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ZUR EISENBAHNGESCHICHTE DER BUKOWINA:

 

I: Allgemeines.

2016 werden es 150 Jahre, daß die Bukowina(= „Buchenland“) erstmals durch den Schienenstrang berührt wurde. 1866 erschloß die „k.k. priv. Lemberg-Czernowitz-Eisenbahngesellschaft“ die Hauptstadt Czernowitz.

Von 1776 bis 1918 war die Bukowina ein „österreichisches Land“. Man kann hoffen, daß das Jubiläum „150 Jahre Eisenbahn“ feierlich und mit „Europäischem Geist“ begangen werden wird. Seit 1940 ist die Bukowina geteilt und stellt seither in der Tat nur noch eine „europäische Landschaft“ dar. Der Südteil ist bereits heute Teil der EU. Der „Europäische Geist“, welcher hier als „Geist der Völkerfreundschaft“ verstanden wird, möge vor Staatsgrenzen nicht haltmachen.

Die Bukowina, welche mit 10.442 qKm ungefähr so groß war bzw. ist wie das alte Kärnten(10.327 qKm), wurde durch Joseph II. auf höchst listige Weise dem Herrschaftsbereich des „Osmanischen Reiches“ entrissen. Die Annexion erfolgte 1776, ein Jahr später fand in Czernowitz die Huldigungszeremonie statt.

Wirtschaftlich war das neue Land wenig interessant. Ungleich größer war seine verkehrsmäßige Bedeutung: Über die Bukowina sollte eine spangenartige Straßenverbindung zwischen (Ost-)Galizien und Siebenbürgen angelegt werden. Die geographische Zone zwischen Wald- und Ostkarpathen bot diesbezüglich günstige Möglichkeiten. Diese Verbindung wurde auch hergestellt.

Eisenbahngeschichtlich ist aber interessant, daß diese „Josephinische Spange“ bis 1914 nicht schienenmäßig ausgebaut worden ist. Das Hauptnetz blieb also in Friedenszeiten unvollständig.

Vor dem Hintergrund des „Ersten Österreichischen Lokalbahngesetzes“(1880) kam der Lokalbahnbau massiv in Gang. Hingewiesen sei schon an dieser Stelle darauf, daß in der Bukowina schließlich auch sogenannte „Schlepp-Bahnen“(= Nebenbahnen für Massengüter) dem Personenverkehr eröffnet wurden. Sie werden hier deshalb den „Lokalbahnen“ zugerechnet.

 

II: Das heutige und das alte Netz im Vergleich(2009/1918).

Das heutige(o.) und das alte Netz(u.):

Copyright: Elmar Oberegger

Vergleicht man die heutige Struktur mit jener aus 1918, dann kommt man vor allem zum Ergebnis, daß das Netz keineswegs zerstört, sondern teilweise sogar gehoben wurde. Den größten Eingriff stellte mit Sicherheit die Umstellung auf Breitspur im Norden dar.

Die Veränderungen en dètail: Die „Lopuszna-Linie“ wurde um den Abschnitt Beregomet-Lopuszna verkürzt, die „Koszczuja-Linie“ um den Abschnitt Krasnoil`sk-Koszczuja, die „Iswor-Linie“ um den Abschnitt Nisipitu-Iswor, die „Ruska-Linie“ um den Abschnitt Moldovita-Ruska. Ferner wurde Siret neu ans Netz angebunden und die neue Bahn Suczawa-Gura Humorului errichtet. Von Vatra Dornei aus wurde eine neue Südlinie(nach Klausenburg) hergestellt.

 

III: Der mangelhafte Ausbau des Hauptnetzes.

Wenn man den „Ersten österreichischen Eisenbahnplan“ aus dem Jahre 1836 betrachtet, so ergibt sich, daß die Bukowina überhaupt nicht erschlossen werden sollte. Stanislau(I.Frankowsk) wurde als letzter östlicher Außenposten des Eisenbahnsystems betrachtet.(s. Karte) Erarbeitet wurde dieser Plan von Prof. Franz X. Riepl, welcher mit Rothschild verbunden war. Die Bukowina war für diesen offenbar ökonomisch uninteressant.

Der „Erste Eisenbahnplan für Österreich“(Riepl 1836):

Copyright: Elmar Oberegger

Eine Erschließung des Gebietes jedoch befahl die Staatsraison. Bereits 1857 waren die Trassierungsarbeiten für die Herstellung einer lückenlosen Lemberg-Czernowitzer-Verbindung abgeschlossen worden. Dazu später.

Im Jahre 1864 wurde für die Bukowina schließlich ein ehrgeiziges Erschließungskonzept vorgelegt(s. Karte), welchem auch Handelsminister Wüllerstorf-Urbair in seinem 1866 publizierten, historisch bedeutenden Memorandum „Ein Eisenbahnnetz für die österreichische Monarchie“  zumindest in den Grundzügen folgte(s. Karte).

Das Erschließungskonzept für die Bukowina 1864(o.) und 1866(u.):

Copyright: Elmar Oberegger

Hervorzuheben ist, daß in beiden Konzepten die Errichtung einer Verbindung mit Siebenbürgen vorgesehen ist. Aus historischer Sicht kann diese „Siebenbürgener Verbindung“ in der Tat mit „gut josephinisch“ bezeichnet werden. Die Möglichkeit einer Verbindung von Ost-Galizien mit Siebenbürgen mittels einer durch die Bukowina führenden Verkehrslinie war ja für Joseph II. – wie oben bereits ausgeführt - der Hauptgrund für deren Annexion gewesen. Wie ebenfalls bereits erwähnt wurde, war die Errichtung einer solchen Bahn in Friedenszeiten unterblieben. Zu den Gründen später in diesem Abschnitt.

Beide obigen Konzepte sehen ferner zwei Hauptbahnverbindungen zwischen Czernowitz und Wien vor. Im Falle von Wüllerstorf-Urbairs Plan wäre in diesem Zusammenhang auch der Siebenbürgener Verbindung Bedeutung zugekommen. Die eine Linie war via Lemberg vorgesehen, die andere via Budapest. Forciert wurde in der Folge aber die Lemberger Linie, obwohl diese länger war.(s. Karte)

Relation Wien-Czernowitz 1864: Direttissima, Lemberger Verbindung(i. Bau), Budapester Verbindung.

Copyright: Elmar Oberegger

Sicherlich liegt der Grund hierfür darin, daß die mächtigen Galizier den Transit Wien-Czernowitz über ihr Gebiet verlaufen lassen wollten. Dazu kam vielleicht die Angst, daß die Bukowina, welche von 1787 bis 1849 Teil Galiziens war, über eine Budapester Linie vom angeblichen „Mutterland“ total entfremdet werden könnte. Vielleicht fand die Vernachlässigung der Budapester Linie aber auch einfach nur vor dem Hintergrund eines Mißtrauens gegenüber Ungarn statt.

Nun zur historischen Entwicklung der Lemberger Verbindung. Im Jahre 1857 – der Umstieg vom Staatsbahn- auf das Privatbahnsystem lag bereits ca. drei Jahre zurück – wurde die Linie Stanislau-Czernowitz noch vom Staat selbst trassiert(s.o.). 1858 wurde sodann die „k.k. priv. Karl Ludwig-Eisenbahngesellschaft“ konzessioniert, deren Auftrag darin bestand, den Schienenstrang bis Lemberg vorzutreiben. Die Erschließung von Czernowitz blieb hingegen eine Option. 1861 war die Verbindung Wien-Lemberg schließlich hergestellt.

Mit Zustimmung der Karl Ludwigsbahn(s.o.) wurde sodann 1864 die „k.k. priv. Lemberg-Czernowitzer-Eisenbahngesellschaft“ konzessioniert. Ihr oblag es nun, Czernowitz an das Eisenbahnnetz anzubinden. Dies geschah bis 1866.(s. dazu Karte)

In der folgenden Zeit orientierte sich der Bahnbau in Richtung Süden: 1867 wurde der Lemberg-Czernowitzer-Gesellschaft die Linie Czernowitz-Suczawa konzessioniert. Damit war nun eine gute Voraussetzung zur Schaffung einer „Siebenbürgener Linie“ geschaffen.

Die Idee, eine solche Verbindung herzustellen, war bereits 1862 - also zu einem relativ frühen Zeitpunkt - geäußert worden. In Planung war sodann die Gründung einer eigenen Eisenbahngesellschaft. Doch die Angelegenheit nahm schließlich ein trauriges Ende. Emanuel A. Ziffer schreibt:

„Die Concessions-Verhandlungen konnten, nachdem im November 1865 das Bauproject dem k.k. Handelsministerium überreicht wurde, und der Bukowinaer Landtag in der Session desselben Jahres zu Gunsten des Baues einer Bahn in das Moldawathal eingetreten war, zu Anfang des Jahres 1866 begonnen werden. Durch die damals eingetretenen Zeitverhältnisse mussten die Verhandlungen unterbrochen und konnten später nicht mehr aufgenommen werden“.

Offenbar spielt Ziffer hier auf das Problem des „Ausgleichs(1867)“ zwischen Österreich und Ungarn an. Immerhin handelte es sich im Falle der Siebenbürger Linie um eine „grenz-überschreitende Verbindung“. Ungarn hatte ab 1867 auf jeden Fall mitzuentscheiden, ob sein Siebenbürgen mit der österreichischen Bukowina eisenbahnmäßig verbunden wird.

Die weit verbreitete Ansicht, daß der „Ausgleich“ schon 1867 ein abgeschlossenes Projekt gewesen sei, ist falsch. Noch über Jahrzehnte gingen die oft quälenden Detailverhandlungen weiter. Am Beispiel der Eisenbahngeschichte Dalmatiens läßt sich eindrucksvoll zeigen, wie feindselig Ungarn österreichischen Eisenbahnplänen begegnete, welche seine Interessen bzw. sein Gebiet berührten. Der altehrwürdige Eisenbahnhistoriker Ignaz Konta vermerkte dazu mit Recht sinngemäß, daß es für Österreich in der Tat leichter sei, mit völlig fremden Staaten eisenbahnmäßige Anschluß-Verhandlungen zu führen, als mit Ungarn. Die Hypothese, daß in der Tat Ungarn es war, welches die Herstellung der Siebenbürgener Linie verhinderte, ist also legitim.

Die militärische Wichtigkeit dieser Verbindung lag auf der Hand: Wenn es der russischen Armee im Zuge eines eventuellen Krieges gelingen würde, die Wien-Czernowitzer-Bahnverbindung z.B. bei Lemberg zu unterbrechen, so säßen ganz Ost-Galizien und auch die Bukowina in der Falle, d.h. sie könnten nicht mehr auf moderne Weise versorgt werden.

Es muß allerdings angemerkt werden, daß Österreich nie verbissen um die Errichtung einer Siebenbürgener Verbindung gekämpft hat. Offenbar war man also nicht geneigt, sich an die Bukowina und andere Ostgebiete politisch zu klammern. Sie waren wirtschaftlich relativ uninteressant. Im Zuge von Friedensverhandlungen hätten diese Gebiete in die Waagschale geworfen werden können. Wichtig für Österreich war vor allem das wirtschaftsstarke Böhmen u.a. industrialisierte Gebiete.

Die oben referierte These Kontas bewahrheitete sich in der Bukowina auf höchst unheilvolle Weise:

Die „Lemberg-Czernowitzer-Gesellschaft“ – welche die 1867 konzessionierte Linie Czernowitz-Suczawa(s.o.) bis 1869 in der Tat herstellte(s. Karte) – hatte schon 1868 – also ca. ein Jahr nach dem „Ausgleich“ – in Rumänien die Konzession für die Linie Suczawa-Jassy(mit Zweiglinien) erworben und orientierte sich damit in Richtung Ausland. Eine Verbindung nach Ungarn war erst gar nicht in Betracht gezogen worden. 1869/71 war das „Rumänische Projekt“ vollendet.

Die „Österreichischen Linien“ der k.k. priv. Lemberg-Czernowitz-Jassy-Eisenbahngesellschaft“:

Copyright: Elmar Oberegger

Die Frage der Siebenbürgener Verbindung löste sich schließlich in „Lokalbahn-Debatten“ auf. 1902 reichte der Schienenstrang immerhin bereits bis Dorna Watra.(s. Karte)

Zusammenfassend ist also festzuhalten: Der Aufbau des Hauptnetzes der Bukowina war höchst mangelhaft erfolgt.

Die „Stunde der traurigen Wahrheit“ schlug im Jahre 1914, als der Erste Weltkrieg ausbrach. Nun mußte das Militär zur Verteidigung der Bukowina das realisieren, was die zivilen Kräfte bisher vernachlässigt hatten: Nämlich die „Siebenbürger-Linie“, deren historische Ursprünge bereits „josephinisch“(!) sind.(s.o.)

Der Süden der Bukowina ist – wie oben bereits gesagt – gebirgig. Für die sinnvolle Herstellung einer „Siebenbürgener-Bahn“ wäre auf jeden Fall die Einschaltung eines Tunnels nötig gewesen. Doch dafür fehlte nun, im Jahre 1914, die Zeit.  

Man ging wie folgt vor:

Zuerst wurde der Schienenstrang bis zum Fuß des Hochgebirges herangeführt. Sodann kam es zur Einschaltung von Steilrampen, deren Höchststeigung 80 Promill(!) betrug. Zum Vergleich: Die höchste Steigung auf der Semmering-Bahn beträgt „nur“ 25 Promill.

1915 war das „Große Werk“ schließlich vollendet. Interessant ist, daß man zur Bewältigung der Steilstrecken nicht die Zahnstange einsetzte, sondern spezielle benzin-elektrische Triebwägen(4-5 Waggons) mit einer Leistung von 150 PS.

Wie hätte sich wohl Joseph II. zu den oben dargestellten, höchst bedenklichen Strukturen geäußert?

Das „System der Steilrampen“ wurde auch noch nach dem Krieg, also in rumänischer Zeit, aufrechterhalten. Gerade so lange, bis die nördlich gelegene, neue Bahn vollendet war.(s. Karte) Die Steilstrecken wurden in der Folge aufgelassen. 

Problem „Siebenbürgener-Linie“: Die „Kriegs-Notbahn“(1915) und die neue Bahn(1938).

Copyright: Elmar Oberegger

 

IV: Das Lokalbahnwesen.

Viele fortschrittlich orientierte Geister in der Bukowina waren Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Ausbaustand des Eisenbahnnetzes höchst unzufrieden. Man verlangte schließlich nach einer „Großen Aktion“.

1880 trat das „Erste österreichische Lokalbahngesetz“ in Kraft, welches neue Möglichkeiten bot. Angestrebt wurde vorerst eine Verbindung mit Bessarabien, dem russischen Hafen Odessa und Moskau via Nowosielica. Diese Bahn war schon 1865 geplant worden. Wien mag schon damals wenig Gefallen an diesem Projekt gefunden haben.

1884 wurde diese Linie als „Lokalbahn“ dem Verkehr übergeben. Erst 1893 kam jedoch der Kontakt zum russischen Netz zustande.

Der Lokalbahnbau kam nun massiv in Gang und machte in der Folge hervorragende Fortschritte(s. Statistik). Die maßgebenden Lokalbahngesellschaften waren die „Bukowinaer Lokalbahnen“ und die „Neue Bukowinaer Lokalbahn-Gesellschaft“.

Eisenbahnstatistik der Bukowina von 1870-1910:

Copyright: Elmar Oberegger

 

Eisenbahnkarte der Bukowina 1910:

Copyright: Elmar Oberegger

„Wirtschaftliche Wunder“ konnten diese Bahnen natürlich nicht bewirken, dafür aber schufen sie „Möglichkeiten“ als Grundlage für die Zukunft.

Interessant ist, daß fast alle Lokalbahnen der Bukowina normalspurig errichtet worden sind. Der Grund dafür, warum in diesem Gelände die billigere Schmalspur(76cm) so wenig Anwendung gefunden hat, ist eine Forschungsfrage der Zukunft.

Abschließend eine über das Jahr 1910 hinausreichende Chronologie zum Lokalbahnbau in der Bukowina:

1884: Czernowitz-Nowosielica

1886: Hliboka-Karapcziu-Berthometh; Karapcziu-Czudin

1888: Hatna-Kimpolung

1889: Wama-Russ.Moldowitza(Schleppbahn); Hadikfalva-Radautz

1897: Hliboka-Sereth; Itzkany-Suczawa

1898: Radautz-Brodina(Frassin); Karlsberg-Putna(Schleppbahn); Nepolokoutz-Wiznitz; Luzan-Zaleszcyki-Landesgrenze

1899: Landesgrenze-Stefan

1901: Kimpolung-Valeputna

1902: Valeputna-Jakobeny-Dorna Watra

1906: Pozoritta-Fundulmoldovi

1908: Czudin-Koszczuja(schmalspurig)

1909: Berometh-Mezybrody-Lopuszna

1910: Werenczanka-Okna

1911: Sereth-Synoutz Landesgrenze

1913: Brodina-Seletin(schmalspurig)

Im Zuge des Ersten Weltkrieges wurde die Strecke Russisch Moldowitza unter Einbeziehung einer vorhandenen Waldbahntrasse bis Ruska(Rasca) verlängert. Zur selben Zeit kam es zur Herstellung einer Normalspurverbindung von Brodina nach Iswor. Ebenfalls kam es damals zur Herstellung einer „Not-Verbindung“ nach Siebenbürgen via Dorna-Watra.(s. o.)

 

V: Quellen.

KONTA Ignaz: Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs vom Jahre 1867 bis zur Gegenwart. In:  GdÖU I/2, S.  1 ff. Hier: S. 200.

OBEREGGER Elmar: Zur Eisenbahngeschichte der Bukowina. Eine Skizze. –Sattledt 2009.(dort weitere Quellenangaben)

WÜLLERSTORF-URBAIR Bernhard: Ein Eisenbahnnetz für die österreichische Monarchie. In: Österreichische Revue 1866, S. 22 ff.

ZIFFER Emanuel A.: Die Localbahnen in Galizien und der Bukowina im Anschlusse an die k.k. priv. Lemberg-Czernowitz-Jassy-Eisenbahn. 2 Bde. –Wien 1891 u. 1908. Hier: Bd. 1, S. 48.

 

Copyright: Elmar Oberegger 2009.