 1).

Damit unterlässt es Weigelt also, gleich zu Beginn den Begriff „Eisenbahn“ wenigstens in Umrissen zu definieren und schreibt somit in seiner Synchronopse später zur Budweiser-Bahn(s.o.) kleinkrämerisch:

„So konnte Österreich zwar mit der Eröffnung der gesamten, 130km langen Strecke zwischen Budweis und Linz am 1. August 1832 die Ehre beanspruchen, die älteste Überlandbahn des Kontinents gebaut zu haben. Aber … diese Bahn verdient noch nicht die Bezeichnung ‚Eisenbahn‘, weil sie mit dem hölzernen Gleis und Flacheisenauflage sowie der Pferdebespannung hinter dem englischen Prototyp Eisenbahn weit zurückblieb“(S. 25).

In der Tat: Diese Bahn bestand aus Holzbalken, welche mit Eisen-Leisten beschlagen waren. Dasselbe galt auch für die Räder der Waggons. Deshalb spricht man hier rein technisch von einer „Holz- und Eisenbahn“(s. etwa Enderes).  

Der Historiker muss nun klar erkennen, dass hierbei das „EISEN“ in (technik-)geschichtlicher Hinsicht weitaus höher zu bewerten ist, als das Holz: „Holzbahnen“ gab es ja schon im mittelalterlichen Bergwerk. Da hier der Verschleiß naturgemäß enorm war, hätte dieses System niemals eine nachhaltige Revolution im Landverkehr herbeiführen können. Dies war erst möglich, als das EISEN als zusätzliche Komponente ins System integriert worden war. Erst damit war eine dauerhafte Harmonisierung von Rad und Untergrund herbeigeführt.

In diesem Sinne schreibt der renommierte Eisenbahnhistoriker Alfred Birk in der Röllschen Enzyklopädie(1912 ff.):

„E(isenbahn) ist im weitesten Sinne jede mit eisernen Schienensträngen als Spur der Fahrzeuge ausgerüstete Bahn. Unter Bahn(line, trackway, ligne, voie) versteht man eine künstliche Unterlage für Fuhrwerke, die zu dem Zwecke hergestellt wird, die Bewegung der Fuhrwerke durch Verminderung der Bewegungswiderstände zu erleichtern(Fahrbahn der Straße)“.

In meiner Schrift „Das Fach ‚Eisenbahngeschichte‘“(2009) hielt ich, von Birk durchaus beeinflusst, fest:

„Die Spezifik der ‚Eisenbahn-Geschichte‘ innerhalb der ‚Allgemeinen Transportgeschichte‘ liegt darin, daß hier ein System vorliegt, in dem ‚Rad‘ und ‚Untergrund‘ erstmals ‚harmonisiert‘ wurden. Dies löste schließlich im Landverkehr eine ‚Revolution‘ aus“(S. 5).

In der Tat hatte die Anlage eines Kopfsteinpflasters o.ä.(Römerzeit, Mittelalter) keine echte „Harmonisierung zwischen Rad und Untergrund“ herbeiführen können.

Derart betrachtet geht also die Erfindung des Eisenbahnsystems bereits ins 18. Jahrhundert(„Reynoldsche Barrenschiene“, England 1767) zurück und die 1803 sowohl für Güter- als auch Personenverkehr eröffnete Bahn von Wandworth a.d. Themse nach Croydon wäre als „Erste Eisenbahn der Welt“ anzusehen.

Dem Historiker kann es also völlig egal sein, wie eine Eisenbahnschiene genau ausgesehen hat. Wichtig allein ist, dass das Eisen das tragende, ausschlaggebende Moment im Transport-System ist.

Man sieht also, dass zwischen dem Techniker und dem Historiker ein breiter und tiefer Graben klafft: Während der eine induktiv vorgeht, also kleinkrämerisch jedes technische Detail betont, so geht der andere deduktiv vor, d.h. hat ein klares Bewusstsein, was eine „Eisenbahn“ wirklich ist. Das Verhältnis Techniker-Historiker ist also von seiner Struktur her im Prinzip unversöhnlich. Nur mittels gegenseitiger Toleranz kann man somit größere Konflikte vermeiden.

Wir kommen vor obigem Hintergrund jedenfalls zum Schluss, dass die Budweiser-Bahn als „Eisenbahn“ zu gelten hat: Sie war die Erste Eisenbahn des Deutschen Bundes und des Deutschen Sprachraumes. Dies schlug sich auch deutlich in der Bezeichnung ihrer Errichter-Gesellschaft nieder, welche schlicht „k.k.priv. Erste Eisenbahngesellschaft“ hieß. Ein nationaler Zusatz fehlte. Man schien ihn damals ganz einfach nicht zu benötigen. Auch der (italienische) Name „Ferrovie Stato“(FS) benötigt übrigens keinen nationalen Zusatz.

Als großes technisches Manko der Bahn wurde und wird der Umstand erkannt, dass sie noch mittels Pferden betrieben wurde, als anderswo bereits das Dampfross pfauchte. Wir wollen uns nun der Ursache für diesen Umstand zuwenden, wobei wir etwas ausholen müssen.

Beginnen wir mit der Feststellung des Sachverhaltes, dass in Weigelts ansonsten so ehrgeiziger „Synchronopse“(s.o.) die „Gerstnersche Eisenbahn-Revolution“ völlig negiert wird:

Franz Anton von Gerstner(1796-1840) - welcher die Budweiser-Bahn plante und z.T. errichtete - hatte im Zuge seines ersten England-Aufenthaltes dem dortigen System der „Schiefen Ebene“(Inclined Planes) zur Überwindung von Höhenunterschieden eine klare Absage erteilt.

Das englische „Inclined Planes-System“:

Copyright: Elmar Oberegger

Die Züge wurden also über eine „Stationary Steam Engine“ per Seil emporgezogen, und dann wieder mittels „Locomotive Steam Engine“ weiterbefördert. Diesen „Systembruch“ lehnte Gerstner strikt ab.

Er fürchtete „Steigungen“ nicht, sondern hielt sie auch ohne Anlage von „Schiefen Ebenen“ für technisch überwindbar(Anlage von Einschnitten, Dämmen und Brücken). Somit definierte er das „System Eisenbahn“ als „technisch einheitlich“ und erkannte somit folgerichtig in einer „Eisenbahn“ nur eine „Straße“. Wörtlich sagte er dazu:

„Ich erklärte … dass ich eine Eisenbahn sowohl in den Hauptgrundsätzen ihrer Anlage, als in ihrem Zwecke nur als eine sehr gute Kunststrasse betrachte, und daher in keinem Falle schiefe Flächen annehmen könne; allein meine Ansichten wurden von Niemandem in England gebilligt“(S. 56).

Damit legte Gerstner das Fundament für die „Gebirgseisenbahn-Technik“, welche schließlich am Semmering(Ghega) ihre erste Hochblüte erfuhr und am Ende auf der ganzen Welt Verbreitung fand(s. zuletzt „Tibet-Bahn“). Enderes nennt diese Technik 1926 „Deutsche Eisenbahnbaukunst“. Sogar in England baute man nach anfänglicher Skepsis nach und nach die vorhandenen Inclined Planes um.

Gerstners Konzept - von technischer Problemstellung und Niveau her mit dem Projekt „Fürtherbahn“ überhaupt nicht vergleichbar – sah offenbar so aus, dass er zunächst bei mäßiger Steigung(max. ca. 10 Promill) kurze und schwere Züge bis zur Hochpunkt-Zone bei Kerschbaum(immerhin 1,3 Kilometer) hinaufziehen wollte. Dort, in dieser offenbar als „Zugbildungs-Bahnhof“ gedachten Zone sollten sodann lange und schwere Züge zusammengestellt werden, welche im Prinzip (energiesparend) bergab rollen sollten. Im Falle von leeren Waggons könnten längere Züge auch bergauf befördert werden.

Budweiser-Bahn: Das Konzept Gerstner.

Copyright: Elmar Oberegger

Dieses Konzept erinnert übrigens stark an die alten englischen Kohlenbahnen, welche uns auch Weigelt in seiner „Synchronopse“ vorführt(s. S. 18): Die vollen Waggons rollten mit eigener Kraft bergab bis zur Verladestelle(Terminal), welche sich in der Regel an einer Wasserstraße befand. Das Pferd trabte hinterher und schonte somit seine Kräfte. Erst auf dem Rückweg musste es den leeren, leichteren Wagen ziehen. Für Gerstner stand schon sehr früh fest, dass auf einer solchen Bahn auch „Dampf-Lokomotiven“ eingesetzt werden könnten.

Doch aufgrund von Intrigen, v.a. aber aufgrund finanzieller Probleme verließ er die Baustelle vorzeitig(1828) und sein Nachfolger Schönerer verunstaltete sein Werk in der Folge. Hierbei fügte sich dieser strikt der Vorgabe der Eisenbahngesellschaft, die Bahn möglichst billig und schnell fertigzustellen. Betrachtet man das Längenprofil, so ist deutlich zu erkennen, dass sich die Abschnitte Budweis-Lest(noch errichtet nach Gerstners Plan) und Lest-Urfahr(Linz)(geplant und errichtet von Schönerer) klar voneinander unterscheiden.

Das Längenprofil Budweis-Urfahr(Linz):

Aus: Enderes 1926/2007: 18.

Ursprünglich sollte die Bahn bis Mauthausen geführt werden, erst später entschied man sich für Linz als Endpunkt.

Gerstner schreibt dazu(Hervorhebungen d.Verf.):

„Die Grundsätze bei der Anlage dieser Bahnstrecke waren, keine grössere Steigung als 1:120, oder 44 Fuss per engl. Meile, dann keinen kleinern Krümmungshalbmesser als 600 österreichische oder 622 englische Fuss anzunehmen, ferner keine erstiegene Höhe wieder zu verlieren. Da die Bahn vorzüglich für den Salztransport berechnet war, so bestand der Oberbau aus Flachschienen(plate rails), die auf Holz genagelt waren, und das angenommene Maximum der Steigung gründete sich darauf, dass die Wagen nach damaliger Construction bei dieser Steigung auf Flachschienen von selbst herabzulaufen anfingen … So klar und deutlich die Grundsätze dieses Baues Jedermann erscheinen mussten, und so sehr auch der Erfolg der Fahrten allen Erwartungen entsprach, so wurden dennoch Vorschläge wegen Abänderung derselben gemacht, und von der Direction der Gesellschaft ohne weitere Untersuchung angenommen. Ich … machte … den Vorschlag, leichte Locomotiven zum Transporte zu gebrauchen, allein die Direction nahm auch hierauf keine Rücksicht, und liess nun den weitern Bau, an welchem ich keinen Antheil mehr hatte, vom Scheidungspunkte bis Linz nach einem Plane ausführen, wobei Steigungen von 1:46 oder 115 Fuss per engl. Meile in bedeutenden Strecken vorkamen, grosse erstiegene Höhen mehrmals verloren wurden, und häufig Krümmungen von 60 Fuss Halbmesser Statt hatten … Ueberdiess ist man jetzt in die Unmöglichkeit versetzt, Dampfkraft zu gebrauchen … Es gibt wohl keine Bahn … wo die Grundsätze des Baues bei ihren zwei Hälften so sehr verschieden sind … und es ist als Warnung für ähnliche Fälle nur zu wünschen, dass möglichst viele Personen die Bahn bereisen, und sich an Ort und Stelle von dem Erfolge des Baues nach beiden Grundsätzen überzeugen“(S. 56).

In Schönerers Konzept wurden also bereits erreichte Höhen wieder verloren, was als höchst unökonomisch zu betrachten ist. Hinzu kommt die Anlage größter Steigungen und enger Kurven(s.o.), welche die Einführung von Dampflokomotiven auf lange Sicht verhinderten. Zuerst aufgrund dieser großen Steigungen, später aufgrund der engen Kurven, und als dann auch dieses Problem gelöst schien(1854), zahlte sich die Einführung des Dampfbetriebes, welche auch eine teure Adaptierung des Oberbaus bedeutet hätte, nicht mehr aus.(s.d. Savernik)

1857 ließ sich die „Erste Eisenbahngesellschaft“ von der neuen „Elisabethbahn-Gesellschaft“ aufkaufen. Diese neue Gesellschaft wurde gleichzeitig zu einem grundlegenden Umbau verpflichtet – Aus der alten, teils sehr kurvigen Schmalspurbahn(1106mm) sollte eine moderne und normalspurige Lokomotivbahn werden. Zwischen 1869 und 1872/73 wurde diese Maßnahme sodann endlich umgesetzt.

Die „Gerstnersche Gebirgstrasse“ im Vergleich zur heutigen Trasse:

Copyright: Elmar Oberegger

Im Zuge der Modernisierung der Eisenbahnverbindung Budweis-Linz wurde die alte Pferdebahntrasse in weiten Teilen aufgelassen.

Hätten sich die Dinge für Gerstner günstiger entwickelt, dann wäre die Budweiser-Bahn mit folgenden stolzen Titeln zu versehen gewesen:

1)    Erste Dampfbahn des Kontinents.

2)    Erste gebirgsquerende Dampfbahn der Welt. Derart kann aber erst die Semmeringbahn(Ghega) bezeichnet werden. Enderes dazu: „Trotzdem die Linz-Budweiser Strecke Gerstners Ansicht als richtig erwies und trotzdem allmählich auch die Engländer die schiefen Ebenen aufgaben, mußte Ghega 20 Jahre später bei dem Entwurf der Semmeringbahn diesen Kampf noch einmal durchfechten“(S. 15 f.).

So aber kann die Bahn nur für sich in Anspruch nehmen, einerseits die Erste Eisenbahn des deutschsprachigen Raumes und andererseits die „Erste gebirgsquerende Eisenbahn der Welt“ dargestellt zu haben.

Zum Dampfbetrieb schreibt Enderes:

„Es ist richtig, daß Schönerer durch seine Bauweise den Lokomotivbetrieb unmöglich gemacht hat. Insofern ist er daran schuld, daß die Linz-Budweiser Bahn nicht die erste Lokomotiv-Eisenbahn des europäischen Festlandes wurde. Aber das bittere Urteil Gerstners trifft eigentlich weniger Schönerer als die Direktion, d.h. die Geldgeber. Man kommt zu einem recht betrüblichen Ergebnis, wenn man die Menschen und Verhältnisse, mit denen es Gerstner zu tun hatte, mit denjenigen vergleicht, denen zur selben Zeit Stephenson gegenüberstand … 1825 erlebte England einen furchtbaren ‚Krach‘, der die Geldflüssigkeit auf Jahre hinaus drosselte. Die Gesellschaft mußte 1826 angesichts der Überschreitungen der Anschläge und der Schwierigkeit, die Nachschüsse der Aktionäre einzutreiben, zu einer Anleihe … greifen. Aber sie ließ ihren Bauleiter nicht fallen“(S. 20 f.).

Und er setzt noch hinzu: Hätte Gerstner sich

„… auf Männer mit gleicher Voraussicht, Zähigkeit, Geld- und Tatkraft stützen können, wie Stephensons Freunde, so wäre Schönerer nicht gezwungen gewesen, sich nach der Decke zu strecken und die Linz-Budweiser Bahn wäre die erste Lokomotivbahn des Festlandes und für Deutschland fast dasselbe geworden, wie die Liverpool-Manchester Bahn für England. Dies wurde durch den Kleinmut des Bürgertums und der Finanzkrise verhindert. Auch hier zeigt sich wieder die merkwürdige Tatsache, daß diese weniger fortschrittlich dachten als die Regierung, die die Bahn mit unerhörten Begünstigungen gefördert hatte, und weniger unternehmungslustig als der böhmische Hochadel, der den Bau überall und jederzeit tatkräftig förderte“.

Die simple These also, dass die Nürnberg-Fürther-Bahn die „Erste deutsche Eisenbahn“ gewesen wäre, kann vor obigem Hintergrund nicht ganz einfach unkritisch hingenommen werden. Die Angelegenheit „Erste deutsche Eisenbahn“ ist – wie fast alle „Deutschen Angelegenheiten“ vielschichtig und kompliziert. Sie sollte somit zukünftig entsprechend, d.h. auf breiterer Basis diskutiert werden.

Fest steht nur, dass die Fürtherbahn die Erste Eisenbahn Bayerns und der alten BRD war. Fest steht aber auch, dass diese im Vergleich zur Budweiser-Bahn sowohl hinsichtlich ihrer Ausdehnung als auch ihres technischen Niveaus eher kümmerlich dasteht.

 

Quellen:

BIRK Alfred: Eisenbahn. In: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. –Berlin/Wien 1912 ff.

ENDERES Bruno: Die „Holz- und Eisenbahn“ Budweis-Linz. Das erste Werk deutscher Eisenbahnbaukunst. –Berlin 1926(Hier: Nachdruck 2007).

GERSTNER Franz Anton: Eisenbahnen in Oesterreich. In: Berichte aus den Vereinigten Staaten von Nordamerica, über Eisenbahnen, Dampfschiffahrten, Banken und andere öffentliche Unternehmungen. v. Ders. –Leipzig 1839, S. 55 ff.

OBEREGGER Elmar: Zur Eisenbahngeschichte des Alpen-Donau-Adria-Raumes I. –Sattledt 2007.

OBEREGGER Elmar: Die erste (österreichische) Eisenbahngesellschaft und ihr Netz. –Sattledt 2008.

OBEREGGER Elmar: Das Fach „Eisenbahngeschichte“. Spezifik und Methode(n) im Grundriss. –Sattledt 2009.

SAVERNIK Hermann: Der Dampfbetrieb auf der Pferdeeisenbahn (Budweis-)Linz-Gmunden. –Linz 2009.

WEIGELT Horst: Epochen der Eisenbahngeschichte. –Darmstadt 1985.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2010.